LEBEN UND
WALTEN DER
LIEBE
1
Sören Kierkegaard, Albert Dornen
)o<?Ie
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Itkn nit) f ultra Ut jitk
Von
2lus &em Dänifdfjen flberfe§t
1890.
•
~pAto. Sic. 'SS
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J^urd^ einige ^d^riftcn ^erfegaarbg angeregt nnb Sc*
gierig gemalt, genauer mit bem 9Jiann unb feiner ganzen
{c^auung befannt n^erben, fam ic^ baju, biefe t)ortiegenbe
größere nnb ein ©an^eiS bilbenbe @d^rift junft^t föt miii^
bäitifd^ |it (effn. Ski idi in il^t tnäx» jatib, nM mit gan)
neu war unb m\6) in \)o^m ^tabe otiregte, fo ttntrbe t$ in
ber Überzeugung mel)r unb mel^r Beftärft, toir müffen erft
einmal aüe ©d)riften ^erfegaarbö Dor ung Ijaben, um ben
ganzen äJ^ann 5U fennen unb ju niücbigen, aud^ aU Triften;
iitd^ bIo| ald originellen beulet unb feinen ^{Qd^ologen.
Seit et tnm eben in biefer @(^nft Dotnel^iitlid^ ald fßn*
tnttt bed Ci^^rifteninmS %n tm9 rebet, fo entfd^Iog ic^ mid^
3um Überfe^en; unb fo erfd)eint ba§ SBerf mit bem Xitel
,,Seben unb halten ber £iebe" ^um erftenmal für beutfd^e
£efer.
Wim mufs bem äRanne geredet koetben! Skid lanvniQtte
iDeiiit mit il^ in feinen @d|nfien gan} bot und l^ben;
loenn ed einmol foloeit ift, fo tofacb et Don felbft bntt^
bie S^a^t feiner ©ebanfen fic^ ©ettung üerfd)affen. 2)er
Übelftanb ift aber nid^t ber, ba^ man bei un§ no^
nic^td obet 5U n^enig oon i^m meig — nein, man meint i^n
§a lennen mtb lennt i^n falfd^ Übet ben Sktfnc^ itnb
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— IV —
Anläufen, i^n bei ung einzuführen, ijat eigentlicJ) üon 2(n*
fang ein Unftcrn genjaftct. Einmal ^)at bic öorjeittge unb un*
geff^idte ^mudgabe feinet 9Cuffö|e unter bem weitet „IS^ttflen«
tum unb ftttd^" ben Mnen 6ei und sunt bocaud fafi in 93er«
ruf geSrad^t, fo baft btefclbe gerobcju toon einem J^einb beforgt
fein fonnte; a\x6) bag ©(^riftc^en „^ux @e(b[t;)rüfiing", öon
$anfen gut überfe^t, aber mit einer jum Xeit irre leitenben
ü^tnleitung, f^at ben ernften @inn beS ^erfafferd
gezeigt, aHein bod S3erft&nbnid ün (S^runbe menig geförbert.
9tamentlt(j| oBet l^t unter anberen Sl^artenfen (toa9 bur<|
ben JBriefmed^fet gtüifd^en SWartenfen unb 3)orncr, öcrgleic^e
'befonberS T, 295, trieberum beftätigt iuirb) burd^ SBort unb
^djrift bei un§ ein faft nid^t auS^urottcnbe^ Vorurteil ge*
fd^ffen, bog für^üd^ bon ß^^riftop^ @^rcm))f bei ber $crau8*
goBe aiveter 6(^ftat j^erfegaorbd („S)er IBegriff Sbtgft" unb
„^l^tlofopl^ifc^e SBiffen'O in fetner Ungered^tigfeit unb fubjef*
titjen ®infeitigleit, ()offenttid^ etnmot enbgüttig ipirffam, be*
leud^tet mürbe. OTein aud§ anbere (Schriften t)aben (mätjrenb
bie ^(Sinübung" unb bie ,,3flebcn", öon öärtt)oIb t)erougge*
geben, eine rütimlid^e ^u^na^me ntod^en) burd^ i|r (Srfc^einen
vSi 5£)eutf(l^n nid^ n»efent(id^ flhrbemb gelmi^Et; ftterfcgaarb
otd ^l^eologe unb (S^rift unb Sßol^rheitSseuge fom p für},
für bog SSerftänbniS mar menig gemonnen, am menigften
nod^ burdE) bie planlofe, teilmeife öerfeljrtc unb unglücfüc^c
^Reihenfolge in ber ^erau^gabe bicfer ©c^riften. ßu all
bem tommt, ba| ^erfegaarb felbft mit feiner eigen«
orttgen^ frettt^ mit gutem Seboc^t bur<i^efft^rten ^rift'
flellerei feine eigene ^erfon unb frufc^auung Derftetft;
unter fremben S^iamen frembc ober bon t^m fibermunbene
?rnfcf)auungen barftellenb, ijai er e§ erfdjtDcrt, il)n felbft ju
finbcn, moburch feine (§Jejtatt eine jmeibeutige, jmeifel«
^fte tmtrbe, iM ©tubium fetner ^c^rtften aber, bolleobd
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— V —
für gernerfte()cnbe, ein augfi(||tölofe§ Mnn^fen mit ^iplbn*
niffen, ha» £efen für biek ein ungenieg&ate«, bal^t mfm^U
Bares toerbett mugte. ^ Sefer lotll ettoaiS ^Dtreftei» fyiUn,
nid)t jcber fjat £uft gum Söfcn öon iRätfe(n; fann er ben
SSerfaffer nid)t felbft fennen lernen, entljätt bie S)arfteIIung,
nnb toäre fie nod) fo geiftüoE, ttm^ „\6)i\im\h ßttJeibeutige«",
fo getuä^rt badiBefen feine SBefriebigung, toUcnbd (et religidfen,
erBauKc^en ©d^riften, in benen eben ber Serfaffer fetbft geben
foQ. @ben bomm ^be tc^ mtd| bet mfi^DoHen ftrbeit ber
Ü6erfct5nng öortiegenber ©d^rift unterzogen, njeil id) glaube,
bafe fie tt)irf{id) meljr als alle aubcrn geeignet ift, ben tüat)ren
Stier fegaarb unS nä^er 5U bringen, jund^ift toenigftend für
bie (^fenntnid.
ftterlegaarb fyit \M „£eben unb SBatten ber Siebe" im
^erbft 1847, ein SaJ)r iwnr bem @rfd)cinen ber „Einübung",
fertig gemadjt unb bem 33if^of 9}2t)nftcr gu beffen U)of)lbC'
greifüc^em SQ?i6bet)agen tibcrreid)t. ^ie ©d)rift gef)ört gu
feinen nmfongrcid)eren, fanb unter ben erbaulid^en ©diriftcn
am meiften Verbreitung in 5Dänemar!, fo baft 1880 bie
bierte ^uftage erfc^ien. Zn^ ift e$ geeignet, bei bem Sefer
bo^ einmal ein günftige« SBorurteit ju fdjaffen, toenn td^
barauf I)inn)eife, bog ^ierfegaarb felbft feiner greubc über
baö (Belingen biefer (gdjrift burd^ S)anf gegen ®ott be*
fonberen 5(ugbrud gtcbt (n, 226). SBag fie für unS
anS^eid^net, ift abgefe^en Don i^rcm n^irllid^n Qkfyxlt
bie angenel)me (Sekoigl^, bag ttnr l^er (toenn n»o^ att(|
nic^t bie ganje ^nfd^uung Äicrfegaarbö) jebenfal!« ben
55erfaf]cr fclbft mit feiner bireften 9J?ittei(ung Dor
un3 t)aben. .ganfen l)at gctui^ baö $Rid^tige getroffen, tücnu
er fagte, bie ©Triften mit birefter 9J?itteiIung feien loo^l
bie am meiften fmc^tbringenben. Unb fo l^offe ici^, mit biefer
flberfe|ttng ettoad baju bei^ntrogen, ba^ tmr bem geitf^nnft
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— VI —
nä^et gerürft ttjcrben, roo man bei uii^ Ätierfcgaarb fennen
lernen unb hwc^ tte ^raft {einet (Skbanfeit gendtigt [ein
toirb, bie fett^er nntet mtS umgegangenett uttb nac^ei^ö^ltett
Soturtetle enblid^ fahren (offen nnb i^n tierfie^en.
SEBaiJ ici^ mit meiner SSorrebe Bcabfic^tige, ift fo eigentlich
— ic^ benfe an ben ©djaben, ben man triber SBiUen burd^
irrige Einleitung anrichten !ann, nnb n^iU i^n tiomel)mü(h
isetmeiben — gar nic||td anbered ald eine Einlabung
Ott ben (Stn^Inen, er mi^ge, loomdglid^ mit Über]^ä()fung
ber Sotrebe, biefe @c|rift f(ug^ (um bann oSet „tang»
fam" bebäd)tig ju lefen; uergleic^e ÄierfegaarbS Q5or»
tüort 8eite 3) in Eingriff nef)men. ^enn eine „übliche"
Einleitung, bie id) üerfud^en mürbe, fönnte mir nic^t bie
loig^eit geben, bag fie nid^t me^r fd^abete, aU nü^te; felbft
no(^ ein SCnfänger in ber ftenntnid ftterlegaarbS mdd^e id^
ntemonb bnrd^ meine IBete^rung irre leiten, ffttin, jeber
mad^e eiS mie idj nnb lefe, mie anbere SHerfegaarb'fd^en
©d^riften, fo and) biefe; er braucht mid) nid^t baju. (Sine
Einleitung ift gar nid^t nötig, üielme^r möchte id^ eben bie(e
@^rift, me^r nod^ ot^ bie „Einübung'', felbft bie ))Qf f enbfte
(Einleitung nnb Einführung in bie 9[nfd^attttttg- unb $er*
fdnlif^fett ftiertegaarbd nennen; ttwmtt nament(td| and^ nod^
gefagt ift, bafe er aufeer bem, toa^ er in biefer ©d^rift 5. 33.
über bie S!ird)e fagt (refp. fd)meigt), anbermärtg t)ieUeid)t nod^
mc^r fagen toirb, b. f). bafe er öieüeid^t in biefer (Bd)xx\t
über mand^ed abfic^tlid^ fd^loeigt, fo ba^ )mx in i^r bod^
nid|t bie noUftdnbige, erfd^ö))fenbe Knfd^anung ftterfegaarbiS
haben! fTBer and^ bem, ber fi^ nic^t nieiter unb ein«
ge^enber mit Äierfegaarb befd)äftigen mill ober !ann, mirb
biefe einzelne ©d^rift, bie für fid§ felbft rebet, genug bieten,
me^r aU fie auf ben erften f8M fd^einen niöd&te. 2öer
bürdend etkoad Xreffenbed jur Einleitung h^^ben mdd^te, um
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— vn —
fibet ^ )iBesie|iiii9 bed $ait)>tiit^(tö )nefe< ©d^ctft -^u ben
anbem G^nftett lutb ^itt Sefamiattfd^oimng fttetfegaarbi»
otietttiert §u toerben, beit l^ertt^etfe td^ auf ^t)riftop^ (Sd)rem^fd
(Einleitung in fc^on genannter ©d^rift: ber in bem „ßeben
iinb SBalten ber Siebe" bargefteHte Siebenbe ift ber ?D^cnftlJ,
loelc^er „bag freie ^crfonlebcn" in fid^ üertoirflid^t t)at.
%>vt &^n\t loitb üebem ettoad bieten; fie ftiecfe«
gaocbft tetd^e Sebeiidetfal^rung unb femen ttefeit Chtbltd in
tM SRenfi^en^erj. SBad er über ben 5£)t(^ter, bie @pn^*
toörtcr, bie ®efaf)r ber ©etuoljntieit, beö SBerfprec^enS, be3
i^ergteic^eniJ fagt, feine S3emerfungen über lueüli^e ©efd^äftig-
feit, Älug^eit, Äteinlid^feit, fein iReic^tum an SBilbern, feine
£tebe sti i^Ieifl^niffen unb ^iffm, feine Uebenbe, finnige 0e«
trad^tung ber ^otur nnb biel anbereS ttnrb bem Sefer reid^e
Anregung geben; namcntUd^ toirb eine toal^re ©lumcntcfe
öon treffenben ^pxü6)tn unmerflic^ in bie ge(d^U)ffene Sin*
fdjouung be^ S8erfafferi8 einführen.
SBie bie @^rtft auc^ iDiffenfc^aftUd^ bebeutenb ift,
baft nm^sttkoeifen fiberlaffe id^ ^ie^n berufen WtSmm.
5£)ogmattfd§ betont er ine^rfadtj mit tBmrliebe feine ftberetn»
ftimmung mit Sutt)er. (£r ift in gutem Glauben ort^oboj,
b. l). er ftellt fid^ ol)ne tueitereö auf ben S5oben beS Svenen
XeftamentiS unb mug burc^ feine oft fünftUd^e S)eutun9
DOtt @c|riftftellen, befonberd aber burd^ bie ©teünng, bie er
bem OiMttmenfd^ ankDeift, fotoie bnrd^ ineted onbere und
überzeugen, bag ed i^m mit feiner Crt^obo^te ttoQer (Smft ift.
^ie ©ott^cit S^rifti ttJtrb tüie ber göttli^e Urf^jrung be8
®ebüt§ ber ^^ädiftenliebe fo fe^r betont, bag üon einem „ju*
föUigen 3"f^^^^<i^^d" ber ort^obo^en ^nfc^auung Sterte«
goorbS mit feinem gonsen @tanb|>ttn!t nid^t bie Kebe fein
f omi. 8efonberd bebeutenb aber ^eigt ftd^ ber Serfaffer att
d^t^ifer unb ^UHir aU ®o|k(et(ifer. (S^riftud ift nid^t
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YIU —
nur bie SSerföt)iuing, fonbem and) bcr S33eg, baö üoÜfommcnc
SSotbilb; bad (^^riftentum ift il^ bad toaste @ütlt(l§e, inbem
bie Stac^fienliek bte ^tc^t mtb «tufgobe imb bec Ibcftmtitft
aller ivetteteit Äufgabcn ift. gür ftteffegoatb fliegt feine
@iUlirf)feit ganj auS bem ©lauben, fie ift eine rein religiöfe.
^cr ®egenfQ| gegen ?Ritfd)( ift Ijier flar: rtjcnn e§ bie) ein
nid^t gelingt, einen 3)ualiÄmug gttjifd^en ^Religion unb ©itt*
(id^leit übertptnben, totm er fetbft fagt, bod <£^nftentiim
fieSe itk^ eine ftreiditme mit einem SRitie(|wnft bot, fonbern
eine (Etlit)fe, bie bnti!^ gtoei ©rcnnpunfte bef)errf d^t ift, fo
folgt Jtierfcgaorb« Floxal bireft quö bem im (5 m igen
mur^etnben Glauben; ja, er nennt bie 2e[)re beö (i^t)ri)ten*
tum§ gerabe^u eine „Ärci^Unie" (I, 190 unten), auf bie
andbrüctltcl tieisid^et. S»enn femer diitfd^l bie
«l^tologifü^ (Sfd^totogie nid^ brcuulen !ann, fo ift fie für
ftievTegantb felbftöerftänbltd^, fofern er fagt, bafe bte (gimgfeit
btc ^Öffnung bc§ Sf)riftentumg ift. gür ^erfegaarb unb
feine aüeg be()err)d)enbe 5(nfdjauung ift ba^ Rängen an ber
toi g feit, bie il^n oft fo feierli^ bcrcbt ma^t, fo burc^aud
toefentlid^, baj) er |n ber fd^iHemben, bnoliftifd^ ©d^tbung
5U)ifd^en biedfeitd nnb jenfeit^, mie fie 5. 8. ,,9m SUaap^
nm bte SBcItanfc^auung", befonberS im ©d^rufeabfc^nitt VI, 4
5um 9(uöbruft fommt, fur^^meg fagcn tDurbe, fie fei trügerifc^c
ßlugl^eit unb §a(bl)eit, ein Verrat am (Smigen.
92o(i^ oiel tuid^tiger aber bie »iffenfd^oftIic|e 8e»
bentnng ber ©d^ft ift mir i^re 8ebeutung für nnfere
3eit. 9<i> fie ertoeift ftier!egaarb prafttfc^ aliS eine ^öc^ft
jeitgemöge $crfönIidE)feit. (£r ^at bic fo^iale S^age, ba§
toirb ber ßefer finben, nicf)t nur überlegt, fonbern recftt eigent*
lid^ ftubiert, fo bafe ber SJ?ationo(öfonom üon i^m lernen
tann (j. ö. H 162). unerbittli(^r gcugc ber c^rift*
Iid|en SBa^r^eit mtb (Seioiffendf^örfer oentrteiU er alle ^niett«
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«
— IX —
lid^c Ä(ug[)eit" in ^etDiffengangelegenl^eiten; fo bafe er 5. 39.
eilten SBifd^of luegen feiner (innerlid^ uerabfd^uten) Uiiter^
loecfisiig im 3a]|re 70, knie bte fRegtentttg, bte i^m biefe
UnieDocrfiiiig (efo^I, feflgenagelt unb fie mit einanber baran
gemannt f)attt, bo^ ©ifd^of unb SRegterung c6eii ein^edte
^erfonen finb, bie fid; üor ®ott al^- ©in^elne üerantmorten
loerben. S^amentü^ ift er fd)ar{ gegen unfer f)eutige§
St)riftentum, ba§ fo gerne bie grömmigfeit aU ein „nüjf
lii^ed'' (1. Xim. 4, 8!) ^ii)^itel (^etuinnuiiQ öulseren
d^UffS emt>fte^It mtb (»fCegt; üBerl^upt fc^arf gegen bte je^t
auc^ Don anbercr ©eitc bcHagte SScrttjettlidEjung unb SBertocid^*
(id)ung nnferer (5t)riftenl}cit, gegen ^Viltmngöidjtüinbel unb
Slulturfeligfeit aud^ in „c^riftlic^en" Streifen, ^ic^er geljört
aud^ feine barml^cr^ige SSerteibigung bcr „SBarmt^erjigfeit" gegen
bieübergnffennbüberfd^&tttng bec gelbf|)enbenben, tDeliarttgen
^Ktlbt^ätigfeit" (TT, 147 ff ), fotpie feine möge, boß mon in
ber inneren TOffion faft aHe^ nur t[}ut ^ur ^(bfteüunci ober
9)Hnberung ber äußeren dlot unb ^(rnuit, fo lucnig aber ^ur
^ilung ber inneren, geiftigen ©djäbeu (U, 118). 2öie fdjarf
et neben ber SQSei^lic^fett nnfeced gütigen (S^riftentumd bie
M^be Semilbening im Solteleben gefel^ ^al, bad »irb
ber Sefer ftnben (1, 156— 160 loergl. n, 216). Seine «Borte
über baö (^efdjlec^t, ba^ mit bcr greiljeit, (SJott — loö ^u
fein, crnft mad)t, tüäxm aüein fdjon im ftanbe geioefen, mic^
^ur Überfe^ung biefer @c^rift beftimmen.
Iföad mu^ ober am meiften getrieben l^t, fie aud^ anbern
5ugQngItd^ 5u m(u|en, ift i^r erbonUd^er S^rafter. Sie
nwH ja junäc^ft nid^t toiffenf^oftlid^ fein, fie toiCf ©rbaunng^-
jdjrift fein; freilidj feljr abiucidjenb uon ben fünftigen djrift^
lidicn Grbauung^büd)ern. ^at fie erbaut, fie luirb auc^
anbere erbauen, fo mie ^ierfegaarb bad (^bauen beftimmt
(II, ©eile 5 ff.). S^anc^ ift mfii jebem ungemo^, fremb»
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— X —
artig; tüie übev^au^t bcr ©tonbpunft Äierfegaarb^ (unb für
i^n be§ (E^riftentumö) ber reine ©egenfa^ jur SBelt ift, fo
hai ifym X^oc^it ift, für bie mit SBei^^eit ift, unb
tt bttC(9koeg ettoartet , ein (S^ft mfiffe in ben Vlngot ber
Wklt bofte^n ofö einer, be? aE ,,bad l^ogt, für nxid bte
weiften fWenfd^cn (c6cn" (II, 220). ST^itunter t)erföl)rt er
oiicJ), Befonbcr^ bei ^TuSfegung unb 33enu^ung bibüfd^er
©teilen, manieriert unb gefünftelt; er [priest nic^t bie ©J)rac^e
flonaani^, ni^t ,,UebeniSn)ürbig'', fonbem ^art unb ^erb, aber
ttoi «allein m&c^ ergreifenb nnb, old ein obgefog^ geinb
aller Itnftarl^eit, alled <Sd^eine9, immer tfüt mb beftimmt in
bem, iDQö er fogen lüitl, immer in ber §au^tfad^e nüchtern
unb gefunb bei aüer ^nnigfcit. @r giebt bem Sefer, bcr
erbaut fein koiU, eine auf bem Glauben ru^nbe d^riftlic^
Wt^t nnr burd^ biefe @d^ft, tskm^ fie fftr ^
dUetn ben ©in^elnen erbauen fann nnb i^m eine (Sinteitung
in bie ganje 5lnfd§auung 5^ierfegQarb§ fein njirb, ba^ ^er^^
langen nadj einer enblic^en, einget)enben 2)arftennng (ju ber
»ir ja fc|on fc^ä^enStoerte 53eitrdfle befonbcrg öon 93ärt^olb
^aben) ftierfegaarbi^, feinei^ Sebeni^ngd, feiner ©c^riftfteUerei
nnb ber in ben @d)riften niebergelcgten Slnf^auung noä)
lebljafter unb bringenber gemad^t njerben!
^ie ÜberfetMing Ijabe ic^ blo^ übernommen, njeit
iinbere fortfuhren, )ie uic^t ju ubernef)men, toicloo^l fie ber
Aufgabe beffer gettac^fen n)&ren. S)ie Überfegung ift eine
mögli^ft treue, anc| im SBort, me|r a\» bei anbem er«
bontid^ Schriften nötig ift, )oei( IHerfegaarb and bem
C^ian^eii unb ?3onen feiner ^Infdjauung Ijeraug ben beftimmten
^luöbrucf für baö ein5erne ^»rägt; eben barum ift biefe
ireue aber audj lol)nenb, ba bie ^nfc^aulid^fcit, Öcbcnbigfcit
unb ^tar^it feiner (ikbanten babur^ umfome^r |erbortritt.
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— XI ~
2Baö Slicrfcgaorb in feiner fim^Icn Söeife fogt, fann im all-
gemeinen einer, kr cttoag in fic^ t)incin §u bliden gelernt
^at unb Don ber ^pm^ ber QMgfxit fic^ erbauen (offen
iDtU, 100^ tierfte^; tom ed fd^roetct Umeb, bec fottti bo4
fo ine( t^oii t(mt»erfte]§en, bag er ongetrieBen mtTbr in ftd^ 3U
bltrfen. @r ()at für jeben gefrfirieben, tüie er in ber %i)at uon
aden n^eig unb jd^reibt, uom ^iki^ften unb uom ©eringften
im mt
^ fal^ ald ^fUd^ ber Xreue gegen ben iBerfaffet,
tote Ott ^ßflU^t becSBoi^i^ an, avt^ tne fd^htbat fd^toftilgeren
ober im GtU nod^täfftgeren Partien in ber ^rftdlung 5U
betoffen; fo iüenn er im Anfang ber ^ttjeiten 91bteilinig fidj
ge{)en lä^t 5c^ ^olf mir über bie ^erfudjung ab^uänbern
mit ber (SrtPägung, ^ierfegaorb ()abc tneUeic^t, ba er bad
tAglic|e SSBolten ber Siebe §etgt, bie Siebe abfid^tlid^ fo*
^fo^ im SBerftagdüetb auftreten (äffen n^oQen; aber
an^ bie (Srtoägung leitete mid^, bog er toiebert)oIt (I, 260,
269) feine ©d^eu öor einfd^meic^elnbcr, fdjöner, beftedjenber,
t)inrei6enber SRebe (bie i^m fel^t loo^l 5U ®ebot ftet)t) be«
fonnt ^ ~ Um mand^ ^ortien In i^rer ettooiS breiten
Sntfft^nittg stt lierfle^, ifl eine (j^nermtg an bed Skr*
fafferft eigene (Jhtebntffe aufffdrenb; nrie i^m ^ fß. bei ber
5luölaffung über Älatfc^ unb 35erleumbung feine 99Wg'
Ijonblung burd^ bie Äopen^ogener 3^itung „^ox\ai" offen*
bor Dorfd^toebte. .
fßm hv^tm no(^ ein ^nfönger in ber Itenntnid ber
6tmul^ nnb meiner Arenen lioo^l baott|t ^e mir
nid^t getrout biefe ÜBerfegung fo ba(b fd^on bem 5Dm<fe §n
übergeben, tuenn id) nidjt einen Jie^»^ get)abt l)ätte, ber
mic^ burd^ feine §ilfe üor 3Serfünbigung am 5?erfaffer unb
Scfcr behütete. 2)iefem ^Ifer, welchem i(^ einem be*
mfenen SReifter bie Idiogral^Ine ftierfegaarbi» aud^ ^ier brin«
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— XII —
genb and iper^ legen rndd^te, ge^dtt atfo nt^t itnt mein
Xnn!, fonbcrn and) ber ^onf bercr, bie on biejer ©c^rift
©cjaUcn finbcn.
2:er Vefcr lüirb gut t^un, gcmaft bcr 9D'?a()nun9 £ierfe*
gaarbd in feinem ^odDort, (angfam 5U lefen unb, nad^
bem er bie @c^ift getefen ^at, biefed SBottoort beiS fßtt*
faffer« mN^motiS )tt (efen. Unb f)at er gelefcn, fo lüäge er
ab. SBenn einer finbet, bafe 5!icrfcgaarb§ ©djriftcn ^uerft
blenbenb getpiimen, ^um ätoeitenmat getefen aber etiraö laiig^
rmitn unb cnttäufdjcn, fo (efe er eben no(| einmol, unb
bann toirb ed i^m Dtetteit|t ge^n tm mix, bag er bad S3e«
bftrfnid füf)It, 5um Dtertenmol )u lefen; im übrigen toiH,
wag er fagt, ni(^t bio% gelefen, fonbem gelebt fein, er toitt
liiert unterhalten, fonbcrn erbauen.
aJiöc^te ber ^ejer beftätigt finben, ba§ ba^ (E^riften*
tum mit feiner gorberung ber Siebe bod^ burd^ aQe fic^ er«
l^benben ©d^toierigfeiten glücflid^ ^nburd^ftenert, ba( nie
einefief)re (I, 154) gelehrt t)at, fo longe mit ber Siebe an«*
5ut)arten, toic baö (5r)riftentum. S3eim SBiebcrlcfcn be§
S8orn)ort^5 n)irb er bann urteilen fönnen, ob Slierfegaarb „bic
gorbcrung beö djriftlic^en ^2löfetigmug auf eine jdjtoinbelnbe
unb nebelhafte $dt)e ^inaufgefc^raubt i)at" (toie SD^artenfen
fagt), ober ob er nic^t ttnrftid^ in feiner S)arfteQung bed
Sebent nnb Mattend ber Siebe bie @(^kDierigfett unb bie
i?eicf)tigfeit mit ?{ü(^tern]^eit unb gcfunbem ®inn fo gegen
cinanber abgeujogen (jat, ba^ toeber bie ©d)toierigfeit nod)
bie £eid)tigfeit au grofe ift (§. I, 179 unb 186). aWö^ten
i^rer üieU fein, t)on benen ed im ^e^nten Ropittl ber jtt^eiten
^bteitung @. 211 l^|t: ,,fte ^ben an bem (SIebanfen (Don
®ott fid) geliebt 5U loiffen) für bai» (fingfte Seben me^r o(9
t)inlöngHch genug, fo baji fic aiid) mit fiebrig 3al)ren fid)
barüber noc^ nic^t genug i)er»unbeit l;aben Idnnen — u^o-
Oigiiizea by GoogLe
— Xill —
gegen leiber ©ottcg btefcr ©ebanfc onbercn fo imBebcutenb
f^eint, rotxi öon ®ott geliebt ju fein ia nic^t^ »eiter ift, ol8
koad ieber HT^enfd^ erleben iann — ald toaxt ed bacum ettoaiS
|[(t€itmftnfter 6ei (^roito^im, am Starfmtag 1890.
%ibtxt Iboxntt,
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Crftc «atcilung - ®. 278.
6cite.
1. ^gg berborflcnc £e6en ber Siebe unb bie ffennt(i(^feit
begferben an ben f^rüt^ten 21
U. A. ^tt „foflft^^ Heben 58
B. ypnft beti „m(i)^im" tiebeti 82
C. ,.'S)u" \om ben iRäd}ften Hetzen 128
m. A. g)ie Siebe ift beg Q^cfe^eg erfüttunc^ 183
B. ^ie Siebe ift ©etciffengfac^e 207
IV. llnfere ^flic^t, bie gj?enfd)cn p lieben, bte tt?ir fe^en . 286
V. Unfere ^flic^t, in ber Siebe @(^ulb fleflen einanber j^u
Mfiifiöl 278
3wcite «atetlnng - ©. 241.
L ^ie Siebe erbaut . . . . . . . . . . . . . 25
IL g)te Siebe glaubt tttte» — unb toirb bod^ nie betroaen 58
HL ^ie Siebe ^offt nffeg — unb tptrb bod^ nie 6(^aiiben 77
rV. ^ie Siebe fuc^t nid^t bng S^te 99
V. ^ie Siebe becft ber (Sünben ^enc\e 126
VL Tie Siebe bleibt 146 -
n Google
— XV —
VH. ®i« ©«mnl^rjigfeit, eine ber S^eBe, fettft tocmt fle ******
nichts geben fonn unb nichts t^un üermag . . . 167
VIII. @ieg üerföl^nlic^er Siebe, in »eitlem fte ben Uber-
tDunbenen getvinnt 184
IX. SHe hHy in Siebe Setftorte« gebcnfeit 90S;
X. Oie Uc SIc&e bie SUbe osipreift m
CMIIitB 241
I
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£eben unb IPalten ber £iebe.
in Sotm von He^en
von
1847.
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J^icfc d^riftlic^en (Srtoägungen troEcn — aii SN<^t
tncicr ©rtoägung — langfam öerftanben lüerben unb bann
ahtt audi leidet, to&f)xtnb fie freittd^ fel^r fd^eng tpetben
mAgen, toenit fte jemanb bitcd^ pd^ttgei^ nnb neugtengeiS
Scfen fi^ fei^r fd^toicrig mad^t. „Sener einjeltte", bcr crft
bei fic^ crtüügt, ob er lefcn toxU ober mdf)t lefen njill, emöge
in Siebe, tvcnn er fi^ njirfüdf) §u (efen entfc^Iie^t, ob nid^t
bodt| bie ^c^loierigfeit unb bie Seid^tigfeit, mit iBebad^t
fammeit auf bie SBagfd^Ie gelegt, fid^ rtd|tig fo 3U einanbec
mi^ltm, bog bol» (S^cifiti^e l^iec itid^ ixat f alfd^ (Skiotd^
aiidgegeSen iDtrb, inbem bie ©c^tDierigfeit obet bie Setc^tig«
feit ju gro6 gemad}t njürbe.
finb „d^riftlic^e (^rujägungen" ; fie J)anbeln eben ba^er
nid^t öon ber — „Siebe'', fonbcrn oon bem — „ßeben unb
SStoaeit bec Siebe". & ift bad „maittn bet Siebe\ bad
^er bargetegt toirb, nid^ aU mm baimt aEe i^Te
Äußerungen aufgejä^U unb betrieben, burd^au« nid^t; nicJ)t
als toäre nun ba§ einjelne ein für allemal befd^rieben, gott*
lob nid^t! SS^aS in feinem gangen ^eid^tum toefentUd^
unerfd^öpfUd^ ift, ba^ ift anö) in fetner geringften äugenmg
tDefeittti(| unbefc^blid^, geiabe )oeU eS fibecott koefentltd^
gonj gegenwärtig, ift imb toefetitlid^ nicEjt befd^reiben.
Sm ©))ätiabr 1847.
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(6tbtt
tc foOte man tum bec Siebe tec^t lebeit fömteit,
toentt matt bid^ Dergäge, ba 0ott ber Siebe, tm betn ade
Siebe ift im $immet unb auf ©rben; bi^, ber nid^ forgte,
fonbern aüeg in Siebe !)ingab; birf), ber bte Siebe ift, fo baB
ber Stebenbe, toQ& er ift, nur baburd^ ift, bag er in btr ift!
foltte matt tec^t t)on ber Siebe leben !önnen, toenn
ittan bi(| iKXffiiit, bk^r ber offiettbacte, toad Siebe ifi, bt(|,
unfern ^eüanb nnb IBerfö^ner, ber ft^ fe(6ft Eingab, um
alle erlöfen! 2Bie foüte man recf)t öon ber Siebe reben
fönncn, locnn man bicf) tjergä^e, bu ®eift ber Siebe, bic^,
ber nichts ton feinem Eigenen nimmt, fonbern an jener
Siebe Di>fec enmied, ben (^knbenben erinnert, ^ lieben, ttne
er geliebt ift, mtb feinen Stftd^flen att fidl felbfi! (imige
Siebe, bie bu überall gegcntoärtig bift unb bid^ nie unbejcugt
läffeft, too bu angerufen tt)irft, la^ bic^ auc^ je^t n\d)t un-
bezeugt bei allem, m& ^ier oon ber Siebe ober üom SBalten
ber Siebe gefagt toerben foH. ^enn mo^l finb ed nur etliche
SBerfe, meld^ bie menfd^ic^ St^ntd^e ouS^d^et nnb ((einlief
Stebei^tfe nennt; im $tmme( aber ift eiS fa fo, ba^ bort
fein ^^un angenehm ift, e§ fei benn öon Siebe burdjUjaltet :
aufrid)tig in ©ctbfttoerleugnung, im ^rang ber Siebe unb
eben ba^r ofpxt $ütfprud^ auf ein ä^erbienft get^n!
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1.
Das neduNTgeitf £tbta iir fteke
ititb Me AtititUi4|luit liesfelbeit an )eit irfiditeii.
gut. 6, 44: (Sin irgtii^et $aum »irb an feiner eigetten Brtndjt er>
tenU. ^riui man riefet nW feigen Oon Den Konten, .ait4
liefet man Mut XtavAm Him l>eti ^e«(e«.
enn bte emiieHa^ Mng^, bk ftola
ftci^ ntd^t betrügen tAR ted^t f)atie mit Se^aup«
tmtg, man burfe nicötö glauben, toaS man nic^t mit Icibliti^em
?(ugc |et)en fann, fo bürfte man ju aüererft nid^t an Siebe
^Umben. Unb metut man ed fo ^ielte, unb ^ar aud gurc^t,
mni nidc|te betsogen loecben, tote man bann ntd^t betcogen?
IM tfi ja anf oletlet SBetfe niaglu^; man tont bettogen
imben, Inbem num baS Untoal^te glanbt, man fann aber
bod^ mot)l aud) betrogen nierben, menn man baS 3Bal)re nid^t
glaubt; man tonn üom <&ci^etn betrogen n^erben, aber nid^t
minber burd^ ben ftugen ©d^etn, burc^ )>ie fd^meid^Ierifd^e
CiKbilbinHi, bte flilb 0€0Oi Vff^ ^Oetnsg gefk^ loeti
Hüb lve(<|er Setrug ift n^o^I ber gefä^rlid^fie? Wkm tfi am
fdjmerften i)d\cn, bem ber nic^t fic^t, ober bem, ber ficl)t
unb bod^ nidfit fiet)t? 2Ba§ l)ält fdjtnerer, einen ju njedfen,
ber {c^läft, Dber einen ^ ioeden, ber UKic^enb ba^on träumt.
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— 6 —
bag et Md^? SBelc^er ^tiBKc! ift bet traungfie, bec,
d^cr fofort unb unbebingt ju X^räncn rüt^rt, bcr ^nbtttf be8
in feiner Siebe unglücflidj 93etrogencn, ober ber in gett)iffem
©inne lächerliche ^Inbticf beffen, ber fic^ felbft betrog? 2)enn
feine t^örid^te (Sinbilbung, er fei nid^t betrogen, fdnnte freilich
jttm Sad^n togen; nur bog in fold^ Sad^ bad nod^
S^tanttgete liegt, ba^ fenev ber X^tfinen gat md^t toert fei.
@id^ felbft um bie Siebe ju betrügen, ift baS ©chrecf^
lid^fte, ift ein etüiger 58erluft, für ben in 3^^^ "iib ©»ig-
feit feinen (Srfa$ giebt. ^enn menn fonft auf bic eine ober
anbete, auf bie betfc^iebenfte SGSeife, üon ^etntg nnb
fd^ung in Sachen bet Siebe bie Kebe ift, fo fte^ bet 8e«
ttogene )oenigfteni$ in einet SBe^ie^ung §ur Siebe, nnb bet
Setrug beftanb blojs barin, bafs bie Siebe ba nicf)t tpar, too
fte gu fein fd^ien; tüer aber fid^ felbft betrog, ]^ai fid^ felbft
öon ber Siebe au^gefchloffen unb fc^lie^t fid^ immer noch
oud. äßon rebet andh toon fold^en, bie oom Seben obet im
Seben bettogen mntben; bet abet, »eld^ fetbftbettfigetifd^
fid) um fein Seben bcttog, beffen SSetlnft ift nnerfe^Ii^.
@clbft für ben, ber fein Seben (ang Dom Seben betrogen
touxht, fann bie (Snjigfeit reichlid^en (Srfa^ in fid^ bergen;
toet fi^ felbft betrog, hat fidh fetbft öerhinbert, ba^ (Swige
5tt geniinnen. SBenn einet getabe butdh feine Siebe ein 0))fet
menfchltd)en Setrugg »ntbe, UNtd fyst et benn im (^nnbe
toerloren, njenn fid^ in bcr @tt)tg!eit l)eraugftent, bafe bie Siebe
bleibt, ber betrug aber aufhört! ^Dagegen ber, njcldjer —
fchtau — in feiner 5!lugheit fidh felbft betrog, inbem er bet
ftlttgheit ini^ ^e^ ging, ad^, tt^enn et auch f^^
fidh in feinet (Einbifirnng gtüAic^ )»ie8, mad fj/at et nid^t
bodh t>erfd^er5t, wenn ed fid} in bet (Stmgfdt ^eigt, ba^ et
fid^ felbft betrog! ^enn in ber 3eitlid)feit, ba mag esi einem
^JI2enfdhen t)ieUeicht glüden, bag er fertig bringt, ohne
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Stc6e leben: e« mag if)m öicKeid^t glüdcn, bie ^t\t
öerjc^eräcn, o^ne bafe er bcn (Selfeftbetnig entbecft; e0 mag
otdletd^t aii^ geltngeit, bad ^xtäLv^, bag er — iit
emer (EhtHOtttig bev^ant, fiolj — m einer CttiMlbQiig su
fein; in ber (Simgfett aBev loim er bie Siebe triti^t ent6e(|ten,
ba fann er ber (Sntbecfung ntcfit Qu§n)eiii)en, ba§ er allc^
Derfpiett t)at. 2Bie ift bag ^afetn fo ernft, am fd^recflid^ften
eben bann, tuenit eS, bem ^genfinitigett 0ur ©träfe, jutögt,
fkl^ felbft )it beraten, fo ba^ er nngeftdri ba^ leben barf,
ftolg barottf — Betrogen nwiben, 1^ er fftl^ten barf, bog
er auf etotg ft(^ felbft betrog! SEBaf)rHd§, bie ©loigfeit (äfjt
ficf) nid]t fpotten; öielme^r ift fie e§, toe(rf)e o^ne (^toalt
^ brauchen in i^rer Mmad^t nur ein menig ^poti brandet,
um ben SBermeffenen f d^recHidl ^u ftrafen. f&a& onbered
nftmlt^ berbtitbet bad 3eitltc|e unb bie (EnrigCrit att bie
Siebe, bie eben bontm tber oQem fte^t unb bleibt, loenn
atle^ üorbei ift? ?lber gcrabe, toeil fo bie Siebe ein ©njig-
feit^banb ift, unb gerabe, meil ^tit unb ©toigfeit ungteid^*
artig ftnb, eben barum fann bie Siebe ber irbifd^ ^(ug^it
bicfer Q/at eine 8ftrbe f d^einen, unb bedl^Ib fann ei^ in biefer
geitfidllett bem finnigen Wttn\6)tn ungetjeuer leidet oor«
lommen, biefeä 53anb ber (Smigfeit Don fic^ ju lücrfen.
2öer fic^ felbft betrog, meint frcilii^, er fönne fidi
tröften, ja er ^abe me^r ai& gefiegt; in feiner tt)örid^ten
(Sinbübung ift ei» berborgen, mie troftlod fein Seben
ift ^Doft er „§u trauern aufgegeben fyA** kooQen ttrir i^m
nic^t beftrciten; UKiÄ nfi|t aber ba8, ba gerabe ber erfte
©c^ritt feinem §eit barin beftänbe, bafe er mit (Srnft um
fic^ trauerte! (£r meint oieUeid^t fogar, er fönne anbere
trdfien, bie ein Otifer betrügerifd^r Untreue mürben; melc^r
gg tt ^pu n aber, ttpenn einer, ber ftd^ felbft am Cnrigen ge*
fi^bigt ^t, einen anbem i^eilen toiD, ber ^öc^ften« tbbl^
— . 8 —
erfoaiitt ift! (Si^ iatin einer ftd^ felBft Betrfigen imb bkQeui^
gar meinen (ein fonbetBorer @ct6fttoibcrf})tu(^!), er ^abc XctI«
na^me für ben unglücflic^ betrogenen. SBenn bu aber ouf
feine tröftenbe Üiebe unb feine SBei^^eit ad^t giebft, bie bic^
^len \oü, fo toirft bu bie Siebe an ben grüßten erfennen:
bet mm @))Ott, bie f d^rfe l^ecftattbigfeii, ber giftige (^t
bei» Wflttantni^, bie Bet^be flftUe ber Ser^rtmtg — ba»
mcrben bie grüßte fein, an bcnen fic^ ^eigt, ba^ ^ier feine
Siebe n}of)nt.
^n ben grüd^ten erfennt man ben ^aum; „fann man
aitc^ Xrottben lefen Hon ben dornen, ober geigen oon ben
^fidn?* (a)^ati^. 7, 16.) ®n(|ft bn ba, fo nrirft bn ni^t
blofe öergeblidj fuc^en, nein, bie dornen merben btd^ lel^rcn,
bafe bu üergeblic^ i^d)]t. „^enn jeber S3aum njirb nn
feiner eigenen gruc^t erfannt." @8 fönnen ja §tt)ei
grüd^te einanber fe^r gleichen, bie eine ift gefunb unb too^l-
fd^edenb, bie anbere f^b unb giftig; mand^mal ift auc^
bie giftige fe^r fd^macf^aft, bie gefunbe red^ bitter. @o
toirb oud^ bie Siebe an t^rer eigenen grud^t erfannt. Greift
man fetjt, fo fennt man [enthjeber bie grüd^te nic^t, ober
man meig im einzelnen gaU nic^t rid^tig p unterfc^eiben.
SS^ie menn einer irrtftmlic^ bad Siebe nennt, tßQ& eigentlid^
^(bftliebe ift: ttenn er bod^ 1^ unb teuer kmrfid^, er
fitaine ol^e ben 0e(tebteh nid^t leben, babei aber ni^td baiwn
^ören mag, bafe ^lufgabe unb gorberung ber Siebe an i^n
ift, fic^ felbft ju üerleugnen unb bog ©elbftifd^e feiner Siebe
aufzugeben. Dber toie menn einer irrtümlid^ mit bcm ^^men
ber Siebe belegt, tocA fc^ko&d^ic^e äi^ac^iebigleit ift, nxnn er
Don Siebe rebet, too in ffio^l^ ein »erberHid^ meid^tid^i»
Shimmertoefen ftd^ auffpielt, ober koo Stntrad^t unb grennb«
fd^aft ift im S3öfen, ober eitlem 2Befen, ober ein S9unb ber
^elbftjuc^t ober befted^be <Sd^meid^eUi, ober nur augen^
Digiiizeci by Google
— 9 —
Micü^e (Srtegung ober suföllige ^erlnittmiig bun^ ^ittic^
Umftänbe. @g giebt ja eine 8(umc, tDe[tf)e (Stoigfettöblume
Reifet, eä giebt ober merfrüürbig genug aud) eine nur fo^
genannte (^igfeitöblume, bie gleid) ben anbern oerg&ngtid^en
Blumen nur }tt einer geiniff en Sa^red^ hWjit — tvod für
ein Strtnm kodre e9, btefe ledere eine UnrQt^ (Stoigf eitd^
BInmc ^n nennen! Unb bod£) ift jur geit ber S5Iäte bie
Xäufd^ung üoCtfornmen. 5(ber jcben S9aum erfennt man an
feiner eigenen gruc^t, )o auc^ bie £iebe an i^rer eigenen,
unb bie Siebe, öon bcr ba« (5f)riftentum rcbet, an if)rcr
eigoien t^c^t: ba^ fie n&mlid^ (S^igieitögefunb^ in fic^
anbre SieBe, mag fie nnn, menf^Ud^ gerebet,
fc^nett öcrbtül^en unb ftc| üerönbern ober (iebenött)ürbig fic^
burrf) bie gan^c ß^itlid^feit ertialten: fie ift gleic^h)of)I t)cr=
gönglid^, fie blü^t blog. ift gerabe baS Q^ebiec^Iic^e,
bai» Sße^mütige an i^, bag fie nur blfil^t, ob bo^ nun eine
einzige Stnnbe ober fietstg 9a|r€ M|rt; ober bie d^ftlic^
52i(^ ift enrig. 5Damnt toflrbe eiS niemanb, ber fid) felbft
öerfte!)t, einfallen, üoit ber d)riftlid)en Siebe ju fagen, fic
blüt)e; fein ^ic^ter, ber fic^ felbft üerfte^t, luirb fie befingen
toollen. 2)cnn tt)ag ber SDid^ter befingen foU, mu^ bie
nnit ^aben, bie bad 9l&tfel feined eigenen iSebend ift: nm|
Bl^en — ad^, unb mug t)erge]^en. $(6er bie c^nftltd^e Siebe
bleibt, unb gerabe barum ift fie; benn toai t)erge^t, ba«
b(üf)t, unb njQg blü^t, bag öerge^t; toa^ aber ift, fann nid^t
bejungen, e$ mu^ geglaubt, ei^ mujs gelebt n^erben.
jDo(^ koenn man fagt, bag bie Siebe an ben grüd^ten
crfamit loerbe, fo fagt man bamit sud^eic^f ^
felbft gemiffermalen im Serborgnen ift unb gerabe bornm erft
an ben fie offenbarenben grüdf)ten erfannt mirb. %(x^ ift
ja auc^ njirflid) fo. Seglic^eö Seben, fo aud^ bo^ ber Siebe,
ift QÜÄ folc^ Oerborgen, U)irb aber of|enbar in etmad anberem.
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I
— 10 —
!S)ad iktai ber ^^^t ift nectogen, bie gnst^ ift bte
OffenBcmtttg; ^ Sctat M MNmkitt ift tjectergen, Me
flufeerung in bcr Sflcbc moc^t {{)n offenBor. Die t^otfie^ben
8c§rtfttoortc rebcn bal)er uoii einem 2)oppeltcn, loö^renb fic
bod) (bieg üerbedenb) nur öon bem (Sinen reben; in bcr Hu^*
fage ift ein (Sebattfe offen andgeftncod^n; kierbedt ift in i^
tin anbter ntitent^oUcn.
So koollen ttnt benn Betbe (Manien gnc Seimd^tung
^eraugjie{)en, inbcm mir nun rcben:
üBon bem t»etbotgenen Beben bet Siebe nnb ber
ftenntHi^fett bedfelben an ben Stückten.
aSo^ fontmi bte Stebe? too l^t Tte i^ten llrf))ntn9 nnb
i^re ^crfunft? too ift bte ©tätte, ha fte iüo^nt, öon too fte
auggef)t? Sa, biefe Stätte ift DerSorgen ober im 5Ser^
borgeueu. giebt eine (Statte im Snnerften bed ä}^enfd^en,
non ba ge^ ber Siebe Seben and; benn „r)om ^ec^en ge^t
baS Seben and". Xbet fc|en fannft bn biefe ©tOtte nti^t;
toie tocit bii and^ ^tneinbtingft ber Urf^rung ucr^ietit ftc^
in bie gerne unb SBcrborgcntjeit; felbft ttjeini bu am tiefften
l)ineinbrin(ift, ber Urfprung ift gleid)fam immer noc^ ein
©tüd weiter brinnen, tute ber Urfprung ber OueUe, ber
gecabe toenn bn am n&c^ten bift, noc^ »eiter entfernt ifi
Son ^ier ge^t bte IBtebe and, oitf mand^erlet Segen; aber
Ottf feinem biefcr SBege fantift bu bi8 ju ber geheimen
(Statte bringen, m fie in§ ^afein tritt. ö)ütt m\)nt in
einem ßic^t, üon bem jeber Strahl augge^t, bic SBelt §u
erleud^; aber fein äftenfd^ fann auf biefen SSßegen hinein*
bringen, nm «oit }tt fe^n, benn bie fBkqt M 2kSjß ber«
HNinbeln ftd^, loenn man fid^ gegen baft Std^t feiert, in eilet
^unfel^eit: ebenfo mi)nt aud§ bie Siebe im SSerborgenen
ober im Snnerften mbox^tn, ^er riefelnbe Cluell lodt mit
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— 11 —
t^Umbernber, gckDotiteitbcc üefd^ligfttt, ja bittet faft ben
SV^enfd^n, i^m nacfj^uge^ett intb ja nic^t neugierig ft^ einju«
brängen, um feinen Urfprung auf^ufipüren unb fein ©eljeimnii^
ang 2iä^i jerren; bie dornte lobet mit iE)ren ©trat)(en
ben ÜJ^enfc^en ein, bic ^errlic^feiten bec SBelt gu betrachten,
aber koatnenb fttaf t f ie ben l^enneffenen mit Win^/at, Mm
ec netigteng imb fred^ ftc^ anfd^tcft, ben Uifpcmtg bcd Std^td
p ftgrftnben; ber ^lonBe bietet ftd^ bem Wkt^^ gitm
SBegtüeifer an für bie fiebenöbatin, üerfteincrt aber ben ^i5er-
toegenen, ber frec^ ju begreifen begeljrt: ebenfo ift ber
Biebe SBunfc^ unb iBüte, bag t^r geheimer Urfprung unb i^r
im Stnnerften Mbmcgeued ISeben ein (ik^tmtiüK bleibe, baft
fein SRenfd^ neugiecig unb frec^ fid^ ftötenb in fie einbranc^c,
nm gu fe^en, boc^ nid^t gu fe^en ift nnb burd) bie
3ubringlic^feit t)ielniel)r uerf)inbert tüirb, greube unb @egen
)u gelDö^ren. ^a^^ ma^t immer am meiften (Bc^meijen,
Mm bet genbtigt ift, ^ergUebecnb ^u ben ebleren unb
eben bocum Mborgenen Zeilen idi MtptxB einjnbnngen;
fo ift ed audi ber größte ©d^mer^ unb gugletc^ \M Vn*
berblid^fte, menn einer ein ^^ergnügen, eine äBolluft barin
fuc^t, bie )diebe ergrünben, b. \). ju jerftbren, ftatt fic^
i^ in il^cen ftunbgebungen ^u freuen.
^SM gd^eime Seben ber Siebe ift im Snnetften, un»
eigrftnbGfi^, nnb fo tvieber in einem unergrünbltc^en ^u*
fammen^ang mit bem gongen ^afein. 2öie ber ftiüc ©ee
tief unten in bem üor 2)?enfc^enaugen üerborgenen (Springs
queü feinen @runb f)at, fo l)at bei^ SO^enfc^en £iebe i^ren
#nmb in (Sotted Siebe, unb biefe ift ein nod^ tiefem ihmnb.
fUre fein Ondl im iSmnb, toSxe ®ott nt^t bie Siebe, f o
gftbe feinen fttHen @ee, fo Mn aud^ im SRenfd^ feine
Siebe. SSie eS ber bunf(e ©c^ofe beö tiefen OueHS ift, in
bem ber tiefe 8ee grünbet, fo tourjelt unb ru^t bed ^^enjc^en
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— 12 —
fäfbt ge^mSDott m 9olM Stc6e. Kk bei fKne 6ee
Iri^ too^I giim IBefd}Queit ettiliitet, ain bm^ feine l^flfkce
Spiegelfläche für ba^ ^^[uge unburc^bringüc^ bleibt: fo bürfen
toir aud) ber 2itbt, bie in @otte§ ^iebe it)ren gel^eimniiS*
motten Urf^jrimg ^at, md)i auf ben ®runb fe^cn; Jpenn bu
5U fe^ metnft, fo tft ba» @)N€geIHIb, Iki# btc^
trfigt, a!d ttite ei ber Qkunb, M^renb ei boc^ ben tiefetcn
®runb Mofe t)erbe(ft. ^cnfe btr ein ®el)eimfad^ in einem
Staften: bamit e§ nicf)t entbecft unb Derrateu roerbe, l)at eg
einen finnreic^en ^edel, ber kuie ber ^obOt bed haftend
aniftelt; fo ift*d mit bem Urgruttb, bet oUent §tt ^runbe
liegt; )oai taitf(j|eniK aiüfiel^ ali Mte ei bet Onmb bet
Xiefe, Mtbedt imt bie tieffte Xiefc.
(So ift baö Seben ber Siebe öerborgen; aber il)r oer^
borgene^ ßeben ift in fic^ Settjegung unb l)at bie ßnjigfeit
in fic^. 2Bie ber ftifle @ce, fo ru^ig er an6) baliegt, boc^
eigentlich tinnenbci ffiaffet ift, bai Mi bet f)nnibe(nben
' Dndle oui bem Ofonnbe auffteigt, fo ift bte Siebe, oigteid^
ftiHe in it)rer Verborgenheit, hod) ftet« in Betoegnng unb
nimmer rut)enb. 5(ber ber ftiÜe @ce fann uertrocfnen, wenn
einmal bie Onefle uerfiegt; ba^ ßeben ber Siebe bagegen
einen emigen 8orn. 2>iefed £eben ift ftifdl nnb etoig; feine
Sttite fann ei etftarcen mad^, ba)n ^ ei p knet ttfitme
in fic^, nnb feine SMtme nmd|t ei mdtt, bafür ift jn
frifd} in feiner M^U. ^Iber verborgen ift eg; unb »enn
im (^oangeHum üon biefeö Sebent ^enntlic^fcit an ben
^c^ten bie Siebe ift, fo ift bamit am adettoenigften gefagt,
man foOe btefe Sktbotgenl^ benrnn^tgen nnb anfftihren,
man foOe fid^ auf^ Seoboc^ legen obet (Sntbwfnngiöer»
fn^ anf bem SBege ber @elbftbefd^a«mig mad^en, ja
nur ben „®eift betrübt" unb ba^ SBad^^^tum aufljäU.
^oc^ ift biefei Derbotgette ^n^eben tenntlic^ an ben
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^ 13 —
gfrüc^tcn, unb jtoar ift ein 3)rowg in bcr StcBe, fid^ burc^
grüc^te fenntttc^ mad)en. D, trie fd)ön ift boc^, baf^
§lrmut juglcid^ ben ^örf)ften Sicic^tum bejeic^net! ^enn irie
fc^koer tottb einem ^?cnfc^n, n)enn t)on i^m t>er(Qutet,
er liabe emeit ^Ocang, fei im €lebt&nge! Unb bod^ fagen
tDtr bai^ |)ö^fte, toentt totr Dom 5Dtil^ fagen: ,,er ^at
einen ^rang 3U biegten", Dom $Rebner: „er \)at einen ^rang
5U reben", Dom 9J2abd§en: „fie ^at einen ®rang lieben".
^6) felbft ber ^ebidngtefte im 2eben, tpenn er nur ^khz
ge^bt ^at, tote tdd^ ttiat bod^ fein Seben im Sergleid^ mit
i^m, bem einzig Wcmxn, bet fem Sebeit tieclebte mtb nie fic^
5u ettoad gebrängt füllte! Denn bad ift ja bod) bed SD^abd^d
^öc^fter ^Reic^tuni, bofe fie beS beliebten bebarf; baS ift be^
grommen ^öd)fter unb wahrer S^lei^tum, baf^ er (S^otteö bebarf.
gfrage fie, frage bod Tlö!od)tn, oh ed fic^ ebenfo gtüdlic^
füllen fdnnte, menn ei^ ben iikliebten ebenfo gut miffen fönnte;
frage ben f^rommen, ob er ed t)erftel)t ober loünfd^t, ha% er
ebenfo gut ®otte« entbehren fönnte! @o ift'« au^ mit ber
Äenntlid)feit ber Siebe an ben grüd)ten, üon benen gerabe,
wenn alle« in Drbnung ift, al« SRegel gilt, bafe fie fic^
l^orbröngen, ttiomit tokhtv ber ^eic^tum be^id^net ift. @d
ntftlie ja aüd| bte größte Dual fein, menn in bet ISiebe
felbft ber ©elbfhmberfprudj fid^ ftnben fdnnte, bag bte Siebe
er^eifc^te, fie verbergen, fie unfenntlid^ ju machen. 2)o«
tt)äre ja, ttjte mm bie ^flanje, bie ben ©egen freubigen
ßeben« in fic^ füf)tte, bied il)r Q^iüd nic^t bürfte merfen
loffen, bie(me^r ben ^en koie einen t^lnd^ für fi(^ bebten
ntfl|ie, ad^, ttiie ein (Bel^mnid in intern nne(f(&rltf|en ^«
lodlenl 3um 9iM ift bte9 ba^er ond^ nid^ bet %aU.
5)enn mag aud^ eine einzelne beftimmte flu^erung ber Siebe,
\a eine Äußerung, in »elc^e fie ba« ganje ^erj l)ineinlegen
möchte, — aud £iebe in fc^metslid^e ^erborgen^it ^utüd»
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— 14 —
gebröngt tuerbcn: bie Siebe tüirb fic^ einen anbern ^Inöbiucf
fc^affen unb gleid^tpol^l an ben ^üc^ten fenntüd^ kDcrben.
D ii^ füaen äX&it)^ unglücKt«^ £tek^ mffi Mk6 cd etil
Oel^etmnid, tvod (Utet, itibem etite SteBe avA SteBe
tftthttqm ntugtet; fte ttmrbe nie Mumtt, fo grog toxtr gerobe *
eure Siebe, bie biefeS Dpfcr brad^te, unb bennoc^ tourbe eure
Siebe an ben grüd)ten ecfannt! 3a, UieUeic^t »urben eben
btefe ^rüd^e bie foftbarften, fte, bte int ftiUen IStonb ge«
^nten ©c^et^ed geteift mürben.
^Den 8aum erlennt ntan an ben ^rftc^ten: bettn too^I
iDirb ber 33aum and} an ben 93fättern erfannt, aber bie
Ivrud)t ift hoä) ba§ tDefentIid]c Itcnn^eidjen. SBenn bu baf)er
einen S3aum al& ben beftimmtcn an ben S3Iättern fennteft,
mfttbeft ahn ^ t^^üc^te entbeden, ba| et I^ine
%to^ ttOgl: fo nriivbeft bn hieran ntetlen, ba| ed eigentliil
ni(^t ber SBanm ift, auf ben bu na(^ ben IBIftttem gcfd)loffen
f)atteft. (Sbenfo ift e§ aud) mit ber Äenntlicf)fcit ber Siebe.
2)er $lt)ofteI 3ot|anneg fagt (l.So^. 3, 18): „3»cine i^nber,
laßt uns ni^t Heben mit Sorten unb mit ber ^^nge, fonbcm
mit ber unb mit ber SBa^^eü'' Unb iDomit fdnnien
tm »0^1 biefe Siebe in fBorten unb Kebentoten treffenber
öcrgteic^en aU$ mit ben ötättcm beg S8aume§? S)enn aud^
baä 2Bürt unb ber ^(uöbrud unb bie ^prac^c, tpctc^e bie Siebe
fic^ fdjafft, fönnen ßeidjen ber Siebe fein, aber fie finb un»
fic^. S)ai»felbe SSBort fann in einem äRunbe fo reid^^ltig,
fo ^m^erUffig fein, in bem 9Rnnb etnei^ anbern aber gleid^
bem unbefttmmten Sflaufd^en ber SBWtter; ba«fetbe SBort fonn
in einem SU^unbe uiic ba8 „gefegnete näl)renbe ^^orn", in bem
5!}^unbe eineg anbern gleid) ber unfrud^tbarcn SiebU^feit beö
jiBIatted fein. S)arum foüft bu aber bod^ bad SBort ni^t ju«
räd^alten, fo ttienig (d» bu bie ft(^tbare Sekoegung, toenn
fie tDat)r ift, Oerbergen foüft; benn bamtt bnn man gerabe^u
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— 15 —
in Äieblofigfeit ein Unred^t begeben, toie wenn man einem
SWenfc^en fein ©utl^aben uorent^It. 3)cin greunb, bcine
Siebte, bebt ilinb ober ttet fmtft (Skgenfknb bettter li^ebe
ift, fie l^ben einen ?lnfpru^ auf We Änderung bcrfelben
aurf) in ^Borten, njenn fie bicJ) Ujirftid^ im Snnerften Bctoegt.
5^eine 33etDegung ift nid^t bein Eigentum, fonbern ba^ be^
anbetn; bie &i6^rung bcrfelben ift fein ®utl;aben, ba bu
ja in bec OtiDegung ti^m angel^cft, bei tnii^ tauegt, nnb btr
(dmslt knkfi, bo| bn ^ngel^tfi Senn bod $ei^ boH
ift, barfft bu nid^t neibifd^, toorne^m ben onbcm üerfürjen^
unb fränfen, inbem bu ftnmm bie 2\pptn jufammenpreffeft,
nein, bu foüft ben 3J?unb reben laffen, öon toa^ bad ^er^
uoa ift; bu foüft bic^ beined @efüf)Id nic^t fd^ömen, no(^
wmigtt bec ftebti(|iett, in bet bu |ebem bad @ecne gtebft
Wer lieben foll mon ni^t mit Sorten nnb 9iebendorten,
auc^ foU man nid^t baran bie lUcbe erfennen. hingegen
fann man allerbing^ an }oid)tn grüc^ten, b. I). baran, bafe
blojs Sölätter ba finb, ertennen, ba§ bie Siebe noc^ nirf)t
gcit gehabt f^t, erftarlen. @ira4l fagt toamenb (6, 3):
„Senn bu beine SIfttter betse^rft, f o toirft bu beine
oerlieren nnb felbft bo fielen aU ein t)erborrter 58aum."
tlJenn gerabc an Sßorten nnb S^ebenSarten (njenn fie nämlic^
bic einzige gruc^t bcr Siebe finb) erfennt man, bafe ein
äKenfc^ bie Blätter jur Unzeit abgeciffen ^t, fo bag er
feine fftiSiid^ bringen lann; bon bem no(| ©d^recBic^eren
gan^ 5U fc^meigen, baB man an Sorten unb ^^rafen mand^*
mal gccabe ben 53etrüger erfennt. Hlfo bie unreife unb bc-
trügcrifc^c, jalfc^e Siebe ift baran fcnntlid^, bafe Sßorte unb
8iebcngarten i^re einzige grntf)t finb.
SDltoti fogt bei geloiffen (SklDöd^fen, fie müffen $et| an«
fe^en; \M gilt and^ tum bed SRenfd^en Siebe: foH fie )oirf«
lid^ ^ruc^t bringen unb bamit tenntUd^ werben an bet
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— 16 —
griic^t fo niuB fic ^uerft ein §erj geminneii. 2)ann aUtr-
bingg gel)t bie Siebe Dom ^crjen au^; loir bürfcn aber nic^t
f)aftig biefeg Sioige üergcffcn, ba| bie Siebe ^erj anfe^e. Un*
beftimmte, f[ü(|ttge ^t^ndrfi^vungeit rnfj/i jebet; aber in
btefem @tmte Don Statitr $erj ^ben ifi unenMid^ ntt^
f(^ieben t>on bem, im @innc bcr ©toigfeit §er^ onäufe^en.
Unb lüie fehen ift üieÜeid^t gerabe baö, baB bog ©tuige eine
leci^te Wlaä^t übte ben SD2en{c|en gen^innt, fo bog bie Äiiebe
in i()m [i^ eiüig feftigen ober ^et) an§ufe|en oennag.
Unb ho^ ift bad bie toefentIt(|e Oebingung, toenn man bet
Siebe eigne ^ruc^t tragen foH, an ber fte fenntdd^ )ottb.
SBie nämtid^ bie Siebe felbft nid^t fel)cn ift unb barum
eben geglaubt treiben mufe, fo ift fie auc^ lüc^t unbebingt
nnb fc^Iec^ttoeg an einer il)rer ^lugcrungen aU fotrf)cr ^u
etfennen. — giebt fein SBort in bet menfd^licl^ ©ptac^e,
oud^ ni($t ein einjiged, m(^t bod l^eiligfte, oon bem nnt
fogen fftnnten: toenn ein SWcnfd^ bie« ©ort geBwuc^t, fo ift
bamit unbebingt beriefen, ba^ Siebe in iljm ift. 3m ®egen*
teil ift gerabe fo, ba^ ein SSort au« bem SJ^unbe eine^
SD2enf(^n und überzeugen fann, bag Siebe in i^m ift, unb
bad entgegengefe|te SBort eineiS anbem, ba| ebenfoQd Siebe
in i^m ift; fo, bog ein nnb bodfelbe Sott nnd fibei^eugen
fann, bie Siebe lootinc in bem einen, bcr baiJ SBort fagte,
aber ni^t in bem anbern, ber boc^ baöfetbe SSort au^=
fprac^. — giebt feine Zl^at, nic^t eine einjige, ni^t bie
befte, üon ber toir unbebingt fagen bürfen: »et bied t^nt,
benpeift bantit unbebingt Siebe. Qt» bmmt bncanf an, tote
bie St^at getrau totrb. & giebt freilid^ lEBetfe, bie in be<
fonberem ©inn Siebe^U^erfe genannt mcrben. 5(ber ma^rlid^,
mcil einer 3(Imofen giebt, Ujeil er SKitttJen befuc^t, i}iacfte
fleibet, bedl(|alb ift feine Siebe noc^ nic^t bemicfen ober fennt«
li(^; benn man fann Siebedoerle o^ne Siebe, ja fogat in
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— 17 —
felbftifc^cr S3Beife tf)un, unb tuenn eö ft^ fo üer^ält, fo ift
ba^ SiebeStüerf bod) fein 2Berf ber Siebe, t)aft getüife
bicfe« Xraurige td)on oft erlebt, bielleirf)t aud) mitunter bid)
fetbft barin betroffen, bad jeber el^rltd^ äRenft| tum fid^
5ugeSen iinrb, gerabe tneil er nid^t fo lieBtod unb t^erl^rtet
ift, um bie ^u^tfad^e gu überfeinen, bafe man nämUd^ ob
bem, tva$ man tt)ut, nidjt uergeffen barf, mie man e§ tt)ut.
^(^, Sut^er {oü gefagt ^ben, er ^abe nic^t ein etn^ige^
Wlal in feinem Seben gaiQ frei t)on jebem jerftreuenben
Oebanfen gebetet; fo bdennt too^l ber rebltc^e äRenfd^, bag
er fein 90[ntofen, fo oft unb gern nnb frenbig er ed giebt,
bo^ allemal in ©djnjac^^cit gegeben l^at; OieCteid^t ftörte i!)n
ein zufälliger (Sinbrurf, üielleidit gab er mit launi)d}er '3ox^
liebe, oielleidjt moHte er )ic§ lo^faufen, öielleic^t ttjanbte er
bad (Skftc^t ob, aber nid^t im bibtifd^ ©inne, oietteid^
nnt|te bie Itnfe $anb nid^td babon, aber in <S)d»anfenIofig«
feit, üieHeid^t badete er on fein eigene« Seib, ftott an ba«
beö Firmen 5U benfen, melleidjt aud) fud)te er mit ber "äU
ijiofenjpenbe fic^ felbft Sinberung ^u fd)affen, \tatt bie 5lrmut
ju linbern: fo mürbe ba^ Siebe^ioerf boc^ ni^t im l)öc^ften
@tnn ein SBerf ber IBtebe. — HIfo bie Krt, »ie bie SBorte
gefagt »erben, unb Dor alleni, knie fie gemeint ftnb, bie SCrt,
mie bie Xl)at getl)an mirb, fie ift baö entfd)eibenbe 3)?oment,
meld}e§ bie Siebe ou^mad^t unb an bcn grüc^ten erfcnncu
läfet. §ier gilt aber mieberum, bafe fein, lein „<So" giebt,
oon bem man unbebingt fagen tann, bag ed unbebingt bad
S)afein ber Siebe betoeift ober unbebingt beioeift, bog fie
nid^t ba tfi
®fet(^tt)o^l ftcljt feft, baB bie Siebe an ben grüd)ten
fenntlid) toirb. 5lber bie ©d)riftn)orte follen unö auc^
gar nic^t ju gegenfeitigem eifrigem JtBeurteilen aufmuntern;
inelme^ rid^ten fie fic^ erma^nenb an ben (Sin^lnen, an
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— 18 —
bic^ unb an mic^, fic iDOÜcn jebcm fagen, er bürfc feine
£ie6e nic^t unfruchtbar fein laffen, er foUe arbeiten, bafe man
fic an bcn grüc^ten erfennen !onne, gleic^tiel ob biefe nun
Don anbem erfannt werben ober nic^t. $)enn er foll ja
nt^t barum bemüht fein, bafe bie fiiebe an ben grüc^ten
erfannt toerbc, fonbern nur barum, bafe fie an bcn grüc^ten
ernannt toerben fann; er foü hierbei fic^ ^üten, ba^ baö
©rfannt' unb öcfanntnjcrben bct Siebe i^m nid)t toic^tiger
ttjerbe benn ba« eine SBic^tige, bafe fie grüc^te trägt unb
t)ierburch erfannt merben fann. 3Kan fann einem 3)^enf^n
guten 9iat geben, man fann bie ^Borfic^t anpreifen, bie ftd)
öon onberen nic^t betrügen unb täufd^en läßt, bad ift eincö;
aber ein anbered, oiel mic^tigerei^ ift be^ SöangeliumS ^luf^
forberung an ben (Sinjelnen, bafe er bebenfe, roie man ben
S5aum an ben grüd^ten erfennt, unb bafe im ©oangelium er
ober feine !Biebe mit bem ©aum oerglic^en ift. (Sö ^ei^t
im ©oangelium ni^t, mie bie finge 9^ebe lauten möd^te: „bu
foUft", ober: „man.foü ben Öaum an ben grüc^ten erfennen";
nein, e^ Reifet: „ber S5aum toirb an ben grüc^tcn erfannt".
2)ag min fagen : bu, ber bie§ Söort lieft, bu bift ber Söaum.
SBag ber ^rop^et 9^atf)an ju bem ©leid^nig ^injufügt: „5)u
bift ber äJ^ann", ba« braucht ba§ (SoangeUum nid^t beiju^
fügen, ba eg fc^on in ber gorm ber S^ebe liegt unb barin,
bafe e§ ein 2Bort be^ (SöangeliumS ift. S)enn ba§ ©Don^
gelium in feiner göttlid^en ^tutoritat rebet nic^t ju einem
äßenfc^en über ben anbem, nid^t ju bir über mi^, ober ju
mir über bid^, nein, toenn ba« ©oangelium rebet, fo n}enbet
cä fic^ an ben (Sinjclnen; eö rebet ni^t oon un« ä^enfc^en,
öon bir unb mir, fonbern ju un«, au bir unb mir, unb e«
rebet baoon, ba^ bie ßiebe an ben grüc^ten erfannt toirb.
SBoIlte barum einer au^ Überfpannt^eit, ©d^loärmerei
l^euc^elei (etjren, bie iiiebe fei ein oerborgeneS ©efü^l,
Google
— 19 — .
5u üorne^m, um grüd^te tragen, ober ein fo gel^eimed
(Skfü^ ba| Ine gcüc^te toebec fftt ttod^ gegen Betoeifen, ja
ba6 au(^ bte giftigen grüd^te nüjbtö betveifen, fo tootten tm
und an ben SBortlaut ht& ^angeltnmd erinnern: „®et
©Qum toirb an ben grü(i)ten erfannt." SBir njollen, nid^t
jum Engriff, fpnbern nur jur 5Ibtt)eJ)r baran erinnern, baft
l^et »ie gegenüber jebem SBort bed ^ngeliumd gilt, ,Mi
ha, xod^ banad^ t^itt, jenem Wtamt gletd^ ift, bet auf
einen gelfen Baute". „XBenn bann bet $ta^regen fornntt"
nnb jene feinfü^Ienbe, t)orneJ)me, fc^toäd)Iid)e Siebe gerftört;
„tuenn bie ©türme n?et}en" unb in ba^ ^euc^e(gen?ebe fahren:
bann toirb bie ma^re Siebe an ben grüc^ten fenntlict) merbcn.
^emt toal^rlicl, bie iBiebe foE an ben ^xijul^im fenntlid^
hierben, — batouS folgt aber bod^ too^ nx^t, ba| bu bt4
5um ltdtner anftt>erfen foHfi Unb bet Saunt mtrb an ben
tjrüd^ten erfannt, — barauS fott^t aber bod^ too^l nic^t, ba^
ber eine öaum fic§ mit ber Beurteilung ber anberen bejaffcn
foH; im ®egcntei( ift immer ber einzelne S5aum, ber —
^tü^tt ttagen foU. Slbet ffttc^en foE ein äRenfd^ loeber
ben, bet ben Seib tbten lann, nod^ aud^ ben ^u^let. &
ift nur ®incr, ben ber 9Wcnfd^ fürd^ten foH, ba« ift ®ott;
nnb e^ ift nur (Stner, für ben eg einem 9}?enfdjen joll bange
fein, bag ift er fei bft. ©ctoife, »er in gur^t unb Sxtttxn
im &ott füt fid^ felbft bange mar, ben l^at nie ein ^eud^tet
bettogen. Kber bet, meU^ ed M fein (Befd^ft betteibt,
^eud^(et aufjufpüren, ob tl^m bad nun gelingt ober nid^t,
ber fet)e fid) nur üor, ba^ bieg nic^t auc^ eine geuc^elei
fei; benn berlei (Sntbedungen finb boc^ too^l faum grüd^te
ber ßiebc. dagegen mirb einer, beffen Siebe in SBa^r^eit
i^te eigene gftuc^t bringt, twn felbft unb unmiUtötlif^ jeben
^euc^et entlatben, bet i^ na^e ttitt, obet et nntb
boc^ befc^men; ber Stebenbe abet imtb fic^ beffen iMetc^t
2*
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— 20 —
fdbft md^ bekDu^t tuerbeiL annfdtgfie ^tl^igakfjix gegen
ipeu^etct ift We Älugt|cit, ja fic ift favm eine ©d^u^toe^r,
melmel)r eine gcfSl^rlid^e S^adjbarfdjaft; bie befte ©d)u^tt)e^r
gegen §euc^elei ift bie Siebe, ja fte ift nid)t b(o§ eilte ®cf)u|*
toe^r, fonbern eine gä^nenbc Xiefe; fic ^at in alle (S:roigfcit
mit ber ^ud^etet ni^t^ fd^affen. ^uc^ bad ift eine
gfrttd|t, an bet bie £tebe eilannt mirb, bog fte ben Siebenben
Dov ben 9t^m ht» ^d^Teri» bemo^tt.
SBenn e§ nun aber aud) fo ift, bafj bie Siebe an ben
grüd)ten fennt(id) tüirb, fo n)olIen iinb bürfen toir bod^ in
irgenb einem Siebe^üer^ältnid einanber ni^t ungebulbig,
mi^trauifd^, t^emiteUenb immer nur grüd^te fel^ tooOen.
%>a& erfte, )OQd mir entnndett ^ben, \^ man mflffe an
bie Siebe glauben, fonft mcrfc man gar nit^t, baft fte ba
fei; nun lücnbet ficf) bie 3^ebe toieber auf baö erfte jurücf
unb n)iebcrE)oIt eg: glaube on Siebe 1 S)Qg ift bod erfte
unb le^te, maS t)on ber Siebe 5U fagen ift, menn man
fie erfennen foQ; allein bod erfte äRal mad^ten toir ed
gcitenb im ©egenfa^ ber fred^en ^erftänbigfeit, bie ba«
^ofein ber Siebe überljaupt leugnen möd^te, je^t bagegen,
nad)bem bie ÄenntÜc^feit ber Siebe an ben grüd^ten gezeigt
njorben ift, tuenben toir ung gegen bie franf^afte, ängftlic^e,
f frut)u(dfe ^g^^igfeit, bie in Keinlid^m unb fümmerlid^em
IDHItratten f$rfi(|te fe^ miH ^ergii ed ni^, ei^ mftre ja
eine f^öne, eine ebfe, eine l^eilige grud^t, on ber betne
Siebe fenntlid] mürbe, tuenn bu gegen einen anbern, beffen
Siebe uieüeic^t geringere grudjt trägt, fo liebeöott toäreft, fic
fc^öner ^u fe^cn ai& fic ift 5^ann ba$ S}2igtraucn toirflic^
eüoaS geringer fe|en atö ^ ift, fo fann aud^ bie Siebe etmad
größer fct)en ate eiJ tfi — SSergiß e9 nid^t, wenn bn bic^
auc§ an ben grüc^ten ber Siebe erfreuft, bie bir äeigen,
baft in biefem anbern 3Kcnfd^en bie Siebe too^nt, — öergife
9
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— 21 —
t» m<^ ttai ed bod^ iiik| feligec ifi, an IBtebe glaitBeit.
(Sbttt bad tfl dn tiettcc %töhmi fix bie Xiefe bcr Sieie,
•bo| bu ntd^t bloß bic Siebe an ben grüd^ten erfannt ^aft,
fonbem eben bann btd^ tnieber ju bem erf teu ^urücfnjenbeft
unb in i^m toieber ba§ 4>ö^fte finbeft, barin nämlic^, an
i^tebe )it glauben, ^enn lool^I ift bod Seben ber Siebe an
ben Stfi^^ fenntlt^, biefe mad^en bte Siebe offenbar, aber
bo9 Sebett felbft ift hoä) mci^r bemi bte ein^ne gruc^t unb
mel)! at§ alle grüc^te pfammen, luenn bu fie in einem
^(ugenbticf aufjagten fönnteft. S)a^ lejjte, ba^ feligfte, bad
unbebingt über^eugenbe ftennjeid^en ber Siebe bleibt baium:
bte Siebe bie t>m ber Siebe in einem onbem ertannt
imb iirieber etfonnt tottb. 5C)ad (Sttetd^e ttntb nur nom
©leieren erfannt; blofe ber, welcher in ber Siebe bleibt, tann
bie Siebe erfennen, gleic^tote baran feine Siebe ^u erfennen ift.
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U. A.
Jtt JoUr lieben.
aRott^ 22, 89: ^ad anDete %tM ift Dem gleid^: Sy« f#aft HeiiMi
i^j»ebe 9fiebe, gumal ein S5tucf)ftüdE einer 9iebe, fe^t ettua!^
üorau^, tDoüon oudgegongen kmtb; toiE einer ba^er
Ine Kebe ober ^[iidfage (Stkoftgintg twnte^men, fo tl^
er tooffl, kuemt er juerft btefe Soraitöfe|ung ouffuci^t, um
bamtt 5U beginnen. @o ift auc^ in bem üorfte^enben %tjct
eine 33Drau§fe^ung enthalten, bie, obtüo^t am ©c^Iuffe ftetjenb,
boc^ ben ^u^gang^punft bitbet. äBenn e^ nämlid^ ^eigt:
„^n foUft beineit Soften lieben al» bid^ felbft", fo ift barm
bte Soraitdfe|mig entbotet, ba| jeber äl^etifd^ ^ feC6ft
(tebt. fe|t hai C^rtftentum otfo boroud; ^ ge^t burd^»
auö nid)t trie jene E;ocf)fIiegenben Xeiiter üoraugfe|ungglo§
in Söerfe, beginnt amS) nic^t mit einer f^meid^el^aften ^^or^
ou^fe|iing. Uttb fönnten toir bestreiten, ba^ eg fo ift, tok
ixa <&^rifietititm kwroiti^felt? @ollte aber attbrerfeitd iemaitb
in äRi^Derftanb bem C^riftetitnm bte aRetmntg isitterf(|te6ett
bürfen, 5U ber fid^ bie tt)eltlid^e ^(ug^ett einftimmig — mtb
boc^ leiber gerabe ftreitfiid)tig befennt, „baf; jeber fidi felBft
bcr Didd^fte fei"? foEte jemanb ba^ (2^l)ri)tentum fo mijsüer*
fie^ Ünxm, hai er ^ma S^ertreter unb @d^irm^erm
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— 28 —
bet (Sctbftticbe machte? (^t)riftcntinn iDiU ja im ^gen«
teil itn§ 5!}?enfc!)en bie @c(bfüicbe entreißen. $)icfe i\tc\t
nämtic^ haxin, bafe man ftd^ fe(6ft liebt; foH man aber ben
m^\im ^qU fid^ idb^i" litfm, fo bte^t ja ^ (Mol tm
ntit emem 5Dietrt^ ho» @^(og bet Sdtfittefe auf nttb ad^
reifet fic bem aWenfc^cn. SBäre ba« ®eBot ber Md^ftentiefic
onbcr^ außgebrücft al§ burd^ baS Xöörttein „al§ bid^ felbft",
baö fo leicht ju ^anb^aben ift unb boc^ bie (Spannftaft ber
(Ittngiieit fo !onnte bad i^ebot bie ^bftliebe nid^t fo
Beweifient. SHcd ,,q19 bicl^ fetbft" Mnft loenn num
ed hi9 Vuge fagt, ed btittgt itnabloetSbat mit ber @^ärfe
ber (Stoigfeit ric^tenb in ben innerften ©c^Iupfnjtnfel eitt, too
ein SWcnfc^ tieft fetbft liebt; eö läßt ber Selbftliebe nid)t bie
(etfcfte ©ntfc^ulbigung übrig, ni^t bie minbefte ^uöfluc^t
offfR. SSie unrnberbatl num fftimte ja lange imb fd^orf'
ftatitge ttebeit batfibec tfiAUn, ttrie em äRenfc^ feinen 9tBiäßm
lieben folle: unb boc^ »ürbc bie @eIbftUebc nad^ aßem @nt*
jc^ulbigungen unb 9lu§f(iid)te üor^ubringen njiffen, njeil bie
@QC^e ho6) nid^t ganj eifc^ft niäre, ni^t aOe ^Qe berüd«
fid^gt koäien, loetl immer nod^ etmod oergeffen ober ein
f^nft nid^ genon ober binbenb genug ottSgebrfidtt nnb be»
fc^rieben ttiilre. Kber biefeS „ald bic^ felbft'' — fa fein
Sfhngcr fann feinen ©egner fo feft umflainmern, tt)ic bicö
@ebot bie (Selbftliebe umflammert, bie fic^ nicf)t met)r Don
ber (Stelle rühren !ann. SBa^rlid^, ttienn bie (^elbftliebe
mit biefem 8Bort ben Stampf aufgenommen ^ bcu» bod^ fo
fga oerfte^ ift nnb niemanb Stüp\^thttäj^ mad^
tttrb, fo toirb fte merfen, bafe fie c8 mit bem @tär!eren p
tl)un (jotte. SSie ^afob nad) feinem ^iiiujcii mit ®ott )ic^
la^ gerungen ^tte, jo n^irb bie ©elbftliebc ^crbrod^en fein,
mcnn fk ntit biefem SB5rt(ein gerungen f^t, t>a^ bod^ einem
SIcnf d^ feine 6cIbftIieBe nid^ abl^, oielmetr bie red^
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SetMttteBe gerabe Mhmqitn ttriH. ttmttbetlic^!
Streit ift )o laitgtoterig, fc^vedüdj, üenüictelt iinc bei 5^ampf
ber SelbjtlieDe um i^r eignet Sebcn! imb borfi mad^t bad
(S^riftentum mit einem einzigen ®c^lag alle^o ab.
i&ax^ ift kvie ein ^anbnnüNcd^, olled ift entfd^teben, ttrle
Irie ciolge ®ntf(|etbung ber ^Tuferfte^mtg, im in einem
angcnbndE" (1. Ä'or. 15, 52): bag Stiriftentum fe^t uorau8,
ba6 ber ED^enf^ ftc^ felbft liebt, unb fügt nur baS Sort
l)inju: ^ben S^dc^ften als btc^ felöft". Unb boc^ liegt jmifc^en
biefem nnb jenem bte ^eränbernng einer gan^n @tpig!ett.
«Hein foQte ho» and^ ba9 $lk|fte fein? fottte ni(^
möglid) fein, einen SRenfd^en ^öl)er ReBen al8 fid^ felbft?
$)iefe 3^ebe bid)tcrifc^er öcgcifterung lä^t fid) ]xäM) in ber
SBelt l)ören; ift'ö öielleid^t an bem, ba^ ba^ S^riftentum fid^
nid^t ebenfo t)od^ emporfc^n^ingen fann, fo bag eS, mljli aud^
mit SUfiftci^ auf bie einf<igen, gettid^nlid^ Sente, an bie
e9 fid^ toenbet, fid^ mit ber gorberung, ben 9lft(^fien ^cB
\xä) fe(bft" ju lieben, befd^eibcte? gerabe ttjie e^ aud^ nur ben
»renig poetifd^en „S^äd^ften" lieben tcl)rt, n)ät)renb jene t)0(^*
fliegenbe Siebe ben „beliebten", ben „greunb" befingt — benn
bie Siebe jum 9l6(^ften l^ot genn^ nod^ fein ^ic^ter bef nngen,
fo menig mie bte Siebe, todü^ Kebi, tme man fid^ fetbft liebt:
follte olfo biefe poetifd^e Siebe bem ßljriftentnm ^od§ fein?
Ober füllten tuir im übrigen ber befungenen Siebe öor ber
befohlenen ben ^-Borjug geben unb (gleid^fam ^ur ärmlichen
dhitfd^öbigung bafür) bad (S^riftentum ob feiner ÜBefonnen«
1^ nnb Sebendtoeidl^ )nteifen, ba| ed nfid|tetner nnb ffoaO^
^aiterifc^er fid) ^ur (Srbe l^lte, trieQeid^t im ®inne bed @|)ric^^
tt)ort3: „lieb' mid) ttjenig unb lieb' mic^ lange"? ^ag fei ferne!
S^riftentum njeife bod) um bie Siebe unb um ba^ Sieben
noc^ beffer ^ejd^ib aU irgenb ein ^ic^ter; barum mei^ eS
aber am!^, loai^ ineUeic^t ben ^£)id^tem entge^, ba| i^re Siebe,
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— 25 —
bie fie bcftngcn, im ©runbe ©elbftliebe ift, unb bafe baraud
topl^l erflärcn läfet, wie fie in einem fd^önen $Raufci^ einen
anbem ^d^et 0tt liefen hdpxüpUtt, ftc^ felbfi ^te natftt«
lid^eSieBe tfi nix^ nt^t bad (Steige; [te ift ber f c^öne @(|n)tnbe(,
ben bie Unenbtic^feit erregt, t^r ^öd^fter ^luöbrucf ift baS
bummbreifte ©c^toelgen im 3flatfelt)aften; bat)er fommt e§,
bafe fie fic^ noc^ ^öl^er öerfteigt, ber fc^tüinbelerregenben
9^ebe, bag man einen äRenfd^en „noä^ ^l^ev Uebe oU ^ott".
Unb biefe ^mnmbceifttglett bel^agt bem ^nj^er über alle
SKofecn, fie ift i^m ein D^renfd^moni^ nnb begeiftert it)n jum
(Siefang. 51^ ba§ S^riftentum Iet)rt, bafe bo« ®otte3töfterung
fei. 2öa§ öon ber Siebe gilt, baö gilt ebenfo üon ber greunb-
fd^aft, fofcm oud) fie in ber SSorliebe befte^t, bie biefen einen
SKenfd^n tot allen anbecn (iebt, i^n (iebt im (^enfa( p
allen anbern. ^eS^Ib brfidEen and^ Siebe unb greunbfc^ft
fc^on burd^ ben S^amcn it)re^ ©egenftanbeS bie Vorliebe für
i^n au§, ba fie i()n ben „beliebten", ben „greunb" nennen,
ber im (Segenfa^ jur ganzen 3Belt geliebt mirb. dagegen
ift bie d^riftUd^e Se^re, bag man ben 9Md^ften, bad gan^
ikfci^eci^t, alle äüZenfd^en, felbft ben geinb liebe, ol^ne meber
in @^m|7Qt^ie noc^ in 9[ntt^att|ie eine 9(tt9na]^me jn ma<i|en.
9^ur ©inen fann ein 2J^enfd) in tua^rem, emigem ©inn
^öt)er lieben benn fid^ felbft, ®ott. ^arum Reifet eö auc^
nic^t: „bu follft (3ott lieben n»ie bid^ felbft," melmel^r ^ei^
ed: „bu follft ben $erm, beinen Q^tt, lieben ton ganzem
^x^tn, ton gan^ @eete nnb mit beinern ganzen ©inne/
^ie Siebe eine« Sl'^enfd^n (SJott foH unbcbingter ®et)or*
fam unb ^Inbetung fein. @8 ift ©ottlofigfeit, tt)enn ein
aWenfd^ toagen moUte, fic^ felbft fo lieben ober einen
onbem äJ^enfc^en fo lieben ober fic^ t)on anbern fo lieben
|u laff en. SBenn bein greunb ober Siebter bid^ um etkoad
b&te, bai$ tl^ noiü^ beinem liebenben Urteil ^nm ®^htn
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— 26 —
löäre, jo ipürbeft bu.eö öeranttoorten ^aben, luenn bu i^m
beute ßiebe bim| (^etti&i^nsiig bed d^betenen betotefeft ftott
buTd^ Setfagen feines Sbtitfdlcd. 0ott aber foHfl tnt Kebeit
ht nnBebtngtem @e[)oi[am, anä^ loettn feine ^orberung btr
je(b]t, ja jeiner ©adf}e f($äblid^ trerben fcf)etnt; bcnn (JiotteS
28cigt)ett fte^t in feinem SSergleic^ ber beinen, auc^
fi(!^ iS^otted Stegierung nid^t t)Oc beiner ^(ugf)eit §u üeront«
motten; bu ^fi bloft in Siebe jn ge^on|en. dornen iRenfil^it
. bagegen foöft bu b(o6 — nein, baÄ ift ja baS ^öc^ftc —
alfo: einen 3)?enfd^en foUft bu lieben njie bicf) felbft; fannft
bu fein öeftei? be)fer aU er einfel)en, fo barfft bu bic^ nitf)t
bamil cntfc^ulbigen, bafe baS ©d^äblid^e fein eigener SSunfd^
nxtr, Ml i^m felbft erbeten nntrbe. SBenn ^ nt^t ber goU
Mxt, fo liejse ft(^ gan§ rid^ttg hatm teben, ba| man einen
anberen SWenfd^n l)öJ)cr liebte, aU ftd^ felbft; ic^ müfetc in
jüldjeni gall tro^ meiner befferen (Sinfid^t, bafe i{)m bie
^emä^rung feiner Sitte ein ©d)abe fei, get)ürfam mintal)ren,
totü er e^ verlangte, ober anbetenb, toeil er tDün\^t.
. Skijtt aber bn gerobe feine (Sriaubntd; bn 1^ e9 )tt
oeront)oorten, menn bn fo etmad t^uft, une an^ ber anbete
bic 35erantn)ortung trägt, menn er in fold^er Söeife fein ^er*
^ältniö ju bir mipraudjcn miÜ.
5nfo — „al« bic^ felbft." 3)enfen mir un8 bcn liftigften
IBeträger, ber je lebte (ober n>ir Umta i^n aud^ nod^ üfttger
bid^, al^ fe einer gelebt I)at): t& fei xfyat bamm t^un,
öiele SBorte gu mad)en unb red^t umftänblid^ fein (benn
bann ^at ein öetrliger ba(b gemonnen), unb fo bleibe er ja^r-
aug jahrein babei, „üerfuc^erifd^" ba§ „fönigtid^e ^efeij" au8*
§uforfd^en: „toie foU id^ meinen SW^ften Ueben?" ^a mirb
i^ bad (Moi bftnbtg nnb unberftnberliij^ baS fm^ SBott
miebet^olen: „al^ bi^ fetbft". Unb toenn ein ©etrtiger box^
allerlei Umfd^meife bei ber ^rmögung biefer ^od^e fic^ felbft
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— 27 —
fein üebenlang — betrog, fo irirb it)m bie ©lüigfeit blofe bag
furje SBort beö (Seje^e^ entgegentjaüen: „alg bic^ felbft".
2BQJ)rIic^, feiner tutrb fttf) bem ®ebot entjiefjen fönnen;
räcft ba8 „aU bic^ fetbft" ber eel^tlteae fo na^ atö möglich
5tt SetSe, fo ifi ber ,,iRäd)fte" »iebet eine ÜBeftimntnng, bie
ber ^elbftliebe )o Ieben^gefä()rlid^ aU möglich nat)e tritt.
2) a6 C'S ()ier eine Unmöglic^feit ift, fid) baüon p fcfjteic^en,
fie^t bie ©elbftliebe ein. S)ie einzige Slu^fiuc^t» bie ja feiner
Qnt oud^ ber iß^ariföer ergriff, alü er fic^ red^tfertigen n»oIlte,
(efte^t barin, ba^ man ed ^meifet^ft fein Ift|t, toer ber 9lft(^te
fei — vm if)n fid^ öom öcibe t)alten.
9Ber ift alfo eineS 9}?enfd)en SRäd^fter? ^oö 3ßort
bebeutet offenbar baö örtlid)e 9bf)efein; a(fo ift ber 9^äc^fte
bcrjenige, ber bir nä^er ift olle anbren. ^od) ift er bieÄ
nid^ im gemfitUcl^en @inne, im @inne ber j^orliebe; benn ben»
jenigen HeBen, ber einem fo nö^er fielet aU oHe anbem, ifi
@eIbftHc6e — „tftun bie ipeiben nid)t aud) atfo?" ^r 9^äd}ftc
ift bir alfo näl)er alö aüe anbern. Mein, ift er bir audj nät)cr,
ote bu bir felbft bift? iJ^ein, baö ift er nid)t, üietme(}r ift
er ober foU er bir gerabe fo na^ fein. ^ „iRäd^fte'' ift,
toad bie ^^(ofopfien ba9 Knbere nennen lofirben, ba9, looran
offcnBat nnrb, baß ba8 @et6ftifcf)e in ber €eIBfBie0e ftecft.
3nfofern brandet, be§ abftraften ©ebanfen^o wegen, ber 9?äc^fte
gor ni^t einmal ba fein. Ujare benfbar, baB ein
3) '2enfd) einfam auf einer öben 3nfel lebte unb bocft ben
9tö(^ften liebte, tpenn er nur feinen ^inn nad^ bem Qkbot
ber Siebe Mlbete unb ber @eIbfi(ieBe entfagte. 3ttKir entölt
ber .M^^tt" in fid^ eine 2«annigfaltigfeit (benn ber ,,9lä(^ftc"
bebentct „alle2}?enfd)en"), unb bod) ift anbererfeitö ein9[J?enfc^
t)inreic^enb für bic^, um ba^ ®efe| einzuüben. ®d ift nam*
lid^ eine Unmög(i(^!eit, mit bem ^emugtfetn, §u ^toei jn
fein, in felbftifd^ @inn ein @elbft ^n fein; ba§u mug bie
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— 28 —
©clbftliebe allein fein. finb aud) feine ^rei nötig: benn
finb nur ^toti, bad toiä jagen, ift nur ein einziger anbrer
SKenfc^ ba, ben bu im ^Ut^eit ©tnii liebft „cO» btf| fel^i^
obec in bem bit ben „9td#teit'' (teSft, fo iKfifl bn oDe aXeti«
[c^en. dBet ba9 @elbftifd^e unbebingt nid^ tetben !antt,
bog ift bie Sl>erbop|jetung; unb ba j5 baö ©ebot lautet „aU
bid) felbft", barin liegt eben bic ^crboppelung. 5)er in
natürlid^er Siebe ©tü^enbe hm nie auf (S^cunb ober in
ftiaft biefer (8M bie Secbotiliedtiig ectnigeit; benn fftr feineti
f^aU liegt in t^r, bag er bte SteBe attfgöbe, toyenn bet (Sktie^
eö forberte. tiefer Siebenbe liebt alfo ben beliebten nic^t
„ai^ \\d) felbft", benn er ift ja ber ^orbernbe; aber biefe^
«old fici§ felbft" richtet öiclme^r bie gorberung an iljn —
Q!^, mtb bod^ ntentt er gar, er liebe ben anbem l^ft^ benn
3)er „S'läc^ftc" rucft alfo ber (Selbftttebe fo fräftig aU
möglich Seibe; giebt e§ nur jttJei 3)^Gnfc^en, fo ift ber
onbere äT^enfd^ ber 9^ä^fte; äJ'^iUionen angenommen, fo ift
jebec t)on biefen ber ^^äd^te, ber emem miebentm nAl^r rüdt
benn ber „Sremtb" nnb ber „iSdi^", fofem btefe aU
©egenftanb ber SorHeBe mit ber 6eI6ftfiebe fid) ganj fremtb«»
fc^afttid^ fteüen. SDafe ber 9Mc^fte fo ba ift unb einem fo
na^)t ift, beffen ipirb man fid} im allgemeinen mf)i audE)
bemüht, tpenn man Siechte, gorbcrungen an it)n ju ^aben
g(attbt Sknn einer in biefem @inn fragt, »er fein 92äd^fter
fei, fo ent^öTt jene Wxtamt (S>t)n\ü an ben $i)anf5er nur
auf eigentümli^e SBeife ben Söefc^eib: benn in ber 5lnttt)ort
loirb eigentlid) ,^uerft bie ^rage unu^ebrelit unb baburc^ an-
gebeutet, mie ein 2)ienfc^ 5U fragen ^be. 3^c^bem ©t)riftu§
n&m(id^ bad <iletc^nii^ Dom barm^igen Samariter eq&^t
^t, fragt er ben ißl^der (Sut 10, 86): „todä^ non biefen
Dreien fd^eint bir nun ber SUtc^fte beffen geioefen in fein,
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— 29 —
bcr unter bie 9Körber gefallen war?" unb ber ^l^arifäer ant*
ttjortet „rid^tig": „ber, tt)el(i)er bie 93armt)cr5tgfeit an \f)m
t()at"; bcr <Sinn ift: »enn bu beine ^flid^t ancrfennft, ent*
bedft bu leidet, koer beiit SR&c^fter ifi 5Dei» $^rif aeri» %nt«
mott ifi in ber gragefieUung ^l^rifit entloben, bur^ tod^
bet ^l^ortfäer genötigt tourbe, alfo antworten: bcr, gegen
ben id) eine $f(icl)t {)aht, bcr ift mein S^öd^fter, unb Wenn
ic^ meine ^füdt)t erfülle, fo bemeife ic^, bafe id) ber Md^ftc
6tit. SBq^ ^t)riftud fagt, get)t nämlid^ nid^t barauf, bag
man ben S^^ad^fien lenne, fonbem baranf, hai man felbft ber
SR(U$fte ttietbe, fetbft fid) aU ben St&d^fien benietfc, nne bad
ber ©amariter burd) feine 53armf)er5igfeit tJjat; benn burd§
btefc bewieg er ja nid^t, ba^ bcr llbcrfancnc fein ::)(äd)fter,
fonbern ba^ er für ben Überfallenen ber 9Md^ftc war. S)er
Scbit unb bec ^tieftei: koaten eigentlich e^t bie Sfläd^ften für
ben Wantn, aber fie ntod^ten nti^tö babon lotffen; ber @ama«
riter bagcgen öerftanb rtcf)ttg, bafe er für ben Überfallenen ber
Si^ädfifte war, obwohl er burd^ fein 3Sorurteil feine Sage Iei(^t
üerfennen fonnte. ©inen beliebten fic^ wn()(en, einen greunb
finben, bad ift eine umftönbüd^e ©ac^e; ber 92äc^fte aber ifi
leicht iu fennen, leic^ ^n finben, menn man nur felbft —
feine ^flid^t anerfennen ttnU.
^aS ®ebot lautete: „^u foÜft beinen ^öc^ften lieben
aU bid) fetbft"; aber rcd}t ücrftanbcn fagt eö aud) baö Um?
geteerte: foUft bid| felbft auf bie redete ^eife
lieben. SBenn einer ba^er öom S^riftentum nid^t lernen
tM, fic^ felbft red^ lieben, fo fann er aud^ ben 0{&d^ften
nid^t lieben; er lann bann ineQetc^t mit einem ober meieren
anberen 3)?enfd)en Wie eä tieifet für ßcbcn unb ^ob ju*
fammen^alten, ba^ beißt aber feineöwegö ben 9iäct)ften lieben.
6id^ felbft red^t lieben unb ben Mc^ften lieben entf^ric^t
etnanber ganj, ift im (Shntnbe ein unb bodfelbe. ^t bad>
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— 30 —
^fc| mit fettiei^ „als l»tt^ felirft" ^ ber SOb^bt etit«
tomnbeit, bte ftetüd^ hai (S^nftentum leibet afö X()at)ac^c
in jcbem lUcujcfien Dorau^jct^en muf), )o I)aft bu gerabe ge-
lernt, birf) felbft 3U lieben. 2)aß (^e)etJ fagt bal)er: foÖft
bic^ felbft fo lieben, mie btt ben Mc^ftett liebft, memt bu i^n
Itebft toie bid^ felbft
Sebet SOienfc^feiittet gtebt geioi^ 5», ba§ et oft beit
SQSuttfcf) !)cgte, er möd^tc nur bie Seilte jur ^Tufgabe t^rer
©clbftliebe bcftimmen fönnen, ober bann nid^t minber, e§
möchte it)m bod) gelingen, i^nen bie Siebe fid^ felbft in
toa^rem ©inne beizubringen. SSenn ber gefd^aftige äBelt«
menfd^ feine geit unb fttaft im ^tenfie beft eitlen amb
mettlofen treibend t)ergeubet, ^eigt bod ntc^t, bag et tioc^
ntd^t gelernt ijat, fidj iclbft Heben-? S^enn ber i^cid)t^
finnige ftc^ felbft an ben STanb be§ ^(ugenblid^ iDcgtinrft,
faft olö töäre er nid^tö, betoeift er bamit nid^t, baft er noc^
fein ^tänbnid bafüt \^t, ttne et fid^ felbft lieben foUte?
SBenn bet @d^immütige fein Seben, [a fid^ felbft (08 fein
MnU, mangelt il^m ba nid^ bie ©ttenge mtb bet ^nft, fic^
felbft lieben? SSenn ein SD^cnfd), ben bie SSelt ober ein
anberer treulos üerraten t)at, ber ^^er^ttjeiflung fi^ Ijingiebt,
liegt ba nic^t (üon feinem unf^ulbigen IBeiben reben mit
^ietbei nid^) bie eigne ©d^nlb mit p ^nbe, hai tt ftd^
felbft ni^t auf bie ted^te »Seife ß«^? ®«tn ein SWenfd)
felbftquälerifd) meint, er tl)ue ®ott burd) feine ©elbftquälcrci
einen ^ienft, ift ba nidit eben baö feine ©ünbe, ba§ er fid^
felbft nic^t rec^t lieben roiü? ^2lc^ unb mnn ein 3J?enfc^
Detmeffen ^b an fid^ legt, ift nid^t eben bai» feine ^ünbe,
bog et nid^ ted^t fid§ felbft in hm Sinne liebt, in' bem
ein 9J?enfd§ fid§ felbft lieben foll? D, mon rebet in ber
SCßelt fo Diel üon 3.^errat unb Untreue, unb, @ott beffere
ed, ed ift ja nur all^ ma^r; mir bürfen aber \Hiiob ni^t
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öergeffen, bafe ber gefä^rüc^fte 33crräter unter allen ber ift,
ben jebcr 9)?eufc^ in fidf) felbft birgt, i^cag nun btefer ^er*
rat barin befielen, bafe ber 3}^enfc^ )ic^ feCbftif^ liebt, ober
bann, bag er fel^tifd^ fu^ felbft tttc^t auf bie redete äBeife
Cctoi kmO, er 6(eiBt unter allen ttmft&nben ein <Sle^»
ntiS unb totrb nid^t, )mt fonft ettoa ißerrat unb Untreue,
öffentlidi gebranbmarft; allein ift e^ nid^t eben barum beftu
njidjtiger, ba^ njir un§ immer »ieber öom (S^riftentum mahnen
laffen, bafe ber SKenfd^ feinen S^äc^ften lieben fott »ie fid^
felbft, b. ^. lote er ftc^ felbft Ueben foO?
^ba& ^bot ber iflftd^nltebe rebet affo in ein unb
bcmfclben SBort „o(8 birf) felbft" öon biefer Siebe unb öon
ber Siebe §u fid) ]el6ft — unb bamit ift bic Ginleitung ber
O^ebe bei bem augelangt, biefe jum (^egenftanb il^rer
IBetxac^tuiig niad^ mb^tc ^ (^emeinfanie, auf
vMU^ bod ikbot ber Kdd^ftenliebe unb baS (Bebot ber
©elbftacbc ^inau«räuft, ift md^t bloft bog „aU btd^ fclbit ,
fonbern noc^ mef)r ba§ „hü \oü\V\ Unb jo reben toir öon
bem le^teren, t)on bem:
5Du „follft" Heben.
S)enn baiS ift gerabe ba9 SNmtgeid^en ber d^ftlic^en
ßicbe mtb ift il)re ©igentünüidjteit, ba^ fie biefen fc^einbaren
SBibcrjpruc^ entljält: ^u lieben ift eine ^^flic^t.
S)u fotlft lieben, fo lautet alfo bag „föuifllidje ©ebot".
Unb UNi^lk^, memt bu bir eine i^orftettung bom Staube ber
XBdt biQ)Ctt fannft, tme et koar, e^ bteft dkbot erging, ober
toenn bu btc^ felbft öerfte^ toillft unb auf ben SBanbel
unb ©inn berer ac^teft, bie, bem 9^amen md) (Et)riften, boc^
et0enUi€^ in ^eibnifc^en ^'orftellungen ba^in leben: fo t»ixii
im, ongefk^td biefer d^riftlid^ (^eutfimticpeit tt>ie bed gongen
Clrifienluatf, mit bd» (Maubend iSectounberung bemfttig au«
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— 32 —
9eftet)en, bafe folc^eg ntd)t in cine§ SD^cnfc^en ^erj aufge*
fommen ift. 2)cnn baö (SJebot ift nun ac^tje^n d^riftlic^e
Sa^r^unberte l^inburdb unb fd^on Dot^c im Subentum gältig
geloefeit; jebet ift bann ei|ogeti mib, getfüg betftanben, bem
Atnbe gletc!^, boS in koo^d^abenber (Sfteni ipaud auftoad^ft
unb barunt in ®efa^r ift, ju öergeffen, bofe baä tägliche
S3rob eine ®abe ift; unb nun, ba baö Sliriftlid^e mandjmal
üon benen, bie barin auferjogen njurbcn, gegenüber anert)anb
Üleuigfeiteit betfd^mä^t koitb, ä^nUdji koie bie gefitttbe ^ptx\t
Don fold^, bie ben junget nie jn mfd^mecCen litten, gegen
fitdtmacm Mo^et toirb; nun, ba bog (S^riftlidje borau«*
gefegt njirb, olg befannt, alö gegeben öorauögefegt, an-
gebeutet n)irb — bamit man toeitergelje: nun wirb e^ freiließ
t>on jebem ol^ne tueitered nad^gefagt; unb boc^, tute feUen
untb tetber bocanf gtad^et, nne feiten meUeid^ ift ed,
ba^ ein (S^riftenmenfd^ emft(id) unb banfbot fid^ eine 8ot»
fteUung öon bem 3"f*ö"^ mac^t, mie er fein
müfete, toenn baö St)riftentum ni^t in biefe SBelt f)erein'
getreten märe! 2öag für ein Wlut get)ört biK^ nic^t bo^u,
^nm attetetftenmol bod SBott avS^u\pxt^^: ^^Dn foUft
lieben"! ober richtiger, meld^er göttlich ^ntoritfit Bebarf
um mit biefcm SBorte bie natürlid^en SPorftellungcn unb ®e*
griffe ber 9D^^enfd)en über ben Raufen ju merfenl S)enn ha,
too bie menfc^lic^e ©prad^e Derftummt unb ber 9J?ut nic^t
ftonbljatt an ber ©renje, ba tritt mit göttUd^er Originalität
bie Offenbarung auf ben $(an unb tierfünb^, koad fftr ben
f^arfen Serfianb ober für bie menfd^Ii^e IBergleid^ung nid^t
fd)iuer 5um 58erftel)en ift, aber gleidjlüül)! in einc§ 9J^cnfd)en
^er^^cn ni^t auffam. ^nm ^erftcl)en ift eö eigentüd) nic^t
fd^mer, fobolb cd auSgef))ro^en ift, unb ed aill ja blog gum
Eudftben berftanben fein; aber anfgefommen ift ed nid^ in
einedSReufd^en ^erj. Stimm einen Reiben, ber burd^ gebonfen«»
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I
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U\t» fyxSpHappttn btS C^fBif!^ ober btttd^ bte (EmbtOmtig,
er fei fdjon ein (K^rift, nod^ iti^t tttttobfßt ift, — fo tiM>
bieg ®c6ot „^u follft ücbcn" i{)n nid)t btofe in ©rftamten
fe^cn, fonbern e§ trirb iJ)n empören, e§ ttjirb iljm jum
5trgerntg tuerbcn. ®ben barum gilt and) üon bicfem ©ebot
bec 8kbe tmebet, too» f ftr ba« (S^rifÜ^e i|bec^itt>t bcaeiii^
nen^ tft: „9IIe8 tfi tten geioofbett/' iMot tft tttd|t in
zufälligem @tnne ettüQ« SRcueiJ, and^ nid^t eine 9^cutgfett im
©Tttne bcr 9?eugier, audE) nid)t im ©inne ber ^eitüc^fett ein
SJleiie^. Siebe gab aud^ im ^eibentum; baj aber
^et|t, man „foQ'' lieben, bad tft eine ^ei&nbemng um eine
gange ^M^teit — nnb aUt» ift bamit neu getootben. Rod
ffir ein. Unterfd^teb jmifc^en jenem ®pitt ber natfitftc^en
IRegungen, ©efü^te, Steigungen unb Seibenfcf)aften, furg jenem
@piet ber unmittelbaren Gräfte, jener bidjterifd^ befungenen
^rrlic^feit im fiad^en ober in Xf)ränen, im SBünfc^en ober
im ©eignen, toa^ für ein Unterfd^teb ^d|en btefem gfrö^eten
tttilb bem CkoigldiSenifi ber nnnme^r gdboienen Siebe, ber
Siebe im mtb in bet »al^r^ett, in Knfri^tigfeit nnb
©elbftocricugnung !
ttber bie menfd^lid)c Unbonfbarfeit, o ma§ {)at fie für
ein furjciS ©ebac^tniSl SBcil je^t baS $öd)fte jebcm ange*
boten mtrb, fo nimmt man ed al^ ein 1^; man fü^It
ni^ babei, gef^meige \ta% man ftd^ HM^t^ft gftbe lom
bem-^o^ Sßett bed 5{)orgeBotenen, teij^t aU Bftgie M
^öc^fte etmag ein, meit alle baSfelbe l^aben ober f)abcn
fönnen. @ief), menn eine gamilie im 53efi^ cineö foftbaren
^einobd ift, ba^ fic^ auf eine gemiffe ii^egebenl)eit begief)t,
fo t^fk^Un t>on Ükfii^lecl^t %n Ükfc^lec^ bie Witxn i^ren
JHnbrm nnb bie ftinber nHeber i^ten ftinbem, loie ei^ bobei
gugcgangen fei. SBcit aber baS S^riftcntum bereit« fo iMe
JJa^r^unberte t)inburd^ baö Eigentum bcg ganjcn ©cfd^lec^t^
Stiexlegaaib, KBoUen ber £ie^. 3
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getoefen ift, foH batum aUc Siebe öerftummen, toaS für eine
d^kmgleitötier&iibeittiig mit bem (S^tifteittum in ber Sßelt t>tyc*
ging? mtS)t jebe« ®cfc^(ed^t gteid^ nat)e baju, b. 1^. ift
eS nic^t gtetc^ baju ücrpfltd)tet, fi^ ba« beutlic^ §u mad^en?
Sft bic SSeränbcrung minbcr merftimrbig, mii fd^on oc^tjcl)!!
Sa^tl^unberte bat)tn finb? Sft imnmet)r auc^ ireiüger
)i)t(^tig gett)orben, ba^ ein ^ott ift, tveti fc^ou in etlichen
So^rtaufenben gan^e <Slefd^(e(^r gelebt l^ben, bie an i^n
glaubten? ift bad ffit mic^ babntd^ ttieniger mtc^ttg geworben
— njenn id^ onber^ gtauBe? Unb ftnb c8 für ben je^t
£cbenben fdjon ad)t§et)n Sal)rt)unbeitc, ba^ er ein St)rift
tourbe, tneil baö ©l)riftentum fdjon üor ac^t^e^n Sa^rt)unberten
in bie SQSelt gefomnten ift? Unb toenn t& ieinedkoegi^ fo
(ange ^et ift, fo mn| er fic^ bo(^ erinnern, lote ed nxtr, a(d
er ein (S^rift nmrbe, nnb fontit iviffen, n)e(c^e iSSeränbemng
mit it)m vorging — ttjenn nämlictj bie ^-öeränberung mit i^m
borging, baß er ein (£{)rift lüurbe. bebarf alfo feiner
meltgcfdjidjtlidjen (Sd)i(berungen beÄ ^eibentumg, al^ iüären
ed 1800 Seigre, feitbem ba^fetbe untergegangen ift; benn
gon§ fo lange fj/tt ift ed bod^ mfjlL nid^t, ba^ bn, mein
ßicber, unb id^ Reiben getoefcn finb, getoefcn — je — toenn
njir anberS S^riften genjorben finb.
Unb ba§ ift gerabe bie tranrigfte unb bie gottlofefte
?Irt öon S3etrug, loenn man fic^ burd^ Unbanfbarfeit um
bai^ ^öd^fte betrügen tagt, bad man $u befi^ meint unb
Idber bod^ nid^t befi|t. ^nn mai^ ift tool^l ber ^ad^fte 8e«
fi^, \Da9 ift ber S9efi$ bon allem, tt>enn ic^ nie ben redeten
(Sinbiud baüon genjinne, baf? id^ e§ befi^e unb id) be*
befige! S33eil ber, njeldjcr bie irbifdjcn ®üter l)at, nad) bem
SBorte ber ©c^rift fein foll, aU l>itte er fie nidjt, foU bad
benn auc^ nom ^öc^ften gelten, bag man e^ f|at unb man
bod^ ift, ate ^fttte man nic^t? 06 e« fid^ mol^I fo toer^It?
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^oc^ nein, toix luoHen un^ n\d)t buxd) bie grage betrügen,
ai^ toäxz möt3Ud), baö -t^öc^fte auf bicfc SSJeife \)ahm,
toxi tootten öielme^r re^t bebenfcn, bofe bas eine Unmögli^»
!ett ift. S)ie irbifc^n mttx \mb tad (S^let^ültige, ittib
barunt (el^ bie ®d^ft, ba^ man fte, faOd man {te 6efi^t,
a\(i ba« ©teid^güdige Sefigen foH; ba« §örf)ftc aber fann
unb barf nicf)t tDie baö (5iIeicJ)güItige befeffen luerben. S)ie
irbifd^en ®üter finb äuBerlicf) betrachtet eine SSirfüc^fcit,
barum fann man fic befi^en, iüä^renb unb obfd^on man ift,
atö l^te man fie ntd^t; bie geiftigen (Stüter abet finb (ebtg*
(ic^ im Snneren, blog baburc^, ba| man fie befi^t, unb
batum fann man, menn man fte nrirfftc^ Befi^t, nid)t fein
tt)ie einer, ber fie nidjt befi^t; im ©egenteil, njenn man ein
fülc^er ift, fo befi^t man fie gerabe nid)!. SBenn einer meint,
(ä^Iauben ^ben, unb ift bod) bei biejem $efi^ gletd)güttig,
meber Mi no^ UKinn, fo barf er fid^ec fein, er fyit ben
(^(anben gar nid^t. SBenn einer meint, er fei ein ^^^rift,
unb ift bo(^ gleid^gültig bobci, baß er e« ift, fo ift er e«
geloib aurf) nid^t. Ober mnö sollten iuir üon einem urteilen,
ber üerfic^erte, er fei oerliebt, unb 5ug(eic^, bag i^m bad
gana gleichgültig fei? "Vv^ cv WJl
@Q motten mir aud^ ^ier, mie überhaupt bei jeber Qk*
legen^eit, mo mir t»om (S^ftlid^en reben, feine Urf))rüng«
lid^feit nid^t öcrgeffen, b. 1^. baß e« in fcincS SWenfd^en ^crj
cntfipmngen ift; njir moflen nid)t uergeffcn, bauon mit be^
(S^Iaubend Uriprünglicf)feit 5U reben, ber jebcr^eit, menn er
in einem ÜKRenfcl^en ift, m6^t glaubt, meil anbre geglaubt
laben, fonbern meil auc| biefer SRenfc^ imn bem ergriffen
mnrbe, mad 'bor it)m fcf)on Ünj&l^nge ergriffen l^atte, aber
barum ben legten nid^t weniger urfprünglii^. ®enn ein
Söerf^eug, ba§ ein ^anbmcrfSmann braurf)t, mirb mit ben
Salären abgenugt, bie ^bei uerliert i^e ^pannlraft unb
3*
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ctlat)mt; aber bic @)Kinn{raft bcr ©lütgfctt ^at, Sc^tt
fte QKe ^inbutd^ ganj unberänbett. SEBenit ein lh:aft«
meffcr lange genug geBraurf)t ift, fo foim ^ulcjjt auc^ bte
©c^ttJQc^e i()n in 53ett)egung fe^en; aber bie ^aftpro6e ber
©tDtgfcit, an ber jeber 9[)?enfc^ flcprüft n^erben foß: ob er
©tauben ^aben toiU ober nic^t, bleibt burc^ aüe 3^^^ ^ji"'
bttt(^ gdnattd^ unöetänbert. — Söenu ©^riftu« (aWatt^. 10, 17)
fagt: „^ftiet euc^ t)or ben SKenfc^", foUt« borin titc^ au^
ha^ eittl^Iten fdn: ^tet eud^ bobor, bog it)r ni^t burd^
2J?enf^en, ba§ ift bnrd) ftete^!^ iNer(]leidjen mit anbcrn aj^en-j
fd^en, bur(f) ®en)ol)nt)cit unb ^Hu^erlic^feit um bnö .^öc^fte
cu(^ betrügen lafet? S)enn eincd ^etrügerö Xüde ift nid^t
{o gefö^rticf), ba nton fd^on e|et aufmerlfam toirb; rec^t ge»
ftt^rUc^ ift erft ha», hai man baiS $ö^te tone ein gUit^
gültige« ^metngut f)at, in geiftfofer ®etoJo^nJ)eit, ja tn einer
geifttofen ©enjol^n^eit, wddjt gar baö ®efi^lecfit an bie ©teile
be^ (Einzelnen fe^t, baö (5Jefd)led)t jum (Smpfänger unb ben
(Sinjetncu als ®tieb beöfelben o^ne meitere^ §um Xeil^aber
ntad^t. ®eto)i6 foU bad ipöc^fte ntd^t aU ein SHaub an
genffen »erben; bn foaft eS nid^ in feI0fHf(^r f3eife fftr
bic^ felbft ^aben, benn ttw« bn lebigtid^ für bid^ felbft ^aben*
fannft, ba8 ift niemals bas ^lodjfte: üb bu aber aud^ im
tieffteu «9inne baso $öd)fte gemeinfam mit allen ^aft (unb
bog ift gcrabe ba§ §öc^fte, baö bu mit allen gemeinfam
l^ben fannft), gleid^n^o^l foUft bu im (Stauben fär bic^
felift laBen, \o ba| bn es alfo B^ttft, laOfyctnh toieHeid^
dde ofnbeven ed an^ Bellten, a6et an^ Be^ältft, toenn
fogar aüe anberen e^ aufgeben Mrben. §ütet cud) ou^
in bie) er ^infic^t öor ben SDZenfd^en, „feib flug n^ic bie
©d^langen", — bamit bu nämlid^ bag ©e^imniiS beS ®lau*
bettiS für bid^ felbft betoNil^rft, obfc^on bn aud^ ^i^t trnb
tbfinfclieft itnb bafftr atfetteft, bag ein jeber 'ts hierin l^be
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»tc ttti; »fdb etnfäUifi toie hit ^uben", benti bei ®(oit6e
tft cto btcfe (Stnfatt. 5Dit foHfi itic^t hie ffing^t ge«
brauchen, um bcn (SJtauben ^^i ettoa^ anberem gu mad^en,
fonbern bu foflft gerabe bie ^Iugf)eit bogu knu^en, burcft
!luge )i^sfic^t gegen bie iU^enfdjen bcd Glaubend ^e^eimnid
in btr $n bekoo^m. 3ft boi^ ^BofimgdloiM^, mvi oQe, i^ber
ffir {id^ eil toiffen itnb fennen, banun Idn 0e(|eimnt0, bist eil
bix^ jjebem o(« (IM^etnnitt dnHeTtnittt nnb t»ini jjebem atd
{oldje^ betoaijrt ttjirb? baö 9el)eimc ßofung^lport ift
beute eineg unb münden ein anbre^, bag SBefen be^ ©tauben^
abec ba^ er ein (^e^eimuid fei, bag er für ben i^^elnen
fei; »enn tt m^t tton j^bem (Sin^elnen (felbfi I9emi et t^n
betamt) ofö ein Ce^tmnid fMoafjitt ttntb, fo glaubt er axtid^
nic^t. ©oÜte bog ijicHeid^t ein 3J?anget am ©(onben fein,
bafe er fo ein C^cljcimniö ift unb bleibt unb fein fotl? 3ft
bo^ bann auc^ bei ber natürlidjen Üiebe ein SKangel? ober
finb e& gerobe bie flüchtigen Erregungen, bie fofost
offenbac toetben nnb auc^ fofovt mtcber iiecfcl^koinben, too*
gegen ber tiefe dinbmcf intmecfort bail (Se^eimnid bema^,
fo t>aB tüix fogar unb mit öollem 9ied)t fagen, bie ^^erliebt-
beit fei feine re^te, bie einen SD^cnfdjen nid)t fd^mcigfam
moc^e? (Solche in fi^ gelehrte ßiebe fonn ein Söilb bed
(SHoubenA {ein, aber an^ nnr ein \^m^ Slad^bitb ber
wmerg&nglid^ Smterltd^feit beil Wtm\^, ber im i^Ianben
in fi^ gefef)rt ift. 5Der, ml^ !(ug toie bie ©d^tange
fid) üor ben SDtenfc^eu l}ütet, ba§ er einfältig tük bie ^aube
„be^ ©laubeng (SJe^eimniö bematjreu fann", er bat auc^, mie
bic ©c^ft fagt (aWarf. 9, 50), „©ata bei fic^"; {)ütet er
fiel ober itii|t tm ben ai^enfd^n, fo nertiert bad @a(i feine
Straft nnb toomit fod man bonn fallen? Unb mog ou^
ein öiebeögef)ctmnig fd^on ber Untergong eine« SWenfc^en ge*
toorbeu fein, fo ift bagegen ber (glaubt en^ig unb allezeit
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hrängtc fic^ nidn üor, um illjnjti ©ctoanb bcrüljrcn, ftc
er,3ät)(tc niemanb, trav ftc ttjoflte unb ipq? ne glaubte; ftc
fagte gan^ leije bei fic^ jclbft: „ipenn ic^ nur ben ^um
fcmcd ftktM ontfi^ fo 6tit ti^ gefintb." S>icd (ie^etniitid
(ttttc ftc fftt fU| f^^M^ ^ Unit l)ci^ Wnuiciift Bc^ciiiiiii^ boS
CSa Ca» O^IA mmI^ /IStaii «tf «^AA^^ ittmXtm* *^ ^ummH fka*
7IC yuT ^ctt mio iftUH§ifii Tfttot. it/Kfo» w^iinin» ntmtTt on
für bic^ fclbft ^ben auc^ bann, menn bii ben (Glauben frei
bcfcnnft: unb menn bu otinmacfitici auf bem S^ranfentaqer fein
©lieb xül)itn, anö) bie 3^9^ i^i^^ belegen lannft, ^icf^^
iamtft Im litefcd ük^rimmd Bei bhr fjoboL
Wct bc8 OlttiiBciid Onginolifftt fie^t ttridMr in gtnibtiii
IBet^fttniS ber Originalitöt bc« ^^riftltc^n. beborf
feiner meitlnungen Sd)ilberung be^ $>ctbentumö, feiner 9.^cr*
irrungen, feiner (^igentümlic^Eeü; bie Hennjeid^n beg S^rift-
lid^en futb im S^riftHd^n felbft enttjalten. 3Äoc^e ^ier bic
^obe: netgt^ emen Sbigotblu! bai» «i^tli^c; bade bii; 10118
bu fonft an Siebe fennft, bcftniie bi^ auf boft, toxid bu Bei
5{>u^tern liefeft, »oS bu felbft entbecfen fannft, unb fage
bann, ob bir je ber ©ebanfe gefommen Ujäre: bu follft
lieben? @ei oufric^tig; ober bamit bu bic^ ni(^t beengt
\mL\t, fo tM aufrief gefte^, bag bod oft, oft m
memem Seben mein ^tonnen erregt ^t, bo| ed mir maml^
mol loar, cS» bertihre bie Siebe bobn»E^ alleS, obliw^I fie
fogar ottcg geminnt. @ei aufrichtig, gcftet)c, bafe e^ öielleid)t
bei ben meiftcn ber gaÜ ift, baß ibnen angefic^tö ber glühen*
ben ®rf)i(berung ber Siebe ober grcunbf^ft, mie mir bei
ben Sbi^Um fie finben, bod c^riftlu^ »5Dtt foUft lieben"
gegenfibor jenem fd^einbor biet ^|eitn vtd^ ormfetig bor«
(ommen totV.
„^u follft lieben", ^lux wenn ba^ Sieben ^^flid^t
i)t, nur bann i)t bie Siebe etoig gegen xeglic^e ^er«
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Anbetung geft^ü^t; eioig frei gemacht in feltger Un«
ab^ftngigfeit; eioig glüdlid^ \}ox Ser^toeiflnng ge»
ftd^evt
SKe frö^üc^, tüxt qiüdüd), ivk unbefdjrciblic^ juDerfic^t'-
and) bie natürlid)e ßiebe iitib 3"^^'9U"9^ unmitteU
bare Siebe folc^c fein fann, fie fü^tt boc^ gcrobe in
t^rem fd^nften ^(ugenbltd einen S)rang, fiti^ )Pomdgti(| niKl^
inntget SU DetHnben. ^arunt f d^ten bie (eiben, fk f^kolken
etnmtbet %mit unb ^eunbfd^aft; unb toenn tuk am
feierüdjften au^brücfen tüoüen, fo fagen luii uoii ben beiben
nic^t: „fie lieben ftcf)", tuir jagen: „fie fd)tiioren fi^ Irene",
ober: „fie fd)tt?oren fid) greunbfd^aft". ^Tdein bei toa^ fc^toört
bemi biefe iBiebe? SQSir iDoQen bie t(ufmerffanifeit nic^t
fiftcen nnb oblenten, inbem tott baian erinnern, bag i^ier
eine große Ungtctd^^eit l)errfc^t, morftber bie ^Hd^ier att bie
eingeiüeil)ten '3)olmetfc^er biefer Siebe am beften Sefd)cib
toiffen — benn too e^ fid) um biefe Siebe l)anbeU, ba ift
ber ^id^ter an feiner ©teUe; er nimmt ben bdben bod Qk^
ttbbe ab, er tmceinigt fie, et fagt i^en ben (Eib im unb
Ua^t fie fc^todren, fur^, er ift tf)r ^rieftet. @d^tD0tt nun
Wefe ßiebe bei ttm», baS ^ö^cr ift al« fie fetbft? Sf^ein,
ba« tf)\xt fie nic^t. @ben bieg ift ba§ f^önc, ba§ rüt)renbe,
ba« rätfcl^aftc, ba3 bid^terifc^c TOfeöerftänbniS, bafe bic beiben
Siebenben bad nid^t felbft entbeden; unb eben barum ift ber
S>iil^tet t^t ein^iget, i^ geliebtet IBetttautet, toeti et ed auc^
md^ enibecft. ffienn biefe Siebe fc^Mrt, giebt eigentlich fie
felbft bcm ©ebeutung, bei bem fie fd)tüört; bic Siebe gießt
felbft ben ÖJlan^ über baö au^, bei n^ag fie fd)tüört, fo baß
fie alfo nid^t bloß nic^t bei ettua^ ^ö^rcm fc^loört, fonbern
eigentlich bei ettoa« fd^ioört, ba« geringer ift a(d fie felbft. .
60 nnkfd^teibUc^ teid| ift biefe Siebe in intern liebend»
Mtbigon SUK^Hetftftnbnid; benn gerabe todl fie fic^ felbft ;
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ein unenblid)er 9?eid}tum, itjrer jclbft uncnblid) getrife ift,
fd^HJÖrt fic bei tUva^ geringerem (njenn fic fc^mort), ofine e§
feibft )tt entbeden. 2)a^er fommt kpteberum, bo^ btefed
@c^loAcen bo^ bei anmutigfte ift, to&^veitb ei» ja ber
l)öd)fte (Stnft fein foH unb and^ oufridEjtig fein toill. Unb ber
rätfeboHe greunb, ber ^id)ter, ber innigfter 3?ertrauter
biefer Siebe baö tieffte '-I^erftänbniö für fie bcfi^t, er uer*
fte^ au^ nid^t. Unb bod) i)t baS ja leidet 5U üerfte^n,
ba| matt, um in SBa^r^eit p fc^toüren, bei etnxid ^fii^em
fd^dren mn^r fo ba^ <S^ott int ^iniQtel ber etn}i§e ift bet
in SQ^rf)eit bei fid) felbft fd^ttdten fonn. tarnt in«*
beffen ber ^ic^ter nid)t üerfte^en, b. f). bet ^in^elnc, ttjetd^er
^id^ter ift, fann e^ n)ol)I uer)'tef)en, aber er fonn e^, fonjeit
er 5)ic^ter ift, ni^t üerftel)en, ha ber „^\d)tti" ed nic^t
))erfte^en fonn; benn ber ^d^ter fann aQed Derfte^ — in
n&tfe(n, unb in SHätfeln ttmnberbor aU^ — erüfiten« aber
er fann fic^ felbft nid)t berftel)en, nic^t üerftcJ)en, bafe er
fclbft ein Diatfel ift. S53enn man iljn jtüingen njoUte, ed ^^n
Dcrftc{)cn, fo njürbe er, fall§ er nid^t aufgebrad^t unb uer-
bittert toürbe, mit äöe^mut fagen: „t)ätte man mir bod) biefed
SBerftönbnid nid^t aufgenötigt; bad ftört mir nur mein ^d^n«
fied^ ftört mir mein Seben, todl^renb i^ bod^ tmtn Qkbraudl
bat^on mad^n fann." Unb l^ierin fyit ber ^id^ter fon^eit red^t;
benn bag maf)re 3Serftänbni§ ift für ilju eine ^Lebensfrage
unb cntfdjeibet über fein 2)a)ein. 3öir befommen auf biefe
Söeife ättjei 3^^dtfel; ba§ erfte ift bie Siebe ber beiben, baö
anbere bie d^arung, bie ber S)id^ter bon i^ giebt, \odS^
SrfCdmng eben om^ ein Sftdtfel ift.
©0 f^tDbrt biefe Siebe, unb bann fügen bie beiben jum
@ib ^inju, bafe fie einanber „für etrig" lieben mollcn. gügen
fie baig nid)t Ijinju, fo fc^UeBt ber ^idjter it)ren SBunb nid)t,
er toenbet fid^ Don folc^ einer irbifd^n Siebe glei(|gftlttg ab.
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obet er mntat fid^ fpottenb gegen fie, wogegen er jener
etoigen Siebe anf cnng äuge^ört. @8 finb bann eigen t(icf)
ätpei ^Bereinigungen, §uerft bie ber beiben i3icbenben, bie fic^
ett^ig lieben n)oIIen, unb bann bie mit bem ^ic^ter, ber ben
beiben auf .eroig ange^i^ren tuiU. Unb batin ^at ja ber
SDic^ter rec^t; oenn fim einanber nid^t etoig Keben looUen,
fo ift il)re Siebe nk^t niert, bag man batoon rebet ober gar
fte be[ingt. 2)agegen entgeht bem SDic^ter baä SD^ifeüer«
ftänbniij, bofe bie beiben bei i^rer eigenen Siebe frf)tüören,
einanber etoig lieben, anftatt bei ber ©ttjigfeit fid) bie
iBiebe sujufdlkDdren. ^ie Mgfeit ift bad ^ö^ere; fd^kodrt
man, fo mn| man Bei btm i^d^mn fci^drcn; f^tofirt man
abir bei ber (SlDigfeit, fo fc^toört man bei ber ^flic^t, ha%
man lieben „fotl". ober jener Siebling ber Siebenben,
ber ^id}tcr, er, ber )dh\t nodj jeltencr ift bie jnjei, bie
fid^ red^t Ueben, bie feine ©ei)nfud)t auffuc^t, er, ber felbft
ein SSunber m Siebeni^roürbigfett ift, er ift felbft ein gar
Saried fttnb, IM biefed ,,foU" ni(|t ertragen iamt; fobatb
man bamit fommt, lotrb er entmeber ungebulbig ober giebt
ed Xt)rönen.
Diefe unmittelbare Siebe f)at a(fo iüot)l baö (Siuige
aU f^öne ©inbilbung bei fid^, ift aber nic^t betonet in bem
QMgfn gegrftnbet unb ift barum n^anbeibar. @elbft menn
fte m4t perfinberte, fann fie fid^ bo(| berftnbcm, benn
fie ift ja bad nnb bad (BIM ift eben ^(üd; angefid)tiS
ber Sn^igfeit fann man nur mit SBel)mut an e^ benfen, mie
man aud) fd^aubernb fagt: ,,ba§ ^lüd ift, menn eö gcmefcn
ift." ^a§ miU fagen, fo (ange ei^ roä^rte 4)ber ba mx, toat
eine SBeränberung mdglid^; erft koenn ed tiorbei ift, {ann man
fagen, e9 beftanb. „SDl^an foll jniemanb gUcQid^ unreifen, fo
longe er lebt"; fo lang er lebt, fann nömlid^ ba8®(fi(f fid^
änbern, erft menn er geftorben ift unb ba^ Qi>iM ii)n toäijrenb
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feineiS &6eni» ttid^t toertieg, erft bann toeift ed [icf) an», bog
er glürffic^ — mar. 9BaS 6(06 ba ift, toa^ nod^ feine ^^er*
cinbcrimg burrfinemac^t int, ^at fie beftänbig üor fid); fie
!anu beftänbig eintreten, noc^ im legten ^ugenblic! fomi fie
fommen, nnb ecfi ti»enn bad IBeben am (Snbe ift, erft bann
lann man fagen: bte l^erfinbentng !am ntd^t — obet bienetd^t
läm pe. föad feine ^exftnberung erfu{)r, ^at tpo^t Söeftanb,
t)at aber iiic^t S3e]"tänbtg!eit; fo tüeit eö iöeftanb l^ot, ift
ba, fohjeit eg ober incf)t in ber ^^cränberung S3eftänbigfeit
gewonnen fyxt, tarn nic£)t g(cid^5eitig mit fic^ felbft tuerben
unb ift bann entn^eber in gUIctlid^r Untoiffen^it übet bied
99{igber^ttnid befangen obet toe^mfitig gefttmmt. 'S>mn bad
@tt)tgc ift baÄ einzige, bog glcid^jcitig mit jcber Qtit fein,
toerbcn unb Bleiben tann; bie g^itücljfeit bagegen jdjeibet in
fid^ felbft, nnb baö (5Jegentt)ärtige fann nid)t mit bem 3"'
hinfttgen gteic^eitig tDerben,- nod^ ba^ ßuüinftige mit bem
^eiigangenen, no(j^ bad ä^ergangene mit bem (Skgemoärtigen.
Son bem, toad bnrd^ eine QSet&nbetung ^tnburd^ ^eftönbig»»
fett getoonn, öon t^m fann man ba^er nic^t hlo% toenn cÄ
beftanben l)at, fagen: „e§ beftanb", fonbern man fann fagen:
„c§ l)at beftanben, n)äf)renb e« beftanb." (Sben baö ift bic
©ic^erftcHung unb ift ettua^ gang Slnbere« alg (Sad^e bdJ
@^lü(fö. SBenn bie )8iebe bie (Smigfeit in fid^ aufgenommen
fyit, inbem fie jur ^füd^t ttmrbe, fo ^at fie SBeftönbtgfeit
gctoonnen, unb ba crgiebt fic^ öon felbft, bafe fie befielet.
@g folgt uämlid) nid§t üon felbft, bafe, \va^ in biefem klugen*
htid befte^t, auc^ im näd)ften beftet)e; aber baä folgt Don
fid| felbft, ba^ baS ^eftdnbige befte^. äKan rebet ia babon,
bag etnnid feine $robe beftelie, unb man pxd\i e9, koenn tli
feine ^oBe beftanben l^at; ba teben tmt abec bod^ t>on bem
Unt)oli!ommenen, bcnn bic ©eftönbigfeit beä Söeftänbigen fott
unb fann uidjt bamit fid) ertoeifen, bag ed eine $robe
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Befielt — ed ift ja bad eefidnbtge, unb hls% bad SSecgfitig«
Tt^ faitn fic^ babutci^, ba^ eis ht etnet befte()t, beit
Sdjcin DDii Seftänbigfctt geben. 5Som ^roBeftlBer mürbe
barum niemanb fagen ttJoHen, eg foüe feine ^robe mit ben
Sauren befielen; benn e§ ift ja gebiegene^ ^robeftlber. @o
tft ed Ol«! mit bec Siebe, ^ie Siebe, bie bioi befte^t, fo
ffiMtä^, fo ^Ibfelig, fo juDetftd^tltd^, fo ))oettf(]^ fie aud§ tft
fle mu^ bo4 tiitt ben Salären il^re ^robe etft befiehlt; ober
bie Siebe, bie bie ®tt)igfett in fid^ aufgenommen f)at, inbem
fie 5ur ^f(id)t timrbe, fie ijat JBcftänbigfeit gemonnen, fie ift
^^befilber. Sft fie barum öielleid^t mcntger praftifc^, koeniget
btottd^bat im Sebett? Sft benn ^obefitber boi^ mtnbet
ScQU^bote? S)od^ too^ nic^t; Dtetme^ e^rt bie Stnrod^
unttnlÜürlid^, toic ber ©ebanfe mit Öenjufttfein bieg t{)ut, ba§
^robefilber auf eigentümUdje Söeife. 2)enn man fagt üon it)m
b(og „man braucht eg", öom probieren rcbet man bei i^m
gor nic^t man t^ut i^m bie ©d^nbe ntd^t an, ba| man
eines ^obe nntet^ie^ tM; oQed koei^ ja ^nm k>ocau9, ba^
$Tobef!Iber bie ^o6e ani^l^It. SBemi man ba^er ein minbec
gebiegeneg ©türf „SBerffilber" üerttjenbet, fo tüirb man genötigt;
fic^ genauer auSjubrürfen unb minber einfacf) ju reben, unb
mu| faft ^n^eibeutig bod ^oppdtt fagen: „man U)enbet e^
an, unb lod^enb man e9 antoenbet, t^robiett man t§ }tt<
^fidä^"; benn ed ift bo(| immer mdglid^, ba| t& flc| att(|
bran(^Bar ettoeifen ttnnte.
?[Ifo, nur menn ba§ Sieben ^^^flidjt ift, nur bann
ift bic Siebe enjig gefiebert, ^iefe ^erfic^erung, bie bie
(Smtg!eit audfteUt, treibt aQe ^ngft aud unb mac^t bie Siebe
twQfonmien, MiEbmmen fid^. ^n in jener unmittelbaren
Siebe, bie nur ba t{t, ift bei aU i^rer 3mierftc^tttd^feit bod^
nod^ eine ttngft, bie tlngft, fie möd^te fid^ t)erftnbem. ®ie
felbft oecfte^t nid^t, (o totniQ aU ber SDic^ter, ba^ eS ^(ngft
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ift; benn bte ttngft ift uerfiedt, unb dit|erlid^ ift nur bad
brennenbe ^i^erlangcn bemerfen, melrf^ed boc^ gcrabe ein
3eid}en ift, bafe bie ^Ingft im ^intergriinbc fttf) öerbirgt.
^o^ei (dme {onft U)o^(, bag bie unmittelbare £iebe fo
batauf aud, ja barauf erpicht ift, bie ^tebe auf bie $tobe
ftellett? ^ie Utfad^e ift eben, ba^ bie Siebe nod^ ni^t ^ut
$f(ic^t unb baburd^ im tteffien @inne bet „^tobe" unter«
roorfen murbc. ^after biefe ftifee Unruhe, üon tneldjer ber
Dirf)ter fpricf)t, bic ueriuegen unb immer uermegcncr bie ^robc
mac^)en möchte. S)er ßiebenbe will ben beliebten erproben,
bec Sreunb ben greunb; bad probieren ^ fretlid^ feinen
(Shrunb in ber Siebe, aber biefei^ rel^be SSertangen, bie ^be
5U machen, biefe llopfenbe @e()iifud)t, boc^ einmot auf bie
Sßxobz gefteüt 511 tueiben, erflärt bocf), bafe bie Siebe un*
betoufet fidj fc(bft unfirf)er füijlt. 6pier ift mieber ein rätfel«
l)aftcs^ ^Ü^Böerftanbniö in ber unmittelbaren Siebe unb in
bei^ Sbi^t^ (Klärungen. Sbit Siebenben unb ber ^id^r
meinen, ba^ biefeiS ©d^ma^en ber Siebe nad^ einer ^obe
gerobe ein 9[u9brudF für t^e <Sic^er^eit fei. 9[ber Der|ft(t
fid) rt)irflid) fo? ift ja gon^ ridjtig, ba^ man bav
(SJIeid)güItige nie^t ju erproben rounfd)t; barauf folgt aber
boci^ nid^t, ba^ e^ eben ein ^uäbrucf ber ©ic^er^eit märe,
bad Qkiitbtt erproben ^u UN)(len. ^ie beiben lieben einanber,
fie lieben pc^ auf etoig, fie finb i^rer @ad^c fo gennj —
bofe fie bie ^robe barauf macf)en ttjoflen. Sft biefe ®ett)i6=
t)eit bie f)öd}ftc? 3ft ba^^ '^NerljültniS t}ier nic^t gerabe, mie
roenn bie Siebe fd^mört unb boc^ bei bem fdjtoöft, ttjaö nieberer
fte^t benn bic Siebe? ©0 ift ja ^ier ber J)öd^ftc WuSbrudC
ber Siebenben für bie Seftänbigfeit i^rer Siebe ein tludbrud
bafür, bag fie bto^ e^iftiert; benn, nmd btog e^iftiert, bod
prüft man, fteüt man auf bic ^'l^rübe. 2ßenn aber baö Sieben
^4^flic^t ift, fo braucht ed feine ^^robe unb uerlegenbe^ prangen
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auf bic ^ro6e; bann ift ja bie üiebe t)ö{)er benn jebe *^^rü6e,
fic ^at Bereits bie )^xobt me^r aU beftanben, im c^lcic^n @inn,
tvie btr OSicubt ^me^ «tö ftegt''. tto eine iß(o6e aitgefteUt
taht, !ft {muier eineH^öglic^fdi, ei( ift boc^ immev mögttf^,
baft bie Si^tibe ittd^t beftanben toetbc. SBenn ba^r einer er«
proben njoüte, ob er ©lauben tiabe, ober probierte, Glauben
gettjinnen, fo ttJürbe baS eigentlich tiei^en: er luill fic^ am
(Skroinnen he» i^toiibend j^berlid^ fein, er nnü fi^ fellbft in eine
@e]^tt(^tAmtit^ iKvfeten» in M[d|ier bec Slanbe nie gönnen
»Itb— bemt „bn fodft Qtaäbm*'. fSenn ein ^(Anbiger (Mi
bitten roürbe, er möge feinen ©tauben erproben, fo märe baS
nic^t ein 9(u§brucf für einen befonber^ l)ot)en (iJrab feine«
(S^laubend (koenn ^ic^ter boi^ meinen, jo ift e§ ein DJ^t^oer«
fMnbmd, loie man an^ nur migk>erft6nb[f^ ben Glauben in
»mtlecorbentßil^m'' laben fann, ba bet o¥bentli<|e
Chpab gerabe ba« |)öd^fte ift!), lHe(nte|rr ein S^'WQ"«^ ^wf^^» ^6
er ben ©tauben nic^t ooH ()ätte — benn „bu foUft glauben".
@« giebt feine t)ül)ere (Sidjer^eit, unb in nid^t« ift bie ^ube
ber Smigfcit ju finben, e« fei benn in biefem „fotl".
ifl boc| bei aHei; ^Ibfaigieit ber (^btnle bec „$probe' eine
Ilnntle, ed ifi bie Xlnnt|e, bie bir einbilben mOI, fle Qebe
eilte größere SBergemifferung; berni wer mit ®tptc^ mtb
^üfen anföngt, fommt immer auf S^ieue^ unb mirb niemal«
fettig, gerabe mie bie Äüig^eit nie alle gäUe bered}net böben
fann, ipogegen nac^ bem treffenben ^u«brucf be« (§xn\U
Itften „bet Waube oOe S&fiie bece(|net fykt" Unb »emt
«an fott, fo ift ^ anf emig abgemad^t; nnb loenn bn ber»
fte^n miQft, bog bu lieben follft, fo ift beine Siebe für
immer gefiebert.
3ugleic^ ift bie Siebe burc^ biefe« „fotl" etbig gegen
iebe SEBanbltt^g gefii|)ert. S>enn bie Siebe, bie blog e^iftiert,
tan SMnbMtt^en erfeibta; eine Sktünbernng, bun^ toetc^e
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fie in ficf) feüift anber§ tuirb, ober eine ^^eränberung, burc^
loelc^e [ie Don {iclj jelbft abfommt, abfdUt.
^ie unmittelbare £iebe lam in fid^ felbft eine SQ^nb«
(mig etttge^n, fie fann in i^r (S^egentett, in ^ag nmfd^agen.
ift eine Siebe, bie intern <S(egentei( gemotben, eine
ßiebe, bie (SJrunbe gegangen ift. Unten im (^runbe brennt
bie Siebe fort, aber bie Jvlamme ift bic be^S §affe§; erft roenn
bie Siebe auggebrannt ift, erft bann ift aud) bie gtamme beö
^ffed erlofc^en. 9Bie ed Don bei gunge ^ei^t, „ba^ n^ir mit
betfetben Qan^t flud^en mtb fegnen", fo mug man and^ fagen,
bo| eiS eine nnb biefelBe Siebe ift, bie (iebt unb l^a^t; aber
gerabe weil eö biefelbe Siebe ift, gerabe barum ift'g nic^t im
Sinne ber (Swigfeit bie n^at^re, bie nn man bei bar biefelbe
bleibt, mogegen jene unmittelbare, menn fie fid^ üeränbert
fyit, ho6) im @(runbe biefelbe ift ^ie n^a^re Siebe, bie
bie (SttPigfeit in fid^ aufgenommen f^t, inbem fie jur ^i^
toittTbe, nwnbelt fid^ nie; fie ift einfältig, fie Kebt unb —
l)a6t nie, liafet niemals — ben ©etiebten. fönnte fcf)cinen,
nt§ mnre jene unmittelbare Siebe bie ftärfere, njeit fie beibe^
fann, lieben unb Raffen; e§ fönnte fc^einen, aU §ätte fie
eine gon^ anbete iD^ad^t über i^ren ^egenftonb, totm fie
fagt: „millft bu mid^ ni<^ Heben, f o nnE id^ bid^ M^";
bod^ ba8 ift b(o^e @innedtaufd^ung. 50enn ift mo^t bie
S8eränberIidE)feit eine ftärfere 9}?ad)t ol§ bie UnüeränberUc^*
feit? unb mer ift ber ©tärfere, ber meld^er fagt: „millft bu
mic^ nic^t lieben, fo xdxü id^ bid^ l)affen", ober ber, melc^er
fagt: „toiUft bu mid^ l^affen, fo bleibe i(^ babei unb liebe
bi(|''? Sa geuni ift t» ecfd^recfenb unb fd^cKid^, ba^ Siebe
fic^ in |)a(3 t)erfcl)rt; für toen aber ift bad eigentlich fd^retf*
lic^? boc^ tüoljl für ben 53etreffenbcn felbft, bem ba^ bc*
gegnet, baft feine Siebe in 4^aj3 fic^ manbeüe!
!£)ie unmittelbare Siebe fann in fic^ felbft eine äBanb«
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hing erfahren, fic fann biird) ©elbflentjünbung jur Gif er*
fud)t, nu^ bem größten ®lüd jur iirgften Qual tuerben.
©0 gefä^rlid^ ift ba« ^euer bcr unmittelbaren fiiebe, toit
gfo| and^ Buft ift; fo gefa^lid^, bag btefed geuer
(eti^ eine Shaiif^tt )oetben fann. 5Ciod UnmittelBote tfk
gleid^am bai» ^ärenbe, ba^ eben baf)er fo fieigt, ^cir e^
no^ feine SBonbtung burc^gemac^t uitb eben borum ba«
@ift no(f| md)t uon fic^ auögefc^ieben tjat, ba^ boc^ bc«
Xreibcnbe in ber Gärung ift ©ntjönbet fi^ bie Siebe felbft
bm^ tiefe« mft, fiatt t» Qtti^ufto|en, f o tritt bie (Siferfncl^
Ifotim, boi» ttovt fagt ei^ ja, ein (Stfet fconC ju fein,
eine ^ranffjeit au§ lauter @ifer befte^enb. ^)er ©iferfüc^tige
^afet ben ®egenftanb ber Siebe nid)t, burd)auö nirf)t, aber er
martert fic^ felbft mit bem Qeuer ber (iJegenliebe, bag läu*
temb feine Siebe reinigen foUte. ^er ©ifcrfücfttige föngt,
foft bätelnb nnb fc^ad^tenb, feben ®tta^ ber fitere in
bem ®elte^ ouf, oBec oQe biefe (Stra()Ien fammeft et but^
ba^ 58renngIaiS ber (Siferfudjt auf feine Siebe, unb fo Oer*
brennt er (angfam. "Die Siebe bagegen, bie bie (Slüigfeit in
ftc^ aufnat)m, inbcm fie jur ^>füc^t mürbe, fie fennt feine
Ctfecfttti^t; fie lie^ nid^t Uoi \o, loie fie geliebt nmrb, fon»
bent fie IxAt S)ie (Siferfnd^ liebt fo, nne fie geliebt nntb;
Angfi(t(^ qeplaQt tum bet IBorfteQung, ob fie geliebt n^be,
ift fie nid)t minbcr eiferfüd)tig auf bie eigene Siebe (ob fie
nic^t gegenüber ber ©(eid)gültigfeit be§ anbern unoer^ältniö^
mäftig grofe fei), toie fic eiferfüc^tig bie ^uöbrüde bÄ
i8t^ bed onbent bennd^t; ängftlic^ mit fid^ felbft befc^&ftigt,
borf fte toeber bem beliebten gan^ gtauBoi, nod^ andg ftd^
gonj l)ingeben, um ja ni^t jju oiel geben; unb fo bvennt fie
fic^ bcftänbig, mie man fic^ on bem brennt, baö nic^t brennenb
ift — au^er bei ängfttic^er Öcrüljrung. dergleichen
ift bte ©elbftent^itnbnng. (S^ fdnnte fc^inen, toäre in
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ber üiimtttetKitett Sic6e etit gon^ anbetet t^cr, ba fte jur
(gifcrfuc^t trerbcn fann; aber letber ift eben btcfeS geuer ba§
(Scf)recflic^e. (S^ fönntc fd^einen, ()a(tc bie @iferfudE)t
it)ren ©cgenftanb gan^ anber^ feft, ba fte mit ^unbert Slugcn
über i^m toa6)t, kv&^enb bie ehtf<ige Siebe fojufagen itur
ein fCuge för t^ten ^legettftaRb 9(ber j^tt^plxtttmnq
ift boc^ iüot)( nicf)t ftärfcr beim <Siiit)eit, ein jerriffeneS ^er§
bod) nidE)t ftärfer al^ ein üoöeö unb ungeteiüeg, imb ein
beftänbig ängftltc^eä Greifen unb Xaftcn l)ält ben (^cgenftanb
genjife nid^t feftcr benn bie in ber (Sinfalt einigen Äräfte! Unb
toie ift tmn jene einf<ige Siebe gegen (Sifetfuc^t gefid^it?
ntd^t babtttd^, bo| fie !dne tßerglei^^nng anfteOt? &t 6e«
ginnt m(S^ bamit, ba^ fte mit nnmittetborer Siebe ben Be*
öorjugt, ben fie liebt; barum fann fie auc^ nidjt in bie
franf^afte 5lrt berfatlen, bofe fie fid) in i^rer Siebe nacf) ber
Siebe bcg anbcrn rid^tete, alfo nur terpitnigmäjjig liebte.
^ie unnttttelbate Siebe fann bntd^ ^eränbernng tion
fid^ felbft abtonfmen, fie fonn mit ben Süßten t)on fid|
felbft abfollen, 1008 mon oft erlebt. 5)a tjerliert bie Siebe
i^r geuer, i^re grcube, it)re Öuft, il)re Uriprünglid^fcit, ifjx
frifd)eg Sieben, ^er giufe ftürät fi^ fort üon ^elg ju geU,
ober in längerem Sauf ermattet er unb ujirb ^um ftiOen
dkto&ffer: fo ge^t'i» aud^ mit ber Siebe, fie erlahmt unb er^«
mattet unter bem erfd^Iaffenben (Sinf(ug ber ^etuol^n^ nnb
®(etd^gültigfcit. ?td^, t)on otlen ^einben ift btetteid^t bie
(5ien)ot)n^eit ber f)interliftigfte, unb baö üor allem barum,
meit fie fid^ nie blicfen läfet. ^enn ber, melc^er bie ©emo^n*
^eit entbecfte, ift fd^on üon i^r befreit; bie ©ewo^n^eit ift
nid^t tone anbere ^nbe, bie man fielet nnb beren man fid^
eüDefirt, nein, l^ier gilt t» einen ©treit, ben mdn etgent(td^
mit fid) felbft fütjren muß, bamit man ben ^cinb ju fc^en
bcfomme. (£in burc^ feine ^üde befannte^ Ü^aubtier überfällt
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(«ftig fem Op^tx im ©c^^taf ; mö^reitb e» bcmfelBeit ba« 9lat
auöfaugt, fäd^clt c3 i^m Äü^Iung ju unb mac^t it)m ben
©d)Iaf nod^ füfecr. @o ift'§ mit ber (^en)o^nf)ett, — ober fie
mac^t no(^ ärger; htm jeneö Xier ^oU ftc^ feine öcutc
imter ben ^^afeitben» aber du älihttd, um bie SBacj^enbett
etnittfc^ftferti, ]|ot eS nk^. %M fjat bagcgett bie <^o]^ti'
^cit; fie mod^t ft(f| einfd^täfcrnb oit dneit SWcnf^cn, uitb
bann fangt fie beni ©ngef^Iummertcn fein S5tut au§, inbem
fie if)m ^üJ)Iung gufäi^elt unb ben 8^Iof noc^ ongene^mer
mad^t. — <So fann bie unmittelbar Siebe W)n fid^ fclbft
abfallen nnb nnlenntlid^ toetbcn, — benn'^^ nnb d^fetfuc^t
behmben bod| immer no^ Siebe. @0 meift ein 91i^enfd^
mitunter felbft, toie »enn ein Xroumbilb an if|m Dorüber-
jie^t unb bann tDieber in '^sergeffen^cit fommt, bafe bie ®e*
n)o^nt)eit i^n Deränbert [)at; er tDill ed koiebei gut mad^en^
loeift aber nid^t, too er ^ge^n foQ, um fid| neuei^ £)l p
!attfen, bamä feine Siebe koicber aufleben fftnnie. @o Uritb
er bemt mißmutig, mbrieglic^, feiner felbft mftbe; er ttnrb
feiner Siebe mübe, mübe beffen, bafe e8 fo nid)t8 me^r mit
i^r ift, mübe beffen, bafe er e§ nicfjt änbern fann; benn auf
bie ^eranberung bcr (gtoigfeit ^atte er leiber nic^t bei ß^^ten
0em^, unb nun er fogar bie ^of t Derlorcu, eine ^»
Inng au^au^lten. D, man fie^t juttpeilen mit Setrübnid
einen 9J?enf(^n ücrarmt, ber einft im 9Bof|(fetn lebte,
unb bo^, mieöiet trouriger ift c§, menn man eine Siebe
fe^en mn% bie fo ärmlic^ öerfümmerte! — SBenn bagegen
bie Siebe bie (Mgleit in ftc!) aufgenommen l^at, inbem fie
iwc ^ii^t Umrbe, fo lemit fie feine (Skmo^n^eit; biefc hmn
nie fiber fie geloinnen. %Me ed toom etoigen Seben
bafe eö feine (Seufjer unb X^ränen in il)m gebe, fo
fönnte mon oud) fagen: e§ giebt feine <^emot)n^ett in if)m,
unb ma^rlid}, bamit fagen mir etkoad nic^t U^eniger $err»
ftictfcgaatb, SSoUcn bcx Siebe. 4
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lic^ciS. SBittft bu beine ©eele ober beinc ÖtcBc toor ber ^ücfc
bcr ®cttJo!)n^cit bema^ren, — ja bie 3)?enfcf)en glauben,
gebe mand^e SDtittel, [ic^ mac^ unb [id^er galten, eiS giebt
abet g^lotg mtv eutei»: bad wfo^'^" ^ Ämgfeii btc^
töglid^ btetmal butd^ ()unbett flanonenbomtcr baton mahlten,
baft bu bcr ST^ad^t ber ®ctoot)ti^ctt totberftc^eft; ^dtc btr tote
jener mächtige Äaifer im Orient einen <S!lat)en, ber bic^
tägÜc^ baran erinnert, nimm aud^ i^rer ^unbert; nimm einen
greunb, ber, fo oft er bid^ fie^t, ed bir jutuft; ^be eine
®atthi, bte in Siebe frftl^ nnb f(i&t bic^ baran mal^t: abet
nimm bid^ in ac^, bag nid^t aud^ bad jur ^etool^n^ett mecbe!
S)€nn bu Eannft bid) quc§ an baö Bonnern bcr ^unbert
S^anoncn getoöt)nen, fo ba^ bu baneben fitzen unb bie ge*
tingfte 5l(einig!eit üiet beutlic^r oeme^men fannft, a(d bie
X)onnet ber l^unbett fiononen, an bie fid^ bein D^r —
gemöl^nt l^t Unb bn fonnft bid^ baran geioö^en, bog
^nnbert ^!(at)en btc^ tögU(^ mahnen, unb ^örft fie ni(^t
me^r, toeil bie ©eloo^n^eit bein Dl)r bejiuungen Ijat, )o baß
bu f)örft unb boc^ ni^t f)örft. ^J^ein, btofe ba« „bu follft"
ber ®totg!ett — unb ba« l^örenbe O^r, bad bicÄ „foU"
l^ren loiU, lann btc^ )ion ber (Slet90^nl|ieit erretten. <Sk«
ttpo^n^ett unb (SletvSl^nnng ifi bie tranrigfte iSSeränbemng,
unb anbrerfeitS fann man fid^ an jebe 3Seränberung ge*
JtJöfjnen; nur baS ©tüige unb alfo bag, ma^ bie (Stnigfcit tu
fid^ aufgenommen ^at, inbem eö jur ^fUc^t tourbe, nur boö
ift bai» Uni)eränberti(^, biefcd aber fann gerabe nid^t jnr
0etDo^nl^ tterbot. SSte fe^r and^ eine Oekool^^ fic^
feftfe|e, fie toirb nie jum Unberänberlid^en, felbft toemt ber
2J?enfc^ unt3er6efferlic^ toirb; bcnn bie ®en)ol)nt)eit ift ftetiJ
baiJ, XoqA oeränbert njerbcn follte, ba^ Unöeränbertid^c
bagcgen baS, \ooM> njeber oeränbert ujerben fann nod^ foll.
5Dod <Mge aber koirb nie alt unb nie (Semo^^it.
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— 51 —
^Rnx tocnn bd§ Sieben ^flic^t ift, nur bann ift
bte Siebe ttvxq frei gemadjt in fe(iger Unabhängige
feit. 3ft benn aber jene unmittelbare Siebe md)t fretV ^at
bet Bietobe nid^ gecabe in ha Siebe feine gteil^? Dber
tmO bemt bte »ebe jene tcofüofe Unab^ängigfeit bor €e(bft«
liebe an))reifen, bic unoBl^Sngig blieb, toeil fic ntd^t VtvA
genug ^atte, ftc^ §u binben, rueil fie alfo t)on il)rer J^igljeit
ob^ngig tuar? bte troftlofe Unabl^attgigfeit; bie an fein ^tm
^ binbenb unftat untrer fc^toärmt unb Quartier nimmt,
M fie bon bec 92ac^ fibetfoKen ttriib? bte tcofttofe Unob«
t)öngig!eit, bte mtobl^ängig feine t^effeln trftgt — loenigftend
nid^t )o, ba§ man fie fie^t? gemife nic^t, wir ^aben ja
im ©egenteil im 3Sorange^enben baran erinnert, ba^ ber
Sbtdbntcf für ben ^öc^ften ^eic^tum eine^ iD^enfd^en ein
Shmng in i^m fei, ber ein löebütfnid anbente; nnb fo ift
owll ber toal^ 9^bmd ber gfieil^r ha% fte ein Shcang
in t^m, bcm greien, ift. ^er, in bem bie Siebe ein ^rang
ift, füf)It fid^ getüi^ frei in feiner Siebe, unb gerabe ber,
tnel^er ft^ ganj abhängig fü^It, fo bag er mit bem ®e«
liebten allein tierlteren koftrbe, gerabe er ift unabhängig. 2)<xl^
unter ber einen Oebtngung, ba^ er nid^l bie Siebe mit bem
8e{l| bdK Miebten tiemm|fe(i ffienn einer fagen \ooUit:
„entweber lieben ober fterben", um bamit ^u bejeicfinen, bafe
ein Seben ot)ne Siebe nic^t lebenämert fei, fo mußten ttjir
il)m ganj red^t geben. SBenn er aber unter bem erftern ben
8eft| ber ^Miebten berftfinbe nnb alfo meinte: entttieber bte
Mtebte befi^en ober fterben, entioeber biefen gfrenttb ge«
nnnnen ober fterben, fo müßten toir fagen, eine fold^e Siebe
ttwrc in untt)al)rem ©inne abf)ön(^ig. ©obalb bie Siebe in
i^rem ^-ßer^lten bem beliebten bei aller ^Ib^ängigteit
tti^ ebenfo feft in ber Xrene gegen fici^ felbft bleibt, fo ift
fie in nntto ^r cm Sinne ab^gig, f o |(rfc fie bad 0efe| fftr
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\fyc $)Qfetn Qu6erf)al6 il)rer felbft unb ift fontit im tergöng^
lid^en, im irbifc^en, im ^itUd^cn (Sinne ab^gig. ^ie 2kbt
iäxx, imld)t bie (toigfett in fic^ aufgenommen l^at, inbem
fie gut p[t^ tDiitbe, unb liebt, toeil fie lieben foll, ift im«
öBt)öngig; fie l)at bail fJefe^ für i^r ^afein in ber 8e*
gieljung bcr Siebe jum ©tüigen. ^icje SicBc fann nie in
untt)af)rcm ©inne abhängig tuerben; bcnn ift fie abhängig,
fo ift fie c8 nur üon ber ^flic^t, unb bie ^flic^t ift basl
einzig 8)eftetenbe. 5Die unmütelbate Siebe mac^t einen SKen« '
fc^en frei nnb im nftd^en SngenBfiä abliöngig. ft^Itd^ ift
e« ja bei bcm SBcrben eine^ SWenfd^en; inbem er mirb, in* I
bem er ein ,,©c(bft" mirb, luirb er frei, im nacf)ften 9(ugen= f
blid aber ift er toon biefem ©elbft abhängig. ®ie ^^f(itf)t ba* .
jegot nid^t einen äX^enf^ien ab^&ngig nnb im felben 9(ugen« /
blid ett>i§ nnob^ngig. ^8lo| \M 0efe| fann bie^ret^ti'
geben." ^d^, man mehtt fo oft, bie grei^cit fef ba nnb »erbe
burd^ baö ®efe§ gebunbcn. Unb boc^ ift'§ gerabc umgefel)rt;
Df)ne bag ©efeg ift bie greit)eit gar nic^t ba, unb gerabe ba^
(S^cfe^ gicbt bie grci^eit. 5D?an meint au^, ba^ @efe^ neigte
Xlntetffj^ebe snrif c^en ben äl^enf d^en auf, toeü gar fein Unier«
fd^ieb tfi, m fein (ikfe| ift. «lieht hai ttmgefe^e ift ber
gaÜ; obfd^on geiuife ba§ ©efe^ Unterfdjicbc madjt, ift c8 boc^
gerabe baö ®cfef , ircIi^eS aße gleirf) madit - üor bem ®efct3.
©0 mac^t benn bicfe^ „foll" bie Siebe frei in jeligcr
ttnab^ngiglrit; eine {old^ Siebe fte^t nnb f&Et nic^t mit
bem t)erfinberfid^ ©egenfianb, fk f^t nnb fftOt mit bem
®efe^ ber (Smigfett — föflt alfo nie; eine fold^e Siebe ^öngt
ntcf)t t»on bem unb jenem ah, fie t)ängt allein ab — Don
bcm emjig ^efreienben, ift fomit etoig unabl^ängig. SJiit
biefer Unab^&ngigfeit ift feine anbere ju Dergleid^n. S>ie
ttdt rfil^mt monc^mat bie ftoije Unob^glgfeit, bie tier«>
metntK^ feinen Sbmng in fid^ fü^It, gettebt jn merben, toie»
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— 5S —
■
too^I fie jugteid) meint, „fic Bebihrfe anbeter SD^cnfd^en —
nic^t, um üon il)nen geliebt luerben, fonbern um bicfe ^u
lieben, um boc^ jemanben jum Sieben ^u ^aben." D, tote
untva^c ift nid^t biefe Unabhängigkeit ! <Sie [pürt feinen
^rang, geliebt %n mecben, nnb bebatf bot^ jemanbed, um
(ieben §u fdnnen; fie btaud^t a(fo einen anbent äRenf^en —
um if)r ftoljeg ©elbftgefü^I befriebigen §u fönncn. 3ft baiS
nic^t, n)ie tüenn bte (Sitelfeit meint, bie SBelt entbehren ju
fönnen, unb tod) ber Söclt bebarf, beffen nämlic^, bofe bic
SBeÜ erfahre, fie bebücfe ber SBelt nic^I ^ie Siebe aber,
bie bie (Skoigfeit in fid^ aufgenommen ^t, inbem fte §ttr
^flid^t nmrbe, fü^ft aiOleTbingiS einen 5)rang, geliebt ^u fein,
unb biefer ^rang mit biefem „foE" bilbct einen emig t)Qr*
monifd^en Slfforb; fie lann aber, menn e^ fein foll, ent-
fügen, ttjä^renb fie bod) felbft unücränberlicö liebt: ift ba^
nid^t Unab^&ngigfeit? ^iefe Unab^iängigteit ift bloft ab«
i)angig Don bec Siebe fetbft bnc^ bod ^fott" ber (Stoigfeit,
nid^t üon tttoa^ anberem, unb ba^cr auä) nid^t öom ©egen^
ftanb ber Siebe, n^enn biefer etma fic^ aU ein anberer ern^eift.
^oc^ ift bamit nic^t gejagt, bie unabl)ängige Siebe ^örc
bann auf, üermanble fic^ in ftoI§e ^elbft^ufrieben^it; bod
ift Hb^gigteit bie Siebe bleibt, ift Unab^ngigfeit.
Sa^re Unab^öngigCeit ift, bag man fid^ nie tier&nbert: jebe
5?crönberung ift ^Ibljängigfeit, ob man in ©c^mai^heit ba^iu-
finfe ober in 8tol^ fic^ aufbäume, ob man ber Älage fic^
Eingebe ober felbft^ufrieben fic^ in fi(^ ^urücfjie^e. ^enn
einer fagt: „ic^ fonn bid^ nid|t länger lieben'', nnb ber
anbere fagt ftol^: ,,fo fann vifü aud^ bleiben laffen'*: ift
bad Unabl^ängigfcit? ?(ch, bag ift ja ?lbl)ängigf eit, benn ob
er bei feiner Siebe bleibt ober nic^t, l)ängt üon ber Siebe
bed anbern ab. ^ntniortet aber einer: „oud^ bann foll id^
bid| fortlieben'' — feine Siebe ift enng frei gemacht in feiiger
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Unabtjüiigigfeit. @t )agt eig nic^t ftolj — übljängig xton feinem
©tolj, nein, er jagt e^ bemütig, unter ba^ „fo(l" bex Sroig*
teit fid^ bemutigenb; eben bar um ift er unabhängig.
SRut menn bad Bieben ^fUc^t ift, nnr bann tft
bie SieSe eloig glftcfUd^ gegen SerjtoetfCung ge«
fid^crt. 2)tc nnmtttelBare Siebe fantt ungtficfltd^ »erben,
fann jur ^erjtDeiflung fommen. & fönnte njieber ein ?[u8*
bind für bie ©tärfe biefer XJiebe fc^einen, baß fie bie Si^raft
jinn Söerjttjeifeln ^t, baä ift aber bod§ bloßer @c^ein; benn
bie Sttaft ber ^et^tDeiftung, fo fe^r fie aud^ gepttefen toitb,
ift bm^ O^nma^t, i\)x $ö(^fteiS ift gcrabe i^r Untergang.
55oc^ bafe bie unmittelbare Siebe jum ^öerjmeifeln tommen
fann, betceift, bafe fie üerjmeifelt ift. bafe fte, aurf) Ujenn fie
glüdlic^ ift, mit ben Straften ber ^[^erjnjeiftung liebt — einen
anbem äRenfd^ n^fi^ benn fü^ felbft, benn (S^ott"
liebt. Son bec IBei^loeiflmig tft ^n fagen: iU% bet ftum
öetjtoeifeln, ber öcrjioeifelt ift. SBenn bie nnmittetbote Siebe
über bem Unglüd üerjtoeifelt, fo »irb nur offenbar, bafe fie
— üer^mcifelt mar, aud^ in i^rem ®Iüd üeräloeifelt gemefen
toar. ^ie ^er^toeiflung liegt barin, baji man mit unenblic^er
Seibenfd^aft in bem S^er^tnid ^n einem Ctngebien fte^;
benn eine nnenblid^ Seibenfd^aft giebt ed für ben 9Renfd^n
nur bem Smigen gegenüber; mo nic^t, fo ift er üer^meifelt. ©o
ift bie unmittelbare ;Oiebe oer^meifelt; lüirb fic aber glücflid),
»ie man fagt, fo bleibt i^r öerbecft, baß fie öerjtoeifelt ift;
n^irb fie unglüdüd^, fo offenbart ed fici^ ba| fie oet^toeifelt
"-^ mar. ^e Siebe bagegen, bie bie (Enngfett in ft(^ anf*
genommen ^at, inbcm fie jur ^flic^t ttmrbe, fonn nie tjet*
jmeifeln, gerabe »eil fie nid^t üerjtpeifelt ift. ^Serjnjeiflung
ift nämlic^ nid^t etujas, mag einem begegnen fann, nic^t ein
aBiberfaJ)rnig mie ®lüd unb Unglüd. ißerjmeifcin ift ein
aUKgixrlKiltnid im Snnerften feined SBefend; fo tbeit, fo
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tief lann Idn Sc^cffal ober Segc§itüS ehthtutgen, fie fdimeit 1
blofe on ben Xag bringen, bofe bo8 fKt^üer^ältni» ba — I
njar. S)Qrum giebt c§ nur eine ©id^erfteHung gegen bie
iBeQlDeiflung: tvenn ein äJ^enfc^ buic^ bad „foU" ber ^flic^t
bie (Sipigleit in fid^ aufnimmt. Seber, ber ha^ ni^t ti^vA,
ift tiei|loetfelt; (&IM mh fBofjfxxgt^ tarn bad berbcdeii,
Unglüc! itnb 9J2tggefd^ic{ bagegen BeHrirfen nit^t feine 16er«
^roeiflung, toie er meint, )ie üertatcn nur, ba^ er öer^iueifelt
— n?ar. Hnber^ qIö fo fonn man nur reben, »enn mon
onf leiditfertige SBeife bic l^ö^ften iBegriffc ücrtoec^fclt. 2Bo3
nömiic^ einen ättenfcl^ ^nr S^er^nieiftung bringt, ift nu^t U
bod tUiglflcfr ttelmel^ Ua, bafe er beiS (Skoigen ermangelt; bemt i|
barin 6eftc()t eben Me ^er^n^eiflung, mit anberen SBorten:
barin, bafe er nid^t burd^ baö „fott" ber ^^^flic^t bie ©mig-
fett in fic^ aufgenommen l)at. I)ie ^öerjmeiflung ift alfo
nic^t ber SSerluft bc^ beliebten (ba^ ift ba^ Unglüd, ber
&ijßaMx^ tM Skiben), fie ift bie ^mefen^eit bed (Snrigen. ||
SBie mirb nnn bie Dom (Skbot gewollte Siebe gegen
SBer^meiflung geficl)erty ©anj einfad^ burdE) bai^ ®cbot, burc^
bag „bu foflft lieben", ^arin Hegt nämlic^ jutjörberft, baß
bu Quc^ nic^t auf bie 2trt lieben foUft, bafe ber SSerluft be^
(Siebten beinen oer^ifeQen guftonb on ben Xag bräd^,
b. ^. btt foSft gar nu^t oeomeifelt lieben. 9ft bamit bie
Siebe mboten? 5Dnr<^ani$ nid^; bad mftre bo^ nw^( and^
fonberbar gerebct, bafe bog ®ebot mit feinem „bii foÜft
lieben", mit feinem SBefe^len baö Sieben üerbieten rooHte.
2)ag ®ebot verbietet alfo nur, auf bie Slrt ju lieben, bie
nt(i^ befohlen ift; mefentlic^ ift bad (Skbot nk^t oerbietenb,
fonbem befe^lenb, bag bu lieben foüft. ®ebot ber
Siebe fd^ü^t alfo nid£)t üor il^erjmeiflung burd^ matte nnb
f(^möd^lid)e Xroftgrünbe, man joÜe fic§ etmaö nic^t über»
mä^ig 3U ^r^en ge^ laffen u. f. m. 3ft eine fol^e arm*
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liii^ $tU»§fydt, bie ^iiicl^ mxijß tutuent \mSi'*, imil^l loctttgct
^ßtq/mf{m% att Me IBcQioetflung bed Skkitbeii? tft fte
ittc^t t)ie(me^c eine itod) jc^ümmere t(rt t)on ^er^metflung?
D^ein, ba« ©ebot ber Üiebe oerbictct bie ^ßerjtociftung, —
inbem lieben befiehlt. 2Ber follte biefcn 9D?ut ^abcu,
o^nc bie (Stpigfeit? tocr ein SRed^ §u bicfcm „fott", o^nc
btt (Stoigieit, bie eben in bem 9ugenbii(i, ba bie Siebe ob
t^iem Unglüd t^er^toeifetn unff, mit intern Sefel^l ,,bu foQft
lieben" fommt? m tarn biefer 95efet)I anberö {)eimifc^ fein
a(§ in ber (Siüigfeit? ^cnn lücnn ber 93eftg beö ©eUebten
in ber g^^i^^^^^^t unmöglich gemacht fo fagt bie ^loig*
leU „btt foßfi lieben'', b. ^. bie (toigfett cettet bie fiiebe mm
ber 9$et}toeif(ttng g^obe bobnrc^, baft fie btefelbe emig mad^t
(Sft ttemie ber ^ob bte Betben — loenn bontn ber S^M*
gebliebene in i^erämeiflung finten miU: toa^ fann it)m ba
Reifen? 3^^^^^^^ §i^tc ift eine noc^ traurigere Slrt öon
SSerjtoeiflung; fo ^ilft bie ©ttjigfcit. 2B.cnn fie fagt: ^bu
foUft lieben", fo fogt fie bamit: ^beine Siebe fyd eine ekoige
MItigfett"; aSein fie fagt ha» ntc§t trbflenb (benn bed
ttjürbe nic^tg Ijetfen), fie fagt eö befe{)(enb, gerabe njeil (^e=
fal}r im ^Injug ift. Unb tDenn bie ©tüigfeit fagt „bu foÜft
(icben", fo ift eö ja i^re ®ac3^e, bafür einjufte^en, baft eö
fid^ mad^n lagt D, toa& ift aller anbere Xroft gegen ben
ber Skotgkit! giebt ed einen befferen (Seelfotger atö bte
(Sioigfeit! SBottte fte milber reben nnb fagen: ,,tröfte bi(^",
fo ^ätte tool)l ber ^rauernbe (Sintoenbungen bereit: aber —
ja eö ift nic^t fo, toeil bie (Smigfeit oornet)m feine (5in=
toenbnng julaffen tpill — an« gürforge für ben Xrauernben
gebietet fie: ,,bn foUft lieben". SQSunberbare ^roftrebe,
tmtnberbatei» 9)iHt(etb! benn menfc^Ii^ gerebet ift ei» bod^
bo§ ©onberbarftc, ftingt faft tote ©pott, toenn man 3U bcm
^er^weifelnben fagt, er foUe bad t^un, fein etn^igeö
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35crtangcn toax, beffen Unmöglid^feit i^n aber eben jur ^er»
jtociflung bringt. SBebarf ba nod^ cine^ tociteren S3e-
iDcifed ffti; ben d^ttltd^ Utftmmg bed Stetedgebotdl ^ft
bu ed berfu^t, ohtc maä^t ben Setfud^, tritt ditem foldjen
^raucrnben in bcm 5lugenblicf, ba ber ^erluft be^ ®e(iebten
i()u übertüältigen tüiH, unb fiel) bann, rtaö bu ju it)m fagen
fannft; gefte^e eö, bu tt)illft tröften. 2)a^ einzige, njorauf bu
nuj|t t)ecfaQm toicft, ift bie äJ^a^nitng ^bu foEft Ueben". Unb
auf bet anbeten @eite, Derfuc^' ^, ob bad liSott hn elften
HngenblH ba e^ gefagt nnrb, ben Xtanemben nic^t faft er«
bittert, meit i()m fo(d) ein ^ufprucf) bei biefem 5Inlafe alö bei
unget)Drigfte erfc^eint. Du aber, ber biefc ernfte ©rfa^rung
gemalt ^at; bu, bem in bem fd^njeren 51ugenblid bie leeren
menfd^ticl^en Xtofigtftnbe nnt (Sfel einpjsen fonnten, nid^t
abet Xroft; bn, ber mit (Srf Fütterung entbecfte, ba^ aud^ ber
SKa^nruf ber ©»igfett bic^ ntt^t öor bem ißerftnfen Ben^a^ren
fonnte: bu lernteft biefe^ „foü" lieben, bas; üon ber ^er^ttjeif
lung rettet! SCßa§ bu öieUeic^t bei unujic^tigcren Slnläffen oft
gefäi^It ^atteft, bag Strenge bie nni^re Erbauung fei, bad
lernteft bn ^ter im tiefften @inne: nur btefed „foU" rettet
etDig glüdlid^ öort ber Ser^njeiflung. (Steig gtücKid^ — ja,
benn btofe ber ift üon ber SSer^ttjeiflung errettet, ber enjig
öon it)r errettet ift. Die Siebe, bie bie @n)igfeit in fic^ auf*
genommen ^t, inbem fie jur ^flic^t njurbe, ift ntc^t bem Un«
glM entnommen, aber fie ift oon ber ^ei^tfümg errettet, im
(SÜfd unb Unglüff güd^ f el^r t)on ber Siei^metflnng errettet.
@tef), bie Seibenfc^ft crt)i|t, irbifd^e ^lug^cit !ät)lt ab,
aber toeber biefe ^ife, noc^ biefe Äü^le, noc^ bie äRifd^ung
biefet ^ije unb biefer ^ü^le ift bie reine Saft ber ©toigfcit.
5Diefe ipt^e ift ^ugleid^ f^teül, biefe l^ü^Ie sugletd^ f^arf,
bie a^ifdlnng nn^erl&ffig nnb tädifc^ mie bie knen iSftfte
bed l^rü^ja^rd. "XM „hn fotlft lieben" nimmt oOed Un»
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gcfunbc fort iinb bctoa^rt büö (SJefunbc für bic ©toigfcit.
@o ift über^t; biefei^ „foO'' ber (Stoigfeit ift Ua
Stettcnbc; bai» S&ntantbe, ta9 Socbditbe. €c|e $u dncm
^tcfBcit flM c n ; foim fir ehteit 9[ugen6fidfStitbentng fc^ffen,
locnn bu t)erftel)ft, ber Xieibenict)aft ben 5(u^brucf ber 58er*
jlociflung geben, ioq§ and) ber Xraucrnbe felbft nic^t öer=
fc^mö^t; Q0ein baS ift bod^ bad Unlua^re. (^^ tcam einen
Sbigenblid {ft^Ienb necUxleii, lueim btir getiiigt, mit beutet
ftbtg^ mtb (Srfal^tittig iMmerft Vitöftd^t fc^ffen, too ber
^^roucrnbe feine fiel^; aber bo8 ift bod^ baS Untoa^re. ^5)a*
gegen biefe^ „bu foflft trauern" ift 5uglei^ bag 2öat)re unb
bad ©c^önc. 3^ barf mi(^ ja nic^t gegen ben ©d^mer^ bed
Sebent berl^rten, bemt ic^ foU trauetn; aber id^ barf aitc^
ntc^t ner^kiietfebi, beim id^ foH trauern; imb bod^ batf
andl triebt auf[)5ren 5U tranem, beim td^ fott trauern. So
anrf) mit ber Siebe, ^u barfft bic^ nicf)t gegen bie§ ©efü^l
t)crt)ärten, benn bu follft lieben; bu barfft aber aud^ nid^t
öerjtoeifelt lieben, benn bu foUft lieben; nnb ebenfotoenig
barfft bu btd» iSleffi^ in bhr Dert^fufc^, benu bu fottft
Keben. ^u foIIft bie Siebe betoa^ren, unb bu foUft bic^ felbft
beroatiren, öermittelft unb in beiner ©elbftbetua^rung bie Siebe
hmat)xm. 2öo ba^ bloB 2}2enfcf)Ii(^e üorlDärt^ ftürmen UjiÜ,
^&It bag ®ebot an; m ba^ blofe SO^enfc^tic^e ben aj^ut Oer*
lieren tmO, ftärlt bad <^t; m ho» blo^ SKenfc^ltd^ matt
unb fing toerbeu toUI, giebt bai» 9ebot %mtt unb fB^^dL
'SM ^bot terjetirt unb üerbrennt ha» Ungefunbe in beiner
Siebe, burdj bag ®ebüt aber foII'S bir gelingen, fie lieber ju
entflammen, wenn fie, menfc^lic^ gerebet,äufammenfinfcn roollte.
SQ3o bu meinft, bir leidet felbft raten ju fönnen, ba 5iet)e baS
(Sebot mit $u 9tot; too bu ber|ioeifett btr felbft raten ba
fodft bu baj^ ®ebot mit %n 9tat sieben; m bu aber feinen Kat
meigt,fo(I ba^^ebotdiat fc£)affen, ba^ hod) alle^ no^gut n^irb.
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IL B.
Itai foUfl Im ^lliilfbii'' Uckm.
ic c^tiftlic^e ßiebe namlid) ift eö, trelc^e entbedt
«Hb totxi, hüi bet fft&d^^it ba ift, unb, load
ba«fe(6e tfl, ba^ ieber ein fold^er ifi Sftre itiil^i
^fltc^t au lieben, fo wäre ber ^Begriff „httfltä^^t**
Qud) nid)t ba; aber nur toenn man ben S^öc^ften Hebt,
nur bann ift ba^ ©elbftifd^e ber Siebe, toeld^cr bie
^oiüebe @(runb liegt, ausgerottet nnb bie eloige
•eted^tigteit bet Siebe gekoa^rt.
tmttbe oft, oB mtdl auf üerfd^iebette SBetfe, in \xt*
fc^iebener ©timmung, mct)r ober tDentger teibenfd)aftlicf), auö
bem einen ober anberen (^runbe bem (I()riftentum ber isSor-
l)alt gemalt, ed Oecbr&nge bie natürCic^e Siebe mib g^ieunb«
f<^ft S^Hvm ^ man tM (Slonftentum ttrieber bertetbigen
MiOcn mtb %n bem Snbe fid^ auf feine 8e^ betufen, ba§
man ®ott t)on ganjem ^er^en lieben folle unb ben S^^öd^ften
alg fid^ felBft. SSirb ber ©treit in biefer SSeife gcfiitjrt, fo
ift cd äiemlic^ gleichgültig, ob man ftreitet ober fic^ einigt,
ba ein ged^ in ber Snft unb eine (Sinignng in ber Suft
ffidü^ nii^tiSfagenb finb. Stder mflge man baronf a^n,
bol man ben @treit))unft reii^t bentlid^ mad^e, nm fo Bei
ber Serteibigung in aller ^ulje ein^uröumen , ba| ba^
— 60 —
(S^rifteitttttn Wc natürttd^ SieSe unb grcunbfc^aft, We auf
bcm ^ricb unb bcr 9^icigung beru^cnbc Siebe, bie ^.^orlicbc
Dom %f)xon geftofeen ^at, um bafür bie geiftige 2iebe ein*
jufe^en, bie 2kbt ^um Sf^äc^ften, eine Siebe, bic in (Srnft
unb SBa^r^it btttd^ t^te 3mies(ici|fett inniger beteinigt ald
bie natürlich SieSe, nnb burd^ i^ Stufrtd^tigfett tceuer Bei«
fanimen{)ält ai^ bie bcrü^mtefte greunbfdjaft. Sicbcr möge
man barauf acfjtcn, baß man red)t beutlid^ ma^c, mie bcr
^^reiö ber natürlichen Siebe unb greunbfc^aft bem §eibentum
Snge^tt, loie eigentlich „ber 2)i(hter'' bem ^ibentom ^u^'
ffiit, ba feine Stufgabe biefem ^itge^örty — um bann mit
bem getonffen ^fte ber ttbet^eugung bem ^^riftentum
geben, luaö bc^ ÜljriftcntumS ift, bie Siebe jum S'^äc^ften,
üon melcfier \\ä^ im ^peibentum auc^ nic^t eine ^Ilinnng füibet.
lieber möge man barauf ad^ten, ba| man ri^tig jc^eibe unb
teile, um momöglic^ ben üin^lnen ^ur Stt^l |u bemegen,
fiatt ba^ man bur^ Sermifd^en unb Serquiden bem (Ein«
^efnen nnmdglid^ mad^t, irgenb einen beftimmten ©inbrucf
t3om einen unb anbern ju befommen. Unb üor allem fte^e
man lieber baoon ab, bai^ ^^riftentum ^u uerteibigen, aU
ba^ man bemugt ober unbemugt aUed fär badfelbe bean»
ftmtd^ — auc^ baS 9lid|t«(ShriftIi(j^e.
Seber, ber biefe €ad^ mit (Einfielt unb im (Emft ht*
benft, loirb leidet fc^en, baB ber ©tieitpuntt genau ber ift:
foll bie natürticlie Siebe unb greunbfc^aft baö §öd)fte in
ber Siebe fein ober biefe Slrt Siebe abgefegt merben? Siebe
unb greunbfc^aft finb mefentlic^ £eibenfc^ft; aQe Seiben«
fc^aft aber, fie mag angreifen ober ftc^ oerteibigen, Cennt
nur eine ^am^fttjeife; fie fagt: „cntmeber — ober; enttoeber
bin \d) ba unb ba^ ©ö(^fte, ober bin ic| nic^t ba; entmeber
alles ober n\d)t^." ^aS ^^fufcf)enbe unb ^ermirrenbe
%kt bem i^tbentum unb bem ^i(|ter ebenfo ^iber ift mie
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- 61 -
bctn Sf)riftentum) ftellt fic^ ein, njenii bte ^Serteibigung barauf
^inauöläuft, ba^ boö (5t)riftctitum gaitj genjt^ eine I)ö^ere
Sie6e (el^, ober $n%iti^ bie natftrlidie iBie^e unb gteunb«
f(|aft an^nttfe. SSkr fo tebet, t>errftt bad ^ot)))e(te: bag et
fetncTi 5)id^tergctft, aber aud^ ntc^t bcn (SJeift be« ©Triften*
tumö l)at. 3n geiftigcn fingen fann man — ttjcnn man
ni(^t t^örUd^ reben ioitt — nii^t mie ein Ärämer reben, bcr
in feinem Warenlager eine ^maforte, aber ^ugleici^ eine
äRittelforte ^t, bte er ani^ fel^r too^t ald faft ebenfo gut
empfehlen barf. 9^ein, and bem f(|on gefäf)rten 9{ad^h)etd,
bofe m6^ ber Seljre beö ßt)riftentum8 bie Siebe ®ott unb
bem 5^äd[)ften bie toaste Siebe ift, ergiebt firf) aitc^, bafe eö
bic natürliche Siebe unb greunbfd^aft öom ^rone gefto^en
^at, nne es „jebe geftäi^t fyd, bie fic| gegen bie (Sx^
lenntni9 (S^otted et^ unb jjebeit ®d)anfen im ^^orfom
gcfongcn genommen ^at." SBäre c§ nicf)t oudf) fonberbar,
tt)enn baS S^riftentum ein fo üer|3fn|"d)cnbcg unb üertüirrteö
(SJeujöfd^ iüöre, tooju manche SSerteibigung, fe^r oft fc^limmer
aU ein Angriff, ed mad^en tüxü, ttate e^S nic^t fonbetbat,
bog fid^ im ganzen 9lenen Xefiament nid^t ein ffiort bon
ber ßtebe finbet in bem @tnn, mie ber ^Dtd^ter fic befingt
unb bag §eibentum fic Vergötterte? lüäre c§ nic^t jum S^er-
ttjunbcrn, bafe im ganjen Svenen Xeftament iiicf)t ein 2Bort uon
bcr greunbfc^aft fic^ finbet in bem Sinn, xok ber 2)id)ter fie be*
fingt unb bai^ $eibentum fte bere^rte? Ober iai ben S)id^ter, ber
ftd| a(d ^id^ter berfie^t, bnrd^gel^, tocA bad 9lmt ^ftament
ton ber SteBe Iet)rt, nnb er iotrb tn 5Ser5tt)eif(ung fommen,
mcil er nidjt ein ein^ige^ Sßort finbet, baö \\)n begeiftern
fönnte — unb fanb ein fogcnonnter ^id)ter bennoc^ ein
äBort, bog er brandete, bann ift« ed ein liigen{)after
braud^, eine ^ergetoaltigung, koeil er, fiatt bad (S^rifientum
)tt ac^, ein bftbare« SSSort p »Ulfilrlid^ Serttenbung
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♦
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fid^ aneignet iSa| ben ^tc^ter im fftmcn ^Eefkmettt nad|
einem Sott lum bei J^cennbfc^ fwl^ttr ^ ^ ittfogen
flhmte, er totrb jnr S^erjtoetflung t^ergeblic^ fud^en. Safe
aber einen ßt)riften fu^cn, ber ben D^ä^ften lieben tottt,
ma^rlic^ er tt)irb nic^t üergebUc^ fucfjen, er iuirb ein SBort
umd anbere finben, baüon atTemal eined lieber ftärfei: unb
getooltigec bo^n angetan ift, in il^ biefe iBiebe )U enU
flammen unb il^ in biefet Siebe %u beloa^ten.
3)er ^ic^ter totrb bcrgcblic^ fachen. Sft bcnn aber ber
^i^ter fein S^rift? !Dag ^aben toir ja nid)t qcfagt, fagen
cd audj nid)t, niir fagen nur, bag er nid^t (^^rift ift, fokoeit
er ^t^ter ift. ^od^ mug ba ein Unterfd^ieb gemad^t loerben;
benn ed giebt ia oud^ fromme S)i(^ter. S)iefe aber beftngot
nid^t Siebe nnb ^reunbfc^aft; t^r (Skfang ift 0ott §ur (S^re,
gilt bem (Glauben, ber Hoffnung unb ber 2kht. 2Senn fic
bie Siebe befingen, fo befingen fie i^re Siebe auc^ nid^t in
bem @inn, tok ber ^id^ter bie £iebe befingt; benn bie Siebe
$ttm ma^iim tmä, ni^t bef ungen, fie miO geftbt fein. @e(bft
menn frnift ntd^tö ben S)id^ter ab^die, bie Siebe §nm SU^fien
^u befingen, fo tDöre fd^on bad ^inreid^enb, bag jebem SBort
ber ©c^rift ein i^n ftorenbe^ SD^a^nlrort in unfic^tbarer
©c^rift jur ©citc ftc^t, baS lautet: „gct)e Ijin unb t^ue
gleich olfo"; — lautet ba& ettoa loie bie ^fforberung an
einen SHd^ bafe er fingen fott? — Um ben frommen
3)id^ ift eg alfo eine eigene @ad^; oon bem me^td^
^ic^ter aber gilt, bafe er, fonjeit er ^ic^ter ift, nic^t (^^rift
ift. Unb bod^ ift eö ja ber n)cUlid)c T^icfiter, an ben njir
benfen, tt)enn toix fo im aUgemeincn üom 2)id^tcr rebcn.
S)aB ber S>ic^ im (S^rtftentnm lebt, dnbert tnt @ad^ ni^t
Ob er (B^rift ift ^ben koir nid^t ^n entfd^etben; foloeit er
aber ^Did^ ift, ift er ntd^t S^rift & ffhmte freiließ fc^cincn,
nod^m bie (ä^riften^eit (c^on jo lange beftanben ^ muffe
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fte ml^ aUt Set^ttttffe butd^brungen l^aSen uttb — und
alle, ^bo» ffÜ aber ehte ©tititedtäufd^ung. Uitb toett bad
(S;^riftentum fo lang beftanben Ijat, fo ift bamit bod) too^t
nid^t Qcfagt, bafe tüir fo lange gelebt ^aben ober fo lange
(^^riften gemefen finb. ®erabe bag ^afetn be§ ^itfiter^ üi
ber (S^^riftenl^ unb feine i^nt etngerdnmte ©telbtng (benn
Stol^t unb netbifd^ Eingriffe auf xf)n finb bod^ feine d^tift*
lid^e (Sintoenbung, fein d^rtft(ic^e§ S5ebenfen gegen fein
^afein) ift eine ernfte 9)?a^nung, tüie t>iel oomeggenommeu
loiib unb tok na^e und bie Derfuc^Iid^e (^inbilbung liegt,
toir feien vM felbft meit uotaud. ^btm ttP&^renb bie
Settfinbtgnng ht& S^tlid^ leibet mond^al f|9fttKc^ ge«^
l^tt »irb, laufc^cn otte bem ^cf)ter, Bettmnbem i^n, lernen
üon it)m, laffen fic^ öon il^m bejaubern; mäljrenb man Iciber
rafd^ öergifet, tuad ber ^rebiger gefagt t)at, toie genau unb
toie lange bcnft man beffen, toa^ ber ^id^tct gefügt Ijat, ju*
mal auf ber Sül^nel 5Dei @inn bed ilefagten fonn \a nic^t
fein, bo| man tnitiUxdj/t mit <9ematt ben ^Dic^ter fortfd^affen
follte; bo« lüürbe mir §u einer neuen (Sinne^täufc^ung fül^ren.
SBaö l)ülfe e^ mo^I, menn eg feinen ^ic^ter gäbe, unb cd
gäbe boc^ in ber S^riftentjeit fo üiele, bie in ber bebend*
anfc^uung toanbelten, über bie ber ^id^ter mfügt, fo me(e,
bie fic^ nad^ bem 2)ifi^ter feinten! & ttnrb t>m d^riften
fa aud^ nid^ tierfangt, er foKe in Minbem, unioeifem (^fer
ed fo meit bringen, bafe er einen ^id)ter nid)t me^r lefen
fönnte — fo tocnig ald Dom (S^riften gcforbcrt mirb, er bürfe
nid^t metjr mit anbem bie gemo^nte ©|3eife effen, ober er
mfiffe abfeitd tion anbem in abgefc^foffener (i^famfeit fein
S)afetn fft^ren. Stein, aber ber (S^rifi mu| aHed anberiS
lierfte^en ofd ber Sflic^td^rift, mufe fic^ felbft üerfteE)en, bafe
er 5U unterf(^eiben mei^. 3eben 5tugenbücf auö)d;lieft(id} in
ben l^d^ften c^riftlic^en i^orfteUungen leben, ukire ein
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SKcnfd^ irifl^ im ftonbe, fp ivemg aSA er Idrigtifl kmt ^«
(l<|en 9ffietibma^( (eBen Omtte. Soll botitm nur beti ^M^ter
babicibcn, lofe bem cinjelneu '2)id)ter bic ©etounberung , bie
er öerbicnt, tuenn er luirfti^ einer ift, lafe aber au^ ben
d^tn^Uten in ber (^^n)tent)eit feine ^rift(id)e Überzeugung
borait ett'toben: ttrie er fk^ |u bem ^bii^r fieOt, und er
mm bem 5Did|ter koie er tl^ tieft, mie er belmitibert
®le^, t)on fotd^cm ift in unferer ^txt faft nie bic 9^cbc; adS),
manchen n>irb üielleic^t biefe (Srtt)ägung toeber c^riftlic^ nod^
ernft[)aft genucj üorfommcn, eben »eil fic üon folgen S^ingen
^nbelt, bie bod^, m\)i gemerft, bie Sente in ben fed|d SOkrl*
tagen fo tnd befc^ftigen, p awi^ am fiebenten M^t no^
für me^ Stnnben befd)öftigen al» \M (ÜMtHd^ Snbef^
ift unfer STroft — mit ton üon ^nb auf im (S^ftcntum
unterttjiefen unb erlogen finb unb audt) im reiferen 5((ter
unfre ^dt unb beftcn Äräfte feinem ^ienfte gemeint liabeu,
nriekoo^l loir au<^ immer nneber^ten, ho% mir „o^ne Slmld«
gemalt" reben — eiS ift nnfer Xroft, ba| mir barfiber Se*
fc^eib miffen bürften, tok, imb befonber«, üon tttt« in unferer
3eit gerebet tuerben foH. 2Bir finb ja ade im ©^riftentum
getauft unb untermiefen, eö fann fic^ alfo nic^t um Stu^-
brettung ht& (S:t)riftentum$ {)anbetn; mtbererfeitd moHen mir
tm einem, ber fti^ fftr einen (Sifdfkn andgiebt, gemig nid^
urteilen, er fei temer, eft fdnn fic^ a(fo nic^t bamm l^beln,
bafe tüix iil)x\\inm im ©egcnfo^ gu Dlicf)td)riften befennen.
dagegen ift e§ tdo\)l nü^Iicf) unb nötig, baf? ber (Sin^^ernc
forgfam unb felBftbemugt auf ftd^ felbft ac^te unb momi)glic^
anbeten bo|tt be^ilflid^ fei (fomett ein S^enfcl^ bem anbem
^fm fann — benn ber malere Reifer ift (&M), bag fle in
tiefimm nnb tieferem @inn Q:t)riften »erben. 5Do9 Sort
„(5t)riftenl)eit" al$ allgemeine ^Benennung für ein gangcä 58ol!
ift eine Übecfd^rift, bie lei^t ^ mel fagt unb barum ben
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(^5^^"^*^ ^^^^^ tüieber veranlagt, öiel öon fic^ galten.
9ln ben Äkintftra|eit ftel^n ja md) aHgemcotent SBrauc^ SSSeg«
^ger, Me angeBen, too^ tiefer SBeg fft^ tOtelletc^t fk^
man gleid^ (etm Vttirtit ber Steife an einem folc^en SBeg«
jciger, ba§ ber 9Beg an jene ferne (Statte, bag (Snb^tcl ber
Steife, tütjtt: tjat man bamtt ben Drt fd^on erreicht? (5o ifl
eiS au^ mit biejem ^egjeiger, mit ber Benennung ^i^^ciften^
^eit''. ®ie giebt bie 91ii(i^tung an; tft man abet batnm am
3ie(e? obec ift man bantm immet au^ nnr — auf bem SBege?
Ober l^etgt bo€ anf bem SBege wMM gel^, menn man
einmal toöi^entltd^ in einer ©tunbe gleic^fam an ben 3Beg
tritt, h)ä^renb man bie fec^^ Xage in ganj anberen 53or*
fteQungen lebt, unb luä^renb man gar Seinen $er[uc^ mad^t,
fii| barin felbfi $u toerfte^n, nrie bai^ jnfammen^ängen Sann?
Unb geugt e8 bon befonberem Cmft, menn man ben toa^ren
3nfammen]^ang ber (Sactje unb ber SScrEiöltniffe öerfc^tpeigt,
um bann mit großem (Srnft öon bem @rnftl)afteften gu reben,
bad man boc^ moljl in bie öermirrten ^er^ältntffe brausen
mttttc^men fottte, becen IBe^iel^ftng )u biefer emft^aften SQSa^r«
^ man — toor Iciuter (Snift gar niiä^t belend^? 93er
l^t ba bie fd^nierere Aufgabe: ber Sekret, ber ba9 (Smftlid^
öortrögt, aber toie eine Suftfpiegelung in uncnblid^em 5lb]tanb
öon bem täglicf)en Seben, ober ber ©^üler, ber biefe Se^re
anioenbcn foUte? 3ft nur baö ein betrug, bafe man baS
(Smftfü|e t)erf(|meigt? ift t§ nid^ ein ebenfo gef&^rlic^
Oetrug, menn man ed fagt unb barfie&t — aber unter Um«
ftönben unb in einer ^leud^tung, bie bem töglic^n Seben
ber SSirfüd^feit in feiner Sßeife entfpridjt? SBenn e§ bod^ fo
ift, baß ba^ ganje toeltlir^e ^^eben, feine ^rac^t, feine Qtx^
fireuungen, fein ß^uber einen älitenfd^n fo manc^fac^ 6e^
ftriffen unb gefangen nehmen tarn, koad ift bann bad (Smft^
li^: bag man — au0 fontcr lErnft baiS VklÜii^ in ber
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SKr^c bcrfd^toeigt, ober öofe man ernftltc^ baöon rebet, um
Mmöglttl tnt Sötte gegoi bie (Skfa^reit bed SBeUUd^ ^
fUxfeit? eoHte ttncHi^ itiim0gIU| fein, auf eine fetet>'
lid^e mh m Sßal^^tt entfte 93etfe t)om SMiCit^en reben?
Unb loenn bo« unmöglid^ loärc, folgte bann barauö, ba^ mon
in ber frommen S^ebe Don i^m fd^loeigen foß? nein,
baraug toürbe nur folgen, ba^ man ed im (ä^ottedbienft aufd
atteifeietlt(i^fte tKi^teten f oUte.
Sn bem 5Dt(l^ olfo nyoQen nmr Me d^riftlid^e fibec«
jeugung er^nroBen. SßoS lel^rt nun ber ^id^ter t)mt iBtebe
unb greunbfc^aft? ®3 ^anbeU ftd£) t)ier nicf)t um bcn ober
jenen Bcfttmmten ^ic^ter, fonbern um ben 2)i^ter, b. 1^.
lebiglid^ um i^n, fomeit er fic^ unb feiner Hufga6e aU
tten tfi Wkm ein fogenanntet SbväjiUx ben (Slanben
rni bte bi^terif d^e ®ftlttg!ett ber natftrtic^ SteBe unb ^Jfreunb»
fdjaft, ben (Glauben an bie 9J?ögIic^fcit einer bid}terifd§en 5Iuf«
faffung berfelben nerloren unb bafür ein anbetet eingefe^t
^at, fo ift er nid^t ®id)ter, unb ba§ S^eue, baö er aufgeftcßt
l^t, ift kneUeid^ au^ nic^ bad (S^riftlid^e, fonbem bad @an§e
Bloge ^fd^rel 5[>te natftrli^e SteBe Bent^ auf einem
?!rieb, ber, jur ^)erfönlid^en ßuneigung ocrflärt, feinen tjöc^ften,
feinen inibebingten, feinen, bicf)teri)d) unbebingt, einzigen ^tuö*
brucf barin finbet, ba^ eg nur eine einzige ©eliebte in ber
ganzen SBelt gebe, unb bag bie einmalige Biebe bie Siebe
ottSmof^, eine gmeite aber nic^ fei; — fonft fogt man |a
fprid^mörtlid^ „einmal ift fetnmaf, l^ier bagcgen ift bad eine
Tlüi unbebingt alleö, ba§ jtreite unbebingt ber Untergang bc^
©anjen. ^a§ ift ^oefie, unb ber DZadjbrucf liegt unbebingt
auf bem potenzierten ^luöbrudf ber Seibenfc^aft: „fein ober
ni(|t fein". @tn jtteitedmol lieben ^t|t nid^ auc^ lieben,
fonbem ift ber ^oefie ein <S(retteL Wä ein fogenannter
^^ter und einBcIben, Me 2i^ fitotne in bemfelBen SRenf^en
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fu^ liridierl^Ieii; untt em fogenamdcc S)td^er fic| nttt (titgeti ^
räent^eticn tl)itn mod^en, burd) Me necmeintli^ bie ;!
9flätfcl()aftigfdt bcr Seibenfdftaft in einem „Söarum" bcr
,^(ugt)eit erfc^üptt n)erben fotl: fo ift er nicf)t ^id^ter. SBag ?|
er an ©teUe be^ 2)ic^terifc^en fe^t, ift au^ nic^t ba§ (S^^cift« '
U^e. S)tt (|nftli(^ £tebe le^it alle äReitfd^ lieben, mi«
Mingt oOe. @o miMtngt mtb entfd^teben Me natittIU|e
ßicbe nnr einen einzigen ©eliebtcn gelten läftt, ebenfo un*
bcbingt unb entfc^ieben -belpegt fidö bie d)riftlid}e Siebe in
ber entgegengefe^ten Slic^tung. ^iH man in ber c^riftlic^en
£tebe 6et einem einzigen S02enfd^en eine ^uSna^me mac^n,
ben man eben nid^ lieben toiE, fo ift eine fold^ Siebe nid^
^6) d^riftlic^e Siebe'', fonbecn nnbebtngt nid^t d^riftUc^e
ßiebe. Unb bod() ift ba§ fo ungefät)r bie 35ertt)irrung in ber
jogcnannten S^riften^eit: bie ^icf)ter t)Qben bie £eibenf(^aft
bcr i^iebe entnerüt, fie geben nac^, bie ftroff angef|)annte
Sctbenfc^ft befte^ fitt fle nid^t m^x, fie fd^lagen ab (in* .
bem fie lugeben) meinen, ein SRen^ A^nne im Stmt
ber notfirltd^ Siebe mel^revemote tieben, fo bag e9 alfo
mehrere beliebte gebe; bie d)riftlid)e Siebe giebt na(^, bie
ftroffe vgpannung ber ^ig!eit be)tet)t für fie nic^t me^r,
fie fc^Iägt ab unb meint, toenn nur ein gut geliebt
loecbe, fo fei bad c^nftlid^ Siebe. @o ift beibed, bad
^t(^ri)d]c nnb bad S^riftHc^e tietiirtnt lootben, rnib uwiS
on feine ©teile getreten, ift toeber ba8 3)td^tcrifc^e, no^
ba« (5^rift(id§e. ^ie Seibenfc^aft t)at ftetö biefc unbebingte
(^igentümlic^fcit, baß fie bog dritte auöfd)(ie6t, bad t)eifet,
bad ^^ritte ift bie ^erioirrung. D^ne Seibenfc^aft ju lieben
ift eine Unmdglid^feit; bet Unterf^ieb stoifc^en natfitliil^ mtb
4riftlid^er Siebe tonn bantm nn? barin befte^en, ba6 aud| bie
Seibenfc^aft in bciben etuig t)erfd)iebcn ift. Sin onberer Unter*
fd^b 5)oifc^ ber natürlichen Siebe unb ber ^riftlic^en Siebe
5*
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läfet ftc^ ntc^t benfen. SBenn bat)cr ein ÜKenfc^ meint, er
fönne mit ctnemmal fein hieben burc^ ben ^i(^ter unb burc^
tie d^ttt&rung be§ dtiriftentum^ k)erfte^n, unb loenn er bamt
meittt, et f5iine btefe gm (itfUintitgeii ^itfammett tietfie^ —
unb batiit \o, bog fein SeBen einen @inn ^obe: fo ift er ein
Xt)or. SBa3 ber ^ic^ter unb baö (S^riftentum erff&rt, fte^t
in bircftem ©egenfa^ einanber: ber ^)icf)ter Vergöttert bie
natüctic^ 3""^^9""9 ^^^^ bal)er, weil er beftänbig nur
Ott bte natütlid^ iBiebe benft, gait^ red^t mit bec ISej^aufM
tnng, Siebe bef eitlen sn tooSen fei bte ätgfte SE^oi^ vnb
bie ungereimtefte SRebe; hai @{)nftenittm, bod ftetd nnr on
bie (^rifttidjc 2ie6e benft, t)at bod) luo^l auc^ ganj red^t
bamit, bafe e^ bie nntürlid)e ßuneigung üom X^rone ftö|t
unb bicfe« „foll" an it)re ©teile fe^t.
hieltet nnb (S^ftentum ecfl&ten ^toei S)inge, bte fic^
bitelt entgegengefe|t ftnb, ober genauer auSgebrftdt: ber
5)ic^ter erftärt eigentlid^ nidjtö, bemt er erftärt bte 2ie6c
unb greunbfd)Qft — in 9Mtfeln, er erffart Siebe unb greunb^
fc^aft aU äiätfel, bag S^riftentum erflärt bie Siebe ettjig.
^arau^ erfte^t man toithtx, ba^ ed eine Unmdglici^fett ift,
auf einmal nad^ beiben (Störungen §tt (eben; beim ber
grdgte mögltd)e ©egenfa^ 5n)ifc^en jniei ^tKArmtgen ift bod^
tvo^i ber, ba| bie eine feine (Srftärung ift unb bic anbere
bie ©rflärung. ^ie Siebe unb greunbfd^aft, Wie ber 5)id^ter
fic öerfte^t, enthält haf^i and) gor feine fitttti^e ^lufgabe.
Siebe unb gfcennbfc^ft ift Wd; ed ift ein &iM, bic^erif^
toerftanben (mtb nia^rtid^, ber ^id^ter Mfte^t fi(^ trefflid^
ottfäj ®(üd!) btt« ^öc^fte Wd, tjerliebt §u tocrben, bie einzige
beliebte gu ftnben; t§> ift ein ^lücf, ba§ faft ebenfo grofee
®(üd, ben einzigen greunb §u finben. ^ie 5Iufgabe fann
^ier t)dd^ftenS bie fein, ba| man für fein (^iüd reC^t
ban!bar fei S)agegen fann ed niemaU bie Aufgabe nierben,
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bofe man bie beliebte ober biejen grcunb finbcn folle;
bag la^t fic^ nic^t mad^en, toa^ bcr 2)id^ter roieber üor*
trcfflic^ öcrfte^t. S)ic Slufgabe tft olfo bakwit abhängig,
ob tad Wd Wim bie iCufgabe gelieit mtll; ober baimt
ift ja eBen auiBgebrlldt, bog l^ter, fittüd^ Derftanben, feine
Aufgabe ift. 3Benn man bagegen ben Mc^ftcn lieben fo(I,
fo ift bie Aufgabe ba, bie fittlicfie ?(ufgobe, bie mieber
ber Urfprung aUer Slufgaben ift. ©erabe meil baiJ Ö^rift-
bad ipo^re ^ütlid^ ift, koei^ ed bie Sitoägungen ab«
SiitA^ unb bie ttmfi&tibltcleii Ctttleitutigen ab^ufd^eiben,
alles einfhoeilige Sparten p entfernen nnba1Ier3ettt>ergeubung
3U übert)eben; baö ©Ijnftlid^e ift fofort an ber 5Iujgabe, xvdl
fic bei fid^ f)at. mirb ja in ber SSelt heftig barüber
geftritten, mad man bad ^d^fte nennen foUe. SSod nun
anc^ fo genannt toerben ntog, tood biefe ^[udieifl^nng and^
iKcbtenen mag: eiS ift nnglanbtic^, nrte tnde SSeitl&nftgfettfn
bamit oerbnnben ftnb, um eiJ §u begreifen. S)ag (S^riftentum
jeigt bagegen einem DJknfc^en fofort ben für^eften SSeg, baS
^öc^fte ju finben: fdjlie^e beine X^üre unb bete ju (§iott
— benn ®ott ift boc§ n?o]^( baö ^ö(|fte. Unb toenn ein
9Nenf (i^ in bie SBelt ^nandtritt, ja ba fiinn et oieQeid^t (onge
gelten — nnb toergeBtid^ ge{)en, bie ganje fßklt nrnkoanbetn
— unb öergeblic^ »anbern, um bie (§Je(iebte ober ben greunb
ju f«(i)en. ^a§ ®f)riftentum aber läfet fic^ nie gu ©d)u(ben
fommen, bag eS einen 3)?enfd^en ouc^ nur einen einzigen
@^^fitt Hergebend ge^ liege; benn nienn bu bie ^^üre,
hinter ber bit ^n «ott gebeteft ^aft, anff^Iiegeft nnb trittft
^inoud, fo ift ber erfte aRenfd), bem bn bcgcgneft, ber ^H&6)\k,
ben bu lieben follft. 33crtt)unberlic^! iReugicrig unb aber*
gläubifd) fud)t üieHeic^t ein aJ?äbd)cn i^r fünftigeö Sog gu
nriffen, i{)ren 3"^ünftigen fe^n, unb bie betrügerifd^c
^liiig^t bilbet i^ ein, bai luenn fte bad nnb bad nnb bad
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Üj^t, fo toecbe fie t^n baran ecfennen, bog ber erfte fei,
ben fte an bem unb bem %a% )u fe^ befornme. äXit fo
xM ©(^mtengfeit tft nid^t tietbunben, bett SWgftett
fc^n — fall« man fid^ nid^t fclbft Ijinbectid^ tft, i[)n fe()en;
benn ba§ (E^tiftentum \)at eluig unmöglich gemad^t,
ju öerfetjlen; ift in ber gonjcn SBctt nic^t ein einziger
3J?cnfd^, ber fo fieser unb fo leicht etfennen ift tok bec
Sl&d^fie. %>u fatmft tl^it nie mit einem anbent ttetloeci^fetn,
benn bec 9^ä$fte, baS finb ja oEe Sftenfd^n. IBettoe^fetft
bu einen anberen SO'^enfd^en mit bem S^äc^ften, fo tiegt ber
gcl^ter md)t an ber (enteren ©teile, benn ber onbere 9J?enfd^
ift ja aud^ ber Md^fte; ber gelter liegt in bir, bafe bu nic^t
oerfte^n toiHft, ioet ber m6)\k ift. ^fitttt\i bu im ^uuEeln
einem 9Renf(|ert bad Seben, in bec SReinnng, ed fei bein
gfceunb — ed roox ober betn SRfti^fter, fo ift bo9 fein
geljlgriff; nur bann begel)ft bu t)ielmel)r einen gelter,
ttjenn bu blofe beinen greunb retten tt)t(Ift. SBeflagt fid^
bein greunb barü6cr, bafe bu, toie er meint, infolge eined
ge^lgtiffd etkoad fftc ben ^iad^ften t^teft, t^m bem et
meinte, bis märbeft ^ nur fite i^n felbft tl^un, fo bacfft
bn Mber gan^ cnffig fein; ber gel^ler liegt auf fetten beineS
gieunbeS.
^Der ©treitpunft jtoifc^en bem ^id^ter unb bem ß^riften^
tum ift alfo ganj genau biefcr: bie natfirtic^c Siebe unb
Sftennbfdiaft ift ^otliebe nnb leibenfc^aftlid^e üBov«
liebe; bie d^riftUc^e Siebe ift bie Siebe bec ^(bftbetleugnung,
bafür bürgt ba§ ,,]on". ^tcfe Seibenfd^aften abjufc^iüäd^cn
ift bie iöenüirrung. 5(ber bie äugerfte ^on)cquen§ in ber
Seibcnfd)aft ber 55or liebe, auö^ufc^Uejicn, ift: nur einen ein*
^igen jn lieben; bie önftecfte jlonfeqnen§ ber felbftoecleugnen»
ben Eingebung ift: ntc^t einen ai^nfd^liegen.
3n anbecen ^tiUn, m man bod| Scnft bamit machte,
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I
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M (S^ttfttid^e \M Skbm |u Mflc^esit l^t matt gememt,
bod (S^ftentum l^oBe ettoad gegen bte natürlich £teBe, toetf
fic auf einem natürlid^en %xkb btxu^t; man meinte, ba^
ß^riftentum ^affc bie natürlid^e ßiebe al^ ©innUc^lfeit,
loetl eS ald (Steift gletfc^ unb ©etfi in ©egenfag gebrad^
fyst SHcd mar a6et ein aRi^Derftftnbnid, eine ft6erf|Muinte
«eiftigfeti Sie ftc^ (eid^t geigen (fi%t, ift flBtigend ho»
(S^riftentum t)iel vernünftig, al§ bafe eS burd^ Pflege
eines übergeiftüdjen 3Sefen§ felbft ba§ (Sinnlid^e gegen einen
^^en(c^ auf^e^n tDoüte; fagt nic^t ^^auIuS, eg fei beffer
fiel §u t)ere|tic|en, old ^l^ntnft ^n kiben! ffUm, eben toetl
ha» (Qfifloitnm in Vk^^ Seift ift, batnm tiecfie^ ed
unter bem Sinnlich ein ixnhm», oiM wo» man fonft fd^Ied^t«
meg baö (Sinnliche nennt, unb )o wenig e§ bem 3)?en)c^en
©peife unb Xranf ^at verbieten motten, ebenjoiuenig t)at eS
?(nfto6 an einem Xrieb genommen, ben fic^ ja ber ä)^enfd|
ttt^ fe(bft gegeben f^oL Unter bem ©innlic^, bem gleifd^
ttd^, nerfte^t ha» (S^rtfientnm baS @e(6ftifd^e; ed Ifigt ftd^
gar fein ©treit jtt)ifcf)en ®cift unb gletfd^ benfen, eS müfetc
benn auf feiten beg g(eifcf)e8 ein aufrü!^rerifd)er ®eift fein,
mit bem bann ber ®eift ftritte; eS iä^t fid§ ja auc^ fein
Streit jloifd^en @)eift unb einem @tetn ben!en ober ^toifd^
Mft unb einem 8aum. m\o ha» @etbfüfd^ ift bod @tnn'
Ivä^ (Eben bamm l)egt ha» (S^rifientum ein SHgtmuen
gegen bie natürliche Siebe unb greunbfc^af t , tüdi bie 5?or*
liebe mit Seibenfdjaft ober bic Icibenfc^aftlidjc '^orHebe eigent*
lid) eine anbere gorm ber (^elbftliebe ift. (Sie^, baüon ^at
uneber ha» ^ibentum nie getrftuntt. SBeit bod ^eibentum
nie eine S^ng ^tte bon ber feCbftberleugnenbett Siebe ^
9{fic^ften, ben mon tteben „foH", bamm teilte t» alfo: bie
Selbftliebe ift gu öerabfc^euen, ba fie ©e(6ft(tc6e ift; Siebe
unb greunbfdSiaft aber, b. ^. leibenjc^aftlic^e l^orliebe, ha»
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— 72 —
ift Siebe. 2)a§ ^t)riftentum aber, bo^ offenbar gemacht ^at,
nnid Siebe ift, teilt anben^: ©elbftliebe unb leibenfd^ftlk^
IBotUc^e fitib loefentltil^ emei(; oBet Sick jitm Wu^Un, tM
ift Sk(e. 5DaB moit bot ^eKebteit liebt, fragt baS (Sl^riften«
tum, ^ifet baS lieben? unb eg fügt ^in,5u: „t!)un ba§ nic^t
auc^ bie ^peiben?" jDob man ben grcunb liebt, fragt ba*
ß^riftentum, ^ei§t bo^ lieben? „t^un eben ba^ bie Reiben
nic^t aiui^?'' SSoUte bal^x etnec ben Unteifc^teb a^^f^
^bentmn nnb (S^riftentum batein fe^, ba| bec ®eli^
unb ber greunb int €l)riftentnnt ganj anberiS treu nnb innig
geliebt fei al§ im §eibentum, fo ift baö ein 9}?iBi)erftänbni^.
Söeift nidjt anc^ ba^ §eibentum fo DoKfornmene ©eifpiele oon
Siebe unb greunbfc^aft auf, ba^ ber 2)ic^ter lemenb auf fie
Surädbltdt? ^n S^löd^ften aber Uebte niemanb im ^iboi«
tum, niemanb l^tte bon beffen IDafein eine Sl^nnng. 88a8
ha^ $eibentnm atfo im Ükgenfal ^ur 6e(bftrieBe Siebe nonnte,
tvax 'i>ürliebe. Sft aber leibenfd^aftlic|e 3>orliebe njcfentlic^
eine anbere gorm ber (Selbftliebe, fo [iel)t man l)ier roieber
bad SBa^re in ber Öe^auptung ber el)rn)ürbigeu ^atitx: „hai
bie 5£ngenben ber ^iben glän^enbe Saftet feien."
& fott nun geaetgt toerben, bafi bie leibenfd^ti^
tBotliebe eine anbete gfotm ber @etbfi(iebe ift, toie nmgefe^rt,
bafe bic Siebe ber ©elbftüerleugnung ben i)iä^ften liebt, ben
man lieben foll. (Sbenfo felbftiftf), mie bie (Selbftliebe biefeö
ciujige „©elbft" umfängt, tooburd^ fie (Selbftliebe ift, ebenfo
felbfüf«! nmf&ngt in bet natfttlid^ Siebe bie leibenf(|aft«
Itä^ Sotliebe biefe einzige (Beliebte nnb Bei bet gtemibfd^ft
biefen einzigen ^eunb. $)ie OelieBte nnb ber f^reunb merben
bal)er, be^eid^nenb unb tief finnig, ba^ anbere ©elbft, baS
anbere 3ti^ genannt — benn ber S^äc^fte ift bag anbere 3)u
ober, ganj genau, ber SRepräfeutant ber ®leicf)l)eit. ^ag anbere
@elbft, baiS anbete 3c^. ^otin liegt abet bie @e(bftliebe?
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(Sie liegt in bem 3d§, in bem ©elbft. Sollte fo barin, bafe
man M anbete Sd), bog anbere <Selbft liebt, nidf)t nud^ bie
©elbftUebe ftcden? SSal^rlic^, man brouti^t fein großer
äRenfc^enfetmet fein, »m biefct ^uv folgeitb übet bie
Siebe rnib 3xeimbf(|(ift Sntbeclitngeii au nrni^, bie ffi?
anbete BcbenfCtc!^ unb für einen felbft bentütigenb ftnb.
geuer, baö in ber (gelBfttiebe brennt, ift ©elbftentjünbung;
boö entjünbet fid) burd) fic^ felbft; in ber natürlichen Siebe
unb greimbfc^aft, mie bec ^id^ter fie Derfte^, ift aud^ <&eibft«
entjfinbnng. Wton fagt aloor, ed tcete nnt ntttnnter nnb bann
fnm^fteDDetfe ein, bog bie (Siferfud^t fid^ s^ige; bataud
folgt aber nt^t, bag fie im üktmht in ber natärltd^en Siebe
unb greunbfcf)aft nid^t immer ift. 3J?acf)e einen '-Ikrfucf),
bringe 5n)i)(f)en bem ßiebenben unb ber beliebten alö ^mifc^cm
bcftimmung ben S3egriff beö 3Mct)ften an, ben man lieben
foU; fc^iebe ^nnfd^ greunb unb gfteunb atö g^fd^«
befttmmnng ben „^t&c^ften" ein, ben man lieben foll: fofott
befommft bn bie ^iferfuc^t p fet)en. Unb bod^ ift ber
i}iächfte ja gerabe bie 3^ifc^^"^^f^i""^iin9 ©elbftöer*
leugnung, mel^e gmifctjen baS Scft unb 3^ ber ©elbftliebc,
aber aud^ ä^if^en baS unb ba^ anbere 3c^ ber natür*
iiä^m Siebe unb gteunbfd^ft tritt. S^i e$ ©elbfiUebe ift,
toerni ein Xrenlofer ben (geliebten lo» fein, ben ^unb im
@Hd^ loffen nnü, ha^ fa^ auc^ bo« ^cibentum, bog fte^t ber
5)id)ter. ^a^ aber bie Eingebung, mit ber ber ßiebenbe fic^
bicfem einzigen beliebten ^ingiebt, ja if)n feft{)ält, bafe ba^
@etbft(tebe fei, baS fie|t nur bad (^riftentum. W&it Ittnn
boc^ anc^ Eingebung nnb unbegrenzte Eingebung
®e(bfiliebe fein? Sa, tomn fie Eingebung an bad anbete
3d§, bog anbere ©elbft ift. — ßafe einen ^id^tcr bcfd^reiben,
mie bie natürüdje Siebe in einem 3J?enfd)en fein müffe, bamit
er fie Siebe feigen fömte; er mirb Diel nennen, bei bem toir
ttii# iett m«^ aitflaben, abtx bann nntb er noc^ betfe(^:
„nnb bann muB 9clintnbening ba fein, ber Siebenbe ntng
bic beliebte benjunbcm." ^Dagegen ift ber 9Md)tte nie aU
ein (SJegenftanb ber ©etüunberung bargeftellt morben; ba^
(^tiftentum l^t nie gelel)rt, man [oUe ben ^^äc^ften ben^unbern
— nein, man foU lieben. 3n einem &iebe8l?er^ l tn i g
fott alfo gegenfeittge Settwnbemttg tood^nben fein, vtxd> |e
größer, je ftftrfer bie ©ctounberung ift, befto Bcffcr, fagt ber
^ic^ter. 9^un, einen anbern SD^enfc^en berounbern ift
freiließ nic^t ©etbftliebe; aber üon ber einzigen öetounberten
geliebt merben, fü^rt biefe (S^unft nid^t in felbftifd^er SQt^eife
onf tM 3c^ prfic!, bai» — fein anbetei» ^ liebt? Unb
eboifo bei ber greunbfd^aft. (Stnen anbern 9Renf^en Be«
tounbcrn ift frcilidj nidjt ©elbftUebe; njenn man aber biefeö
einzigen öetounbertcn einziger greunb ift, fü^rt bag nic^t
gan5 beben!lic^ bem ^c^ jurüd, uon bem mir auggingen?
3ft bad nic^ gerabc^n bie (üefa^r ber ^Ibftliebe, baft man
einen einzigen iSlegenftanb ber Semnnbening ^at, menn fo
biefer einzige 93ctt)unberte ben anbern nneber jum einzigen
Qkgenftanb feiner £iebe ober feiner ^rcunbfc^aft mad^t?
^en ^Jui^ften lieben ift bagegen bie ;^iebe ber ©elbft*
)?erleugnung, unb bie @e(bftt)er(eugnung treibt gerabe aQe
l^orliebe <M, mie fte alle @elbftliebe aniStreibt — fonft mfixbe
|a bie @e(bftoerleugnung einen Unterfi^ieb mad^ nnb
Slsorliebe für bic SSorliebe f)egen. §ätte oudj bie Icibcnfc^aft*
Iid)c 'l>ürliebe meiter nid)tö ©etbftifc^eS an fic^, fo i)at fie
bo(^ bog, baß in t^r bemuf^ter ober unbemußter (^genföiUe
ift, nnbemngter, fomeit fie ^aturgemalt ift, benwltec, fiModt
fie fi<j^ biefet SRatnrmadlt mit SiSen nnbegren|t ^ingteM.
Xl^ berbecft, mfe unBenmgt anc^ ber (StgenttriOe in ber leiben«
fc^aftlidjen Eingebung an feinen „einzigen ®cgenftanb" fein
mag, bad SBiUlürUc^e ift boc^ immer babei. ;^er einzige
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(^egenftanb tpurbe ja itic^t burc^ qet)orfame Unterorbnung
unter boö !önigtici^e ©cfej „bu fottft lieben" gcfunben, fon*
bent burd^ SBo^I, inbem getobe biefer ©tnjelne imbebingt
andgetofi^lt toiirbe — bemt bie d^rtftlic^ Siebe ^ mtc^ nur
eitlen cinjigen ©egenftanb, ben Släd^ften, aber bct fftü^tt
tarn äuglei(^ unmöglicf) ein einziger SD^enfc^ fein, nein, burc^*
ouö nic^t, bcnn ber 9Md§fte finb alle 3J?en|(^en. SBenn ber
£iebenbc ober ber greunb (mod bem ^i^tec eine äBo^Uuft
5U Ijören ift) blog biefen einzigen äßenfd^en in ber ganzen
fEkit tieben fann, fo Kegt in biefec unge^ten Eingebung
ein ungel^eurer ^gentoille, nnb ber Stebenbe ftci^ in
biefem SSürlüärt^ftürmen, in biefer grcnjcnlofen Eingebung
eigentlich nur in ©elbftliebe ftc^ jelbft. 2)iefeö ßigen=
liebige, @igen)oiEige luill bie ©elbftDerleugnung burc^ ba^
„bu foQft'' ber ©toigfeit androtten. Unb bie ©elbftberleug«
nimg, bie rid^enb einbringt, um bie ©elbftliebe ju (irüfen,
tfi aud^ fo jtDetfc^neibig, bag fte noiä^ betben 6etten l^in gleich
einfcfineibenböorgc^t: fie ttjeife fel)r too^l, baji eine ©elbftliebc
giebt, bie mau bie treulofe ©elbftliebe nennen fann; aber fie
mii auch ebenjo gut, ba| ed eine (^elbftliebe giebt, bie man bie
^ingebenbe @elbft(iebe nennen mag. ^ Itufgabe ber @etbft*
berlengnmtg tfi bal^ an ftdl eine bo|i)ielte, entftnce^b bem
Unterfchteb ^n^ifc^en biefen betben t)erfd^tebenen <iefta(tungen.
$)cr treulofen @elbftliebe, bie fid) entziehen mii, wirb bic
5lufgabe geftellt: gieb bic^ h^n; ber ^ingebenben ©elbftliebc
bie 5lufgabe: gieb biefe Eingebung auf. Unb toaS bem ^tc^tec
imbefc^reiblic^ g^föCltr ba^ ber Siebenbe fagt: „ic^ tann nie^^
manb fmtfi fiebot, id^ fann bie Siebe ni(|t aufgeben, biefe
Siebe ntcl^t loffen, bad tofit:e mein ^ob, ic^ fterbe tm Siebe",
eben M gefällt ber ©elbftüerleugnung gar nic^t, unb fie
bulbet nie, baB eine folc^e Eingebung mit bem 9f?amen Siebe
beehrt merbe, ba fie ©elbftliebe ift ^ie @elbfti)erleugnung
— 76 —
\pn^t fo auerft bad Uvteit itnb bann fieOt fk bie SufgoBe:
liebe ben 9?äd§ften, i^n follft bu Heben.
Überall, m ba^ ®{)nftlic^e ift, ift auc^ (Sclbftüerleug=
nnng; fte ift bie met'entlic^e gorm be^ (^^riftentum^. Um
)nni (^^riftlic^en in ein UBer^ältnid treten, niu| man gn
aflecerft nü(|tem mecben; bie ©elbftberlengnnng ift ober
getabe bie SBanblung, burd^ bie ein 99^enf(^ im Sinne ber
@lDig!eit nüchtern toirb. Überall bagcgen, m baö S^riftli(^e
nic^t ift, ift bie ^runfent)eit be§ <Sel6ftgefül)l^ baö §i>c^fte,
unb ber $öl)e^)unft biefer Xrunfcn^eit baö 53etDunbcrte. 2xtbt
unb ^reunbfd)aft aber ift gerabe bie 8t)t|e bed <Bdh\U
gefft^ld, ift boft 3^, hcA twm anbecn Sc^ trnnfen ifi 3e
fefter unb inniger ficf) biefe ^tm Sc^ einem Sc3^ ^u*
fommenfc^lieBen, befto felbftif^er f^Iiefet btefcg tjereinigte
(Selbft fid§ gegen title anbern ab. 5Iuf bem ^olje^junft ber
Siebe unb greunbfd^aft werben bie gipci »irtüc^ ein ©elbft,
ein erflärt fic^ nur baraud, bag in ber Vorliebe
eine SRotnrmad^t (Xrieb — Saxi^igm^) unb Selbfttiebe ent«
^Iten ift, bie felBftifc^ gtuei einem nenen felbfttfd^cn @et6ft
üeteinigen fann. 2)ie geiftige üicbe bagcgen nimmt aÜe^
Slatürlic^e unb aße ©elbfttiebe Don meinem ©elbft fort,
barum fann bie !Bieb€ gum ^i^äd^ften mic^ nic^t in einem
Deteintgten ©etbft ju einem SSßefen mit bem 9il&ti^ften mad^n.
^ie Siebe fft&^im x\k Siebe fm\ä^n gaki SBefen, bie
jebe« für fic^ etoig atö ®eift bcftimmt finb; fte ift ©cifteÄ*
liebe, ®eift unb ®eift fönnen aber nie ju einem ©ctbft in
fclbftifc^em ^inne merben. ber natürlid)en Siebe unb
greunbfd^t^ lieben fid) bie beiben in Äraft il)rer SSerfc^ieben^
^ mm ben anbern ober in ^raft il^ret (^leid^f^eit auf (3runb
biefer tl^r Serfd^benl^ (fo, wenn gtoei |$rettnbe fid^ (ieben
anf ^mnb gleid^ Sitte, gleichen (S^raftetiS, gleichen 8e»
rufg, gleidjec ©Übung u. f. m., alfo auf ®runb ber ©leidj^
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— 77 -
^cit, burc^ bte fie fid) üon anbern 3Kcn)d)en unterfd^cibcit,
ober burd^ bie fie fic^ anbern 9D^enfc^cn gegenüber gleichen);
bo^ fftnnen bte jtoei in felbfüfc^ @tnn einem (Selbft
Mrbcii; WK^ tft !etiiev mm i^nen et fel^t im getfiioeit ©imi
be0 ^CSdttft", tioci^ l)ot feiner Don t^nen gefemt, fid) felbft
5U lieben, im djriftlid^en @inne. 3n ber Siebe ift ba§ 3d)
finnlid}^feenfc^'-geiftig beftimmt, ber beliebte ift eine finntid^=
fcclifc^^getftigc ©eftimmung; in ber greunbfc^aft ift ba^
feeUfc^^geifüg beftimmt, ber g^reunb ift eine {ee(ifc|:>geifit9e
aefttmnumg; Mo| in ber SieBe um mil^im ift boS Sd^t
ttdify» tic^, rein geiftig eis ^ Beftimmt, unb ber ^c^fte
ift eine rein geiftige Scftimmung. @§ gilt bot^er feineöloegiJ
oon ber Siebe unb 5i^eunb| d)af t , iuaö fc^on oben gefagt
mürbe, ba| nur ein einziger ^enf^ ai^ ber Slöc^fte er^
tant jn meiben bcond^ bamit ber äKenfd^ oon ber ®ä6i^
fiiBe geseilt loerbe, inliem er in biefem 89{enfil^ ben
fftääfiitn Heben lernt; benn in ber ©cltcbten ober bem
JJrcunbe toirb ja iiic^t ber 9^äcf)fte geliebt, fonbern baö anbere
3^, ober baö erfte 3ci^ noc^ einmal, noc^ t)ö^er. (£8 ift oft,
ob ber SD^enfc^, n^ien^o^I bte @e(bftliebe bad ^erbamm«
li^ ift bod^ ntci^ bie ftmft ^ nm mit ber ®e(bftltcae
ttlicin fein, fo bafe bicfc erft bann fid) rec^t jeigt, menn
büö anbere ^ gefunben ift unb bie jmei im 33unbe mit ein
anber Äraft pnben, um in ber (5e[bftliebe fi(^ felbft ju
fü()(en. ^oQte einer meinen, ba^ ein äl^enfc^ baburc^ bie
dfd\Üxäjit Siebe (ernte, ba| er tierüebt mitrbe ober einen
^Iveunb fftnbe, f o toArc er in einem großen Srrtnm befangen.
9lcin, memt einer wrfitlt ift nnb and^ na^ bem B^^di^^
beö 5>id^tcr« „ttjirftid) ücrliebt," fo fann allerbing« baö (^Jcbot
ber Siebe ettoa^ oeränbert merbcn, »enn an i^n gerichtet
ttmrb, unb mug boc^ ba^felbe fagen. (Sd !ann ju t^m fagen:
Me beiain 92fl4flen, mie bn bie «k(icbte Unb boc^,
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»
— 78 —
lieH er beim niä^t bte IMte6te „aU fu^ fetSfi,'' toa» bod
(SJebot, bag Dom 9?äcf)ftcn tebet, kftel)U'? (SJctDiB tt)ut er baä,
aber bie beliebte, bie er liebt „alö ficf) fclbft/' ift nic^t ber
•0^äd)fte, bie (S^eliebte ift ba^ anbere Sc^. ^it tni)gen t)oni
elften Sd^ ober tumi «tbem reben, bomit {oamtcit loir bent
9Ui^ieti fernen €#ntt nftl^; bemt ber 9tft^ {ft bad erfte
^ ^€SeIBfi!te6eimfitengftettSinne!iebtim ihm
baö anbere 3cf), benn ba§ anbere Sd) ift i^t eigene^ ©elbft. Unb
bübei bleibt fie bod) tüot)l ©elbftliebe. 3nt felben ©inne aber
ift ©elbftliebe. baö anbere Scf) lieben, ba^ bie ©cUebtc
ober ber %t€mb ifi Unb loie bie @e(bftCtebe im ftrendficn
^ne ate ©elbftüergMterung be^eid^net )ood>en ift, fo ift 2kAe
unb greunbfcfiaft {xok ber ^icf)tcr fie öerftel)t, unb mit feinem
SBerftänbni« ftef)t unb fönt biefe 2iebe) "^{bgötterei. 2)enn
im legten ^runbe ift bie £iebe ju ©Ott bod (^ntfc^ibenbe; ton
\fyc ftammt bie )Btebe ^nm 0läc^ften; bmum aber ^e bod
i^bentnm feine H^nng. 9)?on lieg (Sott an«, man mad^
Siebe unb grennbfd^aft gur Siebe nnb tieroBfd^ei^ bie ®e(bft«
liebe. 2)ag ©ebot ber rf)riftlic^en Siebe aber Reifet ©Ott l)ö^er
ai& alleg üeben unb fo ben i)^äc^iten (iebcn. Sn Siebe unb
^reunbfc^ft ift bie 5?orIiebe bie S^^ifdicnbeftimmung, in ber
Siebe smn S^&d^ften <£^ott: liebe ^ott f^f^ ald oOed, fo liebft
btt aud^ ben 9l&i^ien nnb im SUU^ten jeben SRenfc^en; nnr
menn man ®ott ^öl^er als oUeiS liebt, fonn man im onbern
SKenfi^cn ben ^)iäd)ften Heben, ^er anbere 9J?enfc^ ift ber
Sfläc^fte, unb ber onbere äJ2enfcl^ ift in bem ©inne, bafe
ber anbete äßenfc^ jebtoeber anbere SKenfc^ ift @o Oer«
fianben litten ttrtr alf o im Srft^even rec^ menn toir faxten,
bog ein Sftenfc^, ber in einem einzigen anberen SDlenfc^en ben
3iäd)ften liebe, „alle 2Kenfc^en liebe.*'
'5)ie Siebe jum 9^öc^ftcn ift barum bie ftreng
audgUic^enbe eloige (Sered^tigfeit im Sieben unb al{o
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baö Gegenteil her SßorHebe. Xa§ bebarf feiner tueitläufigen
ünttridluitg. ^ie ^erec^tigfett mac^t ja feinen Unterfc^ieb,
Omge (S^erc^tigfeit alfo in imbebingtem, grenjenlofem ©utiie
mc|t ben gectngften Unterfd^eb; bte 133ocIie6e bagegett maäfi
einen ttnterfc^teb, bte (eiben[(i)aftlid^e SoiKebe nrnd^t xl)n in
gren^enlofer Söcife.
SEÖenn aber fo ba§ S^riftentum mit feinem „bu foUft
lieben" bie natürli(^e Siebe unb grcunbfc^aft oon X^rone
geftär^t fyit, f^t ed benn nid^t ein tveit ^ö^ed an beten
©teOe gefslt? ®eim|, etiixid todt $0^tcd — boä^ teben toir
mit Sorrtti^t mit ber SBorfi^t ber Siec^tgt&ubtgfett. 9Ron ^t
ba8 S^riftentum auf allerlei 2öei]c üerttiirrt, unter aiibcrem
aber auc!^ bamit, bafe man mit bem Sieben üom §öd^)ten,
üom Xiefften, baS ba§ St)riftentttm fei, ben Schein erregte,
aU ob bad dteinmenfd^lic^e smn (E^tlic^n in bemfelben
)6ev^ItntS ft&nbe mie baS ober ba9 $öi|ere §nm ^Ik^fien
nnb TOcrf)öd^ftcn. Slt^, ba« ift eine bettfigerifc{)e 9?ebe, bie
in unnjal)rer unb untüürbiger SBcife gefcf)äftig t)ilft, baf? baö
S^riftentum fid) bei ber menfcf)lic^en SBipegierbe unb 9ieu-
gier etnfc^meic^Ie, aU n^äre bog in feinem @inne. Q^kbt ed
dxoa^, »onad^ ed ben SD^enfd^en ald folc^en, etkooi», loonac^
ed ben natüt(i(|en Mtn^dj/tn, fo fe|^ gelüftet, toie bai» $5^fte!
(Sin 9{euig!ett9ftAmer barf nur ouSpofonnen, bag feine neufte
9?cu()eit baö §ö(i)fte fei, fo läuft e<g mit eitel 5ln^ängcrn in
ber SSelt, bie Don jefier eine unbefcf)reiblic^e ^^ortiebe unb
einen tiefen ^rang bornad) l)attc — betrogen ju merben.
Si^ein, bad (S^riftUc^e ift freiließ bad ^ac^fte nnb bod KKer*
^d^te, aber nw^t gemerft fo, ba^ ed bent natfirUd^
HRenfd^en jum Ärgernis ift. Sßenn einer bei ber IBeftinimnng
be§ S()riftlic^en al§ beg |)Öc^ften bie 3^^iid-)^"^^fti^^"^"J^9
beg ^Irgerniffee auölä^t, fo öerfünbigt er fid) an bemfelben;
er begebt eine ^emteffen^eit, abfc^eulic^er, oU u>enn bie e^r»
— 80 —
bäte ipaitdmuiter fic^ tote eine %&iiytm fletben tooEte, itod^
fc^rccfltti^, aU lüenn ber fttenge 9itd^ter 3of)annc8 fid^ tmc
ein 9J?obejunfer fleiben toürbe. ^aö (Sl)riftüd)e ift in fid^
felbft \d)mx, in feinen S3en?egungen ju ernft, atö baB e^
tan^nb in ber Scic^tfcrtigfcit folc^ glatter Dflcbe üom ^öt)eren,
{)d4ften tmb tCHex^lMIfteit fid^ etgei|en fömtte. ^er 93eg
5um ^^rtftlic^en ge^t burd^ bad ^igenttd — iriii^t ald oh
ber 3"t^itt §um ©^rtftltd^cn barin bcftünbe, bafe man ftd|
an iijm ärgerte (ba§ rtjürbe ja fo M fein, al^ fid^ ba§ ®r*
greifen be« ß^rif Kiefen unmögüd^ mad^en); Dielme^r fotl
bamit gefügt fein, ba^ ba§ Ärgernis am (Sintritt inS ^^rift«
Iväj^ SBac^ fte^t @eltg, ber fid^ nid^t an t^m iofsttt
@o cmdl mit biefem iMot, ben iR&d^ften gn (ielen.
©efte^e eö nur, ober, bamit bu bid^ ntd^t beengt fü^tft, nun
fo tüitl id^ geftcl)en, bafe e^ mid) fd)on manchmal gurüdEge*
fto^en ^at, unb bafe id^ and) je^t nod^ mir toeit nid)t ein*
bilbe, bted &ebot 5U erfüllen, baS gerabe bem t^leifc^ unb
9Ittt ^nm ftrgemiS unb ber SSetdl^ eine X^or^ tfi
bu tnelletd^t, metn Sieber, tone man fagt, ein (^Mtbeter,
nun tt)ot)l, id) bin aud§ gebilbet; toenn bu aber glaubft, mit
^ilfe ber „SBitbung" biefem ^öd^ften näl)er fommen, fo
irrft bu bic^ gar fe^r. Unb l)ier ftedt gerabe ber geiler;
benn iiBilbung münfd^en mir aUe, unb bie ^ilbung immer«
fort hcA $5<j^fte im Sßnnbe, ja fein ^ogel, ber nur ein ein*
5igei» Wort getemt ^at, ruft ttnouf()örIid^er bieS eine föort
unb bic Äräl^c unauff)örlic^er it)ren eigenen S^iamen, aU bie
S5ilbung immerfort baö „§öc^fte" im 9J?unbe fü^rt. T)a^
ßl)nftliclic aber ift feinegttjegö ba^ „$)öd^fte" ber Söilbung,
unb bad (g;^rtfilid^e erjie^t gerabe burd^ ben Slädftog bed
ftrgemifftiS. Skid tnirft bu l^er fofort leidet fel^; benn 1^
mo^l betne Oitbung bir bie 92ftd^ftenKeBe Betgebrail^? ober
glaubft bu, bag etneS ä)2enfd^en ^tlbungSeifer btefen je ba^u
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— • 81 —
6rinqt, ben 9'?äd)[teii lieben? l)at nid)t melmet)r bie
• ©Übung unb ber 23ilbung3eifer leiber einen neuen Unter*
ff^tcb, eine neue ßluf t gefc^ffen, tie ^tfc^n ^bitbeten unb
9lt(^tgebt(beten? 9U^te nnt barauf, lote man unter (Sic*
Mlbeten toon SieBe unb ^unbfc^aft rebet: ba^ ber greuftb
einer beftimmtcn S3ilbung^ftufe angehören, bofe baö 9!)?äbc§cn
gebilbct unb ämar gerabe )o ober )o gcbilbet fein mufe; ftubierc
nur bie ^ii^ter, bie gegenüber bem mächtigen Xerroridmud ber
ilBitbung faum i^ren gretmut ju benxi^n tt)tffen, btum fetbft
int ftanbe ftnb, im Sertrauen auf bie ^Olad^ bet Siebe al^
bie @(^etbeio5nbe ju burd)brec^en, bie bur(^ bie Derfd)iebenen
Ung(cid)^eiten im Scben aufgerichtet finb; — glaubft bu, bafe
bicfe^ hieben, biefc?^ ^id}ten ober ein biefem Stieben unb biefem
^i(^tcn entfpred)cnbcö Seben einen ü)?enfd)en bem näl^er
bringe, bag er ben ^ac^ften liebe? ©te^, l^ier fte^t ha»
ßeic^en bed ^[rgemiffed toieber auf ber SBac^t. ^n benfe
bir ben ^bilbetften, t)on bem nur alle mit Settwnberung
rülimen, njie er „fo gebilbet" fei, unb benfe bir bann ba!&
(S^tjriftentum, baö ju \{)m fagt: „bu foUft ben 9fiäd)ften lieben!"
3a, ein getoiffed feined ©ene^men im Umgang, eine ^öflic^«
feit gegen S^bermonn, eine freunbüc^ ^erabCaffung }u bat
ikringeren, eine freimütige $a(tung gerabe ben SO^&c^tigen
gegenüber, eine fein Bema^rte geiftige grei^eit: ja, ba« ift
^iibung — gfaubft bu, bafi ba^J auc^ ^JJäc^ftenliebe fei?
^er 9täd]fte ift, n)a§ alle gleic^enueife finb. 2)cr 9Md)ftc
ift nic^t bie Öieliebte, für bie bu eine Icibenfc^aftHc^e Vorliebe
^ft, auc^ nic^t bein grreunb, fftr ben bu eine leibenfd^ftlic^
S^orßebe ^afi $Der M^fitt ift aud^ nic^t, falU bu felbft ein
^bilbeter bift, ber ^bifbete, mit bem bu gleid^e i^tbung
^aft; ~ benn mit bem S'Mchften Ijaft bu baö ©emcinfame,
bafe bu gleich il)m üor ®ott ein 33?cnfd) bift. ^er 9^äd)fte ift
au^ nicht einer, ber vornehmer ift benn bu, b. ^. er ift nixl^t
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— 82 —
bcr ilf^ädjfte, \o mit er üornet)mer ift a(8 bu; bcnn it)n §u
üeben, tueit er öorneljmcr ift, fonn fo leicht SSorliebc unb •
infofern ©elbftliebe fein. ^luc^ ift bec ^Mc^fte nic^t einer,
ber geringer ift bu, b. 1^. fo koeit er geiinger ift ald bu,
ift et nic^ ber 9lä(^fte; bemt einen su lieben, toeil er gennger
ift aU bu, fann fo (etd|t ^erabloffenbe Sorliebe unb infofem
©etbftliebc fein. S^ein, bcn 3Md)ften ju lieben ift bie (SJe^
tecf)tigfeit, bie aüe gleid) fe^t. Sn beiner ©telhing ,^n bem
$ornel)men ift ed aufmunternb, bag bu in i^m ben ^Mc^ften
lieben foUft; gegenüber bem Geringeren ift eiS für bic^
bemütigenb, ba| bu in il^m ben (Sleringeren %n lieben
^Qft, fonbetn ben 9^fid^ften lieben foHft; c« ift befreienb,
wenn bu ba^ t^uft, benn bu follft eö t{)un. ^5)er 9Mdjfte
ift jeber 9J?enfdj; bcnn burc^ feine ^erf Rieben I)eit uon anbern
ift er nic^t bein 9Mc^fter, auc^ nic^t burc^ baö, in m§> er
inner^lb ber SSerfc^ieben^it bon anbern mit bir gleich ift
S)abim|, ba^ er vor (S^ott bir gleich ift, ift er bein 92&(^ftet,
aber biefe ®leid)l;cit uubebingt jeber SRenfc^ unb fyit fie
uubebiugt.
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n. c.
ge^e I)in unb tt)u' e^, nimm üüeö fort, loa^ bic
9)?enf(^cn ©leic^eö unb Unglcid)c§ t)abcn, bamit bu ben
ma^ita lie^it fannfi mam bte SSarliebe foit, )ne Unter«
fc^iebe mabji, bamit bu ben 9^äc^ien lieBen fonnft. ^ foüft
bannt nid^t auft)Ören, ben fiiebcnben p lieben, burdjau^ nic^t.
• ©onft ttjore ja aucft bcr iöcgriff bcö 9täd))ten ber gröfete
SJctriic], ber je erfonnen tüurbe, njenn bii, um ben 9^äc^flen
, yi lieben, ben Slnfang bamit ma(^ müjsteft, ba| bu bie .
Siebe benen anfgäbeft, fftt bte bn eine Sociiebe ^ofi
tteerbted tofite ed on^ ein SBiberf^d^; ba nftmlid^ bec
iWicfiftc aüe 9}^cn|djcn finb, fo fann boc^ ttiot)t feiner au8*
gefc^lüffen fein, ~ alfo etioa: am lucnigftcn ber ©elicbte?
9?ein, bai8 ift bie ©|>ra^ ber ä^orliebe. 5{(fo ift blo6 bic
IBotliebe nieg^nne^en, — aber bo(^ mo^l im 93er^lten
gegen ben Sld^ften nU!^ toieber anf^unel^menr fo ba| bn mit
offeftierter ?5orIie6c ben Sf^öd^ften im ©egenfa^ ju bcm ®c*
liebten (icbcu trolltcft. 9f?cin, tuie man p bem ©infamen
jagt: „gicb Qc^t auf bic^ felbft, bafe bu nid)t in baö 9?eö ber
@elbftliebe gerateft", fo mugman ju ben ^meißiebenben fagen:
„gebt ac^, ba| i^ nic^ gerabe .bntd^ enre Siebe in baft
%! ber 6elb(llfebe geratet". Semi je entfc^iebener nnb and»
6*
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f^Uc^cnber bic 'Vorliebe mit einem eiiii^icicn iÜ^Mijd)cn
§ufammenfd^Ucgt, befto loeiter entfernt fie fic^ baoon, bog fte
ben fil&dfiitn Ue6t ^n, Warn, fft^ beute &atdn nic^t in
bteSSerfudjung, böfe fie ü6er bir twrgifet, ben S^ädfeften 5U (te6en;
hu, ©attin, tüt)re bcinen 3)?ann nid)t in bicfc 'lserfud}ung!
^ie 2iebenben meinen moljt in it)rer Siebe bae §üd)i'te 5U
^aben; baö öer()ält fic^ jeboc^ nic^t )o, benn in i^r liaben
^e nod^ nic^t bod (Sn^ige, gefiebert bur^ bad @tt)tge. ^ol^t
nriE bec ^tc^ter ben £tebenben bie Unftetbltd^fett üer^len,
toenn fte redete Stebenbe ftnb; \m ift benn ober ber ^fd^ter,
xoa^ nu^t er mit feiner SBürgf^aft, er, ber für fid^ fclbft
nid)t bür(]en fonit? ^aö „fönißlidje ®efe^" baßcc^en, baö
Üiebcögebot, uertjei^t baö fieben, baiS etüige 2eben, unb biefcS
(^bot fogt gerabe: ^S)tt fodft betnen 92ac^ften lieben/' Unb
tuk bted ®e(i>t jeben ^Rtn\^ lehren koitt, toxt er fid^ fetbft
lieben foHe, fo n^iQ Qud^ ber natürlichen Siebe nnb ^ennb«
fc^oft bie redjte idicbc iDeifcn: bematire in beiner Siebe 5U bir •
felbft bie Siebe ;^um 9täd)ftcn, bcn)af)re in ber Siebe unb
greunbjd)aft bie £ie5e jum DMc^ften. 2)Qran toirft bu bic^
Diettetd^t flogen; — nnn, bn knetet ya, bag bei bem (^rift»
lid^n immer ba9 B^d^en bed flrgemiffed fiel^. ®(aube ed
ober bod); glaube nic^t, ba^ ber ßet)rer, ber einen gttmmen«
ben 5)od)t nidjt auslbfdjte, ein eblcö Jener im 3}tcn|c^cn er*
ftiden moütc; (glaube, baj? er, ber bic Siebe mar, gerabe jeben
SD^enfc^en Siebe Iet)ren tDiU.; glaube, »enn aüe ^id^ter
einem gemeinfc^ftlic^n IBobgefang auf bie Siebe unb ^reunb*
fc^oft ft^ berfönben, fo to&tt bod, kood fte ^u fogen ^ötten,
hüd) lüc^t* im SSergfeid^ gu bem ®ebot: „bu foUft tieBen,
bu foÜft beinen 9^äd)ften lieben ü(^^ bidj felbft.* ®(aubc eö
hod), obgleid) baö (i^icbot bid) faft ärgert, obgleid) bie Oiebe
nic^t einfc^meic^elnb lautet tok bie beö S)ic^terö, ber fic^ mit
feinem (Sefong in bein®UUteinfd|mei(^t, o^leic^ fieobftogenb
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*
— 85 —
unb [cl]rcdtnb tautet, atö tooUtt fte bld^ mtd ber 6et)aß(id}en
^etmlic^feit beiner ^l^orfiebe f)inau§fd)recfen — glaube eS
borum bod), bebenfc: eben m\i ba§ ®ebot unb bic !Jiebc alfo
lautet, eben barum fann ber (iJegenftanb ©egenftanö bcS
(S^kubend fein! i^ieb bid^ nic^t ber (^nbtlbung l^tn, bu
Idnneft obbüigen, ba| bebte Siebe p einigen SD^enfc^i Set«
loQttbten unb ^^reunben, ffir 9löd()ftenKebe gelten fönnte; —
benn )o giebft bu ben 2)id§ter auf, üt)nc bdä Sl}riftlicf)e ^u er^
greifen, unb, um bid) üor jenem ?Ibmarften ju beiüatjren, juckte
bic^ eben bie Siebe in bie 2)?itte ätoifc^en beS ©ic^terg ©10(5,
ber attd» ^bmareten machtet, unb bie göttlich äRqeftöt bed
{toigtic^en (Bebotd ^inetn^ufteQen, bie aHed Hbmatften jnc
@(^n(b mac^t. ^üm, (febe bie dktiebte treu unb innig, aber
bie Siebe gum yjädjften fei bie SScilje eurer SSereinigung,
tüenn it)r eud) in ^ott gcfunben Ijabt; (iebe beinen greunb
aufrichtig unb ^ingebenb, aber bie Siebe ^um D^äd)ften fei
bad, UKiS i^r t>on etnanbet lernet, totm il^r euc^ in (S^ott
gefunben ^abt! @ie^, ber Xob tjemid^tet aQe llnterfd^tebe,
an bie bie Vorliebe a(d fold^e fic^ onftantntert, unb bo^ ge^t
ber SSeg gum Seben unb ^^nm (imigcn burd) ben ^ob unb
burd) bie 33ernid)tung ber Unter) d)iebe: barum füt)rt aClein
bie Siebe jum 9läd)ften in Sßat)r^eit jum Seben. 2ßie bie
fro^e HBotfc^aft bed (S^^riftentumi^ in ber Seigre bdn ber SSer«
ttxtnbtfd^aft bei» ^enf^n mit ®ott entölten ift, fo ift bed
ÜJ^enfc^en ®Ieiti^t}eit mit ®ott feine Aufgabe. ®ott aber ift
bic Siebe, barum fünnen Ujir _®ott nur gleidjen, inbem toxi
lieben, mie mir aud) nac^ einem 3Bort beö ^püftelö nur in
ber Siebe „®otteg aJiitarbeiter" fein fönnen. ©ofern bu bie
beliebte liebft, glei# bu &ott nic^t, benn bei (S^ott giebt ed
feine S^orliebe, »ad bu tt»of|( manchmal §u betner ^mütigung,
mon^mal ober auc^ beiner §(ufri(^tung bebad^t t)aft. ®o*
fern bu beinen gceunb liebft, gleic^ft bu ^ott ni^t, benn
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— 86 —
©Ott fennt feinen Uutecfci^ieb; ioenu bu bett ^Jlää)\ittt Ikbft,
f 0 gletclft bu (&ott
@o ge^e bemt 1^ mh tl^tt* beSgtet^, lal bte Unter»
fd^iebc fahren, bamtt bn ben Sl^äd^fien Keto fannfi 3rd£|,
DicÜeidjt braudjt bir boS nid)t einmal gcfagt tücrbcn,
Dielleie^t fanbeft bu in ber SGSett feine (beliebte, feinen greunb
auf beinern SBege, fo bog bu einfam beö SBege« gef)ft; ober
tneOetcl^t iial|m (Sott bte ^liebte Don bdnet ^eite nnb gab
fie bir [oergt. @. 208], bann ato fam bet ^ob imb na^m
fie öon beincr «Seite; er naljm njieber nnb na^m beinen
greunb unb gab bir feinen anbern, fo bafe bu nnn einfam
beine^ SegeS ge^ft, fo bag bu fein Q^eliebteS ^a{t, um bäne
fd^UKui^ @ette bedEen, mtb (einen tJi^cimb bir snr ted^;
ober )M[eic^ trennte enc^ M Seben, o6 tl^ ond^ nnber«
Anbcrt BlieBet — etned ferne Dom anbem; ac^, DieQeid^
iDurbe eine "iseränberuug cudj gur Trennung, fobafe bu in
Xrauer einfam beine^ 2Bege§ ge^ft, ttjeil bu fanbeft, aber,
toa^ bn fanbeft, Derönbert loieber fanbeft! S^ie troftlod!
3a frage nur ben ^bvtl^tt, nne troft(oi$ ed fei, einfam ^u
leBen, einfam gelebt ju l^Ben, o^ne geliebt gu fein, ober üfyat
ein beliebtes ju f)aben; frage nur ben ^i(^ter, ob er etmn«
anbcreS miffe ak> baö, ba^ e§ troftloö fei, menn ber Xob
^ifc^ bie jt^iebenben tritt, ober tücnn baS i^ben ben greunb
Dom Sfrennbe retgt, ober ttienn bie ^erönbemng fie atö geinbe
Don ctnanber rei|t; benn freilii^ liebt ber %AäjiUx bie <£infam«
fett, er (teSt fie — um tn ber Sinfomfett bad Dermt|te WM
ber iJiebe unb ber grcunbfcfiaft 5U cutberfen, tük ber eine
bunfte (Stätte auffnd)t, ber fdjmärmerifd) bie Sterne betracf)teu
n^iH. Unb bod), mcnn eS o[)ne eigene ©d^ulb gefd^a^, bag
ein iD^enfd^ !ein (MitbU» fanb; unb toenn er einen %wm!b
fuc^te, aber, o^ne eigene Öä^uVb, Dergebltd^; unb Dienn ber
Sertuft, bie Trennung, bie ^erönberung ol^ne eigene ©c^ulb
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— 87 —
ebiitttt: taiet| ht f olii^m goQe bet S>ül^et cttoad anbeteS, att
baft ei» ttoftlo» fd? @o tft ja ber ^id^tet felbfi ber IBer«»
tobcrung untemoifcn; er, ber 93ote ber greube, tueife am
^age ber S^^ot nic{)tö anberc^ a(§ troftlofe .Htacjc. Dber
tD\ü)i bu bad uidjt ^ecänberung nennen? tutüft bu ba^ bie
%xmt bd( S>tcl^tec9 nemieti, ba| ev — ttofÜDl» mit ben
Xsoftfofen trattett? 9hm too% barflber ttoleit ttnr ttk^
fhetteit. SBiQft bit aber btefe menfd)Ud^e ^teiie mit ber be9
.f?immcfC> unb ber (£tt)ig!eit öergleidjen, fo luirft bu tt)ol)l
l'elbft einräumen, bafe fic eine ^^eränbcrung tft. ^enn ber
^immel fieitt fic^ nic^t blog, tro( einem ^id)ter, mit bem
grft^u^, ititb bet ^ntmel tronett bUi% mit bem
Xfoitenibat, nein, ber Gimmel ^ eine neue, l^at eine fcligece
greube für ben ^tönernben in S3ereitf(^Qft. @o t)ot ba§
S^riftentum allezeit Xroft, unb fein Xroft unterfc^cibet fic^
barin öon aUem menfd^lidjen Xrofte, bafe bicfer, mit Semufet*
fein, mtr ein (Srfa^ für ben Skrluft ber t^reube fein loiQ:
ber <|riftti(l|e Xroft tft bie gfrenbe. aRenfd^ti^ getebet tfi
SItofI eine nn^träglii^e (Srftnbmtg: ^uerft tam bad Seiben
unb ber ^djinei^ unb ber SSertuft ber g-reube, unb bann
tjinter^er . . ad§, enb(id) unb §u(egt fam ber 9}^enfd) bem
Grefte auf bie ©pur. Unb üom £e6en be$ @tn^lnen gilt
bodfelbe: luerft !ommt bad iöeiben nnb ber ©d^mer^ unb ber
IBerfttfl ber 9^enbe, nnb bann, l^interl^; a(^ mond^at
fama ju gttterle|t, fommt ber ^iroft. tBom c^rift(id)en iroft
ober fanu man nie fagen, er fomme ^interl)er; benn al§
ber Xroft ber (Smigfcit ift er alter al^ aße jeitlic^e
gfreube; fobalb biefer Xroft fornnit, fommt er mit bem Q3or^
fpnnig ber (Mgleit nnb fangt gletc^fam ben ©dornet) in
fi^ auf; benn ber €d^ei^ nnb ber Serlnft ber tJrenbe ift
büg 3tugen6(idlic^e — ujenn biefer 5lugent)Iid aud) Saljre
UKi^rte — ift bad ^genbüdlic^e, ban^ Dom (^totgen Der^
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fd^Iiiitgcn tüxxh. 5(ud) ift ber c^iiftlicf)e Zxo\t n\6)t ein ©rfa^
für ben ^^erluft ber ^ube, bo er bie ^reube ift; aUe anbere
greubc ift, t^erglid^it mit betn Xrofte bed (^^iftetitumd, im
(e|ten ®runbe bo4 tmx ^trofttofigfeit. t)on!ommen mar
«tib ift beö 3J2enfcf)en Seben auf (£ibcn (cibcr nidjt, baß it)m
bie greube ber ©tütgfeit alö greube fönnte Derftinbct rrcrbcn,
bie er ^atte unb bie er fetbft üerfdjerjt ^at; ba^er fommt
cd, bog i^m bie greube ber Mgleit nur atö Xroft k)erf&nbet
merben faiw. ffiie baS menfd^Iic^e Suge bad Si^t ber ©onne
irar buT(^ ein tierbunfetnbe^ ®Iai$ ertrogett fattn, fo (amt
ber 9}?cn]"d) bie greube ber (äföigfcit and] nur burc^ biejce
iBerbimfetnbe ertragen, bafe fie alg Xroft üerfünbet njirb. —
SS^elc^ed alfo auc^ bein ©efc^icf in Siebe unb greunbfd^aft
mar, morin bu aud^ betit ^miff ett, beinen SBerlitft, betne^
Sebettd Xroftloflgfeit im (Sitibetftfinbiiid mit bem ^Did^ter
fie^ft: bog §öd)fte fte^t nod^ mi — tieBe ben 9ilS#en!
3{)n fannft bu, iDie gezeigt njurbe, leicht finben; i^n fannft
bu, ft)ie gezeigt njurbe, unbcbingt immer finben; if)n fannft
bu nie üertieren. 3)enn ber ©elicbtc fann fo gegen bic^
^nbeln, bag er berloren ift, itnb einen f$rennb fannft bu
Derlieren; mad aber ber fll&äjl{it au^ miber btc^ t^ut, bu
fonnft i^n nie bertieren. greiltc^, bn fönnft oud^ femer ben
beliebten unb ben greunb lieben, Wk fie aud^ gegen bic^
^anbellt, aber bu fannft nic^t aud^ fortan fie in 2Bot)r^eit
ben (beliebten unb ben greunb nennen, tuenn fie leiber in
äBa^r^t anbere gemorben finb. S)en ä'^&d^ften ober fann
feine SBeränberung bon bir nehmen, benn ni(|t ber ift ber
SRäd^fte, ber birf) fefttialt, t)ielmcl)r ift e» beine ßieBe, bie ben
9^äd)ften feftl)ült; bleibt beine Siebe jum 9täd)ften unüeriinbert,
fo bleibt aud) ber ^Jäc^fte unüeränbert, mii er immer ba ift.
^ud§ ber Xob fann bir ben iJ^äc^ften nic^t rauben, benn
nimmt er ben einen, fo giebt bir baiS Beben fofort mieber
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einen. 3)er Xob fann bir einen greunb rauben, mil bu in
bcr Siebe einem greunb eigentlich mit bem greunbe ^u^
faininen{)ältft; in ber Siebe gegen ben 9^äd)ften aber l)ähft
bu mit Q^ott pfammen, ba^ fann bir bet %o'b ben S^ä^ften
nid^t vanben. — Ibn magft ba^er in Sie6e unb fjreunbfc^aft
aUt^ t»erlotcn, nie ettPoS öon biefcm ®(ücf befeffen f)a6cn:
baö S3efte bc()ältft bu bocft jurüd in ber Siebe gum i)2üd)ften.
®ie Siebe jum S^äc^ften l)at nämlid) bie ^oiU
fontmen{)eit ber ^tuigfeit. 3ft ed auc^ tool^i eine '^oQ»
Commenl^eit an ber 2kik, bag ber geliebte (S^egenftanb bad
SSorjügtid^e, baiS ^Culge^eic^ncte, bad (Sinnige ift? 3^ glaubte,
baiS tüäre eine SBoKfornmentieit am ©egenftanb, unb beffen
SSonfommenl;eit trie ein fpi^finbit]er i^^erbac^t gegen bie ^i>üll=
fommen^eit ber Siebe. ä)^ad)t eö einen i^orgug an beiner
Siebe au«, mcnn fic nur ba^ Stuftcrorbcntlid^e, bad ©eftene
lieben fann? glaubte, ed u»&re bad ein SSorjug an bem '
9(u|erorbent(i(i^n unb bem Seltenen, bag eS bad Hujser«
orbentlid^e unb ©eltene ift, nic^t aber ein ^^orjug an ber
Siebe. Unb bift bu niä^t aud) ber 9[l?einung? ®enn ()aft
bu nie über (^otU& Siebe nadjgebac^t? Sßenn e§ ein iSor«
§ug ber Siebe n)öre, bag fie baS ^gerorbentlic^e liebte, fo
toftre ia <S^ott fo^ufagen in liBerlegenl^eit, ba ei» für S^n
gar nid^td 9[ugerorbentlt(^e9 giebt. ^er lißor5ug, ber barin
beftet)en fofi, baß man nur baö ^Cufeerorbentlidie üeben
fönne, ift alfo üielmetjr tük eine hinflöge, nidjt qcgcn baö
^lu^erorbentlic^e, aud) nidjt gegen bie Siebe, joubetn gegen
bie Siebe, bie nur bod ^ugerorbentlic^e lieben fann. Ober
ift t& ein tBorjug an eined SRenfc^en jarter (Skfunbfieit, loenn
er fid) nur an einem Ort in ber SQSelt m\)l füllen !ann,
wo er üon allen 5(nnc()m(id)feiten umgeben ift? SSenn bu
einen Ü}?enfd)en fiet)ft, ber fid) fein Seben fo eingeridjtet t)at,
toa^ pxd\t\i bu ba? 2)o(^ n)o^l bie ^equemlic^leit ber i^^*
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1
— 90 —
n^tuitg. 5Iöcin ift bir entgangen, baB in SSitflic^feit
jcbcÄ- SBort in beiner Sobrebc auf biefe ^errlid^feit eigentlich
tote ein ©pott auf ben Ernten lautet, ber nur tit tiefer
l^tid^ Umgebung (eben fottn? SCIfo Me ^Ufornnieiil^
beffen, toai einer (ieSt, ift ni^t bie 9h>IIfominenMt ber SteBe.
Unb gcrabc tücil ber 9^äcf)ftc feine öon ben SSoütommen^eiten
^ot, bie ber beliebte, ber ^reunb, ber SBetüunberte, ber ©e-
bilbete, ber Seltene, ber ^tuf^crorbentlic^ in fo f}ot)em ^robe
fyxt, gerabe barum fyit bte £iebe ^um S^lac^ften aüe fßoü^
iommenl^iett, toe(<|e bie Siebe bem beliebten, bem gi^b,
bem ^bilbeten, bem Setounberten, bem Seltenen, bem ^uger«
orbentlid^en nic^t t)at. Sa^ bcnn bie 2®e(t, foüiet fie triff,
bariiber ftreiten, ttjelc^er ©egenftanb für bie Siebe ber üoU-
fomracnftc fei: baröbcr fann nie ein ©trett fein, bnfe bie
Siebe gegen ben ^&äj/ftm bie boUfommenfte Siebe ift Wit
anbere Siebe bal^ aud| bte UntmOfornmen^eit, ba^ babet
gtoeierfei in 5^age fommt nnb in)otern auc^ eine 3^^^*
beutigfeit l)err]djt: ^iierft foinmt ber ©egenftanb ber Siebe
in Srage unb bann bie iiUebe, ober cigentüd) tommt immer
beibed in t$^age, ber (^egenftanb unb bie Siebe. 8ei ber
Siebe gegen ben 9i&(^ien aber !ommt nur eines in S^age,
bie Siebe, mtb fiier i)(xt bie ^migfeit nur eine 9(nin)ort: bied
ift bic Siebe; benn biefe Siebe gegen ben 9^äcf)ften uerljäh
fid^ nicf)t tüie bie eine '^Ixt anbern ^rten üon Siebe, ^ie
natürliche Siebe tDirb burd^ beu (^egenftanb, bie greunbfc^ft
bnrd^ ben ^egenftanb beftintmt, nur bie Siebe gegen ben
9t&d^ften tt)irb burcj^ bie Siebe beftimmt. ^a nftmti^ ber
9f?ächfte jebcr Sl'^enfc^, unbcbtngt jeber SRenfd) ift, fo finb ja
Dom ®egenftanb aüe öefonbert}eitcn weggenommen; biefe Siebe
ift alfo gerabe barin fenntlic^, bafe i^r (^egenftanb ot)ne
nähere ©cftimmuitg feiner befonberen (Jigenttimlic^feit ift,
momit ja gefagt ift, ba| biefe Siebe nur an ber Siebe erfannt
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wirb. Sft boö nidjt bie (jö^fte 5.^oIIfommenf)eit? ^cnii fo*
loett bie 2ubt an ettoaS anberem erfannt tuerbcn fann unb
mug, ift ttefed anbete in gerabem liBer^Unt^ gietc^fam ein
^Beibod^ gegen tat Siebe, fie fei ntc^t nmfttffcnb genug nnb
infofetn aud^ ntd^ nnenbttc^ im etoigen &m; biefeS onbete
ift eine ber Siebe felbft unbctuu^te 9Magc jur ^rfraiiEung.
3n bicfcni '^>erbad)t n)Dl)nt bal)cr üerborgen bie 5Ingft, tuelc^e
2iebe unb greunbfc^aft Don i^rem ©egenftanb abJiängtg mad^t,
bie ^gft, koeld^ bie (^ifetfnd^t ent^ünben, bie ^gfi, \odä^
|ttc Ser}tDeif[ung bringen lann. 3n ber £te6e %nm 9^äc^ften
finbet fic^ ba« ©ebenfüd^c jcncS SBcr^öltniffeö nid^t, bornm
!ann auc^ in bem Sicbenbcn feine Öebcnf(id)feit cntftet)en.
2)oc^ ift biefe £iebe nid^t fto(§ unabffängig üon il)rem (SJegcn^
ftonb, i^re ftrcnge ^krec^tigteit entftct)t nid^t baburd;, bafe
bie Siebe gld^iUtig gegen ben (Segenfianb fid^ fio($ in fid^
felbft jurtidjie^t; nein, ftc ift babnrd^ gerecht, bafe fie fic^
bemütig nod) oufecn ttjenbet unb gleichmäßig nUe umfafet unb
hoö^ jcbcu befonber^ in Siebe, feinen aber in befonbercr Siebe.
XSir n^oUen und baran erinnern, bag mdq ber fc^on
gegebenen |[udfü^rnng bie Siebe in einem SOtofd^ ein
^Dtong nnb biefet ber fbti&rmi für einen Stetd^tnm ifi 9e
tiefer olfo btefcr 5)rong, bcfto größer ber Sfleid^tum; ift ber
®rang uncnblid}, fo ift e§ and) ber $Reid)tum. @e^t nun
ber ^rang ber Siebe in einem äJknfc^en au^fc^tiefelid^ auf
einen' ctn5igen, fo muß man, fetbft totnn biefer 2)rang ein
Skid^m ifi, bod^ babei fügen, baj} er nnrflic^ biefed ä^en»
fc^en b^rf, ju bem ed tl^n ^tnbrdngt bagegen in
einem 3J?enfd^en fein Siebe^brong ^in auf alle 9Jc'cn)d)en, fo
ift ein unbebingter ^rang unb fo mächtig, baf^ e§ ift,
oHä müfetc er faft felbft feinen (^egenftanb l)crüor bringen
ttmten. 3m erften gaUe liegt ber Sf^ac^bmd auf ber 8e«
foRber^ beS ÖegenftanbeS, im anbem auf bem ^Drang aU
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— 92 —
fo(rf)em, unb nur in biefem Ickten ©inn ift ber 2)rang ein Um-
brud beö äieic^tumö; unb nur in bem legten galle öerljaltcn
fic^ ^rattg unb (S^egenftanb in unenblid^em (Sinne gteic^ 5U
etiuuiber: betm ber eifte befte SD^enfd^, jettDebec fOttn\d^ ift
bet 9lä^fte, ober ed l^anbelt fid^ in befonbrem @tnn itm
feinen C^sJegenftanb, u)äl)renb in unenbli^em ©inn jeber äJ^enf^
ber (SJegenftanb i[t. !iÖenn einer ben ^rang füf)It, mit einem
einzigen beftiiiunten ä}^^n)c^en ^u reben, jo bcbarf er eigent*
(t(^ btet'ed äßenfd^en; ift aber ber S)rattg ^vaa Sieben in i^m
fo groft, hai er reben mü|te, auc^ toenn mon i|tt in eine
SBfifte berfe^te, aud^ »emi man t^n in ein einfameÄ ®c*
fängni§ ftecfte; ift ber ^rang fo groB, ba^ i(}m jeber SOtcnfc^
ber ift, bem er reben müfete; ]o ift ber ^xauQ ein 9ieic^*
tum. Unb in bem, ber bie Siebe juni SRä^ften in fic^ ^at,
ift bie Siebe ein 2)rang, ber tieffte; er ^barf ber %Rm\djitn
mSjit, unt bod^ jemanben §ttm Sieben 5U ()a6en, aber e8 tft
i^m ein 33ebürfnig, bie aJtenidjcn lieben. S)üd) ift in
biefem Üteic^tum fein @tol§ ober $orf)mut; benn (^ott ift bie
ßtoifc^enbeftimmung, unb bag „foü" ber ©migfeit binbet unb
leitet ben mächtigen ^rang, bema^rt i^n üor ^Berirmng nnb
@to!$. 2)er (Skgenftanb aber bringt feine 93egren$ttng' mit
fic^; benn ber Stftc^fte finb ale SR^fc^en, nnbebingt jeber
3«enfd).
SBer in äBQt)rl)eit ben lluid)ften liebt, tiebt ba^er anc^
feinen geinb. tiefer Unterfc^ieb „greunb ober J^^inb" ift
ein Unterfd^eb, ber am ^egenftanbe ber Siebe haftet; bie
Siebe ^nm 9{&c^ften ^at \a aber ben ®egenfianb, ber feine
S3efonber^ l^at; ber Md^fte ift bie gang unfenntüd^c Unter*
fc^iebent)eit jmifc^en 3}?enfd) nnb 9J?enfc^, ober ift bie eroige
©leic^^it üor @ott — biefe (SJlcic^^it ^at auc^ ber geinb.
Ttan meint, eiS fei einem 9)?enfc^en unmdgUd^, feinen getnb
)u lieben, benn leiber, gleinbe fdnnen einonber ja fonm an«
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— 93 —
jc^en. 9^un tool)l, fo )d)üefte ba^ STuge — fo gleicht bcr
geinb gati) beut Sl&c^fteti; fc^Uege bad lluge unb benfe bed
®e6otö, bofi btt (tebeit foOft, fo (iebfi bu — betneit geiitb?
nein, fo liebft bu ben ÜiJä^ftcn, beim baft et beiii ^5^inb ijt,
ftcljft bu ]Q nidjt. S3ei gefd)Io)fenem 5Iuge fict)ft bu nämlic^
bie irbifd)en Unterfd)iebe nid)t; geinbfdjaft ift ober aud} einer
oon biejen irbijd)cn Unterfc^ieben. Unb bei gefd|lofienem
Hitge koirb bein ^titit eben bec 3^^^ ^ ^^^f
SBort bei» ®e6otö ad^ten mu^t, itiii^t jetftteut itnb tietttritct.
SBenit bit olfo behten ^tm m^t btttd^ ben fBM ouf ben
©cgenftanb betucr Siebe unb auf bie befonbcrc Sigentünts
lic^feit beö öJegenftanb^ ^erftreuft unb üemirrft, fo tpirft bu
ganj D^r für bad 2öort beg (SJebotö, al§ fagte eö einjig
mtb aUetn ju btr, ba^ „bu" ben Mc^ften lieben foUfi
^el^, toenn betn $[uge gefd^loffen ift unb bu gonj O^r fftr
bod ^Bot btft, fo btft bu auf beut SGBege ^ur ^oQfommen«
^eit, b. ^. 5ur Siebe gegen ben 9täd)ften.
@S ift ja auc^ in 2ÖQ^r^eit fo {xoa^ bereite in bem-
(Sntloicfelten liegt, tt)o beriefen tüurbe, bafe ber 9^äd^fte ein
teined (SkiftedDer^ttnid aui^bcädt): ben iRäc^ften fie^t man
Blog mit gefc^toffenem Stuge ober babunl, bo| man oon
ben Unterf^icben abfict)t. 5)a8 leibliche Sluge fie^t immer
bie Unterfd^icbc unb fict)t auf bie Unterfdjiebe. ^arum
ruft bie irbifc^e illug^eit frü^ unb fpät: „fie^ bid^ Dor, wen
bu liebft!" 3lcf), foU man in SGßat)r^eit ben ^J?ä^ften lieben,
fo gilt: fte^ bic^ t>ot allem nic^t oor! benn biefe ^ug^,
bie ben (üegenftanb prüft, u»irb gerabe 'betantfen, bag bu ben
9lä(^ften nie ju fef)en befommft, lucit er ja jebcr SKenfc^ ift,
ber erfte befte, gan^ btinbling^? genommen, ^er ®id)ter Oer-
achtet bie fet)enbe ^(inbt)eit ber ^lugl)eit, bie beim Sieben
SSorficf)t Icf)rt, er Iet)rt, bo^ bie Siebe blinb mad^c; ouf eine
tfttfellKift uneiifl&Tlid^e Steife foa, bed SSAd^txxi SRei»
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nung, ber Siebente feinen ©egenftnnb finbcn ober üerliebt
»erben unb bann - blinb öor Siebe toerben, blinb für jeben
%i^ifx, jebe UntwQtommett^ an bem ^liebten, bitiib fftc
aUti anbete anjser btefem beliebten; — ober biMi§ mt/i ntd^
blinb bafür, bajj biefcr ber einzige in ber ganjen SBeft ift.
Sßenn c^^ fo ift, fo mad)t ja freilid) bie Siebe einen 9D?en*
fc^n blinb,. aber fie mac^t i[)n augleic^ fe^r fd^arffic^tig, bog
er ja ni^t einen anbem ^enfc^en mit biefem einen Der*
tuec^fele, fie mad^ t^n and^ tnfofem gegenfiber btefem <Sk«
(tebten bttnb, al^ fie nunmehr einen ungeheuren Unterfi^eb
3tt)ifd^en biefem einen unb allen anbeten 9}?enfdjen mad)cn
^eijst. 5(ber bie Siebe ^um 9läd)ften mad^t jeben 9}?enfd}en
im tiefften unb ebelften unb n)al)rften ©inne blinb, fo ba^
er blinbltngd jeben SRenfc^en liebt, tt»ie ber £ieb^6er bie
(SkUebte liebt
^e Siebe jum ^läc^ften ^ot bie ^BoIIfommenl^eit ber
@tt)ig!eit — ba()er fommt e§ tiieHeidit, ba^ fie mand^*
•mal jo »enig in biefe irbifdjen i8erl)ältniife, in bie
5ettH(^enUng(ei(]^hetten bieferSS^elt jupaffen fc^eint;
ba| fie fo leicht oerlannt nnb bem ^affe andgefe^t
mirb; ba^ ei» jebenfalU fei^r nnbanfbat ift, ben
$J2äcf)ften ju Heben.
©elbft ber, lx)c(d)er fonft nidE)t geneigt ift, ®ott nnb bem
S^riftentum bie (^^re geben, tt)ut eÄ bod^, toenn er mit
<3(^bem ben (Sirene! bebentt, nne im ^bentnm bie irbifi^en
Unterfc^iebe, ober koie bie StanbeS« wtb Aaftennnterf^iebe
ben 9i?enf(^en tn^mnan t>om 9)^enfd^ trennen mib fi^ben,
niie biefe ©ottlofigfeit t)umanität§tt)ibrig ben einen SWenfc^en
bie SBettoanbtjc^ajt mit bem anberen öerleugnen Ijeifet, fo ba^
er t)ermeffen unb n)af)ntni|ig oom anberen iU^enfd^n fagen
!ann, er fei nvä^t ba, fei „nic^t geboisen". S)a fKeifl ond^
er bad (St)riftentnm, bad. bie SRenfc^en tm biefem ®ccne(
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befreit ^at, inbem tief unb etüig unDerge|Itc^ bic ^er*
Mmbtfd^aft ^fc^en äßenfc^ itnb ä^enfd^ eitt^gt, koeit btefe
babittd^ gef^ect i% iai in (E^tifto jebet (^n^t mit <3iitt
gfeid^ üertoKittbt tft imb ^ütt in gleichem ^^ültitid fte^t;
toeil bic djriftlid^e Se^re gleidjmäjiig an jeben einzelnen
roenbet, it)n (e^rt, ball ®ütt iljn gefc^affen unb ß;i)ri[tuö il)n
erlöft t)abe; weil bie c^riftlie^e £et)re jeben 9J?enjd)en auf bic
@eite itinunt unb i^m fogt: »fc^iefte bdne X^Ctre unb bete
^ <Sk>tt, fo ^aft bu baiS i^öd^fte, ood ein Si^enfd) ^a6en
tonn; Iic6c bcincn §ei(anb, fo ^aft bu aUeS im Scbcn unb
^üb, unb ia\] h'id) bie Untcrfd)iebe nidit fümmern, fie tt)un
ni(f)tg baöon noc^ ba5u." SSenn einer uon be^ 93er geö ©pige
bie äBettertDoIfen unter {u| fte^, fo fd^tectt t^n i^r ^nbiid
nu^ er ld|t bom S)attnemietter, boS bmnien auf ben fftv^
mngcn ber 6rbe mfitet, fi^ nic^t fc^recfen. Unb fo ^od^ ^at
boÄ (S^riftentum jeben, unbebingt jeben 2J?enfc^en gcfteüt —
benn eö giebt ]iiT Sf)riftuä fo tüenig alö für ©otteö ^^or*
fetiiing eine ^ufammenfaffenbe Sa))l, eine 3J?enge, nein, bic
Unaö^igcn finb tun t^m ge^d^lt, finb lauter (Sin^Ine;. fo
^ bad 6^fientnm feben einzelnen fD^enfd^ gefielU,
bannt er ni^t burd^ Übergebung ober burd^ ©eufjen unter
ber Ung(eic^I)eit biefeS Sebent «Schaben an feiner (Seele
net)me. ^enn weggenommen ^at ba§ (^Ijriftentiuu bie
Untcrf c^iebe nid^t, koie auc^ (S^^riftud ni^ tooUte ober lM>tt
0ott erbot, bafe {eine Sünger nUM^ten oon ber äBeU ge»
nommen toerben — unb bo9 ift ja ein nnb bo^fetbe. (H
f^at ba^r nie ein a)(enf^ gelebt, in ber (£l)riften^eit fo föeuig
ald im .f)eibentum, ber nid)t mit an biefer irbifd)en Ungicid)-
^t teilgenommen ^ätte, ober boc^ mit i^r überf leibet gc»
loefen märe; fo »entg ber (S^rift o^ne ükib lebt ober (eben
initt, cbenfotnenig o^e biefeil Seiend Ungleic^^ettcn, an benen
burd^ iMnxt, hva^ Staub, bsr^ Ser^&Uniffe, burd^
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©ilbung vu f. f. in feiner SSeife %di l)at — bcr reine 2Kenj4
ift feinet \m mid. 2)ad (^nftentum ift etnfi, mit kH>m
feinen SRenfc^ ^n foBnliecen; cd toitt bie 9Renfd§en nitr
rein mü€^n. 9>ti^ ^^riftentum ift tdn Vtäxd^n, ttnelDO^t
btc tjon tf)m oerl)cifjcne ©etigfeit {)errlid)cr ift, a(§ tva^^ ein
SO^ärdjcn ücrj|)red)en fonn; eö ift aud) fein Qeiftreidjeö ^irn-
gefpinnft, ba$ fc^koex i^erfte^ toöre unb ja auc^ eine
befonberc Qebtngnng Donm8fe(t: einen mfifsigen ^opf unb
ein (eeted |nm.
Scnem ©reuel beö |)eibentumö l)at olfo ba§ S()nftentum
ein für oHcmal ein @nbe gemarf)t; aber bie irbi)d)en Ung(cid)=
Reiten l)at c§ nic^t jürtgenommen. 2)iefe müffen bleiben, jo
lange bie ßeitUd^feit befielt, unb müffen bleiben $ttv9lkrfud^ung
jjebeS äRenf^, ber in bie fSMt ^infommt; benn ni^t
urirb et bamit, bog et ein (S^rtft ttritb, ben Unterf (Rieben
entnommen, öietme^r mit) er ein S^rift bur^ ben (Sieg in
ben 93erfuc^ungen, bie biefe Unterfdjiebe mit fic^ bringen.
3n ber (ogenaunten ^^riften^it fpielt ba[)er bed £ebem^
Ungleid^it tmmet no^ ifyct mfuci^id^ 9iolIe; ac^ tiielleid^
tierfuc^t fie nic^ hhi%, nein, fie ttntCt fo md^ttg, bafi bet
eine fid) übert)ebt, ben nriebemnt bet anbete ttolig Benetbet.
SBcibe^, Ubcrl)cbimg unb ^Jleib, ift ja 5lufrut)r, ift 5lufrut)r
gegen ba^5 (St)riftlic^e. (SietoiJ moüen toir nicmanb in bem
oetmeffenen SBa^ne beftörfen, ai^ feien nnt bie 3)?öc^tigeu
nnb bie SSotne^men bie ©c^ulbigen; benn toma bie <Sktin(|en
unb bie Unmfii^ttgen nut tto|ig mit ben SBegünftigten taufc^en
möchten, ftatt bemütig ber feiigen ©leic^^eit beS (5t)riftlid)en
nachzujagen, fo netimen aud) fie ©c^aben an il)rer ©ee(e.
^ad ^^riftentum ift nic^t bUnb, auc^ nic^t emfeitig; ed fietjt
nttt (Smigfeitdttt^ gleid^mägig auf aße itbifc^n Ungleid^«
l^eiten, fjSÜ abet ntc^ ftteitffif^ |it einet einjigen ißatiei;
fie^t, unb gelmg mit SetcfiMd, baj} nMf(^ ^fc^öfttgfett
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unb folfd^e rop^eten mit loeltlid^em ^inn im dlamm bed
(S^iaiknUma biefen etlveifen MUcn, atö tdnnteit tntr
bie SRftii^tigett on ber tibifi^ Utigletc^^t ftd^ berftj^ulben,
ote toörc bct ©eringc Berechtigt, gut ^erftcllung ber (^Ui6)^
^eit QÜeS §u t^un — nur nid^t boö, ban er in (Srnft unb
SBa^r^cit ein ß()rift toürbe. Sterben iüir aber je auf fold^m
SBeg^ ber c^riftlicl^en @Uiö)\)tii unb (§^erecl)tigfeit nä^et fornmcn?
%M (S^riftaitum uittt o(fo beit Uateifc^ titd^ toe^« '
liefen, meber bett ber f&imtl^mf^t nod^ bcn ber SK^rig«
feit; auf ber anbern @eite aber tt)iE e§ auc^ nid^t einfeitig
irgenb einen 5eit(id}en Unterfcf)ieb beüor5ii(]en, aucf) nid)t ouf
bic in ben 5(ugen ber Söelt biüigfte unb anne^mbarfte iG3eife.
äXtog auc^ bie ^.tii^e ©onbetftellitiig, an bic eiti SKen^
mit )DcItiic|em &m $u feinet €(^Ib fi^ onHammert, in
ben fingen ber Vkti l^melf^retent md) emt^irenb, ol>er
mag fie in ben 5(ugen ber SBcIt unjdjulbig unb liebcnÄofirbig
fein: ba^ fümmert bog S^riftentum gar nid)t, ba eö ja feinen
melttic^n Unterfc^ieb mac^t, nid^t auf baS fie^t, iooburc^,
fonbestt nnr bamuf, ba6 ein SRcnf(| ^obcn an fdmc
6ce(e nimmt; — bnt^ eine ftleinigfett? kncDeid^t; bog 'er
aber an feiner @eele ©c^abcn nimmt, ift getüi^ feine Äleinig»
feit. S^^^f'^)^" ^^^^ ©jtremen üorne^m unb gering giebt eö
in ben ^tufenunterfc^icben ber SBelt no6) eine gan^e ä)^enge
Mn ©c^attiermtgen; aber bei feinem t)on biefen engeren unb
ba^ meniger in bie tbignt fattenben Unterfd^teben ma^
bat (S^riftentnm eine Sudna^e. ^ Ungleid^^t tfi taiie
ein unge^eurei^ ^^e^, in tt)eld)em bie g^it^idjfeit feftgel}a(ten
toirb; bie 9J?ofd)en in biefem 9?e$e finb njieber gar ungfeic^;
ber eine SO^enfd^ fc^eint im ^afein met)r gebunben unb ge«
fnnflot ald ber anbere: aQe btefe Untcr{<|iebe aber, bie äRonnig«
fO^ltat in ber Unglen^^it, bie relative Ungleid^^ bei*
fi^ftigl bo9 ^^riftentnm gar nic^t, ni^t im minbefieni eine
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folc^e 33efc^äfti9ung unb ©orge ift nämlic^ toicber SBelUi^*
fett i£^ü\Untam imb j&lUi^fett oecftfinb^en ftc^ nie, loetm
til Qittl^ emat 9[itgcit(ficf — fftr eine vbnf&^v^ Setnul^
iung genau fo ou^fefien ^e VklfR^hH ift ja im
^öc^ften (SJrabc bafür intereffiert, ba^ in ber SSeU ©leic^^eit
jtoifc^cn ben 3J?enfc^n ^ergefteüt, baS gcittid^e ©cfinben ber
SKenfd^en toomöglic^ ein gteic^eö locrbe. 3lber jelbft »enn
baS ©tceben ber SBeU in biefet ^fiii^ ein »o^meinenbe^
^tt nennen tfi cd ift nie mit bem <St)nftentnm im (Einbec'
ftänbtiid. ®ic too^lmeinenbe Sßeltlic^feit ift fromm, menn
man fo fagen toiU, boöon überjcugt, baB eine beftimmtc
^itlid^e S^bcn&ia%t, unter ben üerfc^iebenen irbif^en Lebens-
lagen eine beftimmte gebe, tod6^ gleu^m>ge (äeved^tigfeit
tc)ncftfenttere, mag man biefe nun burcl^ Setedinttngen nnb
ftattftifd^ Überfid^tdbecicl^te ober auf fonft eine Seife t)eran9<
bcfommen. SSäre biefe Lebenslage für oHe 9}?enfd^cn bie
einzige geworben: fo toäre bie ®Iei^l)eit 3uh)ege cjcbrac^t.
^cilö aber lÖ^t fid^ bieiS nid^t machen, teils befte^t bie c^rift*
lid^ (Sece^tigtett nid^ bacin, ba| oQe fid^ gletd^ finb, fufem
fte geittic^ ftc^ in bec g(et(!|ien 5kige befinben; Ut toettli^e
®(eic^f)eit, toärc fte aud^ mögttd^, ift nid^t bie d^riftltc^ ®c*
red^tigfeit. 3"^^"^ ^f^ ^^"^ Unmög(i(^f eit, bie toetttidic
©(cid^^eit öollfommen unb üoüftänbig l)eräufteÜen. ^aS giebt
eigentlich bie too^Imetnenbe SEBe(tlic^!eit felbft ju; cd freut
fte, toenn eil gelingt, bie ^id^ Sebendlage für immer
mel^rere gleid^ ^u mad^en, fte fie^t aber felbft ein, ba| tt)r
©treben ein frommer 3Bunfdft ift, ba^ fie fid^ eine ungeheure
?[ufgabe geftellt ^at, mit ber fie nie @nbe fommt; — mürbe
fie felbft rec^t oerfte^en, fo mürbe fie einfe^en, bag biefe
<^letd^^ in ber 3^lid^feit nie gettonnen toitb, ba| fk,
ond^ menn )M Stieben Sa^rtanfenbe fortginge, bad
bod| nie eneid^ (Sl^riftentum ge^t einen Stebenn^g,
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bringt bic ©tüigfeit an unb ift jofort am ßiele: Id^t
aEe Untecfd^iebe befielen, le^rt aber bie etotge (^(eic^^ett.
(H Ic^ em jebec foHe fi^ übtx bte itbifd^e Unglet^^
et^eSeit. 9^ too^t botouf, )me gtetd^mö^tg eiS rebet; A
fagt nic^t, ber ©eringe foÜc fic^ erljebcn, iDäEjrcnb ber ÜJtdd^^
tige üieKeic^t üon feiner ^ö^e ^erabfteigen folle, ad) nein,
eine folc^e $Rebe ift nid^t gtei^mä^ig; ouc^ ift bie &kiä)\)tit,
bte biitd^ l^eiabfieigeit bei äftäd^tignt tmb d^mt^ocftetgen be0
Seringen suftanbe ttine, ito^ itii|t bte (i^rtftlid^e ®(etil$«
md^igfctt, ftc ift lücltltd^ (S^Ieid^^t. 9lcm, toenn'g auci^ bct
oberfte tüäre, toenn c8 ber Äönig toäre, er foll fid^ über bie
©onberfteÜung ber gö^ erJ)eben, unb ber öettlet foU fic^
über bic ©onberfteKung ber 9^icbngfeit erl^cbcii. SM
CE^fieitiitm (&fit a0e irbifc^ Untecfc^iebe fortbefie^; obec
ho» SieBeSgeBot, bte Siebe gegen ben S^äc^ten f(i^lie^t geiabe
btefe ©leic^möfttgfeit in fic^, bie in ber (Sri;ebuug über bie
irbifc^en Untcrfdjiebe befteljt.
äBeil nun bad fo ift, totü ber (geringe ebenfo gut tme
ber Sociiel^me itnb äKd^ttge, ti»etl jebet äKenfc^ anf feine
befonbete Seife ferne Seele becKetett ftmtt, tpeim er fi^
wil^ <!^rtftftd^ fiBer bte Uttterfc^iebe beS drbettf^il er^eBeit
mü, unb »eil baö leiber beim einen tt)ie beim anbern unb
auf bie eine unb bie onbere 5trt gefc^ie^t: barum ift bie
Siebe ^itm Sliäd^ften oft einer boppetten, ja mel^rfarfien @e*
faf^ aitdgefe^ fBkt fif| tier^ivetfelt an bte eine ober anbere
Cimberftellung im SeBen angeüammert ^at, fo bag btefe —
nic^t ©Ott, fein SeBenöerement ift, ber forbert immer aud^
üon jebem, ber fic^ in ber gleid)en Sebenäfteüung befinbet,
er foÖe mit i^m Partei bitben — uic^t im (SJuten (berni
bta i^ttte btlbet nic^t Partei, t^ereinigt ^ber fioti, wo^
^mbert, noc( aOe 90{enf(|en in einer ^rfei), fonbecn tn
gottfofem 8itnbe gegen boli SUgenteinmenfc^Iid^e; ber Ser»
7*
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— 100 —
pm\üU nennt ^^errat, mnn man ^meinfc^aft mit
anbmit, mit allen SKenfd^ l^beii ivoQte. ibtf bec anbm
@ette ftttb Mefe aitbereit äRettfi^ti lmn| Qte ^t(t(^
©mtberintereffen totebcmm in fid^ jerftüftet unb intgt)crftet)en
be^^atb t)ielleid)t, toenn einer, ber nidjt itjrer befonberen
öJefellfc^aft geliört, fid^ i^nen t)aUen mitt. ^enn loag bie
irbifd^en Ungteidi^citen betrifft, ]o ^errfc^t ^ier in %ol(\^ be^
ottgemeinm äKigl>etft(UtbntffdS feltfamerkoeife iU%k\xS^ streit
unb (Stnigfett: ein unb berfelBe tmU eine Ungleidl^tt loeg
t)aben, bafür ober lieber eine anbere ftf)affen. 2)ic 58er«
fd^iebent)eit fann ja, ipie ba§ Sßort fagt, ba^ fe^r 33er{c§ie=
benc, bod 5l£leröerfc^iebenfte bebeuten; jeber aber, ber in ber
SBeife gegen bie Ungteic^^ ftreitet, baft et eine beftimmte
ttcg ^ben ttttb boffit eine anbere f^ffen niiSf, ber f&m))ft
ja für bie Hngletc^^ föer bann ben Slft^fien (ieSen nnll;
njem alfo nicJ)t baran liegt, biefe ober jene Ungleid)^eit n}eg*
^^ufd^offen ober ttjeltlicf) ade unb jebe njeg^uräumen; mem
Dielme^r baran gelegen ift, mit frommem <5inn feine ©onber*
fteUitng mit bem befeltgenben l^ebantot ber d^ftlifl^ (ileid^»
1^ )tt bttui^bringen: ber ertoetit Ieiil|t ben @d^ein, baft er
nid^t in biefed (Srbenleben, aud^ nid|t in bie fogenannte
St)riftent)ett t^ereinpaffe, er fe^t fid} leidjt bem Eingriff non
allen (Seiten auS, er mirb Ieid)t n^ie ein oerirrted ©c^af unter
rei|enben SBdtfen. SEBo er au^ ^nfie^t, überall begegnet er
natftr(i(^ ben Unterfd^teben Otam, nne gefogt, fein SRenfci^
ifi ber reine 9Kenf(^, aber ber (^^rift ergebt ftc^ über bit
Untertriebe); unb bie, meldte fid) raeltlid^ an eine jcitüd^c
©onberitcüung feft anc^cflammcrt l)aben, toa^ für eine e^
auc^ [ein mag, finb toie reiBenbe Sßölfe.
SBietnel bie irbifij^ Ungleichsten auf {ic^ ^ben, tnie
gffft^iil fie fittb^ tt»oIIen kotr an einigen )IBeif|rielen fe^
unb babd im Sntereffe ber ftlai^t rec^ genau ju SStar!
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— 101 —
ge^eti. ^\mm bu bir n«t bic ®cbu(b jum Sefen, toic
mir bie Qtit ncl)mc unb dJluijz gebe gum '5cf)reibcn; benn
ba efii mctn auöfdjlieyicijer S3eruf unb meine einzige ^lujgabe
ift, ©d^riftfteUet {ein, fo fann unb mufe ic^ mic^ einer
pmlii^rt, einer toenn bu tmUft fteinlii^n, aber getoil crud^
nfi^lid^en ^ßünftft^fett befTeigigen, rmt fie onberen nt^ ntdg^
lid^ ift, ba fic nid^t blofec ©c^rtftfteller ftnb, unb baf)er i^rc
toieHeirf)! löngere Sebenögeit, i{)re üieEeid)t reichere ®abe, it)rc
öieUeic^t größere %xbtit&txa\tjüQkxd) auf anbere 2Beife öer*
»enbcn mögen. — @te^, bie 3^^*^" fw»i> bo^, ba bie
iERftc^ttgen nnb S^ome^men aSetn Mtn\iS^ toattn, bie anbem
SRenfd^en — 6f(a))en nnb ßetbetgcne. ^efen Umfd^tamng
öerbanfcn njir bem (5[)riftentum; borouS fofgt aber feinet*
trc(^§, bafi 9kng unb 3J?nrfit einem 9J2en|c^en jet?t nid)t metir
5um göü)tntf toerben fönne, fo baj er an biejer feiner
©onberfteUung 3U gaU {ommt, an feiner @eele <^c^ben
nimmt unb bergig idoS ben Sflöd^ften lieben ||ei^. @oE
baiK nw!^ je^t twrfommen, fo mufe e§ freiließ in einer mel^
öerborgenen unb nerbccften SKcijc t^cfdjeljen, im ©runbe aber
bleibt bie 3ad)e biejefbe. (5^ fann einer unüerfennbar, im
SBoügcnu^ feinet §od)mutö unb feincsS ©toljeö onberen
SRenfc^n anbeuten, bag fie nic^t für i^n ba finb; er tsnU
bad sur iRa^rung fftr feinen ^od^mut fie oielleid^t audft
füllen (offen, inbem er Qdii^m fftooifd^er Unterinfirfigfeit
Don i^nen forbert — ober aber fann er (eife unb nerfterft,
gerobe burd) Umgeljung aüer unb jeber Seriitirung mit il)nen
(oicHeic^t aud) auö gurc^t, offene^ Xreiben tonnte bic Seute
auf^en unb i^m fetbft (^fa^r bringen), audbrüden, bab
fie fflr t|n nid^t ba finb: baS eine tme bad anbere Sene^men
ift im d^mnbe ein unb badfefbe. 3nt)umane unb Un«
rf)rift(id)e Hegt nid)t in ber 5(rt unb SSeife, \v\t bic^ i]c|d}iet)t,
fonbern in ber (^ejinnung, bie jic^ ber ^^ermnbtjc^aft mit
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— 102 —
oHen SRettfd^en, mit stnbelHttgt jebem 2ERxiii^(S^n, ent^iel^en
mödjtc. 'äd), aä), eö ift be§ (Et)riftentutnä Aufgabe unb
Sef)re, ba§ toir un^ öon ber Söelt unbeflecft unb rein er*
galten, unb gebe @ott, bag toix alle baS t^un; menn man fic^
aba miÜUli an eine Sefonber^ aaUavmnt, unb io&te
an4 bte |errli<|fle Don allen, fo ifl ba9 geiabe 8efle(!nng.
^Denn bte grobe ^Trbett beffetft md^t, — - »enn fie nur in
beg ^erjeng 3iein^eit gett)an mirb; unb bie niebrige Sebenö-
fteHung beftecf t nid^t, — toenn bu nur in ©otteöf urd^t beine ®^rc
barein fe^eft, in ©tille ^n leben; tooyi ober !ann <&etbe intb
Hermelin befleifen, n^enn babnrd^ ein ä)^enf(| @(|aben an
fetner Seele nel^men ttifirbe. (Sd ift SefCedung, toenn ber
S^iebrige ftc^ fo gegen fein @lenb fttäubt, bofe er nid^t mel^r
burc^ bag ©(iriftlidje )id) erbauen toxU; aber au^ ba§ ift
• öcflecfung, toenn ber ^^ome^me fid^ fo in feine SSorne^mi^eit
einfüllt, ba| er fi(^ bnrd^ boi» (S^riftlid^ nid^t kirill erbauen
laffen; unb aud^ boS ift Sepedung, toenn einer in feiner
©mtberfteHnng, hm^ bie er ift, toa^ bte ntetften finb, nie
in ^riftüc^ier ^^ebung aug biejer ©onberfteüung ^eraug*
tommt.
(So lüirb benn biefe im öomel^men (^etoanb einher«
gd^be Sti^le^ttg!ett ben ISome^men teuren, ba^ er nur ffir
bie nome^nte Seit bo fei, ba| er einzig unb allein in i^ren
ftretfen Teben, bajj er für anbere 3J2enfc|en nid^t bafein folle,
ttjie oudE) biefe nid^t für \\)n ba finb. 5lber e§ gilt S^orfi^t,
^eigt e^, er mug ed fo bet^enbe unb fo leger aU möglich
anzugreifen koiffen, ba^ fein S^enel^men bte 2itiüt nic^t auf»
|c|t; b. ^ bad Qk^mnid unb bie ftunft Befte|t gerabe barin,
hQ% er btefel» <ie1^m9 für fid^ be^öft; bie UntgeE)ung aQer
S5erü{)rung foU nidjt ber ^lu^brud einer betoufeten, toirflid^en
93e3ieJ)ung fein, aud^ barf fie nic^t in einer auffaHenben
SGBeife t>oi fid^ ge^, bie bie SUifmerffontleit enegen mürbe,
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— 103 —
nein, W andioeid^be Hrt foQ i^n nnr fidler ftellen mib
a(fo )o öorfid^tig cingcf)altcn trerben, bafe nicmanb barauf
aufmerffam ober gor haxob üer(e|t ttiirb. 5)Qrum foll er,
luenn er unter baö 33oIf gerät, tok mit gcfc^bffenem ^luge
feined SBeged ge^n (aber leibet ni^ in d^nftlid^m @inn);
ftol^ — unb bod^ Icife anftretenb foU er t>mt einem Greife
ber Dome^men SSelt jum anbeten gleid^fam f(ie!)en; er barf
auf biefe anberen 9[J?enfcf)cn nicf)t fet)en — um nid)t gefe^en
merben, mä^renb boc^ bie tJoHe Slufmerffamfeit beg Slugc^
aug biefem SSerfted ^ert»orfpät)en mui — oh if)m nid^t ein
SDKtmenfd^ ober ein nod^ Vornehmerer begegnen Idnnte; fein
8(til fott nnbeftimmt fc^ioeben, über oQ biefe äRenfd^
l^Iaufenb, bamit ntemanb fein 9Cuge treffen nnb i^n an bie
S3ertDQnbtfc§Qft erinnern fönne; er borf nie unter ben ®e*
ringeren, tt)enigftenö nie in iljrer (SJejeÜfcJ^Qft fid) fe^en laffen,
nnb !ann e^ uid^t umgangen merben, fo mug er bie \)ou
mfyttt ^erabloffnng 0ttr ^d^n tragen — bod^ in i^
(egerfien 9[rt — um nid^ an^nftogen nnb ^n tieideten; er
mn6 pt^ gefliffentlid^ gegen bie Geringeren fibertriebener
^öflid^feit bebicnen, barf fid) aber niemals auf bie gleiche
©tufe mit i^nen fteUen, benn bamit mürbe ja au^gebrüdt,
baj$ er — SD^enfd^ fei, er ift aber — ein HBomel^mer. Unb
»enn er biefed ftnnftfiücf leidet, unge^nngen, gefd^modnoIK,
andtoeid^enb unb bod^ immerfort fein (M^mm& BetoKil^b
(baß nömlic^ bie anbcrn 9)?enfdE)en für i^n nic^t ba ftnb
unb er aud) nic^t für fie) fertig bringt, bann mirb il)m bie
öome^mc <öd^(erf)tigfeit bag ^tUQm^ geben, bafe er — ben
guten Xon getroffen ^abe. Sa, bie Wkit ^t fid^ üeränbert
— unb bie ©d^Ied^feit l^t ftd^ aud^ nerdnbert; benn e8
mftre bod^ fibereilt, nienn man glauben moHte, bie fBelt fei
gut gemorben, nieit fie je^t fid^ anberö gicbt. SBcnn mir
und eine jener ftol^en, trogigen ^eftalten oorfteQen, benen
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— 104 —
ha% gotttofe Bpxzl ein ^oc^gcnu^ toax, in bcm fic „biefen
SKenfdjen" i^re S^iebrtgfcit rcd^t bcutltd^ ju füt)ten gaben,
tt)ic crftaunt tüürbe bicfcr ^isertrcter jener Qcit md]t fein, mcnn
ec 5tt loiffen befäme, tuieuiel ^^orfic^t ^eutjutoge uotn^enbig
geioorben um tiefet Ük^eimitid betoa^ienl obec
bte Sßelt fyit fid^ t>etdtibert; mtb in gleichem &ifydtt bamtt,
tt)ic bie aSclt ft(^ tjcränbcrt, ^ttt fic^ ou^ bie ©^lec^tigfcit
fdjlauev in ein anbere§ ©cnjanb unb ift jdjnjieriger nac^^u*
locifen — aber beffer tourbc fie tDat)rIitf) niä^t
@o i>ie öomet)me (Sc^lec^tigfett. Unb »cnn nun ein
Sotne^met toCoK, beffen &beit butc^ (Skbutt unb ©tonb
atfo btefen fe(6en bifttngutetteit Ateifen audfcfiUegltd^ ange«
^örte, eilt SBornc^mer, bcr Bei bicfer jtoiefpättigen SBcrfc^tnö*
rung gegen bag 5lügemeinmen}d)lic^e, b, (). gegen bcn 9c'äd))ten,
nid)t mitt^un njollte; toenn er e^ md)t überö ^crj brächte,
toenn er bie ijfotgen feinet (Sdjrittd tDoE)! üotaud koügte, aber
im lißevtraitett auf (S^ott fid^ bod^ bie ^aft antraute, fte ouc^
gn tragen, lo&^renb er hü^ bie ftraft ntd^t befäge — fein
^erj §u öer{)ärten: njo^rOc^ bie (Srfa^rung iDürbe i^n Iel)ren,
toaö er tDogte. 3"^^f^ tüürbe bie üorncl)mc ©d)led)tig-
feit i^n beö ^i^crrats^ unb beS @goi§mu§ auflagen — tpcil er
ben S^äd^ften lieben iQoQte; benn nienn er mit ber ^c^Iec^tig«
!eit gemeinfame @ad^ mad^ kooQte, bod märe i^ebe nnb
^reue unb ^ufrid^tigfeit unb |)ingeBung! Unb menn bann,
mie bag fo oft gel)t, bie Geringeren, tüieberum ton i^rem
etnfcitigen ^arteiftanbpunft au§, iljn miBterftünben unb oer^
Icnnten, i^m — ber ja nic^t i^rer ©ippfc^aft gehörte,
mit ©pott nnb 93er^öt)nung lof)nten — mcit er ben ißäc^ften
lieben moIKte: ja, fo ftftnbe er freiließ in bo))))etter <3efo^ ba.
^tte er fid^ nöml^ an bie ©pi^e ber Geringen ftellen
tüoHen, um burc^ einen ^2Iufrul)r bie SonberfteUung ber
^orne^m^eit nieber treten — {o ||ätten fie t^n üiedetc^t
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I
— 105 —
gecl)rt unb geliebt. ®aö troHtc er aber nic^t, er loollte blofe
feinem c^rifttic^en "1)10119, ben 9(ärf)ften lieben, ^(u^brucf
g^ben. Unb eben barum mürbe jein 2^ ein \o mi^lid^,
genibe Uä^ bo|))>eIte @efa^
Sbam loftcbe tooffi bte twnie^e Sd^ed^ttgtett i^n
ixmapffimnh toerfpotten, {)öf)iteRb mth tierbatnntenb ivfitbett
ftc fagen: „baö t)Qt er cl)rlid} öerbient"; fie n^ürben iüdI)1
feinen iRanicn aU ©^redbitb benugen, um unerfat)rene, Dor^
ne^me SüngUnge baüor 5U bema^ren, bog fte ntd^t abtraten
— mon bent gnlcn %mt bev ©c^cc^ttgfeit Unb numd^
8effei3e nnicr ben tBontc|nien, ber bod^ nu^ nod^ mün bem
©annc btcfc« guten ^oneS fte^t, bürfte nid^t loagen, ben
©Uten 5U üerteibigeii unb nid)t mit ju Iad)en „im ^iate ber
^pött^" , unb bie^ n^äre m\)i bo^ ^öd^fte, toa^ einer p
fetner ^^erteibigung tuagen lönnte. ®o tDäxt ed ja tno^l
benftac, bog ein ISoniel^mec, nnier femedgleid^, begetftect
mtb mit fd^dnen fEk/üm bie Siebe ^nm SUid^tcn lierfec^ten
mürbe; fäme e§ aber barauf an, in 2Birf(icf)feit bafür cinju«
treten, fo fönnte er fic^ büd) jum (i3cl)ür)am (\c(\^n bie mtU
läx^ fiegreid) ucrfoc^tene ^nfc^ung nic^t ^6ri]eben. ^oc^
imier^db ber c^ineftfil^ äRoner, loeU|e bte @tänbe fd^etb^
eine cntgegengefe^teSinfd^nnng jn becfed^, eine^nft^funnig,
bie in ^ftlid^em ©inne (nic|t im @inne ber fRet)o(tttion) ben
Untcrfdiicb aufbeben möchte: baö beifet bod^ in ber ©onber==
fteüung öerbleiben. 3n ®efell)d)aft ber (S»5elet)rten ober inner*
fyilb einet Umgebung, bie fonferuatib bie ^iftinhion gemälzt«
leifkt itnb ^etbottteten I&ftt, ba mag ineaeic^ bec (MOnüt
mit Segeifterung biefe £e^re mm ber (Meic^^t aQer S)l{enf(^en
' §nm beftcn geben: ba^ ()ei6t aber immer nod) in ber ©onber«
ftelliuu] üerbiciben. 3n ©cfcdfc^aft bcv 9ieid)en, inmitten
einer Umgebung, too flßrabc bie bcoorjugte (Stellung bcd
Moc^tamd )nr &^ getragen tvicb, ba mftrbe meUeic^ bec
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— 106 —
Slct^e ber ®tetc^^eit ^tDtfc^it SRetifd^ ittib SRenfd^ jebe
(Einräumung ma^en; ober baiJ l)ci6t ja immer nod^ in feiner
©onberftellung ücrbleiben. ^cncr Seffere, ber üieHeic^t innere
l)alb be^ üomc^imen Ärcife^ alle ©inttjenbungcn fiegteidj auiS
bem gelb fc^Iagen lofirbe, möchte iiieHeic^t uonte^m unb feig
fid^ flüd^ten, koenit et mit bem d^imoanb gegen bte @ottbentng
bet ben bte SBttf(k|fett er^bt, ht Oetfi^rung
fäme. — „(^e^ mit ®ott", fagcn xoix ja bei einem ®Iücf*
iDunfc^; -- tuenn bicfer ^efjere unter ben 2Sornet)men, ftatt
\is>\% 5u fliegen, mit @ott unter bie Seute träte: fo mürbe
et meEeid^t k>or ft(i^ felbft unb alfo auii^ tot &ott, p
Detbetgen fud^, tDoS et fel^ befam — mobet abet (^ott
bad fo^, ba^ et e9 t»etbar9. SBenn mnn nftmltc!^ nttt ®ott
ge^t, fo get)t man ja gemife of)ne ®cfal)r; man mirb aber
auc^ genötigt, ju )et)en unb auf eine ganj eichene 2Bei(e ju
fei^n. ©e^ft bu in (Gemein jc^ft mit %oit, fo brauc^ft bu
nut einen einzigen UnglMic^ )u fel^n, unb bn nuigt fo«
fott tKx\Ufyn, kood bad (S^ttfientum toill: bte menfci^Iid^
(SM^^H^ Senet IBeffete abet bütfte trieHetd^ (etbet ntd^t
ganj magen, bieje SBanberung in ®emeinfcf)aft mit ©ott unb
ben (Sinbrucf baüon au§5uf)alten ; er entzöge fid^ üieHeidjt
mä^renb er hod) am jelbeu Slbenb loieber in ber t)ornet)men
(SkfeUfd^ft bie d^nftlid^e ftnfc^uung tietfed^ten mütbe. Sa
t& tft ein etnfiet <Sking, mit (S^ott ju ge^en (unb nut in
biefer ^efellf^aft entbe(ft man ben „S^iätfiften", benn ®ott
i)t bie 3^^f^ßi^^cftimmung), um ba§ Seben unb fi^ |e(bft
fennen ju lernen. 2)a öerliert ßf)re, Wadjt unb ^errlic^feit
i^ren meltncf)en ©lanj; in ©efetlfc^aft mit ©ott fannft bu
nid^ nieltlic^ beine gfteube btan laben. SBenn bu mit einigen
anbeten S9^enf(|en ^attei mad^ft (benn ^attei tft nie tMmt
®uten), mit einem beftimmten @tnnbe, mit einem beftimmten
^eruf, ja auc^ nur mit beiner Gattin: fo übt ha& SQ3elt(ic^e
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— 107 —
eoien Ke^ aitö; felbft knentt cd in beinen fCtigen nt^t )mI
ju bebeuten t)at, fo tritt bie SSerfudjung ein im SBer^ältni«
bem §ln)e^en jener ^erfon, öielleicfit tuirft bu ftf)on um
bcr ©attin willen öerfudjt. Söenn bu aber mit Qiott ge^ft, bloft
mit &ott ^Jßaxtd ntac^ft unb in aUem, toa^ bn k)ccfiel^ft, (&9tt
mk isn\kffii: fo entiMdft bu ~ foll tt^ fagen 5tt beinent
ctgoiot @^ben? bn enti^i ben 9löc^ften; fo nötigt bid^
®ott, iljn §u Heben, — foH id§ fagcn ju beinern eigenen
6^Qben? benn ben 0läc^ften lieben ift ein unbanfbare^ i
(^fc^äft 'I
Ükbanfen gegen ^ebanfen Uanpfta loffen ift ja etncd,
festen mtb ftegen im XBoctfitdt ift etneS, da anbeicd ober
ift, feinen eigenen @inn jn bejtoingen, »enn mon in ber
^^ra^iö beS lüirfüdjen Sebent fämpft; benn ttjie m\) aud^ ber
eine ©ebanEe bem anbern ju Seib rücft, ttjte na^ au^ ber
eine ©tretter im iCBortftreit bem anbem fommt: bie Jitäm^fer
bleiben bo^ auf Slbftonb bonetnanbec unb fed^^ in ber
Ettft. hingegen ift bet fidlere 9)l}a|ftab fftr bie (9eftnnung
eincg äRenfc^en: n)ic nieit er t)on bem, toa& er üerftel^t,
gu bem \)at, toa^ er tt}ut; ujie grofe ber ^IDftanb ift jmifdjen
feiuem 5Serftet)en unb feinem X^un. Sm ®runbe Derfte^en
mir oOe boi» ^i^U; ein ftinb, ber (SinfäUigfte, ber SBeifefte. ^
fle üerftd^ alle ha» S^M^bt unb aQe ba9felbe; benn eS ift, '
menn ic^ fo fagen barf, eine Se!tion, bie und allen aufgegeben
ift SGBoS aber ben Unterfc^ieb auömac^t, ift, ob mir eö auf
?(bftanb öerfte^en — fo bafe ton hoä) nid)t barnad) t^un,
ober in ber SHä^e — fo bag mir barnad^ t^ unb „nid)t
anberd ttttuen", niil^ laffeu iü^nnen, ed 5U l^vai, une £ut^r,
ber in unmittelbarer 9^A^ berftonb, tocA er gu t()un ^atte,
ülö er fügte: „i^ fann nic^t anberö, ®ott l;e(femir, Hmen". —
5n einer ftiüen ©tunbe, in iüeitem tlbftanb Don allen 5öcr*
»idlungen bed ^ikbend unb ber Wkä, tierfte^t jeber ä^enfcfi,
»
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— 108 —
toaß baö §öd^fte ift: tüenn er baöon gcl)t, i)Qt er wr*
ftonbeii; ipenn e^ im 2e6en üor iljm tüie gut Sßetter au§=
ficl)t, üerftel)t er'^ no^: menn aber btc ^^crtüicflung anhebt, r
fo fCäcI^tet tad Secftdntotd, ober ed ectMtft fiii^ bag et aütS
iittt QU? tf^tonb tierftanb. 9n einem gimmer -fiten, m "
oHcö fo ftill ift, bafe man ein ©anbforn follen l^ort, «nb
baö |)üc^fte 5U ücritcben, ba^ üermag jeber 9D?enfc^: ober,
bilblid) gerebet, im Äefjei fi^en, an bem bie Äu^fer*
fc^miebe ^mmem, unb bann bodfetbe tietfte^en: ja ba
mn^ man bad üBecftftnbnüS ^an% no^e Bei ftc^ l^ben, fonft
nnrb fid^ geigen, bog man eiS nut auf KBftmtb l^atte —
njeil man mit bem ^erftanbni§ abmefenb ttwr. — Sn einer
ftiHen (Staube, in njeitem ^(bftanb uon bcr ^ermirrung beö
Sebent nerftet)t ba« ^inb, ber ©infältigfte, ber SSeifeftc,
nnb faft gleid^ Uic^t, toa& jeber äftenfcl^ t|nn foH ^ «Kid
jeber Wttn\^ foU; »eim aber in ber l^SenotdKung bed
Sebent bfe groge entfte()t, wo« er tl^nn foll, ba jeigt eg fic^
Dieüeic^t, bafe er jene« ^i^erftänbniö nur auf ^(bftaub l)atte —
benn aU er es^ ^atte, toax er ja in njeitem 5tbftanb uon ber
SD^enfd^^eit. — SSei einem SBortftreit, m ein getoiffer 5(b»
ftanb ift bis ^nr ipanblung, bei einem ^od^l^tgeit $efcl^(u|,
bei einem feierttd^n ®elfibbe, in ber 9iette, taKnn nur ein
getoiffcr ^(bftaub ift 6i« jur ^^^aubluug, üerftel}t jeber 9)^eufcfe
ba« §öd)fte. S3ei unoeränbertcm, burd) alte (^ciDotjuljeit ge-
fiedertem gortbeftanb bcr ©egentoart fann jeber uerftc^en, bag
eine SSer&nberitng torgenommen werben foUte, benn er tiet»
fte^t es nur osf Sbftonb; ift eiS nid^ Don ber Unberfinbet»
li^fcit §nr l^Serdnbemng gar Weit, ein ungeheurer Kbftonb?
%d) in ber SSelt fratjt man fo uict unb gcfd)äftig, maö ber
fann unb ber fann unb tva^ ber nic^t fann: bie Smigfeit,
bie öom ipoc^ften rebet, nimmt ru^ig an, bafj e« jeber 93?enfc^
lann, unb fragt nur bamac^, ob er ei» t^t $at ber üBor*
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net)mc burd) feine üornel}mc ^erablafjung ]ic^ üon ben anbern
in weiten ^Ibftanb gejejt, fo üerfte^t et bie ®(eic^{)eit jmifc^cn
9J2enfc^ unb 9}^en{(|; ber ©ele^rte unb (3e6Ubete Detfte^t bie
®leu^^tt f(nx\ä^ ä^enfc^ imb äKenfd^, toentt et bitc^ bad
8ek9u6tfein ge!)etinet fibeclegenl^ett bie aitbent tm. ftd^ in
§l6ftQnb t)äh; tt)trb i^m ein fleiner ^orjug eingeräumt, fo
Der)tcl)t ber, beffen 93efonber^eit ift, fein, tDie bie Seute
eben finb, bie i^k\6)i)tit gtuifd^en ben äJJenfdjen — auf 5lb*
ftanb fennen ben 92ä(^fteit aUe: nur Qhtt tm^, tm t>itk it)n
in bex SSBitfltc^feit fennen, b. ^ tn>n bet Unb bo^»
onf ^bftanb ift ber 9lä(^fte eine Sloge (SinBilbung, er, ber
• Den 9lamen ja bauon l)at, bafe er na()e ift, ber erfte beftc
9Jten]d), unbebingt jeber 9J(\Mi)cf). tluf 5l6ftanb ift ber 9Mc^)te
ein ©d)atten, ber ^^ontaftifd) an jcbeö 3Kenfd^cn S)enlen üor*
beifc^ioebt: baft aber ber äßenfci^, ber im felben tCugenblid
nnrKic^ an t^nt borüberging, ber fR&ü^it mar, bod entbedt
er leiber bietteid^ nic^. tCnf ^Ibftanb fennt jeber ben 9läc^ften,
unb boc^ ift eö eine Umiiuglidjfeit, i^n auf 5l6ftanb ju fcEjen;
njenn bu il)n nid)t fo natje fie^ft, bafe bu unbebingt, üor ®ott,
i^n in jebem äJ^enfc^en fie^ft, fo fiel)ft bu i^n über^au^t nid^t
92ttn nwden mir wsn^ nac^ ben iRiebrigen fe^en. ^te
geilen finb ba^in, ba bie fogenannten dliebrigen, Geringen,
fdne ^orftellung Don ftd^ fe(6ft ober b(o| bie t^orfteHnng
^tten, baß fie ©flauen feien, nid)t blofe geringe SD^enf^en,
fonbern eigent(id) gar feine 3J^enfci^en. ^ie ttiilben 5luf*
ftonbe, bie ©c^redniffe, bie ouf jene argen 3"ft^i"^c folgten,
finb bielkic^t and^ borbei; ob bamm nic^t bo(| bie ^te<j^tig«
fett oerborgen in einem äffenfdlen mo^en fonn? 3n bem
(Seringen toirb nnn bie @d)Iec^tigfett ftc^ fo äufeern, bafe fic
if)m einbilbet, er t)abe in jebem SUiäc^tigcu unb 33orncf)men,
in jebem, ber burc^ einen ^orjug begünftigt ift, feinen geinb
)u fet^n. Ilber ^r(i(^, ^igt ^, benn noc^ finb bie|e geinbe
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I
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fo mSid^ÜQ, bag e9 Icti^t gefä^rlid^ toeibeit ttimic, mit i^nen
ju bred^cn. S)at)er tüill bic ©d^ted^tigfeit nid^t baju auf«
f orbern, bafe ber Geringe ftc^ empöre ober jeben Slu^brucf
t)on @f)rerbtetung Dertoeigere ober bad ©e^mnii^ offenbar
tottben laffe; tndme^r tt)icb fie le^tot, ba| man etimt^ t^se
imb bod^ tttd^ t|ne, bag man dl t^ue, aber fo, bajs bem
Stftc^tigen ntd^ loo^I babet lottb, Isffi^b et bo^ nid^t foK
fagen fönncn, ba^ man i^m feine (S^re ntdit antljue. ^arum
fofl felbft ber §utbigung ein tücfifc^er "ilro^ anhaften, ber
im (^^eimen öcrbittern fonn, eine ^erbroffen^eit, bie im
@ttlleii't)entettit, mad bec SDhtnb bdamt; in bat Subd jit
(E^rett bell S^ftd^en tM bte ehtgefreffene SK^gimfi enten '
«tt^mfid^en TOfeton bringen. @8 foll lebte ©ettjolt in S[ti*
njenbung fommen, ba^ möd^te gefälirüd^ toerben; eS barf §u
feinem ^ntc^ fommen, baS möi^te gefö^rlid^ toerben; ober
eilte tm^etmlic^e, tjer^Itene Verbitterung, eine twt ferne ge»
»ecftimmt^, bie irne 92abe(fttd^ bettelt, fott aRad|t
nnb (S^ nnb fCu^jeic^nung ^u einet $Iage füt ben WtH^
tigcn, ben ÖJee^rten, ben ^lu^ge^eid^netcn madjen, ofine boft
er bod) über etma^ Scftimmte^ foII flogen fonnen; benn
barin gerabe ftedt bie ^hutft nnb hai (^e^eimnt^.
Unb menn benn einet and bem niebemt in beffen
$etj biefet ]^eimlid|e S^eib nid^ fam nnb ber and^ tiim an|cn
bttt«!| bie @d^(e^tigfeit fid^ nic^t öergctoaltigen loffcn ttnll,
njenn er ol)ne feige Untertoürfigfeit, ot)ne SJ^enfc^enfurd^t,
befc^eiben, aber oor allem mit aufrichtiger greube jebem über
i^m feine ©^re gäbe, tpenn er babei mand^mal gludlic^er unb
ftenbiget kodte ald tneUeic^ fogat bet, bem fie giU: fo mitb
tool^t an^ et bie boppelte dkfa^r entbeftn. iSm feines«
gleidjcn hjtrb er t)ielleid)t oI§ '-ßerrater auögeftofeen, al^ fflo«
üif^e @eele oerac^tet, unb öon ben öegünftigten Dieüeid^t
mt|3t)erftanben unb atö aufbcingltci^er SS^enfc^ oerft^ottet. Iffiod
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- III
bort für ben ^omet)men 5U geringe fd^icn, bafe er — ben
Mc^fiett liebe, tiUk|te ^iec dteHetd^t bem Geringen al^ %xi'
mafiitng attSgelegt loerben — ba| et ben iß6<j^ftett Kebe. —
@o gefö^rlic^ ift ed, ben 92&^ien IteBen )u iDoHen. 1C)enn
trennenbc Unglcic]^l)cit gtebt c8 genug in ber SBelt, Söefonbe*
rung i[t überall in ber ß^itlid^feit, bie ja gerabe baö aug*
eitumberfaUenbe, fid^ Befonbernbe ^Mannigfaltige ift. ^ieQeiti^t
mag ed aud§ einem ü^enfc^en gerabe t)ermöge feiner Befon«
beten (^eiuUtntlui^fett gelingen, mit Seuten jebet ©tettung,
ntil|t 8(o§ mit fetneiSgleid^en, in taftboHem, fügfamem (Sin«
t)eme^men fic^ gut ftellen, er giebt auf einer @cite ein
inenig gu unb forbert bann auf einer anbern ettoaS met)r;
bie auSg leic^enbe (^erec^tig!eit ber @n)ig!eit
aber, ba^ man ben 9}&(^ften lieben »ill,
fd^eittt )tt menig nnb ^n niel, nnb ba^et ift
t^, ald taitgte btefe Siebe ^nm Slftc^ften niii^t
rcc^t in bie irbifd^en ^Ber^ältniffe f)inein.
©enfe bir einen 3)knfc^en, ber ein ®aftmat)( öeranftaltetc
unb bo^ ßa^mc, S3linbe, ^rüp^iet, 95ettlet einlub: e^ fei
ferne tum mir, ettoai^ anbered toon ber SBelt ^n glauben, ald
ba| fie e9 bo^ fftnbe, ttenn auc| f onberbat. ^SkvXt bir
aber, biefer Wtam, ber bad <^ftma^t Deronftaltete, ^ätte
einen greunb, ju bem er fagte: „geftern [)attc iri) cm großem
(S^aftma^t" — nic^t ma^r, bann tt)ürbe ber ^rcunb üor aüem
fi4 uem)unbern, bag er nid^t unter ben ^elabeuen mar.
Sßenn et bann ^ören »ftrbe, teer bie (Sing^betien gekoefen:
c9 fei ferne t)on mir, baft iä^ bon bem Scennbe etuwiS anbered
benfe, a(d bo| er ed bod^ fc^ön fänbe, tbenn and^ etttKid
fonberbar. ^od) luürbc er fic^ öermunbern unb i^ielicic^t
fügen: „baö ift boc^ ein eigentümlicher ©prac^gebraud), eine
folil^ ^erfammlung ein ,@aftma^I* ju Ijeifeen, ein (Skiftma^I,
— mo bie g^reunbe nic^t babei finb, ein (Skiftma^, — m
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xixd^t um bie Xi*cfflid)feit kr Seine, um bie auö-
eriefene ®e}ell)d)aft, um bie ^Injal)! ber an ber Xafel auf*
ttjortcnben 5)ienct ^anbclte", b. ^. bct grcunb ȟrbc meinen,
eine beratttge 9l6f))etfmig foQte man ein S^iebedtoerf, nic^
aber ein <Skiftmal^ nennen, ^n lote gnt au^ boiK a^ol^I
mx, )oe(d)eg fie befamen, ob <nt^ iiicf)t bfog nrie bad and
ber ©uppenanftalt „fräftii] unb luüljljdjmecfcnb" xvax, fonbern
tt)irflid^ ausgejudjt unb foftbar, ja ob fie aud) jelju Korten
SBein bekmen: bie (ä^efelljc^aft felbft, bad $[rrangement bed
(Skin^en, ein gckDiffet nid^t and^ubrfictenbec av^ongel an ber
@od|e etlanbt ha% man fo etioad ein €^aftma^ nenne:
ed ift eben gegen ben @|)rad)9e6rauc^ — ber einmal einen
Unterfd)ieb mad)t. ®efe^t nun, jener 3J?ann, ber ba« ®aft*
ma^( gegeben l;atte, antmortete: „xdj glaubte boc^, ic^ ^ättc
ben ©pracf)gebraud) auf meiner ©eite; Ie)en njir nid^t im
(Simngelium £ucä (14, 12. 13) bie ^orte (£^nftt: ,SBenn bn
bada^ttag«> ober9[benbeffen i)ä(tft, fo labe nt(i|tbeine^eunbe,
auc^ nic^t beinc örübcr, auc^ nic^t bcine ?(nöcrtt)anbtcn, auc^
nic^t reidje 9Za(i)barn, ouf bo6 fie ntt^t bid^ toieber laben
unb bir'iS öergolten tüerbe. äöcnn bu aber ein „@aftmal)l'*
öeranftalteft, fo lobe 5Irme, Ärüppel, ßa^me unb S)Unbe';
benn ^ier ift ja nifi^t Uoi bad SBort ,<Skiftma^r fo gebtanc^^
fonbern ed ift im iTnfang fogor ein minber feftlic^er 9btd'
brucf, jSJhttags ober 5l6enbeffen', gebraust, unb erft, rtenn eS
fic^ um bie (Sinlabung ber ^rmcn unb Krüppel ^anbelt, erft
bann loirb bag SBort ,(5iaftmal)l' gebraucht. ©d)eint eg bir
nt^t, ald kooUte (^^riftud anbeuten, ba| bie (iinlabung ber
Urmen nnb ftrft)>tie( id(|t blo^ bad fei loaiS mir t^nn foUen,
fonbern pgleic^ etmad meit S^ierlid)ere^, aU mittägig ober
abenb§ mit grcunbcn unb ^Permanbten unb reirf)en Skdibarn
gu fpeifen; baft man bie§ nic^t ein QfJaftmaljl l)ei6en bürfe; benn
bie Firmen eiu^laben, bad ^ei^e ein (ä^aftma^l ijalten. ^ber
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ic^ fet)e mi)l ein, imfcr ©^jrad^gcbraud) ift öerfd^tcben; benn
burc^ beu .ailgemeuien @))tacl^ebraud^ ift fc^on faft Dorge«
ffj^riebett, toer §u etnem <ikifiiiia^l gelabeit UKtben fofil: ^jfteuiiH
Stftbet, IQecuxitibte, tetd^e 9{a^6ant, tseU^e ed ,)Dett mad^n'
fdimen. S)tc d^riftlid^e ^(ett^fctt aber unb tl^r @prad§»
gebtQU^ nimmt genau; fie forbert nic^t blo% ba^ bu bic
SIrmen fpeifen follft, fonbem an6), bafe bu ba^ ein ,(Skift«
ma\)V J)eiBeft. SBenn bu jcbod^ in ber 2öirflid§feit bcS alt*
tägtid^n S^nd ftten^e an btefem ^pxaii^^m^ ^atoi
iDtEfi unb eS btx d^riftlid^ leine gteu^gültige @a(i^e f(^etnet,
unter ttjetd^em 9^amcn bic SKatifgeit für bie Slrmen gehalten
njerbe, }o mi\t bu üon ben Seuten üerlad^t n)erben. 9I6er
iai fic nur (aci^en, fie lachten au^ über Xobiag; benn bic
Übung ber S^äd^ftcnticbc ift ftet^ einer bop|)cUen ©efa^r
oudgefe^t, koie mir bei Xobiad fel^. S)er ^nig l^te bd
Xobedfirafe mbbten, bie Xoten jn Begraben; Xobiod ober
fürchtete ®ott mc^r benn ben ÄÖnig, liebte bie iBerftorSenen
metjr al^ baö 2eben: er begrub fie. tvat bie erftc
©efa^r. Unb al§ ^obio^ biefe eble %\^t ttjagte — ,ba öcr*
Iahten i^ feine ^oc^bam' (XobiaS 2, 8). 2)ad toar bie
anbere ^fo^. @o ber älSann, ber baS ^mo^I
Monfioltete; mein 8t(6er, fd^eint eiS btr nic^t, bag er rec^t
^abc? ©Düte aber nid)t ettraö anbereö gegen fein S3enc()mctt
einjuUjenben fein? S)enn, n}arum fo ftreitig hlo^ Sa^mc
unb Slrmc einfaben? toarum glei^jam mit ^ki% ja faft jum
Xro(, gfreunbe unb Sßertsanbte nt^t laben? er ijßttt ja bod^
ofle glei(| einlaben Üteinenl Unfireiäg; unb locnn er fo
eigenfinnig mar, fo tooüm toir ober feinen ^^ac^^^
gebraut^ nidjt rüt)men. 3m ^inbüd auf ba§ SSort be«
©oangeliumiJ ift ober hod) moljl baö bic a}?einung, bafe biefc
anbern nic^t fommen n)oUten. ^arum ^örte auc^ bie ^^er-
ttmnberung be« gfreunbed, ba^ er nic^ getaben toar, fofort
ntCTtctaatb, ttatten becSiifc 8
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auf, a(§ er crful)r, raaö für eine (^JefeUfdEjaft beifammen
gelüefen fei. ^ätte ber 9}iann ein ÖJaftma^t mä) beö greunbe^
@))racl^ge6rQU(^ gelten unb ben ^ceunb nic^t gelaben, bad
^filte btefet übet genommen; nun aber nol^m er m^t& übd, —
benn et nifire boti^ nid^t gefommen.
D, mein Sieber, bünft h'idj, boS 99orftc{)enbe fei nur ein
SBortftrett um ben ©cbiaud) bc§ ^lu^brucfs^ „®aftma()l" ?
Dber ficl)it bu nic^t, bafe ber ©treit fic^ um bie dläd)\ttn-
liebe brel^t? ^enn toet bie Firmen fpeift, aber bix^ nit^t fo
Ute! öber ftd| mmag, bog er biefe @))eifung ein (Saftma^t
nennt, ficl)t in ben Urmen nnb bringen nur bic Slrmen
unb (Geringen; ber, melc^er ba^j „(i5aftiuQl)(" ueranftaltet,
fie!)! in bcm Firmen unb Geringen ben 9lärf)ften — toit
läc^erlid^ bieö avi6) in ben Singen ber SSelt fc^einen mag.
^enn ad^, ed ift ja nic^t eben feiten, bag man bie fßkit
über ben nnb jenen fOttn^ä^m flogen ^ört, er fenne feinen
©rnft; bie grage aber ift, toa^ bie SBelt unter @rnft
t)crftel)t, ob fie baruntcr nid)t fo ungcfäljr ben Umtrieb in
irbifcfieu ©orgen öerfte^t; unb bie grage ift, ob nidjt bie
SBelt bei biefer SScrtoed^felung öon Srnft unb ©itelfeit tro^
i^red (&m\\& immer nod^ fo fd^er^^aft ift, ba^ fie beim ^n«
bticf beiS im ^öd^ften ©inne (Smften (b. ^. beim SCnblid^ eined
iD^enfdien, ber @rnft bamtt mod^en moötc) ... bie ^xa^t
ift, ob ba biefe SSelt utd)t gan^ uniniüfürlid) in I)clleö
Iöd)ter auäbrec^en tt)ürbe. ©o ernft^ajt ift bie SBeltl äBcnn
e§ burd) bie monnigfac^e unb mannigfad) jufammcugefe^te
SSerfd^iebenartigfeit ber ^eitU^n ^erl^&Itniffe nic^t ebenfo
erfc^ert tt^ürbe ju fe()en, ob einer ben S^ftc^ften Uebt, tote
e§ firmer ift, ben „2)?enfd)cn" ju fel)en: fo l)Qtte bie SSelt
beftdiibig *5toff genug jum Sadien tjorou^gefc^t, baf] eö
eine t)inlänglid)e Sln^ol)! oon foldjcn gäbe, bie ben S^äc^ften
liebten, ^en Släc^ften lieben ^eigt, inner^lb feiner befon«
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bcrcn jcitlic^ctt Stellung, ioie fic einem ongetotcfen ift, tuefent*
fftv jebett äRenf(^ii itttbebtitgt gteid^ ba §u fein. SSBenn
einer feiner oudge^etc^neten irbi[c^en @teQung ent[prec^enb
öffent(id) nur für anbere ba fein w'xil, fo ift ba^ ©to(§ unb
5(nmQBuiii]; bic ffuge Srfinbiing aber, c^ar niefit für anbere
ba 5U fein, um in bei ^^erborgen^it, im Greife t)on feined»
gletd^, bie Vorteile feinet Stellung %u genießen, ift feiger
8eibemo(, ^ter mie bort, ift eine 3n)ief))&(tig!eit; tt»er
öfter ben ^^ocfiften Hebt, i[t in fic^ rut)ig. @r ift babnrti^
jur 9iul)c gcfommcn, baft er mit ber it)m angcmiefenen
irbifc^cn ^Stellung, fie mag nun Dornet)m ober gering fein,
aufrieben ift unb im übrigen jebe ^eitlic^ Ung(eid)t)eit befielen
imb gerabe bad gelten Ift^, für tood fte in biefem Beben
gelten fott nnb borf. ^enn bn foKft btc^ nid)t gelüften laffen
beffcn, tt)o§ bein 9uid)fter l)at, nid)t feinet Sßeibeö, nicf)t feinet
©fcl^, unb alfo aud) nidit ber il)ni Vergönnten ^>ür5üge im
i^ben; finb fic bir öerfagt, fo foüft bu bic^ boc^ bar über
freuen, bajs fie i^ jugeftanben finb. @o ift ber ^ur 9lu^
getommen, ber ben S^&c^ten liebt; er toeit^t nic^t feige bem
8Wäcf)tigeren ou§, fonbem (iebt ben IRödjften, aud^ niefit Dor»
nefim bem Geringeren, fonbcru liebt ben ^Juidjften; er münfdjt,
mefentlid) für alle DJ^enfdjen gteid) ba fein, ob er nun in
2Birflict)feit oon nicfen gefannt ift ober nidit. ^eine ^c^toingen
^ben alfo unleugbar eine bebeutenbe ^fianntDeite; er über«
fliegt aber nid^t in ftol^em gtuge bie fBelt, fonberti tt»5^It in
8e(bftucrleugnung ben bemütigen unb fd^mtertgen 5^"9
ber drbe fiin. @8 ift oicl leidjter unb meit bequemer, fiefi
burc^d hieben burc^^uftefilen, fei eö fo ^^^orne^mer in öor*
nd^mer QuxüdQ^o^tnl^it, ober aU ein (S^eringer in un bead^
teter @tiüe; ja man lisnn, ttne feltfom ed auc^ ift, mit biefem
(etfen Huf treten fd^tnbar fogor me^r oudrid^ten, mei( man
fic^ nämlic^ uiel loeniger bem SBiberftaube au^fe^t. Db e^
8*
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ober aud^ noe^ fo angenehm \üi gleifc^ unb ^lut fei, bcm
SBStbcrfiattbe aud^utoeici^n: gmid^t cnu^ in ber ^obeSftunbe
Smn ^rofte? 3n bet Xobc»fbmbe ifi ho^ bod emsige %x6^
bag man td^t oud^etotd^en ift, fonbetn aitöge^Iten ^at.
SBa^ ein 9J?enf^ au^ridjtet ober nid)t auSrtd^tet, ftel^t nic^t
in feinet SJkc^t; er regiert ja bie SBelt nid)t, er i)at einzig
unb allein ge^rd^en. ^eber t)at ba^er aEererft ({tatt
Sn fragen, toai^ fftr eine ©tednng tl^m am 6equentften nnb
tod^ Ser^inbung fftt t^n bie tiortet^aftefte fei) ftd^ feQpft
auf bcn ^unft ftellen, too bie 9^egtcrung i^n brauc!^
fann, fatlö e-3 ber 9f?egierung fo gefallen foüte. tiefer ^^unft
ift eben bie Siebe gegen ben 9^äd)ften, ober ba§ er toefentli^
för QÜe i)^^enfci^en gtetd^ ba fei. Seber anbere $un!t bringt
in 3^\paü, tok tnnctetl^ft nnb Bequem unb fd^bar
Bd)entettb btefe (Stellung aud^ fein mag; bie SHegierung fann
ben nid^t brauchen, ber fid§ ba t)ingeftettt f)at, benn er befinbet
fid^ ja gerabe im ^nfruf)r gegen bie ^^cgierung. SGßer aber
jene überjc^ene, jene üeradjtete unb oerfdjmä^te, rid^e
©teOnng einna^, o^ne fid^ an feine trbifd^ ©onbecfteQniig
ansuKammem, o|ne mit einem etn$e(nett SRenfd^en ^ßotiä
§n mad^cn, um für jeben 9)<^enfd^ toefentlid^ gleic^ ju fein:
ob er auc^ md)t§> aiii?rid)tete, ob er aud} bem §o^n ber
(Geringeren ober bem ©potte ber 3^orne^men, ober bem §o^u
unb (Spott bciber auggefe|t mürbe, fo botf er bod^ in ber
XobeipHinbe tfdftenb p fetnet @ee(e fagen: ^obt boiS
Wlmt Qttfym; ob id^ ettoai^ andgerid^tet ^abe, U>eig i^ nid^t
ob id) jemanben genügt l)abe, mcift ic^ nidjt, ba§ ic^ aber
für bie 9J?enfi^en ba tuar, baö tüci^ idi; ic^ toeit es baoon,
bag fie mid} oer^öt)nten. Unb ba^ ift mein Xroft: td^ merbe
ni^ bod (ä^immd mit mir tM^ (imb ne^en, ba6 kl^ um
guter, ttttgeflMer nnb btßßumn Xoge milhtt bie ScmMmbt«
f^aft mit «iteiieitflRenfc^en i^eitengnet ^abe, mit benOkringen,
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— 117 —
um in DmoK^mcc gi^dkf^ogen^eit p leBeiir ^ ben Sot>
Rehmen, um in titdm%mtc Unbemerft^ )ti leben." SBemi
bagegen ein anbewr mit anbem ^attei maäjit itnb boimtil|
mcl au§ricf|tct, bajs er nic^t für ade 9J?enfd)en ba ift, fo feJ)c
er fid) tüot)l üor, ba^ bcr 'Xob il)m fein Sebcn nicf)t üeränbere, *
koerni er i^n an bie ^^erantmortung tna^nt ^enn tuer bad
Seine t^, nm bie SRenfci^, bie (Hesingen ober bie l@in>
nc^en, onfmccffiim }n mcu^en^ inetle^venb, l^nbebtb^ fitebeiib
glei^mä^ig für dlle ba mt, fyit eS ni^t beiontMrten,
luenn bie 3)?en)c^en baburd), bafe fie it)n öerfotgten, geigten —
bafe fie Qufmerffam geuiorben lüoren; er \)at eö nid^t jn üer*
anüoorten, nein, er l^atfogax genügt, benn bie ^ui^tbebingungr
ttemt t0it gefdcbect loetben foOen, iß allezeit tm oEem,
ntfl wir Oufwetifdm metoen. scotx wkx feige wxt innerpcuD
ber ^c^cibemanb feineö befonbcren ÄreifeS ftd^ bewegte, too
er fü gar öiel au§rid)tetc unb fo mand)e 35orteiIe gettiann;
tper feige bie ^enfc^en, bie (Geringen ober bie ^ornel^menr
mä^ ottfmerffam ^n mod^ migte, I9ei( er ba^ bet
IRettf ^ Snfmerffdmfeit ein ^loeibetttigeiS Out fei — koemt .
man anberft ettoad ttn^red mitzuteilen t)at; tuet feige bei
feiner gerüt)mten SBirffamfcit fidj innerhalb ber ©renjen
f)ielt, luobnrd) fein pcrjünlic^eö 5(nfe{)cn gebedt luar: ber i)at
]u oerantiporten — bag er ben 9Mc^ftcn nic^t geliebt ijat.
&mn ein fold^ fagen mollte: ja tooA tarn e9 ^Ifen, fein
einem fb((l|cx äJ^ofißab angutegen? fo mfttbe i^
i^ antmorten: unb nxid !ann bit benn loo^I biefe (&tibf
fc^ulbigung in ber ©migfeit l)elfen? 2)enn ba§ ®ebot ber
©roigfeit fte()t unenblic^ ^öt)er alö jebe noc^ fü fhige ^nU
ft^utbigung. 91i(^t ein einziger Don jenen, bie bie Otegierung
IBeri(|enge im S>ienfte ber S93al^r^t brau(^ (unb tm
torilen ni^ kiergeffen, M foQ unb mug jebet Wim^^ fein,
gum mitibeften foU er fein 2eben borauf einrid^ten, bag er
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cö fein fönnte), \)Qi jein Sebeu anberS eingerichtet aU \o,
bog er für jcben 9)2en|d)en gleidi ha toax. ^ein fotc^er l)at
je mit ben (Geringen ober je mit ben iBorne^men Rottet
gemod)t: jeber mar gleichmäßig für ben SSome^men unb
gleichmäßig für ben ©eringften ha. SBohrlich, öffctn burch bie
Siebe gegen ben ^Mchften fann ein 9}?cnich bos ^^ödjfte aus-
richten; benn hai ^öchfte ift, ein SQi^erf^eug in ber $anb ber
Regierung fein fönnen. Seber ober, ber, ttjic gefacht, fidh
auf einen anbem $unft gefteUt ^t, jeber $arteimenf(h mit
feinen ©onberintereffen, ob er nun bod ^aupt ift ober eben
auch mitthut, er i^ai felbft auf eigene Slcchnung regiert, unb
aU fein (Srfolg, aud) Ujenn er eine SSelt umfchaffen ttjürbe,
ift cijie ©inneötäufdjung. @r ttjirb beffen in ber ©njigfeit
auch nicht fe^r froh koerben; benn ed mag n)ohl fein, bag
i^tt bie 9iegierung benu^te, aber fte benu^te ihn leiber nidht
atö SBerfjeug; er mar ein @igenmilliger, ein ©elbftfhiger,
unb baö Streben eines )ülct)en benu^t bie ^Regierung aud^,
inbem fie feine mtif)fame ?lrbeit für fleh in ^injpiiid) nimmt,
nur fo, bafe fein Sohn bahin ift. — SBic lächerlich, mic
Ihinberlidh, tok un5mecfm&gig bie Siebe gegen ben Sldchften
in ber SBelt au^ f (feinen fann, fie ift bodh
ein iD^enf^ auszurichten tiermog. 9>ad $ od) fte aber h^t nodh
nie gan^ in bic ^erhältniffe beS SrbenlebenS hineinge))a6t;
eS ift bcibeg, 511 menig unb jn üie(.
^etrad)te einmal bie ^elt, bie in aE ihrer bunten
äftannigfaUigfeit Dor bir ba liegt; ed ift, mie menn bu ein
@^uftrie( ftehft, nur ba| bie SRannigfatttgteit meit, meit
gr5|er ift. Seber einzelne üon biefen Unjähligen ift in feiner
Scfonberheit etmaS S3eftimmteS, fteÜt etnjaS ©eftimmtcS öor,
ift aber mefcutüch etftjaS anbereS; boch baS betornrnft bu
hier im Scben nid^t ju fehen, h^er fiehft bu bloß, maS ber
(i^n^etne iiorfteUt unb mie er bad mac^t ift mie im
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©d^aufpict. SBenn ober auf bcr öu^nc ber SSor^ang fällt,
fo ift ber, njelc^er bcn Äönig fpicitc, unb ber, njetd)er ben
Settter f))ie(te, unb fo fott jebec etn^etne, fte finb aUe gtetc^
tntl, aUt ein unb baSfetBe: @^aufpte(er. Unb loenn im Xobe
bcr Sßor^ang uor bem (S^aupfa^ bcr 9Birf(i(^fett gefallen tft
(bcnn ift ein üeririrrenbcr ?Iu§brucf, tücnn man fagt, im
5(ugenblicf beg Xobeö toerbe ber !i8ort)ang t)or bem ©d^au*
))Ia^ ber ©toigfeit aufgejogen, ba bod^ bie ^tg!eit fein ©c^au«
))ta| ift, fonbem bte S^a^r^t), fo finb auc^ aOe etned, fte
ftnb SRenf^en, rnib finb oQe ba8, toaS fie toefentltc^ toaren,
tt)Q0 bu ober toegen i{)rer Sßerfc^iebenl)eit, bte bu fat)eft, nid^t
fal)ft, fie finb 9J?enfc^en. ^er ©rfianpfa^ ber i^unft ift mie
eine öer^auberte Sßelt; benfe bir aber, ba^ eineg 5Ibenb^ burd^
eine allgemeine ^iftedftömng aUe ^aufpielet bie ftse 3bee
befämen, fte feien mirSid^, xocA fte borfiedten: mflgte man
nid^ biefe ^er^onBernng, im ©egenfa^ 511 ber SSet^uBetnng
tvLxd) bie iiunft, auf einen böfen ®eift gurücffül^ren unb eine
S^erliejung nennen? Unb fo auc^, loenn in ber ^^er^aube-
cmtg ber ^itflic^leit (benn toir finb ja alle öcrjaubert, in=
bem iebec bon uni^ in feine 8efonber^it ^ineingebannt ift)
ber i^mnbgebanfe ftd^ für und bermirrte, f 0 ba| mir meinten,
nnr feien toefentlic!^, toaft mir borfteDten. 3ft bad aber ntd^t
gerabe ber goH? fcftetnl nergeffen, bafe bie irbiidje 33e*
fonbert)eit bloß tüie beö (5d)au[pieler§ Äoftüm, ober bio^ mie
ein 9teifeanjug ift; ba^ jeber für fic^ getoiffen^oft barauf
Sebac^t nehmen foQte, ba^ bie Sanbe )ur Sefeftignng bed
DBergetoant^ nur todEer gefnfi)>ft feien unb Befonbecd ber
^opf freigetaffen bleibe, baronf, ba| bie S^Ietbnng im ^Engen»
blicf ber 5>ertt)anb(ung mit !^eid)tigfcit abgemorfen luerben
fann. Unb bod), fouiel üerftel)en lüir alle uon ber i^unft
boc^ nel)men n^ir ^InftoB baran, toenn ber <Sc^aufpieler im
fütgenbtid ber ißenoanblung sur ttblegung ber Oberfleibung
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erfl üüit bcr 33üt)nc laufen müfete, um bte 93änber (oäju^
bringen. Sm Seben ber SBirflic^feit aber fd)nürt man tciber
ba^ 06ecgeb)anb ber ^efonber^eit fo feft, bafe bamit gatt}
twcbecEt trnrb, ba| bte IBefonber^tt bad jDbetgemanb ifl, loett
timere l^errlic^t nie ober gor fetten but^«
fd)eint, mie fte bod^ beftänbig foütc unb müfete. ©cnn be^
©^aufpiclerö Äunft ift bic, täiifdjen; bic Äunft ift bie
^äufc^ung« bte Xäufc^ung fertig bringen ba^ &to}^, fi(|
tdttfc^ ^n laffen bod cbenfo ©roge; bamm barf man ben
®^(ianf)»iei[ec tm^ bte S^erfleibnitg l^nbnrd^ gerabe nif|t
fei)en fdnnen nnb motten; botnnt tft e9 boS 9)>?eifterftü(f ber
^m\]i, mcnn ber oc^aufpieler mit bcm, maö er DorfteUt,
ganj ein^ njirb, mii bae ber Iriumpl) ber 'Xäufctjiinß ift.
S)c§ Sebent Söirflic^feit aber, ob fie auc^ nic^t wie bie i^ioig*
fett bte aBa^c^ ift, follte boc^ bon ber SBa^r^eit fein, unb
barnm foHte boc|| Beft&nbtg buv^ bte Serftetbnng bod anbere
b«rd)fc^einen, n«8 jeber ttiefentlid^ ift. Setber aber ttjöd^ft
in bcm njirflic^en Seben ber (Sin^elne im Saufe ber Qät me(}r
unb met)r mit feiner öefonber()eit jufammen, mätjrenb hod)
baCi 2Sarf)c^tiim im ©inn ber (Smigfeit nmgefe^ct barin befte[)t,
ba| ber (S^in^elne fetner mit i^m bemNi<|fetten 8efonber^it
entn^d^t; too mä^t, fo ift er im @inne ber (Snngfeit eine
SRifegcftalt. 3n bcr S®irflid)fcit toftd^t ber ©njelne feiber
fo mit fetner S3efonber^eit ^^ufammen, ba^ ber Xob äute^t
©emalt brauchen muß, um fie it)m ab^ureiBen. — ®oc^,
ttjill man in SBat)r()eit ben S^iäc^ften lieben, fo mufe man jebcn
$(ugenbtül fic^ büonüt bleiben, ba| bie üBefonber^eit eine
iBerfCetbnng tfi ^totn, nne gefagt, ho^ ^^riftentnm towllte
md^t ftürmifd) brcin fahren, um bte Unterfd^iebc, ben ®egen*
fa| oon oornel)m unb niebrig ab^ufdjaffen, aud^ l)at e§ nirf)t
in meitlidjer SBeife eine toeltlic^e Übereinfunft treffen moüen,
um bie Unterfc^iebe attd^ngleic^; oielme^r mtU d^, bie Utttei>
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fc^iebe foQen io^ unb locfer bem (Sin^elnen on^ngen, lofe
mie bet Wtcaxtd, ben bie ä)i{aieftdt abtoirft, itm p sdgen,
»er fk ift; lotfer tme bte ärmltf^ ^fiOe, in ber ein über«
natftrt^ed Sßefen ft(i^ tierlleibet i)Qt. SBenn nörnltc^ bte
öefonberljeit fo lofe uml)ängt, )o jdjeint bcftänbiq in jebem
(^in^elnen jeiieö tüefentlic^ Anbete burc^, boö für alle (Gemein*
fame, ba& etotg Qi^Ieic^e, bie ©leic^^eit. S^enn e$ fo luöre,
tDenn jcber (Stnjetne fo lebte, fo ^tte bie geitUd^Ceit i^r
^öc^fied eneid^t. SBie bte <£ioig!eit lann fie tiic^t fein; aber
bicfc ertoartwngi^bofle geierlid^fcit, bie jeben Xog, of)ne ben
©ang be^ Sebent auf^uljalten, burd) bag @n)ige unb burd)
bie ©(eic^^it ber (Stoigteit njieber neu n?irb, jcbcn Xag bie
@eeU t)on ber ^fonber^eit befreit, in ber fie boc^ bleibt:
M lodre ber %bglaii) ber (^gfett. S)a fdniiteft bu in
bed Sebent 9Birnid|Ceit ben |)errfc^er fel)en, freubig unb e^r«
erbietig it)m beine ^ulbigung barbringen; bu fönnteft aber
bod) in bem §errfdier bie innere $errüd)feit feljen, bie ©Icic^-
^it ber ^rrlid)fcit, bie oon feiner äufeeren glänjenben ®r*
fc^tnung nur oer^üttt ifi 2>a iDürbeft bu mf)i ben ^ttler
fe^n, tneOeici^t in Xraner um i^n nie|r leibenb aU er, aber
bu mfirbeft boc^ in i^m bie innere igerr(id)feit, bie (8ll^f^
ber ^errtic^feit fel)en, bie burc^ bie iiumpcn uorbccft niirb.
Sa, ba iDiirbeft bu ben 9^äc^)ten fc^cn, ml)'m bu bcin ^^[iige
richten hjoütcft. ^enn eg giebt, unb feit bie ÜBelt ftet)t, gab
ei$ feinen äRenfd^n, ber im felben @inne ber i^äd^fte koäre,
nne ber ftdnig ber ftönig, ber (S^ele^rte ber <Skte|rte, bein
Senoonbter bein tBertoanbter, b. ^. im Sinne ber SBefonber«
l)cit, ober, wo« baöfelbe ift, im «Sinne ber Unglcic^l)eit; nein
jcber äJ^enfd) ift ber 9?äd)ftc. ©ofern mir Stö\\\% ©ettler,
(SJele^rter, reic^, arm, SD^ann, SSeib u. f. to. finb, gleid^en toir
einanber nic^; baburc^ finb tt>ir ja gerabe bon einanber Oer*
fc^ieben; fofem ttiir aber ber JR&dfiit" finb, finb loir alle
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tinanbcr unBebingt gletcf). 2)ic Unglcirfjljcit ift ba§ 58crs
tüirrenbe in ber ^^'it^icijf^-'it, fte jcic^net jebeii äWenfc^en loiebcr
anberd; aber ber 9?Qd)fte ift baS S^^^^" (Sioigfeit —
Ott jebem a^enfd^n. Sltntm knele üftogen ^ßat^iec, fc^cetlbe
auf jebed ein^Iite Olott tmebet etmad atibew^, fo gleicht ba^
eine bem anbcrn \nd)t; nimm bann aber luicbcr jeben ein*
jetiten SBogen, laft bid^ burc^ bie üerfc^iebenen ^lufjeidjnungen
bacauf nidjt ftuteu, l^alte )ie and Sic^t, fo fieljft bu ein
ßemeinfamei» geic^ an aHett IBogen. Unb fo ift ber Miäfik
bad gemeittfame'3^t(^; ^ ^ ^ ^ ^^^i^
ber (Smigfett, toemt ei^ burii^ bte tlngletc^fietten bnrdjfd^eint.
t)?ein ßieber, barüber fann gettiif? fein 3^^^if^^ f^^^^
bir bag ^err(id) bün!en muB, bafe eig bir beftänbig fo tiorfnm,
fo oft bu in ftiUer (Srt)ebung ben ^ungfeitdgebonlen toaiUn
liegeft ttttb bu| ber IBetroc^tmig l^tngabft — ttemi bit ititr
tefed IBerfühtbrn» ni^t Blog ouf mfionb fyi^tl 0 foOie
bir ba« nid^t fo f)errüd§ fc^einen fönnen, bafe bu für bcine
?Perfon biri] ju biefem öunbe mit ®ott entfd)(öffeft, mit i^m
^ufammen^u^Iten, um bieient ^erftänbni^ treu gu bleiben,
b. ^. um in beinern Seben oui^jubrücfen, bag bu mit i^m
btefed l^erftftiibmd aU bad einzige fefi^t, tocA bir an^
um fetnetmUIen im SeBen uriberfa^ren mdge, ja ob ed biii^
Ottd^ baö öcben foftete, bafe bu bod) mit ©ott beinen
©ieg über alle .^ränfimg unb Unbill feftljalteft! Srinnere
bi(^, bag ber, meldjer ertt)ät)(te in 2öa^rt|eit ba§ ®ute ju
tt»oKen, um in SBa^r^it eined 5U tooUtn, bag er biefen feiigen
Xroft 1^: man leibet nur einmal unb flegt eitrig. — @te^,
ber l^id^er tt)ei6 Diel öon ber 9GBei^e ber ßtebe %n rcben,
ftetc^e ücrebelnbe Wlad^t e§ auf einen 2}knfci^cn ausübt, bafe
er oerliebt tourbe unb oerlicbt ift, ttie fte fein ganje^ Söefen
t)er!(arenb burd^bringt; er mod^t einen l^immelmeiten Unter»
f(|ieb surifd^ bem SBerliebten unb bem, ber nie bte bec«
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tüaubelnbe 9}?a(^t bcr Siebe erfu^ir, D, bie lua^re 2Bcif)e
ift boc^ bte, ba| matt oUe gorbentngctt and ikbtn, aUe ^n«
ftirfid^ auf Ttatl^t unb unb SotteU btan giebt; a(fo
toitflic^ alle gforbcrungen — ber Siebe unb greunbfd^ft
^iixd gel)ört aber gerabe ju ben größten gorberungcn —
baran giebt, um ju uerftet)en, tueld^ unnelicure gorberung
©Ott unb bie (Stoigfeit an einen felbft madjt. 2öer biefcÄ
UBecftönbttid anne^ett totOy ift auf bem SBege, ben 9l&ä|ften
5tt lieben. (SineS SRenf^en Sieben beginnt mit ber ®van^
tftufcl^ung, aU liege eine (onge, (onge Qtxt unb eine ganje
SBcIt t)or \l)m fernhin auögebreitet; er beginnt nüt ber bumm-
breiften ©inbilbung, ba^ er e§ fei, ber nun fo gut 3^^^ ^abe,
fo manche gorberungen ju fteÜen, bie er {)at; ber SDic^tet
ift bei: berebte unb begetftevte ä^ertraute biefet bummbreiften,
abet fd^önen (Sinbilbung. SBenn aber bann ber SD^enfd^ in ber
uncnbric^en SBcränberung ba« (Sttnge fo nal^e bei cntbccft,
baB i()m nicJ)t eine einzige gorberung, nic^t eine einjige 5tu§«
flucht, nic^t eine einzige ©ntfc^ulbigung, ni^t ein einziger Slugen^*
bücf ba§ in ?lbftanb rücfen fann, roa^ er in biefcm 9^u, in
biefer ©efunbe, in biefem ^igen ^genbüd t^un fott, fo ift
er auf bem SBege, ein (S^rtft ju tnerben. ä^an fennt bad 5Knb
baran, ba^ eiS fagt: 3c§ loill, tc^, — td); bie 3ugcnb baran,
bo§ fie fagt: 3cJ) — unb id) — unb irf); ba§ ^enn^eid^en
ber Oieife unb bie SSeit)e beä (Steigen ift e^, bafe ber Wltn\6)
Derfte^n toxü, biefed ^ ^abe nid^ts 5U bebeuten, teenn eiS
nic^t jum ^u ttrirb, ^u bem bie (Smigfeit unauf^rlic^ rebet
unb fagt: „^>tt'' f oltft, bu fottft, bu foOft. 3>ie Sugenb M
bog einzige in ber ganjen SBelt fein; Steife ift cg, biefeö
^u öon fic^ felbft ücrftet)en, teenn aud) ^u feinem
einzigen anbern 9D^enfc^en gefagt mürbe. 2)u follft, bu foUft
ben iRöc^ften lieben. D, mein Sieber, nic^t bu bift eiS,
bem id^ rebe; if^ bin% p bem bie (Smigfeit fagt: ^u foUft.
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ni. A.
Die £ube xft bes (Sefe^es (ErfuUuit).
mmtx la, 10: ^ie Siebe mt Dem 92QC^itett nii^tö m\t&. ^ tft
Win (ir eifie M akfc%nS dfföatiiw.
^(^erjprec^en ift et)rlic^, polten bcfcl)U»crIid)" foqt ba^
"^•^ <£prtc^rt)Drt; a6cr mit tüclc^em Diec^t? Cffenbar ift
bo^ ha^ ^Utn bad (S^xivä^, unb ba faitn bad @|)n(i^
»ort red^t fyihen, ba^ baS ^Iten bod (S^rltc^e ittib jugleid^
bag ©cfd^tuerli^c ift 2Ba8 tft*« bann aber mit bcm S5cr*
fpred)en? ^ag <Bpx\6)Xüoxt fagt ja nad^ ber oon un§ gegebenen
■ ©rflärung nic^tg baüon, wag eg ift; üieüeid^t ift bag ^-l^cr*
fpred^en gar nid^tg; üieUeidE)t ift e« menigei aU nid^tö; t>kU
Uidnt toantt ba« ©^lic^ort fogat not bem fßttipuifyM, a(d
toollte <« fagen: üerfpictc leine 3^ wit bem Serfpred^en,
bog galten, melc^cö baö ©tjrlic^e ift, mad^t fi^ fcf|toer genug.
Unb tDatnIid), boö il>erfprcd)en ift iiod) lange feine (5f)rnd)feit,
auc^ aenn eg burc^auS nic^t unet)rltd^ gemeint ift. (goQte
cd nt(^t Qttc^ bebenlUc^ fein, bag man baS ,,!i8erfprec^en''
Kel^vlic^" nenntr bebenKid^ in etnec äBelt, bie ffilfd^Iid^ fo uiel
berfprid^t, in einem ©ef^Iec^t, bo« nur %n geneigt ift,
oerfprec^en unb ct)rHd) bnrd) ii^erfprec^en fid^ felbft be*
trügen? follte nid)t bie @l)re beg ©pric^ttjortö felbft auf bem
@piel fte^en, ba ja ein anbetet <Bpxid)mtt, bod äBelt unb
3Renf(^en and^ fennt, au« (^fa^rung loeifs, ba^ ,,entle^t
®tih**, totan e« — oecf)nrod^nenno^en jiudUfb^lt nncb,
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„gefunbeneß (^üh" ift? @t)er bürfte man ba« qcrabc ®egen*
teil be^au))teii, baB „^^erfprec^en eine Unet^rlic^feit jet/'
totx boc^ oimeliiien bfirfen, ba| cd giecabe ber toa^ren Xreue
dgeit ift, feine tBerf)nce^|ttitgc» ^ nad^, feine geit auf
iBerf^nred^ungen i)erfcf)tt>cnben, nid^t fid^ felbft hnrd^ bai»
SB€rfj)rec^en fc^meid)eln, \nd)t boppelte Seja^Iung ju forbern,
jucrft für bo§ ^erfpre(^en nnb bann für bie Erfüllung bc^
^Nerfprec^en^. jDoc^ am ollercrftcn mufe man bic 5(ufmcr!*
famlteit etQ|i0 mib entfd^teben mtf bod ^ten gen(|tet fein
laffen, inbem gletd^fam ^nr (Einieümig ber ftnfge{)obene ginget
bcg ©rfa^renen üor bcm 9Serfpred)en loornt.
3n ber f)eiligen ©c^rift (Slkttl). 21, 28—32) finbct
fic^ ein (^k\6)m^, baö nur feiten im ©otteöbienft angezogen
tmh unb hod) fo U^et^ nnb fo auftoedenb ift 3Bir n^oUcn
cttiMd bei i^m bcimilen. ^(Stn äRenf^^ ¥^ ©i^m;"
^tevtn g(ei(l|t et jenem S^tet bed Detfovenen &ofpM, bet
aud) snjet ©öl)ne l)atte: ja bic ®leid}l}cit ^ti^ifd^ biefen jtoei
Ü>ätern ift noc^ größer, benn ber eine ®ot)n be§ 3^atcr8,
üon bem äRatt^. 21 bie Siebe ift, mx auc^ ein t)erIorener
»ie ütc and bcc 6K|&^n0 ^rcn loetben. 5Der IQoiec
»0tng sn bcm erften nnb fc^: »ein ge^e ^in nnb
otbetle ^ente btaugen in meinem SlBetnberg. ^ ontniorlete
aber unb fagtc: id^ toill nic^t: bamad^ aber reute e^ iJ)n unb
er ging t)in. Unb ber 33ater ging jum anberen unb fagte eben*
fe. (Sr aber anttt>0(tete unb fagte: ^vx, iä) toiU, unb ging
»d^^ lilSelcl^ mm bief en beiben bcd l^eia^
fBStc fflnnen bie t^rage aud^ fo fidlen: ^toetd^ mm biefen
beibcn toar ber ücrloreuc 9of)n?" 2)od§ toot)l ber, welcher ja
fagte, er, ber ®el)ür)amc, ber nid^t btofi jo fagte, fonbern
fagte: „^txx, ic^ toiSi", toit toenn er feine unbebingtc, ge»
^rfante Untenoerfnng unter hc& UBaterd Söiden bctoeifen
iMtte? S)i4 M^I ber, ivebl^ ia fagte, er, ber in alte
Digiiizeci by GoOgLe
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Dcrlürcn ging, |o bafe eö nic^t (dc^t fo üffcntunbig bei it)in
iinivbe iüie bei jenem Derlornen ©o()n, ber fein ®ut mit
^üun üergeubete unb enblid^ ^um @(^ii7einet)irten btad^tt,
a6ec am (Snbe auc^ toiebei: getoonnen tourbe? berlorene-
@o^n ift bod^ too^I bei, todä^ ja fagte, er, ber ienem
SBruber be8 bertonten ©ol^ncS auffallenb gleid) fiel)t; beitn
tüie bcffen (^kredjtigfeit im ©nangclium ucrbäd)tigt mirb, ob*
gleid) er bod) fclbft fidj ben Ö)eied)ten ober ben guten ©ot)n »
nannte, fo ^at öicüeic^t auc^ biefer iöruber (njir l)Q6en ja
üt ber ®pia^ einen eigenen Sludbrud bafür), ber „3a>
6mber", fic^ fcI6ft für ben guten @ol^n angcfe^en — fagte
er ntc^t aud) ja, fagte er nid)t: „^err, toiU", unb — „^er*
fprcd)cn ift et)rlid)" fagt ja boö (Sprid)n3ort! ^er anbere
©ruber bagegen fagte „nein." ©in folc^eS 9Jein, baö boc^
bebeutet, bag man gerabe t^ut, 5U toa^ man nein fagte, fann
manchmal in einer nic|t unbegreiflichen <^onberbarfeit feinen
d^nmb l^ben. Unter einem fo gerabe ani t)ingen)orfenen
^fltxn üerfterft fic^ mand)mat bie auf (Srben lanbflüdjtige unb
frembe Slirlidjfeit; ob nun ber Dicbcnbe fo über unb über
genug baö Sa ^at ^ören muffen, baö nur bebeutet, baf3 man
nid^t t^ut, UKid man fagt, bag er fit^ baran gekoö^nt l^at,
nein ^u fügen, koo anbere fa fagen, um bann n^iebetum ju
t^un, bie Sabrüber getpig nid^t t^un; ober ob ber
D^cbenbc in forgüdiem 9J?if3traucn gegen fic^ fetbft einem
^erfpredjen au^^^meidjt, bamit er ja nidjt jn oicl uerfpredje;
ober ob er in aufridjtigem (Sifcr, ba-S ^ute ^u tl)un, ben
]^eud)lerifd)en (&d)ein eined ^^erf|)rec^en^ t)on fid^ abmf^im
to\SL ^od^ im @bangelium ift biefeiS 9lein aHerbingd fo ge«
meint, bag ed toirflid^ einen Unge()orfam bei^ ©o^neiS be«
5eid)net; er bereut ilju über unb getjt boc^ Ijin unb tl)ut be^
S^oterö Söiüen.
SBod toiü nun aber bad Ü^Ieic^ni^ einic^ärfen? ^oc^
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mt)i, tok QC}äi)t[\6) fei, [\d) mit bem Safagen §u über*
eilen, felbft »enn im 5Iugenblicf ernftlic^ gemeint ift.
S)cr SMtiiber tmxh md^t atö bec baigeftelUr bet ein S3e«
Mget iDttt, als er {a fa^e, abet aU ha, koeld^ em Settfiger
tourbe, tücU er fein ^-8erfpred)en nid^t l)ielt, unb noc^ ge*
naiier, a(§ ber, lüeldjer eben burd) feinen Sifer üerfprcdjcn
ein iöetrüger iuurbe, baö Reifet, für ben baiS ^erfpred^en eben
sunt fJaUftrtcf mürbe; ^tte er nic^ tKx\pxoä^, fo ^ötte
er iiieUetd^ ^ get^ ffiemt man n&nxlvS^ \a fagt
iVber ettwiS tjerfprid^t, fo betrügt mrni fo leicht fid) felbft unb
Betrfigt lcid)r and) aiibcrc, aU l)ätte man bcrcit^5 flctljan, n^a^
man üerfprad), ober ai^i Ijätte man mit bem ^Ncrfpvcd)cn boc^
ettoü^ üon bem get^an, man t^un ocrjpridjt, ober
ald märe bad 16erf))red^n felbft eüooi» $erbienftli(i^. Unb
loemt nton bamt bo(| ntd^t t^, )ikiS man t>erf)>ro(^, fo ift
ber SBeg fo (ong geworben, btS nton »ieber jurücf jur alten
2Bal)rl)cit unb and) nur nät)cr l)in 5U bem 3(nfang fommt,
boB man boc^ ein Wenig üon bem t^ut, toa^ man oerfprac^.
bad üBerft)re(l^ and^ufft^n, ipar t)ielleic^t fc^on um*
ftilttbltd^ gemtg; nun ift man aber burd^ ba$ unerfüllte ^r«
fprec^en in einen f oldjen ^(bftanb tion bem Seginn gelommen,
baS eine ©inneötäufdjuutj inög(id) ift. Tlan ift nunmelir
nid)t ttjeitcr, al?-^ man in jenem 5(ugenblirf mar, ba man bcn
falfdjen iföeg einfc^lug unb, ftatt bie 5(rbeit fofort anzugreifen,^
bnrc^ bad i^erffirec^en abf))rang. ^efen ganzen Umloeg muft.
man §urüil gel^n, betwr man mieber ben S(tti^angS)>unft
erreidgt. 5Der SBeg bagcgen t>om fagen, ber SBeg burd^
bie SKeue jum Siebcrgutmadicn, ift üicl für^er unb uiel
lcid)ter ju finbcn. ^aä oerjprcc^enbe Sa ift einfd)(iijcrnb,
bad auögefprod)ene unb alfo oon bem 99?enfc^en felbft ge*
^ftrte 9^ein aber ift aufn^ecfonb unb bie 9kue Dielleid^t nic^t
UMÜ tueg. CBer fagt: ^^err, ic^ toiQ" ^tim felben Kugen«
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hl\A ettte püt äH^emmig Don fh| felBft; toec nm fogt, »n^
faft bange um ftc^. liefet Uittcrfc^icb ift oBct f<^t 6c*
beutungöüoll int erj'ten ^(iigeiibdcf, unb fcE)r entfrfieibcnb im
näc^ften ^lugcnblicf; ber erfte lugenblid jebod) enthält ba§
QugenbUdUc^e Urteil, ber anbere ^ugenSItcf bad Urteil bei '
(Sloigitit d^kn bontm ift bte ^Bkit \0 geneigt ^ Set^
fpred^en, benn bod SSeftftc^e ift bod VugenblWtd^ mh em
SSerfprec^en nimmt fid) augenblirffic^ fo gut au0; eben barum
ift bie ©toigfeit mißtrauifc^ g^gen 93erfpred)ungen , tnie fic
übtif^upt gegen alleS ^tugcnblidlidje mtj}tiauijd) i)t.
genommen, eiS fei {einer ber ^rfiber ^gegangen, Seiner
bed SBtttetö Willen, f o ttKtt bod^ ber, toeld^r nein f agte, (pefUlnbig
nm fo bie( ber 9[ttiSfüt)rung beS o&terltd^ fötQenft nat)er,
aU er näl}er baran war, auf feinen Unge^orfam aufmerf^
fom gu toerben. (Sin 9^ein öerbedt nic^tg, aber ein Sa toirb j
leidet eine ©inneStäufc^ung, ein ©elbftbetrug, ber üon allen '
©d^erigfeiten oieUeic^t am fci^ioerftett ilbemmnben toirb. O, i
eS }!fk rmt an5un)a^r, bag „bev SSeg ^ur .^öUe mit guten
SSorfälen gepflaftert ift," unb gemife, baö ^lUergefä^rlic^fte
für einen 9J?enfd)en ift, toenn er burc^ gute 95orfa^e b. b-
burd) ^^er[prec^ungen rüdmärts^ tommt. ift fo fc^toierig
ju entbeden, bag ed toirflic^ ein SlUidgang ift SSknn ein
äRann einem bcs dtüäm snfe^ nnb ge^t, fo ift leiil|t
5u fei)en, bal er loegget)t; n)enn aber einet botanf tierf&CDt,
büfe er bem anbern, üon bem er fid) entfernt, fein ©efic^t
jumenbct, lüenn er barauf üerfäHt, rüdroärtß fid) p bemcgen,
n)at)renb er boc^ mit ^äene unb ^(id unb ^ruf ii^n gcü^
nnb immer loteber oerf id^, ba| er ie^t {omme, ober gor in
einem fort fagt, ^^ler btn obgleich er ftc^ me^r nnb
me^r rfidtoörtd betuegt: fo ift ed nic^t fo leicht, barauf anfi*
metfiam ^u luerben. Unb fo ift and) mit bem, ber reic^
Ott guten &r{(i(en unb fc^eH bereit ^u oerfprec^ fic^
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rücftoärt^ metjt unb me^r üon hm (^uten entfernt, ^urd^
^otfa| unb ^tt\px^n f^t er nandvä^ bte Stu^tttttg gegen
baiS (Sollte, ifi er bem ®ttteit sngetDonbt, imb iit biefer
Hltd^tung auf bad ®itte f)in g6f)t er bod^ rü(fko&rt8 toetter
unb tüetter öon iijin lueg. 9}?it jebem neuen 53orfa§ unb
S^erfpred)cn fiefjt e§ au^3, aU Ü)äk er einen ©djritt bor*
toärtg, unb bod) bleibt er nid^t nur nid^t [teilen, nein, er
mac^t toiirftid^ einen ©d^titt incitdL 5Der Vereitelte ^orfa^
ba9 unerffiHte Serfpred^en ^tnterlftgt einen äXKgmnt, eine ^er»
ftimmung, bie it)n tneHetd^t Botb nneberju einem noc^ feurigeren
SJorfag bringt, ber bio^ nod) größere 9J?Qttigfeit {)interlä§t.
SBie ber Strtnfer be[tänbig ftärferer unb ftärferer Erregung
Bebarf — um betrunfen toerben, fo braudjt ber, toeld^
fid^ auf i{krf|)re(^Uttgen unb $orf&^ einldgt, eine immer
größere Hufregung um prftd^ugel^n. fRx^t al^ rül^ten
toix bcn @o^n, ber nein fagte; nein, mir tootten nur öom
©oongelium lernen, toie gefäl)rtid) e§ ift •^u fogen: „iQtvx,
xä) (Sin ^^erfprecften ift im SSer^ältniö jum ganbeln
ein SBec^felbafg; man ne^me |id^ baöor too^ in ad§t. (Sbta
in bem SlugenbUd, m bad jHnb geboren unb ber SRutter
greube am größten ift, meit i^ ©d^er^ tiorbei, unb {ie t)or
greube gerabe üieHeid^t weniger aufmerffam ift, bo fommen
nad^ ber DJteinung ber 5(6ergläubifd^en bie feinbüdjen 9J?äd)te
unb legen einen Sßec^felbalg anfteHe be^ 5tinbeö unter. Unb
im großen, bedl^lb aber aud^ gefäf)rlid)en $(ugenblid beg
Snfangd, je^t tomt man beginnen fi>0, fommen feiuMid^
M&äjitt unb legen ein Serfpred^en atö iEBed^felbatg unter, in«
bem fie ben wirf lid^cn 95eginn l^intcrtreibcn ; tt)ie mond)er ift
leiber auf bieSBeife nid)t fdjon betrogen, ja luieüerljcjt tüorben!
@ie^, barum ift eö für einen 3)ienfdjen in aEen feinen
8^ief)ungen, bei jeber 5lufga6c fo h)id}tig, baß bie Hufmcr!*
famfett fofort ungeteilt auf bod SBefentUd^ unb bad (btU
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fd^eibenbe geridjtet iDerbe. <Bo ift e§ aud) bei ber Siebe
toü^tig, bag il)T in feinem ^lugenblicf Derftattet tDetbe, ettpod
attbeced %u fd^einm, ald fie ift, unb nid^t tixoa fogar biefer
©d^etii Mtfe|e mtb )itt 6d^(tnge toetbe; ba| bie iBieBe
fid^ ni^t 2J?uBe göirne }U bcr fd^metdE)terif(^en (StnBttbung, an
fid§ felbft i^re greube l^aben ju bürfen, fonbern fofort an ber
Aufgabe fei lutb t)erftel)e: jeber ^iigenbltcf juüor fei ein
öerlorener ^2(ugenblicf unb melir ald blofee Qdtott^mhimQ,
unb iebe anbete Wct, fu| dugent, tiuv $ße];)dgentiiQ mtb
Sftüägattg. ^9 eben ift audgebtftdt ht beut Sßorte mtfered
5bxt Siebe ift beiS^efe|ed (Erfüllung,
unb biefed SS^oit tooUen toir nun ^um (ikgenftanb bec 8e»
tcai^tung ntoc^n.
SBenn man alfo fragt: „ttKtd ift bie Siebe?" fo antwortet
^au(u8: „fic ift bc« ®efe|e« Erfüllung," unb l^at t)iermit
jebe njeitere grnge abgcfdjnitten. ^enn boS ©efe^, ad), eg
ift bereite eine njeitläufige (Sadje, aber baä ®efeg §u erfüflen
— ja, bu fiet)ft felbft ein, folt baS erreicht werben, fo ift
fdn ^genblid p t)erlierett. <Sd ift gekoift in ber SBelt
ntan^ol neugierig gefragt toorben, toa^ bie Siebe fei, unb
fo f)at ntand^en müßigen ^op\ gegeben, ber antioortenb
mit biefen 9'^eugierigen fid^ einlief, unb biefc beiben, bie 9^eu*
gier unb bie SDiüfeigfeit, fc^einen ei§ fo gut mit miteinonbcr
5U J)crftcl^cn, baj fie faft nid^t genug an einanber ober on
^agen unb Kntmorten betommen fdnnen. ^nlnd aber I&jjt
fid^ nid^t mit bem ^ager ein, am menigftett um n^eittöufig
}U fein; im ©egenteil, er fängt burd^ feine ?(ntt:iürt, er fängt
bcn 5i^ager im ©eljorfam unter ba§ (^e)e^, gtcbt mit bcr
5(nttt)ort augenbtictlic^ bie S^ic^tung unb giebt ben Slnftofe,
banac^ %n ^onbeln. ift nid^t blog bei biefer SCntttiort
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^auli ber ^aU, fonbern 6ci ollen ^nttporten bc§ ^[poftctS
unb bei aüen ^Inttüorten Sl)rifti; fo 5U anttuoiten, bo^
bod ^inaitdftceben bet gcoge in bie S^nte gel^emiiit koetbe,
mit augeit6Ii<i(td^ bent ^tager mit ber fhtfgafie, bie ev
erfftllett f)at, fo nafje ofö mögtid^ auf bcn Seib ju rürfen,
ba^ i|t gerobe bem (£l)rift(icljcn eigentümlid^. Sener einfältige
Söeife bc^ StUertumi^, ber im ^ienfte ber ©rfenntni^ bag
^ibenttttn ))erurteiCte, k)er{ianb bie 5iunft §u fragen, mit ber
^ge jeben ^(ntttiottenben in bev Unnnffenl^ fangen;
boi^ (S^f)rtftlid§e aber, bad nid^t auf ein (Srfennen, fonbent auf
ein ^anbeln gef)t, i)at bie (£igentümli^!eit, gu anttoorten unb
burcf) bie '^^(ntiuort jeben für bie 5(nfgabe einäufangen. ^arum
ujar e^ für ^^arifäer unb ©pigfinbige unb Sä^ortflauber unb
(&t&bkt fo gefö^id^, (i^^ciftnd au fragen; benn lool^l be!am
ber fjfrager immer eine SChtkoort, aber er Befom mit ber
SntlDort in geujiffem ©inne tnel gu öie( gu föiffen, er 6e!om
eine fani]cnbc 5(nttPort, bie nic^t geiftreid^ ficf) weitläufig mit
ber Jrngc einliefe, fonbern mit gottlicljcr 5(utorität ben Stöger
exgriffj unb i^n öerpflid^tete, banad^ ju Ijanbeln, toä^renb
ber Sfintgenbe burd^ feine S^ngier ober $G^|begier ober föt^
griffsbefttmmnng fid^ bieOeiil^t nur in gel^örigen ^bftonb tm
ft^ felbft galten moClte unb baöon, ba^ SSatjre ju — t^un.
2Bie mand)cr i)at nxdjt gefragt: „tva^ ift SBa^r^eit?" unb im
(S^runbe gehofft, bie 2ßa^r^eit toerbe i^m ntd^t fo balb in
bie emfte 9^a^e fommen, bag fie fofort auc^ t^m bie ^flid^t
na^ legte, in biefem Kngenblid banad^ jn ^anbeln. KibS
ber ^l)arifäer, „um fid^ ju re^tferttgen", fragte: „ttjer ift mein
9iäc^ftcr?" badjtc er mot)l, eä merbe erft eine feJ)r ttjcitläufigc
Unterfucf)ung geben, fie fönnte öielleidt)t fe^r lange mäljrcn
unb bann üietleidjt boc^ mit bem 3"9cfiöii^"i^ enbigen, eö
fei eine ttnmaglic^feit, ben Segriff „bed S^ftd^ften" gonj genau
|tt befitntmen; — bamm fragte er ja bod^ eben, um tCui^fbid^
9*
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ju fuc^en, um 3^^^ üergeuben, um fid^ rc(i)t fertigen.
Q^ott aber ei^a{d}t bic SQ^etjcn in il)rer X^or^eit, unb (^^rijtuS
fing beit gfmgefteQer in ber ^nttoott, in ber bie Aufgabe
entölten ttxiv. Unb fo M jebec ^ntlooct (S^riftu (St toarnt
.ntd^t in toettfd^toeifiger ffttht Hot bem nnnü|en fotogen, bad
nur äu ©treit unb 2(u8rcbcn fül)re (ac^, bic toettfc^meifigc
$Rebe n)äre ja nid^t öiet ftcffer al§ ba^, bem fie entgegentreten
lüill!); nein, toie et lehrte, fo antwortete er aud) mit gÖtt==
lid^cr ?(utorität, benn bie 5lutorttät befteJ)t eben barin, baft
fte bie fbtfgabe fegt. Sbtc l^enc^letifd^e ^get befam eine
fintlDOtt noc^ (Skbül^r, abet nic^t nac^ SBunf^; et befam
mdjit eine 2tntn)ort, bie bie 9k^ugier näl)ren, audj uic^t eine
^lutwort, mit ber er baöon laufen fonnte; benn bie 5Inttüort
l^at bie merfmürbige ^genfd^aft, bafe fie, ttjenn fie meiter
tqjSäjlit tDixh, ben ^injelnen, bem fie et^ä^It toirb, fofott ein«
fftngt, getabe il^n füt feine &fgabe. ©elbfi nienn lemonb
tietmeffen bie eine obet anbete tCnttoott ^^rifti tote eine
Stncfbote erjagten ttioEte, eg ^ilft nid^tö, eö lägt fidj iiidjt
machen; bie 5Inttt)ort fängt ben, bem fie ergä^U tü'ixh, unb
ter^flii^tet i^n sur ^2(ufgabe. 93ei einer geiftreic^en ^ntinort,
bie in einem SO^enfc^en ©eift ootaui^fe^ nnb an i^n fid^
toenbet, ift ed eigentlid^ gIei(|giUttg, toet fie giebt nnb an
toenn fte fid) »enbet. Scbe ^nttt^ott 6:^rifti ^at gerabe bie
cntgengcngefe|te, ber 8ad}e gemäfe uerboppclte (Sigenfc^aft: ed
ift unenblid) tüic^tig, ba^ eben Sljriftug baö gefügt Ijat; unb
n)enn bem ©injclncn er5ä()It lüirb, fo gilt eS gerabe iljm,
bem ^ ti^&fß b)itb, unb ed liegt bet ooHe ^a^hxud bet (Mg«
feit botottf, ba| et ed ift, fetbft toenn ed anf biefe SEBeife aQen
(Sinjetnen etjötift mfttbe. ©er „©eiftreic^e" ift in fi^ ge!e^rt
unb infofern mie blinb, ioeijj nic^t, ob jemanb auf i^n blidt,
fommt aud^ niemanb baburc^ ju na^e, bafe er auf if)n fc^aut;
bie gdttlid^ Autorität bagegen ift loie lautet ^uge, pingt
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jucrft bcn SIngerebeten aufjiifeljen, ton ift, mit bem er
rcbct, unb I)eftet bann iljxtn burc^6o{)renben S3ücf auf i{)n unb
fagt mit biefem ^iid: bu fn^i% an ben bad SBott ergel^t.
Zkinmt tooüett bie 9)?eitfc^en fo geme mit bem (Betftreid^tt
mtb ^tefftnnigen 5U t^un l^Ben, beim bomit fanit man
S3Iinbcful; fpielen, aber öor ber 5(utorität i)t i[)nen bange.
Unb barum njotlen bie Seute üiefleic^t fid) nic^t fo gerne
mit ^auti 5lntttort einlaffen, bie, ttne gefagt, üerfängtic^ ift.
@obaü) n&mU4 auf bie i$cage, tocA bie Siebe fei, ttm&
anhext» geanüoottet ttntb, Bleibt anc^ Q^, ein 3^if^^
roum, ein freier StugenSHcf, unb bamit toirb ber SReugter,
ber 3J?ü6igfeit unb bem (SgoiSmug $Roum gegeben. Sft
aber bie iBiebe be^ ©efe^ Erfüllung, fo ift auc^ feine
3eit )tt einem SBerf})re(i^en, — bod ja ffir und ^icr nur aU
bet fe|te Setfnd^ in 8etra^ lommt, bei Siebe eine ber«
fe^e 8Hd)tung 5U geben, tueg tum $anbein> tDeg t)om fo«
fortigen 5htgriff ber ^lufgabe; ba§ ^ßerfpred^en Hegt ja
gleich am Stnfang unb fielet biefem täufc^enb ät)n(idf), ol}ne
ed ho6) SU fein, (^efe^t barum, bied ^erj^rec^ ber £iebe
mdre nid^t eine blo^e leid^ momentane Cncgnng, bie im
ttft(|ften fbtgenbltd ftdl aü Z&nfc^ung ertoeift, ein angen»
btitWic^c« ?tuf(obcm, bai^ SKatttgfcit I)interlä6t, ein @pruug
üormftrtg, ber rücfmärtS fü^rt, eine SSorn)egnal)me, bie Der*
5i)gernb toiebcr anhält, eine (Anleitung, bie nid^t jur ©adE)e
ffi^rt; felbft toenn bag $erfpre(i^en alleg ba$ ni^t toäxt, fo
ift eS bod^ ein IBedoeilen, ein tcdumenbei» ober geniegenbed
ober behrnnbembeft ober teid^tftuutged ober eingebtlbeM 8er»
wetten bei ber ßiebc, afö müfete fie erft fid) fammetn ober
bic ^ac^c fid) überlegen, ober ciU üermunberte fie fid^ über
fic^ felbft ober bad, fie oermag; t>a& ^^erfpred^en ift bo^
ein Skrtoeilen bei ber Siebe nnb bomm ein
ber gefdi^rli^ mccbcn lann, ba bie ernfte Siebe be8 ®efe^
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Grfüüung ift. d)ri[tlid)e Siebe aber, bie aUcS toeg*
giebt, fiat eben au§ bcm ®runbe nichts tregsugeben, feinen
§lugenblicE unb fein SSerf|)red^en. ^od) ift fie nid)t Ijaftige
i^efc^fttgfett, am anetkoetitgf ten todüi^ @ef^&fttgfett; unb
Selt(ui|lett mib «efd^fttgfett fittb ia uttiectreimUd^ Segviffe.
SBttd tjeigt ed benn, gefdioftig fein? Wim meint im oXi*
gemeinen, e§ fomme auf bie 3Irt unb SBeife an, njie ein
äJienfdj befc^äftigt ift, n)enn man it)n gefd)äftig nennen foll.
ift aber nic^t bei: goQ. ^ie ^rt unb SBeife entf^eibet
nur innerhalb einet genaueren Sefümmung: lilenn n&mlid^
erft bei (Siegenftanb bestimmt ift. SBemt einer nnauf^örttd^,
in jebem 3lugen5ticf (toenn baS mögli^ njöre) fic^ mit bem
(Steigen befd^äftigt, ift er bod) nic^t „gefdjäftig". SBer fic^
alfo n)irf(i^ mit bem @tt)igen befd^äftigt, ift nie gefdjäftig.
ii^efd^äftig fein ^eigt geteilt unb jerftreut (entfpred^enb bem
<Slegenftanbe ber Oefd^ftigung) f!^ niit cäl bem a)?anmg<
faltigen befdiöftigen, morin ein SKenfd^ eben unmöglicl ganj
fein fonn, roeber in allem jufammen notij in einem einzelnen
Xeil (metdj letUcrc^S ja nur bem SSo^nfinn glüdt). ©efc^äftig
fein, baS ^eigt fid) geteilt unb jerftreut mit bem abgeben,
nmd einen SRenfi^en geteilt unb ^erftreut mad^t %)k
d^rifilid^ Siebe aber ift ab beiS ©efeged (Stfüttung getabe
ganj unb gefommett in jebcr t^rcr itufeerungen jur ©teile;
unb büd) ift fie ein ftettgeö §anbetn; fie ift alfo cbcnfo
toeit toon Untljätigfeit entfernt »ie öon ©efc^äftigfeit. 9äc
nimmt fie etttxid t)orlDeg, giebt nie ein ^rf))red^en ftatt bet \
%fyii't nie genftgt fie fid^ in ber (SinbUbung, fettig jn fein,
nie becmeilt fie geniefeenb bei fid^ felbft, nie fi^t fie mfi|ig,
fid^ felbft 511 bciüunbern. (Sie ift nicf)t jeneS üerftedte, Ijeim*
lic^e, rätfcll)afte ®etül)l l)intcr bem ©itter beS Unerflärlidjen,
bag ber 2)id]tcr an^ genfter loden tüiH; nid)t eine Stimmung
in bet ©eele, bie metd^lid^ !ein (^fe^ fennt, feinet fennen
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totS, obet \ÜKt eigene^ ®efet fftv fic^ I^Ben iinb mtt auf
ikfang Ian[cf)en tM; [ie ift ftettged ^anbellt, rnib febe
t^ätigung üon i{)r ift J)ei(ig, benn fic ift beS ©efe^eö (SijüÜung.
^5)crart ift bic djriftlid^e Siebe; jetbft h)enn fte in irgenb
einem 9J?enfd)cn nid)t fo ift ober koäte (tüätirenb boc^ jcbcr
ft^nfi, bec in ber üiiebe bleibt, batatt atbeitet, baft feine iBtebe
fo Metbe), fo toax fie boc^ fo in 9|nt, ber bie IBteBe toax,
in unfrcm ^erm SefuS (5{)nftuiJ. ®crfcI6e §4)ofteI fagt
baljer üon i^m ($Röm. 10, 4): „(5:t)riftu« ift beö ©cfe^eg
i^nbe." Sßaö baö (SJefe^ nic^t t)ert)or6ringen fonnte, fo luenig
aU e$ einen SJ^enfd^en befeUgen !onnte, bai^ toar ^^riftndw
SBftl^ceiib ba^er bad <8efeft mit feiner gforbemng ber Unter»
gang oEer tourbe, tml fle nid^t loarenr toa» ed forberte, mtb
burc^ ei8 tiur bie (Sünbe tcnncn lernten: trurbe (S^riftuö beS
©efe^eg Untergang, mci( er tvar, xva^ forberte. Sein
Untergang, fein (i^nbe, bcnn, wenn bie gorberung erfütlt ift,
fo ift bie gr(>^bemn0 mir in ber (&rfilllnnQ ba, olfo mi^
ne^ att gorbernng. 8te ber 5S>nrft, koemi er geftilKt ift,
nur in bem ®effi^I ber (Srqmdung ba ift, fo !am ^^riftui»
nic^t, um ba^ ®efeg ab^nf (Raffen, fonbcrn um ju erfüllen,
fo baft eg fortan in ber ©rjüüung ba ift.
%!, er toat bie Siebe, unb feine Siebe toax bei^ ©efegd^
ürffiUmig. „SKemonb fonnte i^ einer ©finbe übenoeifen/
ondl bad I9efe| nid^t, ba# mit bem 0eiotfFen alM »eig;
mar aud£) fein SBetrug in feinem SOhmbe," fonbem alleiJ mar
in it)m 2Bot)r^eit; feine 5ie6c l)iitte üon ber gorberung be^
©cfe^eiS biö ju beren lirfüUung nic^t ben 5lbftanb einclJ
Xngenbtid», einei» dkfü^d, eined SBorfa^ed; er fagte nic^t koie
jener cme 8mber ^rnein", ond^ nid^t „fa" toie ber anbere
9mber, benn feine @peife mar, feineiS ^BateriS äBillen t^un;
fo mar er einö mit bem ii8oter, ein^ mit jeber ^^orberung im
(^)eg, {o ba| bie (^rfftUuitg bed Qk\ti^c& fein eigener S)ranQ,
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fem ein^iged IBeBendbebürfnid »Hit. — S)ie Skht in il^m toax
fieitgeS $anbeln; toat lein KttgenHidE, Idn eh^igec in
feinem Se6en, )oo bie SieBe in i^ Blog ein nnttfättgeS (Slefül^I
getoefen tuäre, baö md) einem SSorte fuc^t, toä^renb e§ bie
3eit l}inge()en Ici^t, ober eine Stimmung, bie in fic[) felbft
befnebtgt bei fid^ felbft t>tttDtxit, tPQ()renb feine Aufgabe ha
tfi; nein, feine Siebe toat fietigti» ^nbetn; felbft X^tftnen,
Me er meinte, fftUten feine 3^ 0^9: benn n^enn and^ Senu
falem nid^t tuufete, nia^5 ju feinem grieben bientc, er toufete
e^; tüuBten bie Seibtragenben an beö SagoruS ®rabe nic^t,
toa^ gefd^e^en foUte, fo louBte hoä) er, toaö er t^un tooUte. —
Seine Siebe koar hn jlletnften ttne im (S^rögten ganj pr
Stelle; fie tongentriette fi^ x^t in ein^nen großen
Sngenbliden, atd ftfinben einzelne Stnnben tßgli^en
Sebent au^ertjatb ber gorberung be§ ©efc^eg; fie tüax in
jebem 5(ugenbüd gleic^, nicf)t ftärfer, als er am ^reuj au§=
^auc^tc, bcnn ba er fic^ gebären liefe; eS toar biefelbe Siebe,
bie fagte: «äRotia fyiit baS beffece ^Keil ednö^lt", nnb biefelbe
Siebe, bie mit einem 8Ii(fe ben ^ßetrnd ftrafte ober — i^m
öcrgab; t& toax biefelbe Siebe, aU er bie Süngcr bei t{)rer
froljen 9iücffe^r empfing, nadjbem fie in feinem 9^amcn
äBunber get^cut Italien, unb biefelbe Siebe, al& er fie fd^Iafenb
fanb. — @eine Siebe erl^b leine ^^orberung an einen anbem
SO^enfd^ on eined anbem SXenfd^ Qat, ftraft, Seiftonb,
5Dienft, ®egen(tebe; benn toaS (S:^riftu8 Don jenuinb forbecte,
toax einjig beg ©etrcffcnben eigener ©eminn, unb er forbertc
eg allein um beö anbem UjiUen; fein 9)Zenfc^ (ebte mit if)m,
ber fid^ felbft fo l}Dd^ liebte, toie ®()riftuS il^n Uebte. Sn
feiner Siebe ttNir fein feilfd^bed, nad^iebtgd», paxtidi\^
Stnbemel^men mit einem mtbem äRenfi^en, baiS neben fene^
treten fonnte, in bem er mit be8 ®efc|c8 unenbltd^cr gorbc*
rung ftanb; (^^riftud in feiner Siebe forberte feine ^udnal^me
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fftt fiel, nid^t bie ollcrgeringfte. — @ctiie SicBe ma^tt fetneti
Unterf^ieb, md)t ben jarteften, ben (^n)ifcf)en feiner 9}2utter
unb anbern 9D?enf(f)en, benn er fagte, auf feine jünger bcutenb:
„biefe finb meine Söiutter;" unb tuieberum liebte er feine
Sünger ni^t, totü fie etkood ^efonbered gekoefen iD&ten, benn
c9 toax fein einziger ffiunfd^, ba| jeber fein Sünger toerben
mt^U, unb bo9 wünf(!^te er nm jebed (Stn^tnen ttnllen; nnb
»icbernm mad^te feine i^iebe jtüifcfjen ben Sängern feinen
Unterfdjieb, benn feine gottmenfd)Iid}e Siebe tpar gegen alle
SKenfdjen genau bie gleite, bafe er alle eilöfen tvoUU, unb
bie gleiche gegen aQe, bte fid^ etcetten liegen. — ©ein iBeben
mir kttter Siebe, unb bm^ koar bted fein SeBen nur ein
einziger StrBettStag; er tu()te ntd)t, etje bte ffladfi^ tarn, ha
er nid^t me^r toirfen fonnte; üorljer toec^felte feine 5Irbeit
nid^t jtoifc^en Xag unb 9f^ad}t ab; benn arbeitete er nid^t,
fo machte er im ®ebet. — ©o toar er be^ ©efegeg (Srfüllung.
Unb ald So^n bafür forberte er nid^tö, benn feine einzige ^or»
berung, fein einer SieBendstDed Don ber (S^eBurt Bt0 pm ^obe
»ar, unfd^utbtg fid^ §u opfern, — fogar ba8 ®efe^,
felbjt menn e^ feine gorberungen aufg §öd)fte treibt, nid^t
forbem burfte. — @o toar er bed ®efegc§ (Erfüllung; er
^Qtte glei^fam nur einen 9}?itn)iffer, bcr i^m folgen fonnte,
einen iDKtttriff er, ber auf i^n fti^lafloi» ad^tete unb il^nerforfd^te,
bad ®efe| felBft, baiS i^n ©d^ritt für ^^rttt, \>on ©tunbe
©tunbe mit feiner unenblic^en gorberung begleitete; aber
er toar beö ©efe^c^ Erfüllung. — SBie ärmlid) ift eö, nie
geliebt ju f)aben; aber felbft ber 3J^enfc|, ber burc^ {eine 2iebe
am rei^ften tourbe, fein ganzer 9leic|tum ift nur Itrmut
gegen biefe güHe! Unb bod^, nid|t alfo, Dergeffen niir nie,
bafe gtuifd^en Sf)riftuÄ nnb jebem S()riftcn ein ekoiger Unter»
fc^ieb ift; ift bog (55efet} ^^^) ^^Q^H^^^^t, f)icr fielet eö noc|
in SO'^ac^t unb bejeftigt eine unenbUc^e ^luft ^mijc^en bem
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^ottmenfc^ «nb jebem anbeten äV^enf^n, bec and^ nid^t
foffen, foitbetn nur glauben fann, wa^ baft gdttßd^ ®efeg
einräumen mujste, baji er be§ (SJefc^eö Erfüllung toai. Sebcr
ß^tirift gtouSt eö unb eignet e§ fidj ^(äubig an, aber feiner
f)at ed getDugt, al^ baö (SJefe^ unb (£r, ber be^ ©efe^eö (St*
füHlmig UKiv. n&mlid^ bod, kood in einem Sf^enfd^tt,
am^ in feinem ftftilfien tbtgenbfid, fd^mad^ genug ift, tneC
ftftdet nnb bod^ in jcbem StugenSttcfc gleich fid§ in i^m
fonb, baS fann ein 9D?enfc^ nur im ftärfftcn ?(ugenbticf Der*
fte^en, aber einen Slugenblicf nac^t)er fann er eö nic^t Der*
flehen; unb barum mug er glauben unb fic^ an ben (Glauben
galten, bannt fein 53e6en nid^ babnrf| geftOct loetbe, baft er
e8 in einem VngenHid t>erftel;t nnb in t>ieCen onbem Xugen^
bilden nid)t uerfte^t.
S()riftu§ njar be§ ®e)e^e§ (SrfüUung. SSon if)m foficn
toix lernen, ttjie biefer (^ebanle 5U üerfte^en fei, beun er ujar
bie (i^rUdrung, unb nnr toenn bie (i^dl&tmtg ifi, toaii fie
ecfCArt, toemt ber (SrIUltenbe ha9 Srüfttte felbft tfi, tocnn
bad (Srflären bie ©rflörung ift, nur bantt ift ba« Sßcr^öttni«
ba§ rechte. 5ld), fo fönncn iüir nidjt erflären; iDcnn rt)ir
ober fonft nid)t^ fönnen, fo Jönnen toir l)ieraud ®ott gegen =
Uber S)emut lernen. Unfer irbifc^eö ßebcn in @(i^ac^^ett
mng bad (ih:{Ulten unb bad @ein nntetfc^eiben, nnb bie
O^mac^t, bie fid^ ^ietin tnnbgieBt ift ein ttwfentlid^ f[vdh
brud für bie 5Irt unfere« ^i>erl)ältniffc§ 5U ©ott. fiajj einen
^?cnfd}cn, mcnfd)tid) gerebet, in ^ufric^tigfcit be§ |)cr^en§
i^ott lieben, ad), Q^ott f^t i^n bod^ ^uerft geliebt, ^utt ift
nm eine (S^tgleit norand — fo todt ift ber äli^enfd^ guröd
Unb fo ift ed mit jeber (lto)tg!eitdattfgabe. Semt ein iKRenfd^
«nbtt^ jum Anfangen fommt, tote unenblid^ ötet ift in^^toifd^en
uerfäumt, fclbft tücnn tvix einen ^lugenbltd, bcm guten Slnlauf
^u heb, ber enblic^ einmal genommen ift, alle Wimgid, alle
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UmioIIIommeRl^eiien an beut OeftceBett liergeffett tooffeit! Sa|
etilen SWenfd^en, menfd^n^ gerebet, in beS ^crjcn« ^lufrid^tig*
feit 5ucrft nadi ©otteö dlcid) unb feiner ^erccijtigfeit trQd)ten,
0 tüie lange Qdt ging bod^ ^in, bi^ er ba§ nur audt) rcc^t
t)ecfte^n lernte, ttiie unenb(ic^ öiel fet)lt alfo, ba§ er
^nerft nac^ ©otted Stetd^ unb {einet <^te(|ttgfeit getnui^^
l^&tte! Unb fo get)t auf jebem ^nfte jebem ntenfd^li^en
^Infangen eine verlorene ^dt uoran. Söir reben fonft in
irbijcljcn ^ißer^ättnifjen uon bem traurigen, ba^ ein 3)?enfd^,
um ein ©efc^äft gu errid^ten, ©dEjulbeu machen müffe: ®ott
gegenüber beginnt jebet ^enfc^ mit einer unenblid^n ^uih,
OM^ tmm toit Don bet neuen ©^(b abfeilen, bie nod^ bem
SSeginn taglid^ ba^ufommt. SRur od^uoft nntb bad im Beben
üergcfjcn, — unb au^5 tvcid) anberem ®runbc Xüol)!, aU njcil
©Ott auc^ üergeffen njirb? 2)ann üergleid)t ber eine 9}?enfd^
fic^ mit bem anbcrn, unb njer ettoai^ me^r benn anbere üer^
fkttben fyit, tü^mt fici^, felbft ettoa» ^u fein. SBoOte er boc^
bei ftc^ fcfSfi t)er[te{)en, bag er t>ij(t (Mt xa^ ifti Unb ba
nun bie 9J?enfd)en fo gerne ettt)a§ fein njollen, SBunbcr,
baB fic, bei allem (SJerebe öon (^otte§ Siebe, fo ungern fid^
rec^t mit ii)m einkffen, tviii nämlic^ {eine gorbeiung unb
fein mai\iah fie au ni^td mad^t.
S)ettn brand^ ein B^l^ntet ber bir bef^iebenen ftraft fo,
ba^ bu fie gan^ einfegeft, fe^re bann ®ott ben Rüden, ber«
gleidje bid) mit ben ä)^enfdjen ~ unb bu Unrft bid) in Siilbc
gut fteüen mit bcinem ^ubüfum. 3Benbe bid) aber um, menbe
bic^ in ©Ott, brauch bie je^n 3^^^^^*^^/ h'^^^W ^i^) d^^^
ün^erften ^nfttengnng — unb bu bift boc^ mie nid^td, in
nnenbltd^em iltbftanb t»n ttgenb tt»eU|iem (h\oi%, in unenb»
Iirf)cr (S(^ulb! (Siel), bo^er fann man fagen, e« ^etfe eigent*
lic^ nic^t^, ju einem 9J?enfd)en üom §i)d}ften ^u reben, metl
eine gan^ anbere Umtoanblung k^orge^en muß, burc^ eine
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Aebe mdglid^ tfi StEft hu nömVx^ gute Xage ^bett tmb
leicht meieren, boc^ ttOM fein, (o t)ergi6 ®ott; nimm
bir'g nie rec^t ^erjen iinb la^ bir'ö nie red)t ftar Serben,
bafe er ed ift, ber bic^ auö Slic^tg gef(^affcn; gel^e Uon bcr
SBoiQu^fe^ung aiid, ein ilJ^enfc^ l^abe feine übrige Qdt
bem dkboötieR, koem et unenbUd^ unb unBebtngt aQed fd^be,
barum fdmie auä^ ber eine 992enfd^ feht ffieci^t ba^u l^aben, ben
anberu banad) fragen; üergife ba§ alfo unb lärme mit ber
Spenge, lac^e unb rtjeine, treibe bidj ge)rf)ö{tig um uom äJ^orgen
bid jum Ebenb, lag bic^ lieben, achten unb anfe^en aU greunb,
ab Seomtex, aU ^nig, aU i^c^ntrögec; kuerbe u>t üSkm
bobittd^ ein emftet SRamt, ba^ bu bad einzig (Emfl^fte t)n»
giffeft, 5u ®tAt ht ein ^er^ättnii^ treten unb nid^tö
njerben. ^ann ober bebenfe — bod} ba§ 9kben fann ()ier
ja nid)tS Reifen, öielme()r gebe ®ott, bafe bu üerfte^en möc^teft,
ttjod bu öerlorft, öerfte^en, ba^ SSernid^tigung öor ©Ott bod^
^igfeit ift, fo bag bu jeben Stugenblifi urieber noc^ i^r
SurftiiftreBft, heftiger, toArmer, inniger M boi^ SM na^ ber
©tätte 5urüd]"trömt, üon too eS mit 2J?a(^t ()inauögebrängt
toirb. ift aber ber tpeülic^cn ithigfjeit bie größte %i)ox^
l^eit unb mufe e^ fein. $alte bi^ bal)er nie ju (^ott (fo
mügte man moi^l reben, loenn man bad (Sk^eimnid ber $al6»
1^ offen ondftnedlen tvolüe, bie fftlfd^ß^ ben &^
gtebt, atiS ^ieäe fic [id) auc^ 5U ^ott), „f^tit bid^ nie §u
©Ott, benn, ttjcnn bu an i^n bic^ I)ättft, fo oerlierft bn, toa^
ein SD^enfd^, ber an bie 3BeIt fic^ i)äit, niemals öerlor, aud^
ber nidit, tueld^er am meiften öertor, — bu üerlierft unbebingt
aDed" [oergL I, @. 239 oben]. Unb bai» ift jia aud^ loa^r;
benn allcd fann too^rüc^ bie Seit nid^t nehmen, eben meü
fie nid)t allc^> geben fann, bai^ fann nur ®ott, ber aUeö,
alles, allcö nimmt, — um alleS ju geben, ber ni^t ftürfmeifc,
ttienig ober ^iel ober au|erorbentlic^ oiel nimmt, foubem
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unbebtngt aüeö, lüenn bu in 2Sal)r[)eit bid} gu i£)m f)ättft.
„glie^ it)n baium; i& tarnt {d^on gefä^rlic^ genug fein, einem
ftöirige na^ $u fontmeit, loeim Im etmad fein ttnUft; tie SIM^
diicd mftd^tig begaBtett Oetfted ifl g^f&^rlic^; (Sott o6er na^
)tt brntmen ift mtenbK^ gcfäljrlicficr*'
©oll jebod) ©Ott auggelaffen unb üergeffcn fein, fo lueiB
id) nid^t, mit iue(d)em @inn unb ^rotd man über folc^e
Sßorte tebett tDoQte, tm „hk 2kbt ift beS ©efe^eS (^rfüUung^
obec ttKO^en ©tun num ht feine 9ld)e kgen Umtt, anger
einen Q6ftogenben Unftnn. &o looHen tttt benn nt^ ftngft«
lic^ unb t)errätcrifd^ gegen ung fclbft ung bem 3Serftänbnig
cntjicljcn, al§ fürdjteten toir (ujie freitid) ber nntürtic^e
ä}^en)d) tro^ feinem (Cetebe Don ^igbegierbe unb ^ilbungd«
btimg tl^ttt), toir fdnnten — }u me( jn miffen befommen;
benn oon ber Siebe }n fagen, bag fie beiS iSlefe|e8 SrfflOnng
fei, bad ift nun einmal eine tXmnögtid^feit, menn nrir ntc^t
öUi felBen ßeit bie eigene ©c^ulb erfenueu unb jeben SÖienfc^en
{c^ulbig machen.
jDic Siebe ift beS ©efe^c^ ©rfüttung; benn baö (SJefc^
ift tco| aUer feiner Dielen )8eftimmnngen bod^ etmad
Unbefttntmted, bie Siebe aber giebt biefer Unbeftimmt^eit
ben Sn^It; boö ®efe^ ift wie ein ©tottcntber, ber tto^
feiner 5Inftrengungen nid^t aüe^ Jagen lonn, bie Siebe aber
giebt ben öoüen ^ntjalt.
@d !önnte feltfam lauten, ba| baS (^efeg ha^ Unbe«
fitnnnte fein foQ, benn t§ ^t ja gerabe feine ®t&tk in ben
QefKmmnngen, e9 entölt fa aUt IBeftimnntngen nnb k)erfügt
über fie. Unb bennod^ ift e^ fo, unb barin liegt njieber bie
D^nmad)t be^3 (SJcfet5e§. 5Bie ber (Schatten im SSert)äItni^
jur fräftigen 3Birflic^JcU unmäd^tig ift, fo aud) ba§ ®cfc^;
iDie aber im ^d^tten immer etnxid Unbeftimmted ift, fo ift
boS ttnbefttmmte ami im @d^enri( be9 <8efe|e8, ime genau
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er and) au^gefü^rt ift. Saturn tuirb aud& in ber ^eiligen
©c^rift „ba^ ®e}c§ ein (Sd)atten be^5 3»fünftigen" genannt;
benn bog ®efe^ ift nid)t ein <öc^atten, bei ber SSirtlic^feit
ber iBiebe folgte, melmet)r ift in ber Siebe gerobe baS ®efe^
aufgenommen unb bad bec ©c^tten etned Sul^nftigen.
SBenn ein ftftnfilet einen flan enttmrft, eine SitxtfymnQ §u
einer 5tr6eit modjt, fo beljätt ber ©ntiüurf, \o pünftlicf) er
Qurfj gefertigt ift, borf) immer etiua§ lln6eftimmte§; erft nienn
bie Slrbeit fertig ift, fann man fagen: nun ift au(^ nic^t bic
fleinfte Unbeftimmtt)ett me^r, nic^t in dnec £inie, nid^t in
einem ^n!te bot^nben. & gtelbt bo^ nuc einen (Sntmntf,
ber ganä beftimmt ift, bie ÄrBeit fetbft; bamit ift ober gefagt,
bo6 fein (Sntn)urf gang unb unbebingt beftimmt ift nod) e§
fein fann. (Bo ift baö ®efeg ber ©nttinirf, bie Siebe ift bie
©rfüüung unb baö gang öeftimmte; in ber Siebe ift bie
Unbeftimmt^it bed ^fe^ aufgehoben. (£d giebt nnr eine
SO^ad^t, bie bie Arbeit audffi|ten !ann, too^u bad (Slefe| ber
®nttourf ift; baiS ift gerabe bie Siebe. ®Iei^n)Dt)I l)ot boÄ
®ejet3 unb bie Siebe einen Urfprung, luie @ntn)urf unb 5lrbeit
öon bemfetben Slünftfer finb; fie Ujiberfpredjen fidj nid)t, fo
loenig alö baö Äunftttjerf, baö bem (Sntnjurf gang cntfprid^t,
biefem nnberf)>n(|t, tteit ed no^ beftimmter aU aUe liBe«
ftimmnngen bed (Sntn>tttfei^ ift
2)atum fagt ^autu« ein anbermal (1. %m. l, 5): bie
Siebe ift bie ©umme be§ ©ebotö; in Ujetdjem (Sinne aber ift
baö gefagt? Sa, im fetben, in bem gefagt iuirb, bie Siebe fei
beS (^efegeö Erfüllung. 3n anberem ©inne ift bie (Summe bic
9leii^ aUec einzelnen (Gebote, ^bu fottft nic^t fte^len'' u. f. to.
^erfu^e ed aber, ob bn auf bem S3ege bie Summe finbeft,
toxt longe bu and) fürt5äl)(en mogft; bu toirft finben, bo^
bieö ucvgeblid}e 5Irbeit ift, tt)eil eg im S3egriff be^ ©efe^eö liegt,
ba^ ed unerjc^i^pflic^ ift, unenblic^, nic^t in i8e(timmungen
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ju fifiercn. 5)enTt jcbe Söcftimmung gebiert eine nod) genauere
au§ fic^ unb bann eine nod) genauere, ttjelc^e bie S3c,^iel)ung
unb ba^ SBcr^ältnt^ ber neuen Öeftimmung feftfteÜen mu^
Sie6e enif^d^ bcm bei» Secftonbd» $]tm Glauben. S)et
Serficmb 5ä()U imb jö^It, Sered^net mtb Betet^net, erreicht
aber nie bie ®en)i6l)eit, bie ber glaube befi^t; fo ba» Ö5e[c^:
e^ beftimmt unb beftimmt, errcid]t aber nie bie Summe,
ttjcl^e bie Siebe ift. Söenn Don vSumme bie ^cbc ift, jo
f^cnit ber fbtäimd felbft um 3^^^ eiii^Iabeii; koenn
abec ber SD^enfc^ bei» 3A^Ieii9 mfibe getoocben tfi unb bo$
ttm fo Begteriger bte ©urnmc ^6en möd^te, fo üerfteljt er,
bafe bie^ SGBort eine tiefere ^ebeutung baben muf?. <So aud^,
lüenn bo§ ©efe^ gleidjfam alle feine 53eftinimungen auf einen
iD?enf(^en gel^e^ mtb it)n mübe gejagt ()at, n)eil überall noci^
eine ÜBeftinimmig tfi mtb boc^ jebe, aud^ bie befitmmtefie, noc^
bie UitBefkimmf^ mt fid^ bag fie no^ nö^er Beftimmt
toetben fann (bctin ba« etoig UnBcftimmte ift bur(^ bie f8t*
ftimmungen unb bereu 5J^enge eine Unruhe, bie nie ftirb^):
fo ift ber SJ^enjc^ fo weit gett)i^igt, bafe er öerftet)en fann,
eg müffe ein anbcre^ fein, baS bcd ©cfeßeg Erfüllung ift. —
dto SBibecftceit aber beße^t ffm\tl^ f§lefe| mib Siebe fo
toenig atö junfd^ ber @ttmme mtb ben ^snebeni, ond benen
fie jufammeugejetjt ift, fo ujenig al§ jnjifdjen bem üergeb^
li(f)en ^l^erfud^, bie Summe -^u finbcn, unb bcm g(üdlid)en
gunb, ber glüdlic^en (Snt)d)eibung, ba^ fie fd^on gefunben ift.
Unter bem @)efe^ {eitf^t ber äJ^enfc^ SBo er ^infie^t,
fie^ er nnr gforbernng, nie ober bie (Sm^, tote ber,
toelc^ aitf ba8 SReer ^mtlfdiaut nnb nur Sßoge an SBoge
fieljt, nie aber eine ©renje; wo er fid) l)inn)enbet, begegnet
er nur ber Strenge, bie im Unenblidje immer ftrenger werben
taxm, nie bei Q^cen^ too fie ^ur äJ^ilbe toürbe. 2)ad Qk\ii^
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^«tigert glcidifam au§; huxdß ®e)e^ errcid^t man nid^t bie
güüe. ^enn e^o ift eben baju beftimmt, tt)cg§unef)mcn , ju
forbern, biö aufS äufeerfte auöjuprcffen; unb bag Unbcftünmtc,
bad bie gtoge ST^enge oUei; KBeftimmutigen tmmec ito(| ^urücf«
(ft^t, fd^rft gerabe bie |}otbetittigett ttnetMtttid^ ein. Wt
jeber ^efitmmung forbett baiS ®efe| et)ixid, itnb bod^ gteBt
feine ß^ren^e für bie Seftimnuuitjcn. ^oö ®efe^ ift
bal^er gerabe bo§ (i^3egentci( be§ Sebent; ba§ ßeben aber ift
bie güUe. S)a§ (^efc(j gleid^t bem Xobe. Ob nid^t aber
IBebeit imb Xob eigentlid^ ein unb badfelbe miffen [betgl.
9(^i(ttng n, @eite 185]? 5Deim fo genau bad SeBen oQed
lennt, tta« ÖeBen ert)ie(t, ebenfo geno« fennt ber %üh
oUeö, n)a§ Seben erl)ielt. ®ö ift alfo in gevciffem (ginne
t)infid^t(id} bcö SBiffenö eigentlich fein ©treit gtuifdjcn bem
<^efe^ unb ber Siebe; nur giebt bie Siebe, mä^renb bad (^eje(
nimmt, ober (um bie Orbnung in bem ffkxffilixn^ genauer
^erbortreten §u (äffen): bad ®efe| forbert, bie £ie6e giebt.
@8 gtcbt feine, feine einzige SSeftimmung beÄ ®efe§eiS, nid)t
eine einzige, bie bie Siebe njegt;aben möchte; im ©egenteil,
bie Siebe giebt il)ncn allen erft güUe unb ^eftimmtt)eit, in
ber Siebe ftnb alle ©efe^e^beftimmungen toeit beftimmter aU
im (liefet. Streit giebt ^ ni^t, fo loenig otö ^mifc^en bem
junger unb ber Speife, bie t^n ftiQt.
^J)ie Siebe ift bc§ ©cfcgciS (SrfüIIung; bcnn bie
Siebe mill feine billige 5lbfiubung mit ben 5Iufgaben, feinen
S^od^laß; fie fc^leic^t fid^ nicl)t, 2)i^|)enfatiün forbcrnb ober
gebenb, üermeid^lid^enb ober oertoeid^lic^t, ^koifc^n ber £iebe
unb ber (Erfüllung bed <Skfe|ei$ l^burcl^, aU toare fie nur
titt müßige« ©efü^f, ju oorne^m, fitf) in |)anblungen gu
Ättfecrn, ein anfpruc^güolIeS, un^raftifd^e^ SBefen, ba§ meber
etnjaS leiften fann nod) mill. 3^ur bie SE^orljeit rebet fo üon
ber Siebe, ai& beftänbe ein SBiberjtreit ^n^ifc^en @efe( unb
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ßiebe; ba^ t[t ja freilid^ ber gad, aber in ber Siebe ift
fem SBiberftrett fja>x\^ bem (S>efe| unb bet Siebe, bie beS
jHefeled (Srfällitng ift. 9^ur bie ^^or^eit fatm meinen, ed fei
jtDi]d)cn ber gorberung be§ ®efe|e^ unb ber Siebe ein toefeiit*
lid)er llnterfdjieb, bcnn ein |o(d)cr bciteljt aücrbinqg, aber nic^t
in ber Siebe, in ber bie (SrfüUung ai<& burd)au§ ein unb
badfelbe mit ber i^orbemng fic^ erkoeift lOlog bte
bringt SBiberftreit |toifc^en @(efeg nnb Siebe; fie bftnft fi^
)oeife, n>enn fie i^nen tHreinrti>et ober gor bie betben je bei
cinonber üerbddjtigt.
(Srfüüung beö ©efe^eg, — uon iüetc^em ^jefe^ ift
aber ^ier bie Kebe? Unfer Xe^t ift bae a^oftolifc^e SQSort,
mir reben Don ber c^riftüc^en Siebe, ^ier tarn alfo btog
tm ^otted (Bef e( bie Siebe fein. 5Darin finb n&mti(^ SSelt
(fo weit fie nic^t jene „Xl)ort)eit" ift) unb ®ott, tt)e(ttici^
SGBeiöl)cit unb C£l)riftentum einig, bafe eö ein ®efe§ gebe, ba§
bte Siebe erfüllen \o\i, um Siebe fein; toa^ für ein @)efeg
cd aber fei, barin finb bie beiben ntc^t einig, unb in biefer
ttneinigfeit liegt ein unenbtit^r Unterfc^ieb. 5Die toeltlici^e
Seid^eit meint, bie Siebe fei ein 9$er^&(tniS giuifd^en
2)?enfcf) unb SD^enfd); baö ßt)riftentum (e^rt, bafe bic
Siebe ein SSerl)ä(tniv5 3tt)ifd)en 50?enfd) — ®ott —
^J^enfc^, b. ^. bag (3ott bie g^if^^nbeftimmund ift
WHüf^ einSiebedoer^ältnid ^mifd^n ^koei ober §ttnf(^ mel^reren
no^ fo fd^On geioefen fein, mag o0 i^e Snft nnb aE i^.
Sdtgfett in gegcnfeitigcr tlufopfcrung unb Eingebung beftanben-,
mag oflc Söelt fid) in Sobeöertjcbungen ergangen traben —
• toenu C^ütt ober ba§ (SJotte^üer^ältni^ mi^Siielaffcn n)urbe, fo
ift ed boc^, (^riftlic^ üerftanben, nid^ Siebe geioefen, fonbern
ein ^c^ein Don Siebe, bur(^ ben man fic^ gegenfeittg betrügt
mtb B^ttberi ^enn (fi^ott lieben ^ei|t, in XBa^r^eit
fic^ felbft lieben; einem anbern ST^enfd^en be^ilftic^
MittUt%üth, WkUm IcrINCk. 10
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feilt, bog er^ott Utht, ^eigt tl^it lieben; Doit etitem
tttiberti 99{enfcl^en bovin vnteTfifift tverben, baß man
9oti Hebe, t)etgt geliebt merben. SBettH«!^ Sßetft^
meint freiließ nidjt, bafe ber ßiebenbe felbft tuinfürüd) bc*
ftimmen bürfe, Wa^ er unter ßiebe üerfte^en tüill. Siebe ift
ja Eingebung unb 5lufopferung; barum meint bie SSclt, ber
©egenftanb ber ßiebe (er fei ein ©cliebtcr ober grcunb ober
bie (ieUebten ober eine iSefeQfc^ft ober bie SDhttebenben —
I9ir nennen t^n fortan ber ^ur^e t)aI6er nnr „ben (He*
liebten") fülle beurteilen, ob ^iußcBung uub ^lufopferung
bclüiefen UJcrbc, unb ob bie beUjicfeuc ^'^ingebung unb ^luf-
0|>ferung Siebe fei. tt)irb alfo borauf anfommen, ob
bie 9}^enfd)e«, bic urteilen fottcn, attc| richtig urteilen
toiffen. SBenn n&mlic^ ber ^enftanb ber Siebe, ber SHc^ter,
nid|t bei fic^, oor <Sott, eine h)Q{)re 53orfteaung öon ber ^tbf^
liebe l)at, bie nämfid), baf? fie in ber Siebe (SJott beftcl)t,
fo t)Qt er, ber (i'3cücbte, aud) feine n)n{)re ^>orftc[Iung baüon,
toa^ Reifet, üon einem an ber n ^Jf^enfdjen geliebt locrben,
bai^ nämlic^, baß er toon btefem in ber £iebe gegen ®ott
nRterfifilt nierbe; koenn t» fi4 aber fo berieft, fo toirb |a
ber ^khU eine nngefunbe ^rt bon .^')iugebung nnb 9[uf^
o^jferung für bie tüa[)xt Siebe unb bie ttia[)re Siebe für Sieb*
lofigfcit anfcljcn. 2)a^ nur mcnfd)lid]e llrtcif über bie Siebe
ift nidjt baö m{)vz Urteil, benn ©ott lieben ift bie Uja^re
©elbftliebe. 3ft bagegen bei ber Beurteilung ber Siebe ®ott
«bie 3^if(^nbeftininiung, fo folgt noc^ eine enbgftltige nnb
bo))pelte Seurteilmtg, bie (nneno^t bie einzige int ®rttnbe
cntfc^eibenbe) bod) erft ba beginnt, Xüo ba§ menfd^lidje Urteil
fertig ift unb ent jdjiebcn l}Qt, ob Siebe Oorl)Qnbcn fei ober nic^t.
S)iefeö Ic^te Urteil fragt banac^, ob e^ toiitUcö in göttlichem
@inne Siebe ift, eine folc^e Eingebung ju geigen, n^te fie ber
(Hegenftanb ber Siebe forbert; fobann ob ed oom ileliebten.
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öom ©egenftanb bcr fiiebe, im göttlicf)cn (Sinne ^kbt ift,
eine folc^e Eingebung 5U forbern. gebet ^enfcl) ift &ottc^
£etbetgenev; barum borf er nid)t einem anbrm SSenfc^n in
Siebe }uge^dren, o|ne in betfelben Siebe Q^ott an^uge^Öreit»
nnb titelt jemonben in Siebe befi^en, o^ne bo| bei anbete
unb er felbft in biefer Siebe ®ott jugefiört. ©in 2)^enfc^ barf
nic^t einem anbern 3D?eujdjen aii9et)örcn, märe biefer
anbete SD^enjc^ i^m aUedj ein äJ^enfd) baif ntd)t ^ulaffen,
baj) ein anbetet it)m fo angehöre, aU mäte et biefem anbeten
a0ed. S3eft&nbe ein Siebedoet^ftltnid a^f4^ obev
weiteten, fo glüdfetig, fo DoUfommen, ba| bet 5Di^tet batob
jubeln inüfete, ja fo {)oIbfeIig, baß bie ^^eube unb 3>crmun*
beiung über bicfcn *?(nblicf bcn jum ®id)ter machen müfete,
ber ed nod) nic^t ift: fo ift bie <Bad)t bamit noc^ feinesmeg^
fettig. S)enn nun ttitt bod @t)ttftentum iiinju unb ftogt
na4 bem ^otte^er^ftltntd: ob jebet dHn^elne auetft in einem
fBetl)d(tnig 5u (S^ott fte^t unb ob fobann ba« Siebedtoetl^ftni«
in ein ^l>ert)ü(tniö ,^u ®ott gefegt ift. Sft baiS nid)t bet
%a\i, jü mirb biv5 (Sbriftcntum, ber ^Inmalt ber Siebe, gerabc
aU folc^et o^ne 8eben!en im 9^amen (^ottt^ in biefen ^unb
3n)ief)Kt(t btingen, bx& bie Stebenbeu ed üetfteljen moUen.
Unb toid ttut bet eine^eil bod toetfteben, fo mirb bad<S^rtften«
tum, bet ifnnKilt ber Siebe, o()ne Sebenlen i^n 5U einem
fd)rcrflid)cn 3"h^"i'"^iif^o6 brängen, mie it)n fein ^idjter ftd^
träumen läftt ober ju fd)i(bcrn getraut l)at. ^Dcnn fo mcnig
ald ein 2)id)ter fid) mit bem d)riftlid)en „liebe beinen
geinb" einlaffen fann, fo toentg ober loomögtic^ no(^ weniger
iann er ft(| mit bem G^tiftltc^en einlaffen: bag man aui^
Siebe unb in Siebe ben ®e(iebten Raffen foQ. 5Docl^ mac^
fid) bad (5t)riftentum fein 53ebenfen barauS, in ®otteö 9?amen
baö ^seil)ältni^^ fo ftraff 5U fpannen. 2)a§ t(}nt ba^ Ghriften-
tum nic^t bloß, um gleii^fam (^otit& Q)ut^aben einzutreiben
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(ba ®ott ja ber $err unb ^efiger beä leibeigenen 30?cnfc^ert
ift), cö tt)ut ba^ au^ au§ Siebe bcn Biebenben; bcnn
<^tt liebelt ^t|t fid^ felbft lieben, etnen anbern äKenfd^n
tute (Stott liebelt ftd^ felbfi betcftgeit, unb tioit eiitem
crtibereit ftd) tote dtott Ite^it loffen ^ei§t biefen onberit
SOkMi)d)cn betrügen, ()od) (mcnjdjlidj gerebet: bi^ 511 einem
fold^en 2Bal)nfinn) fann ba^ (Jljriftentnm biegorberung treiben,
loenn bie Siebe be^ (^efe^eS ©rfüüung fein foH. S)arum lel)rt
^, baft bec i&^rifi, koeittt ed gefotbert toirb, l&atet itnb 2StutUt
uitb ©d^toefter unb bie Seßebte foH ^ffen fditnen — aber
bo^ ni^t in bem @inne, bafe er fic loirfltc^ t)offen foKte?
y^cin, jorne fei t)on bem ßt)riftentiim eine folc^e 5Ibjc^eu(id)fcit!
Söot)l aber in bem ©inne, baß bie Siebe, ba^ bie (göttlich
Derftanben) treue unb aufrid^tige Siebe oon bem (S^eliebten, ben
S^acldftftel^nben, ben äftitlebenben fftr angefe^ koetben
mu|, tt^l btefe nic^t berftef^en moOen, toad ftc^ felbft (teben
• l^eifet, bafe man nämlic^ ®ott liebe, unb ma§ geliebt tüerben
l^eifet, bafe man nämltd) üon einem anbern 3Kenfd)en unter=
ftü^t toerbe, (Bott ^u lieben, ob e§ nun wirflic^ bamit
eneic^t n^erbe, ba^ ber Siebenbe fic| in ba^ ©e^agttDerben
fi^icft, ober ei^ nt4t erreicht toerbe. bie toeUUci^ Skid«
\)dt t)at eine teid^ 9[udtoa^I tm allerlet 9ndbrfi(fen für bie
§(uf Opferung unb Eingebung, biefer aber finbet fid) nid)t tuol)!
baruntcr: boB man au^ Siebe ben beliebten I)affe, au^? Siebe
ben beliebten unb infofern fic^ felbft ^affc, ba& man au^
£iebe bie SKitlebenben ^ffe unb infofetn fein eigened i^ben.
@te^, bie koebtid^ aSeii^^eit tt»et| Diele unb fe^r betf^j^i^ne
gdffe towi unglücflic^er ßiebe; finbcft bn ober nm^t unter nH
biefen baS Setben, fdjeinbar ben beliebten Ijajien ju niü)fen,
feine Siebe fd)liej3fid) mir alö §a6 au^brüden ju müffcn ober
jum So^n für feine Siebe bon bem beliebten gel)a6t merben
SU ntüffeu, koeil bie beibetfeitige tluffaffung bes ^xht bwc^ bie
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nttenblt^e ftlnft getmittt ift, \odäft bie tfy^ilv^ So^^
bcfeftigt? — 5E)tc SBcft öor (Sfirifto f)at oHerlci gäHc Don
unglücffidjci- SieDc (5efcl)cn: tüie bie Siebe mit fd)recf(idt)en
©egebniffen jiifammcnftiefe, tüie fic auf bem Soben ber gteicfjen
<S^runban{c^auung uon ber Siebe mit bem (Gegenteil ber Siebe
^nfammenftieft, tote fie auf bem j^ben ber gleid^en i^cunb«
anff^imitg iittt tetlmetfe i)etf^ebenett Srnf^imngen aufommett«
ftteg; nie aUt bie Sßeft t>or (S^rtfto ed efleH bag ^
ber Siebe ^tucierlei 3^orfteflungen üon Siebe, bie um eine
©migfeit üon einanber üerjdjieben finb, jufammenfto^en fönnten,
bie göttlid)e unb bie b(o6 mcnfd)lidje. ^ommt eg aber einem
folclieit gufamtnenftogy fo ift ed ja, gdttltd^ Derftanben, gerabe
Siebe, bie toa^, bie eoige IBoifteHung fefl a» ^(ien mh
in i^ter ftroft p lieben, toft^enb bie Siebten, bei il^rer
hio^ menfc^ücf)en SSorftetlung Don Siebe, biec^ für ^afe an*
fe()en muffen. 9Jeben mir redjt meufdilid) Dom ,§öd)ften —
man lägt fid) ja leiber in ber fogenannten (äl^riften^eit gar
)u leicht p ber (Spüibtlbttng Derfft^ren, bag man glaube, mo»
i^on man nu|t einmal einen (Sinbmd ^t, tvenigftenS feinen
gen^genb ftatf^n, ber vmü anfmetffam mad^n nrftrbe; reben
mir nur redjt menfd)(id^ Dom ^öc^ften, ol}ne bod) je ju
üergeffen, ba^ ber, um bcn c§ fidj tjier [)anbelt, burc^ einen
cmigen Unterfc^ieb üon jebem ÜJ^enfdjen gefdiicben ift: (5l)rifti
£eben ift eigentlid^ bie einzige ungtüdlic^ Sitbt. (fr loar
im giKtlid^ @inne bie Siebe; et liebte in Ihaft ber gött*
SBorfteHung t>m Siebe nnb liebte boiS ganje ©efc^tec^t;
eben airt — Siebe burfte er biefe feine SL^orftellung nic^t
aufgeben, bcnn fonft ^ätte er gerabe ba§ C^iefdjlec^t betrogen.
2)orum mar fein ganzes Seben ein fd^redlidjer 3"fti'""icii*
ftoft mit ber nnr menfc^Uc^n ^orftellung ))on ber Siebe.
SHe gottbfe Seit ^t iljn getren^igt; aber felbft bie Sftnger
nerftanben il^ nic^t nnb fugten i^n beftönbig gleid^fam für
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i^re üBorfteUung t)on ber £iebe gettnnnen, fo bo^ ec fogat
^ fpetrud fojien nutzte: „loetc^e t»ott mir, bu ^tan!''
dntfc^Iic^er 3"l'animeiifto6, uncrgrflnbnc^« Seibcn! ^)erouf«
ric^tigftc iinb treucfte Sünger tüitt ntcf)t bloß ttJO^tmeincnb,
nein brennen b üor Siebe nur ba^5 53cfte raten, mid nur auö=
brücicn, toic \)od) er ben äKcifter Uebe; tücil aber feine ^^ot*
fteHung tooii ßtebe bte untoa^ce ift, fo rebet et fo, bag bet
äßetfter }it t^m fagen mug: bit Derfte^ft ed titt^t, für mid^
aber finb betne SBorte, ai9 todtt ed ber ^ton, ber tebete!
@o fam baö (Sljriftcntum in bic2öelt Ijerein, mit bem (£()riften'
tum bie göttlidje Srtlärung beffen, Siebe ift. Wiv be^
nagen und oft, bag toxi: nic^t üerftanben tuerben, befonbecd
bann, toenn bad a^|uerfiänbnid t>s>n ber Btebe am bitterften
gemifc^t mirb, tmi \o\x an {eber il^rer flngeningen fe^,
ba^ bte Siebe babet unglüdfi^ ift, bog imr gemig geliebt
finb, nur nic^t Dcrftanben; ba^ ö^^^^fe ^^^^ beömegen fo bitter
lüirb, toeil bie Siebe eö t()ut bnrd) ein SD^ifeuerftänbniö. ?tber
fo mi|Derftanben ^u toerben tpie nie, nie irgenb ein ä)^eufc^
toon anbem, fo mtgoerftanben ^u merben, n^ie (^^rtftud e9
tonrbe — nnb bann bte Siebe fein, ttiie (^^rtftud fte »at!
SX^an tt)ut, aU t)ätte nur bte ®otttofigfeit mit @t)rtftud 5U«
famnicnftofeen mtiffen. SBeldjeö 3)?ij3Ucritänbni§! 9^ein, ber
(menfdjüc^ gerebet) befte unb üebfte 3J2enfc^, ber je lebte,
mu^te mit i^m jufammenftogen, mugte itju migoecfie^en;
benn biefer befte äRenfd^ foQte ja erft oon i^m lernen, ttnid
Siebe im göttlit^n @tnn ift. (E^riftt Siebe toat ni^t anf«
ot^fernb in mcTifd)ttd^cm ©inne, nid^t« loeniger; er mo<^
nid)t, in men)d)lic^em (Sinne, fid) felbft unglüdlic^, um bie
©einen gliid(id) ju madjcn. 9^ein, er macf)t fid) felbft unb
bie ©einen fo unglüdltc^, qI^ e^, menfc^Iidi gerebet, möglich
liKir. Unb bod t^ er, ber ed in feiner äRac^t ge^bt b&tte,
bai^ 9}ei(| Sdraetö aufprid^ten nnb fttr ftd^ nnb bie ©einen
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aUcg fo gut machen, maä jeber geitgcnoffc bcutU(^ ö^nug
fe^en fonnte! @i: Eonnte alfo, too Ute ed aljo nid^t; ber
gelltet mugte alfo an t^m liegen, att feinem i^r^en, batan,
ba^ et ttid^t feine ^orftellnngett, feine (Sinbitbungen ofifetn,
ba6 er lieber ftc^ felbft unb bte ©einen graufam opfern,
fein eigene« unb ber (geliebten Seben üerfdicrjcn molltel Sr
fttftet nic^t ein $Reid) auf ©rben, opfert fic^ aud) nid)t, bamit
bie ^(poftet bad @rn)orbene aU (Srbe antreten fönnten; nein,
ei^ ift ja, menfc^Uc^ gerebet, SBa^nfinn: et opfett fic^ fetbft —
um bie beliebten ebenfo unglficfüc^ machen »ie fi^ felbfti
fBar bod totrKic^ Siebe? (5r fammett etftc^ einffiftige, geringe
ßeute um firf), geiuiimt itjre Eingebung unb Siebe in einem
nie bagetücjenen ©rabe: er crnjecft einen ^Uißcnbficf ben ©c^ein
für fie, eröffnete fic^ itjuen bie ^uSfic^t auf ^^5ern)ir(s
lic^ung i^ted ftol^eften Xtaumed — um bann )>lö((ic^ fic^
eines anbetn au befinnen; et dnbett ben $(an; nngerü^
twm t^ren Sitten nnb ol^ne alle Slüdfid^t auf fie ftürjt et
fid^ Don biefer uerfütjrerifc^en §Ö[)e in ben 5(bgrunb aller
®efa()ren, um bann o{)ne Sßiberftanb fidj feinen geinben
auszuliefern unb unter ©pott unb $o^n, Ujät)rcnb bie 2Bclt
iubeUe, atö ein äJ^iffet^ätet ftc^ and Stm% fc^Iagen $u kffen;
»Kit bad niittlid^ Siebe? Sl^t e9 ttntflic^ Siebe: fo ft(( twn
ben Stingern wcg^ureiben , fie in einet fBtlt ^urüd^ulaffcn,
bie um feinetlüiüen fie t)affen mufjte, fie njie oermirrtc ©djafc
IjinauS unter reijjenbe Söölfe §u jagen, bereu 33Iutburft er
gerabe gegen fie erregt ()atte: tüai t>at^ iuirflic^ £iebe? SSikid
miQ bo(^ biefet äJ^enfc^? SBai» miU et mit biefen tteu^^tai^m,
xMxä^n, ob au^ befc^t&ntten Seuten, bie et fo fc^tedli^
bettügt? SBatum nennt et fein Set^Iten ju i^nen Siebe?
S^aritm bleibt er babci, eö ßiebe ^u nennen? SBarum ftirbt
er, ol)ne 5U gefteljen, bafe er fie betrog, fo bafe er atfo mit
bem ^nf))tuc^ ftirbt, ed fei boc^ Siebe gen)efen? — ad^.
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wft^renb bie Süntjer mit ^crriffcnem ^erjen, akr mit rüt)*
rcnber %xtüft, fid) fein Urteil über fein 53enel)men anmaßen,
öermutlic^, mcit er fie übermältiflt t^atte, ba ja jcber anbete
SD^enfc^ teic^t einfielt, hai er gegen feine Sünger atö ein
Sktrfiger l^anbette, loenn man auä^ im übrigen if^n otö
©(^toärmer ktracf)ten unb fo entfcf)ulbigen fonnte! Unb
bod) War er bie Siebe; unb bodj tl)at er nUe^ au§ Siebe
unb moüte bie ^Jieufc^en befeligcn, unb moburd)? burd) ha^
®otte§üer^ättni§ — benn er mar bie Siebe. Sa, er mar
bie Siebe, unb er tonnte mit fid^ felbft unb mit Q^oU, bag
er bad S3erfdt)nung9opfer brad^te, hai er in ®at)rf)eit bie
Sftnger liebte, ba§ ganje 3Kenfcf)enge[c^led^t liebte, ober boc^
jeben, ber fid^ retten laffen mollte!
®ie ®runbunmal)rt)eit in ber nur menfd}lid]en ^lufjaffung
ber ßiebe befielt barin, bafe ber Siebe ba§ (55otte§öcrf)äItnt§
entiogen loirb unb bomit aud^ bad S^er^ältnü» )u bem ^efe(,
bon bem bie nebe ift, »enn ed ^i|t: „bie Siebe ift M ^e»
feje« ©rfüUnng." Snfotge eines fonberboren 9}?i6üerftänb»
niffe§ ift man uießeidjt gu ber ?lnfid)t geneigt, ber Siebe
jum DZädjften foUe ba§ ©otteöüer^ältniö nidjt entzogen merbcn,
el^r aber ber natürlid^en Siebe unb greunbfd^aft, gleich ald
iD&re bod (S^riftentum etumd fyxlbt», aU foßte nic^t aEe
Ser^dltniffe burd^bnngen, atö to&xt bie Sef^re t)on ber Siebe
%um SfJfic^ten nic^t gerabe barauf bered^net, a(§ müfjte fie nid^t
beSl)alb aud) bie natürlid)e Siebe unb 5rcunbfd)aft umbilben,
möt)renb öiele infolge eineö fonbcrbaren ä)?iBtJer{tänbniffe$
DieHeid^t meinen, jur Siebe gegen ben S^ädjften — ben minber
liebeniSmürbigen ®egenftanb — bebürfen fie gttar ber ^ilfe
(S^otted, bei ber natflrtid^en Siebe unb ^eunbfd)aft aber fdnnen
fte fid^ felbft am beften Reifen, ad^, at« ttJörc f)ter ®ottc8
®inmifd)inig bocf) eine Störung unb llnbequcmlidjfcit. Siciner
Siebe aber unb leiner Üu^erung ber Siebe barf meltlic^ unb
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blofe menjd)(icf) ba^ (5Jotte§l)crl)Qltnii;J entzogen werben, ^ie
öiebe ift eine £eiben|d}aft be§ ®cfül)r§; in biefem GsJefül)!
aber {oU bod) ber ä}^enjc^ ä^^^f^ f^^^f* mitten in feinem 'i^er-
^Uen jum (Skliebten fid^ &oti toerl^Uen unb bamit bie
^orbenmg lenieti, ha% bie Siebe beS ®efe^ (SrfüDbitig tfi
3)ie Siebe ift ein ^er^atten einem ottbeten SD^enfd^ ober 511
anbern 3[)?en[d)cn, feineglpeg^ aber ift fie, teine§tt)eg§ bnrf fic
ein blofe menfd)lic^eg (el)lid)eg ober frennbfdjaftlidjeS) Über*
einfommen fein, eine menn aud) nod^ fo treue unb innige ^-Öcr*
biiibimg fiox\6jitn äH^enfci^ itttb SKenfd^. Sebet fflr fi(^ not
feinet Siebe 5U bet ®e(ie6ten» bem ^unb, ben (SkHebten, ben
SKitlebenben juerft in ein SBer^ättniö p (SJott unb jn ber
gorberung (^otteö ^u treten, ©obatb man baS ©ottceuer-
^Uniö auäläfet, imrb ber ^etreffenben blo| menfdj(id)er
Begriff öon Siebe unb SiebdJ^jflid^t unb i^r gegenfeitigeS,
bem etttf)ncc(|enbed Utteil ^nm oberfien Uttcil etl^oben. 9^ifl^t
nut bet, todd^ einem 9tnf (S^otted fic^ gän^tic^ gut $er«
fügnng ftellt, foH einem Sßeibe nidjt angc[)ören, um nic^t
babnrc^ aufgel)alten ^^u tnerben, bafe er il)r gefallen mid; aud)
luer in Siebe einem äBeibe angehört, foü in erfter Sinie ganj
(S^ott angelten, nid^t juerft bet Qkittin gefallen tootten,
fonbem ^netfi batnadg ftteben, ba| feine Siebe @lott gefalle.
SlKc^t otfo foll bie ®ottin ben Hl^ann Utycn, wie et fie lieben
foU, über bev Wann bic Gattin, ober ber Jreunb ben grcunb,
ober bie 9J?itIebcnben ben 9}?ittebenben , fonbern (^ott foU
jebcn (Sinjelnen itl)m\, tok er lieben mnfs, meiui feine Siebe
fibet^u))t ^tt bem in ttebe fte^nben (§^efe| — „hit Siebe
tfi bed ®efe6e9 StfADung" in Se^ie^ung ftel^en foll.
2ltatütl\^ mug bo einet mit feinet nnt meftlid^en obet nnt
menfd)Iici^en ^^NorfteHung t)on ber Siebe baö, ma§ d^riftlic^
üerftonben gerabe Siebe ift, für ©efbftliebe nnb Sieblofig-
fett anfe^n. ^eftimmt bagegen bad (S^ottedoer^ältnü^,
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ga>\\6^n äRenfc^ unb äRettf^ £ie6e ift, fo totrb bie Siebe
tetl^inbett, fi<| in einem Selbftbetrttg ober einet ©inned«
täufd^ung feftäufejcn, »äl^rcnb ganj rid)tig toneber bie 3fotbe«
rung ber <Se(6ftüer(cugnung unb 9(ufopferung unenblid) gc*
ma^t h)irb. 2)ie Siebe, iuefdje iüd)t ju ®ott tü()rt, bie iJiebe,
bie nid)t biefe« einzige 3^^^ ^P^' ßicbenben jur ßiebe
gegen &ott fahren, bleibt bei bec btog menfclli^en ÜBe^
ntteitung ber Siebe, bev fTttfot^fernng nnb ^gebnng in ber
Siebe flehen; fte bleibt ftet)en unb entgei^t babnrd| berSRög*
lid)feit be§ legten, bcö fd)rectlid)ften gufamenfto^eö: bafe in
bem 2iebevi)cr[)äUniö ein uuenblidier Unter|d)ieb in ber ^uf*
faffung ber :^iebe fid) jeigt ipie ein SJienfc^ bie ©ac^
Derfte^t, foUte biefer gufammenftog eigentlid^ nie eintreten;
benn bie Sorandfe^ung bed b(og menfc^tid^ SetftänbniffeiS
ift, bog bie (ifrnnboini'teVnng Don ber Siebe bei allen tüefent«
lid) bicfelbe fei. 9^ur ber (5f)rift fann üerftef)en, bau ber
gufommenftofe möglich ift, ba c§ ber gufammenftoB S^nfc^en
bem S()rtftlid^en unb bem blofe 3)?cnfc^Uc^en ift. S)oc^ ipcife
bad d^^rtftentum burd^ biefe ©d^n^ierigfeit ||inbur(^ p fteuem,
nnb nie fytt eine Se^re gelehrt, f o lange mit ber Siebe and«
5uI)Qtten, mie baiS (S^rifientnm. & le^rt, untoanbelbar nnb
unuerrüdt gerabe um beS (geliebten njtHen bie ttia^re ^or*
fleUung uon ber Siebe fGft§uf)QUen unb bann njitlig fic^
barein ^u finben, bajs man jum £o^n für feine Siebe t)on
bem <^Uebten ge^a|t tt^rbe — benn bie beiberfettige ^uf«
faffnng ber Siebe ift ja burc^ einen nnenbtic^ tUiterfd^ieb
getrennt nnb ber eine ^ptt^ bie @prac^c ber 3cit, ber anbere
bie ber ©njigfeit. <5ic^ md) bcö (^)etieBten SBorftellung uon
ber Siebe ju richten, t)ci6t menfc^lidj gercbet (ieben, unb ti)nt
man bad, fo koirb man geliebt ^erfage aber einmal bem
&tiitbtm, gan) entgegen feiner menfdjlic^n S3orfteIIung oon
Siebe, ben ffinnf^ (unb infofcm audi bad, mad ber Siebenbe
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— 166 —
iiad^ ber Moft menfd^Ucl^it iBorftcEung fetSft tofttifd^en rnftfett),
um bie (S^otte^otftellung feftjuf^oltcn, fo ift ber 3"f«™w€n*
fto6 ba. Vorauf fann bie bfofe menfd^Iid^e ^uffaffiinc^ ber
Siebe nie üerfaüen, bnfi ein 9}?enf(^ burd^ bie grofic iiiebe,
bie er uon einem anbern geniefet, biefem (enteren 9J2enfd)cn
im SBege fein fönne. Unb boc^ ift baS gerabe, c^riftUd^
mftanbett, möglich; bentt fo geliebt fein fann ffit tfcA
(8ottedt)eT^ö(tntd beffen, bet Ue6t ein ^nbemid fein.
ift bann aber modien? 2)ie (Sinfprad^e be^ (beliebten Ijilft
getüife nirf)t uiel; bamit madjte er fic^ nur nod) licbcnö^
toürbiger — unb fo njäre ber Siebenbe nur noc^ me^r bc*
trogen. ^t)riftentum tmi ben guf^^inenftog o^ne
©d^bigung ber 2te6e ^n ^ben; ed forbert nnr bad Otifet
(boS freiließ oftmatö baS benfbav fc^loetfte nnb immer fe^r
ferner ift): bog ber 9J?enfc^ toiffig fid^ barein finbe, jum
Sol)n für feine Siebe ge^ofet ju njerben. @in giMtii^^i^^^ftt'fe
ift olleniat ba, tt)o ein SWenfd^ üon anberen fo geliebt, fo
ben^unbert ift, bafe er i^rcm (Sotte^öer^ältniS gefä^rlic^ ioerben
fann; um abet ber ßufammenfto^ ift, ba ift aud^ bad 0)>fer
geforberty bad bie nur menfd^Uc^e SjorfteQung Don bet Siebe
niefit o^nt. ^enn baS S()rift(id)e loutet: njal^re ©ctbftnebe ift
Siebe (Sott; toabre Siebe ju einem anbern 9}?enfdjen ift,
mit jebem D^)fer (auc^ bem, bafe man felbft gesagt mirb)
bem anbern äJ^enfc^en jur Siebe gegen d^ott ^u oer^lfen
ober in ber Siebe ^u <^ott fort^ul^lfen.
5Da« ift tDo^t fefir (eic^t p betfte^en, in ber fBklt f^t
e«i bogegen gcn)i6 feine grofeen ©(f)tt)icrigfeiten; benn eine
entgegenßcfc^te ^(nfc^auung üon ber Siebe, eine me(tlid)e, eine
bloß mcn|d)üc^e, babci aber geiftreic^ unb poetifc^ burc^ge*
führte ^(nfc^auung er!(ärt entmeber aQ ba^^ (SJerebe oon einem
iS(ottedoer^(tnid für (Sinbilbung unbSerfc^roben^eit, ober Oer»
fi^ioeigt fie bod^ ha$ iSottedoer^Unid, menn fie oou'ber Süebe
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— 156 -
rebct. SSie man in unferer ^tit bic 3}?enfc^en ouf alle ftrt
Don allen ©anben, audj bcn nü^(icf)cn, \xci madjen mÜ, fo
{uc^t man aud) bad ©emüt^leben unter ben äJ^enfc^en uon
bem ^anb löfen, bad bie (Sin^elnen an Q^ott biitbet unb
fie in allem, in jebec iSebendftngecnng Mnbet; man toitt in
bet Siebe l>ie Wltn\ä^n ein gan^ S^ued lehren, )oo»
für \>o^ bie l)eute üerattetc ^eilige (Schrift bereit« ben be*
^eid^nenben ^uöbriid l)at; man mill bie 9)?enfd)en bic greis
l)eit kl)xtn, bie „ol^ne (SJott in ber SBelt ift," fo bafe |ic
&ott — lo§ finb. 2)ie abfc^euttc^ Qtit bcr Scibeigenfdjoft
ift twrbei; fo meint man toeitec ^n gel^ — bucc^ ben ab*
f(^nli(^en ©d^ritt, bajs man bie Setbeigenfd^ft bed SRenf^en
®ott gegenüber abfc^afft, bem bod^ jcber SWenfc^ — nic^t
huxd) bie C^5c6iiit, fonbern burd) feine (Srfc^affung auä nic^t«
~ alö leibeigener angel)ört, unb sttiar fo, tvit nie ein ©flaoe
einem irbifc^en §errn angehörte. ^Denn biefer gtebt bod^ ju,
baf} (^banlen unb (^efü^Ie frei feien; (^ott aber gel^drt man
in jiebem ®ebanfen an, and^ im ge^mften, in jebem ©efü^I,
an^ bem leifeften, in jeber ©enjegung, aud^ ber innerltci^ften.
ir)0(f) bicfe £eibeigenfc^aft füt)lt man nad^^erabe aU eine
(äftige 3wbringlid3feit; man ift boI)er met)r ober meniger auö*
geft^roc^ barouf bchad^t, ©ott ab^ufe^en, um ben 9}?enfc§en
ein^nfelen — in bie SD^enfc^red^te? nein, bad braucht ed
ni(^, t^t beteitd ®ott felbft a(fo — in ^tteS Siedete;
biefer $(a^ mirb ja aud) frei, wenn ®ott Derabfc^tebet ift. "
@ie]^, jum i^ot)n für foldjen greocl mirb man mel)r unb
metjr bat)in fommen, bafe man baö ganje ^afein in S^^if^^
ober in einen SBirbel üertoanbelt SBod ift überf)anpt @cfe^,
ttmd ift bei» <^e^ gorbernng an einen äftenfc^n? Sa,
ha» foHen bie a^enfd^en befümmen. XBelc^ SRenfd^n? $ier
beginnt ber 3^eifel. toefenttic^ fein 3J?enfd^ ^ö^cr benn
ber aubere fte^t, ]o ift gan^ meiner SBiüto überlaffcn#
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— 157 —
mit mcm td^ in S3eftimmung be^ §öd)ften übercinftimmcit
null, ]o tücit id), luomöglid) noc^ triüfürüc^er, md)i felbft
auf eine neue ^eftimmung uerfaQen fann, um bann
Wlkxbtx einen ^n^ng bafür geiotnnen. ®d ift ebenfo
meiner SBiQfftt fibetlaffen, ^ente bad aU tnt Sorbentng bd»
<Befe^e^ atigttne^mett utib morgen ein anbetet. Ober fotl
bic SBeftimmnng, toa^ bieg C»5cfe6 forbert, einer Übcretnfunft,
einem gcnicinfaiucn 33e)d)lu{^ aller 3)Zcnfd)eu anljcim gegeben
fein, iporuuter ber (Singelne fic^ ju beugen ^ätte? "i^ortrcff*
lic^! n)enn nur crft ber Ort ju finbcn märe unb ber ^ugen«
blid für biefe SSerfammImig atter äRenfc^en (atter (ebenben?
aller? — toai ift'iS bamt aber mit ben tierftorbenen?) anbe«
ranmt merbcn fonnte, unb ttjenn eö bann ebcnfo mög(id)
loöre, lüie eö unmögtid) ift, bafe fte ade einig tüürbenl Cber
ift üietteid)t bie ©inigfeit einer ÜJ^enge öon 9)?cujd)en, eine
gemiffe (Sttmmen^al)! jur (Sntfc^eibung ^inreic^b? SQ3ie
gro| mng bann bte Qaf^i fein? Unb femer, nienn bie blog
menfd^tii^e IBeftimmnng ber ^orberung bed 0kfe|e9 bie
gorberung be^ ©efe^eö ift (bod) nic^t bic 33eftimmung burrf)
ben (Sin^clncii, beitn bamit geraten W\x, mt gezeigt, in bie
reine 3Billfürj: tuie fann fo ber einzelne 9J2enfc^ einmal ju
^beln beginnen? ober ift e^ nic^t einem ßufoE iiberkffen,
too er beginnt, ftott ba^ jieber beginnen foHte, mo begonnen
inerben mu^? Um mit bem ^nbetn §n beginnen, mu^ ber
(Sin^elnc erft üon ben „onbern" erfahren, »q« bte gorbcrung
bcö (SJefe^eg fei; jcber Don biefcn anbern füll al^ (Sin^^elner
ed aber njieber oon ben „onbcrn" erfal)ren. ^^luf bic Söeife
termanbeU fid^ bad gan^ SRenfd^nleben in eine groge dSaiU
f^nlbigung — ift baS ettoa bie groge, nnbergteic^Iic^, ge«
meinfc^ftüc^ Untemel^mung, bie (Sro^t^t bed (^d^tec^tS?
^)te SBeftimmung „bie anbcm" bleibt mör^cn^aft, unb bie
märc^ent^aft angeftrebte ^eftimmung, toa^ bte Soi^berung bed
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— 168
Qk\ti^ fei, ift Minbet Maxm, Unb toetin nun btefe miU
läufige, btefe mirfttd^ unmenf(i^n<|e 9CrBett, eine mtberf^ruc^d«
lofe ÜBetetnhtnft ätüifd^en ollen SWenft^cn JierjufteOcn, nic^t
auf einen 5(benb fertig irirb, fonbem öon ©cfcljlcdjt
f^(ed)t ficf) in bie Sänge jicl)!, fo tnirb e§ qI)d gan^ ,^nfä(Iig,
tDO ber (Sin^elne einfe^t, unb eS n)irt) bieS baDon abhängen,
koonn fo p fagen int ®piü bie d^ei^e an t^n fommt.
(Stücke begannen benn xic^ttg mit beut tCnfang, ftatben aber,
e§e nton ^atbn^eg^ toax; anbete begannen in ber Wite,
ftarben aber, o()ne baö ©nbe §u fe^en, baö eigent(irf) niemanb
fef)en befam, ba c§ erft fam, afiS ba^ ©an^e üorbei, bie
äBeUgefc^ic^te gefcljtoffen loar, ba man erft bann gan^ üoU*
ftänbtg 5U loiffen befam, h)a§ bic gorberung beö (SJefeJeg fei.
9lur fc^abe, baft bod SRenfc^enleben nt^t je^t erft beginnen
fonnte, ba^ ed nun eben t)i)rbei unb alfo t)on allen ä^enf^en
o^nc eine t)olIe ÄcnntniÄ ber gorbcrung beS ®efc^eiS guge*
brad^t tDar. SBcnn Don ftebcn ?[}?cnfc^cn, bie man odc eine^
^^erbrec^enö befc^u(bigt, baö anbere nid)t fönnen begangen
^aben, ber fiebente fagt; „ic^ war nid)t, eS loaren bie
anbem", fo berfte^t man unter ben anbern bie anbern fed^,
unb fo bei jebem; toenn nun aber ade fieben, feber für fic^,
gefagt t)a6en: ,,ed maren bie anbern", toaiJ bann? Sft ba
nicf)t ein Suftgebilbe (jeroorgc^aubert, baö bie njirÜidjen ©ieben
nerboppclt I)at unb un§ einbilbcn luiH, eö feien nod) ttjeit
me^r geloefen, l©iert)o( e^ nur fieben loaren? ift'S aud),
n»enn bad ganje ^efc^led^t, jeber einzelne für fi(i^, barauf
ijerfftnt 5U fagen, „bie anbern"; ba n^irb ber ®<^ein tmtät,
a(S tofire baS ^efdE)(ed|t au^er feinem niir!(i(!^n ^afein tiv^
einmal ba, nur baf^ e§ {)ier fo fcfjUjierig ift, baö galfc^e, ba«
unter bem (Sd)ein bcc^ ^icffinnö S3lcnbcnbe nac^^umeifen, njeil
baö (S^cfdjled)t un^ätjtbar ift. 5)oc^ ift baö ^>erf)ä(tni§ ganj
bad gleiche teie bei bem fßtäxä^n t>on ben hieben unb ben
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fiebett „attbent", tote toix'ii nennen fönnen. &t^, genau fo
imf)ült toenn bte Uc% menfd^Hc^e S^efitmmung bet
^orberung bc§ ®efe^eg bie gorbcrung be^ ©efc^e« fein foll:
man f)ilft fid^ mit bem 3)?ärd^cn Don bcn „anbern", unb neben*
bei unterftti^t man fid) gegenfeitig baburd), ba^ man etma^
5ufammenl)ält. ®enn oUcrbingö giebt eS ein ättjcitcö Unfein
M iDlenfc^ngefcl^ted^tö, nur ntc^t ein m&n^en^afted: M
§n>eite 5Dafetn ift bad ^ofein in (S^ott, ober xii^ü^tt: bad
tft bad erfte Unfein, tDoBet jeber ^in^elne oon <9att bte
gorbcrung beä ©cfc|3c^!^ 511 Hüffen bcfommt. njirttici^c
!Dafcin ift ba§ jmeite. SÖomit fönnen njir aber bcn bc-
]d)nebenen 3"ft^^"b ber 5>ern)irmng üergleid)en? 9Ümmt er
fic^ nid^t tok eine ä)>2euteret aud? Ober foQen vo^xi
f^uen, btefen SRomen %u gebrauchten, toenn ed jn einer ge«
teiffen 3^'* boS ganje @efd)(edE)t mx, ba§ fid) in bcr ange-
gcbenen SSeife uerfd)ulbete, unb mir beö{)atb, mo()l gcmerft,
Ijin^nfügen, e-S fei baö eine SD^euterci gegen ®ott? Ober ift
ba^ ^ittlic^e fo bem S^^aii unteciporfen, baB bad Unrichtige
tM dtic^tige ift, toenn eS tion einer großen 9)?enge ober und
allen begangen tt)trb? ^iefe (Srfiftrung mftre btog eine $(uf«
m&rmung ber meuterifd^en <Skbanfen ober ber meuterifd^en
©ebanfenlüfigfeit; benn fo finb e§ ja bod) in (ctUcv ©ejiet)ung
bie 5[lt'cnfd]cii, bie (anftatt ©ottcc^) bcftimmen, maö baö ©efeU
forbcrt, fo bafe, toer ba§ Dcrgifet, nidjt blofe für fic^ einen
$(ufru^r ttiiber ®ott t}erfd)u(bet, fonbern auc^ fein ^eil ba«
)n beitragt, bag bie SO^euterei bie Ober^anb getoinnt ^enn
mer foClte mf)i einer folc^en SO^euterei fteuem, ttenn fie ba
märe? Sollen mir tjiet(cid)t, blofe in neuer ?luflagc, bie
Sl>ermirriing bcr 9J?euterei miebcrtjolcn unb jebcr für fid)
fagen: id) fann il)r nid)t fteuem, „bic anbern mögen ed
tljun?" 3ft nic^t jcber ßin^^ctnc ©Ott ucrpflic^tct, ber äÄcu*
teret fteuem? natürlich nic^t mit SHumoren unb eilige»
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Mlbeter SBtc^ttgt^uem, ntc^t inbem er ^nif^ tne anbent
itntet bett ^S^^^orfam gegen <9ott ^iDingen taiVi, otelme^ ba»
biirc^, btiB er fc(6ft unJiAfaigt gehorcht, intBebitigt on bod
(&iottc^oert)ä(tniö unh an ®ottc^ gorberung fic^ l)ätt unb
bamit feincvfcit§ aih^brücft, baft (^iott ba ift unb ber ein,^igc
§err ift, er bagcgcu ber unbebingt öJet)orc^enbe? — ÖIob
bann ift @üin unb SBa^r^tl unb äBitflt^fetl unb Si^ac^brud
ün ^ofetn, toenn tott aUt, jeber fftv ftd^, f o ju fagen an einet
@t&tte unfete Drbre entgegennct)men rnib bann, jeber für
fic^, ber einen unb felben Crbre unbebingt gct)ord)cn.
bicfe eine unb biefeibe ift, )u fönnte infütern ber eine .Wcntd)
fic ja üou bem anbcrn ^u toifjen befommcn — tpenn ce fidjcr
tt»&re ober bod^ {u^ genug, ba^ biefet anbete iD^enfc^ bad
Stickige mitteilte. Snbeffen to&te ha» bix^ eine Unorbnung,
bte gegen ®otte9 Oitonng ftrttte; benn^ott nnll, m^m ber
©ic^er()eit unb ber ®Ieitf)l)eit unb ber Si>erantti5ortung , bofe
icbcr (Sinjelne üon if)m bie gorberung bcö (^cjcue» §u miffcn
befümme. Sft e^ fo, fo gettjinnt ba^ S)ü)ein ^ait, »eil ($)ott
an i^m ^U; ed ift fein SBitbel, Senn jebet d^n^ne beginnt
nt^t mit „ben anbetn" unb a(fo an<!^ ni(^ mit (Ent«
fc^ulbigungen unb 9tu9reben, fonbem mit bem ^ottedoet«
tlältniö, unb all'o ftc[)t er feft unb fteuert gnglcid) in feinem
Äreife bem »Sdiminbel, ber ber ^(nfang ber SJ^enterei ift.
©0 üerl}ält eö fic^ nun aud) gegenüber bem (^cfe^ ber
iSiebe. ^ann ift iRoc^btud unb SQBa^^t^tt, bann ift ein $aU
im !Oafein, menn koit a0e^ iebet fftt fU^, Don 0ott ^u miffen
belommen, totlä^ bte ^tbetung ift, nac^ bet mit und au
rid^teit ()nben, unb menn mir bann alle, jeber für fid), gegen
bie menfd)lic^e ^^ermirrung un« mebrcn (bocf) folgt c§ üon
fi(^ fetbft, bafe feine 33crmirrung fic^ ergäbe, toenn mir alle
ed traten), ja menn mit im Ü'^otfad auc^ gegen bie Qkiitbtt,
gegen ben S^eunb, gegen bie 9l&(|ftfte^ben, bie bix^ not«
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nel^mltd^ (SIegenftaitb ber SteBe finb, itniS loe^teit, fo toett btefe
üuf irgeitb eine 5(rt ung eine anbere Srflärung gcBen ober
ung auf einen 5(6tt)eg ocrf)cI jcn moütcn, unb i^nen tjinnjieberum
banttar finb, loenn fie un§ jum Siechten Reifen mUtn.
SSergeffen toix bad ntd^t, betrügen toir wo» ttid^t imb laffen
tote und tttc^ bitrd^unbeftimmle, tietfc^tDontmene^arftellmigeit
non ber Siebe bettücjen; ad^tett toix auf ®ottei» (SrftSrtttig,
unbcfümmert um jebe anbre SD^^einung, fclSft bie ber ©eliebtcn
unb beä greunbe^^ unb aüer unfrer Sieben; boc^ nein, nid^t
unbefümmert unb gleichgültig, üielme^r rec^t innertii^ be-
fümmert, loenn fte mit und nid^t einig finb, bod^ fo, bag
mir in ber Siebe gegen fie und nid^t ftdren unb beirren
laffen.
ift tt)irf(ic^ ein Sßiberftreit jttjifcficn bem, n?ag bic
Sßett unb njaö ®ott unter Siebe üerfte^t. ©ine fc^einbare
(Sinigfeit läfet fic^ oUerbingö leicht äun)ege bringen (fie liegt
ja fc^on barin, baß man baSfelbe SBort gebrandet: „Siebe"),
bagegen ^ält ed fc^toerer, bie Uneinigfeit red^t au^ubetfen;
boc^ lägt [id^ biefe fd^nitertge Aufgabe nt^t nmge^en, menn
man bie SGöat)rl)eit fennen lernen ttjiH. Wlan Ijöxt oft genug
öon ber SBcIt ben ©^ruc^: „jeber ift fi^ felbft ber D^äd^ftc."
©c^on biefer <Spruc^ giebt einem nidjt bie befte ^orfteüung
öon ber SBett; benn e^ ift boc^ faum eine gute SBelt, in ber
bie ©elbfUiebe fo aU bad mflgfte unb ^orteil^aftefte an«
gepriefen totrb. Senn nun aber and| bie SBelt bie felbft«
liebe für ba« Älügftc anfel^n mufete, fo folgte barau« nod^
nic^t, bafe fie nic^t §um (Srfa^ bie Siebe für baö (Sbterc
erflären fönute. S)a§ t^ut fie au^, nur bag bie SBelt nic^t
öerftet)t, Siebe ifi ^uc^ t)ier ift ^raifc^en ©ott unb ber
Huf faffung ber ^(t bon ber Siebe leicht eine fc^bare (Sinig«
feit 5umege ju bringen; fie liegt ja bereite in bem gemein«
famen Hudbrud ju Xage, bag bie Siebe bad Qthk fei. 5E)od^
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lauert tm ^interi^Tt ba« 9^gt)erftänbmft. Ko» l^tlft
bettn, bie Siebe ba§ Sble greifen (tpos ba§ (5f)riften=
tum aud^ t^ut), tüeun bie SBelt unter iiiebe etloag anbereg
Hetfte^t, unb olfo auc^ unter bent d^Ien? ^ein, foU man
off^ wMi^ teben, fo mu^ man fageii: „ttt^ blog ift @^bft«
lidpe bttB SKügfie, fonbent miSfl bit bon bet Seift geliebt
fein, toiöft bö beine Siebe imb btd^ öon t^r o(8 ebel ge^efen
fet)en, fo mu§t bu, cf)riftüc^ üerftanben, felb(ti|d) fein; benn
iDog bie SBelt Siebe nennt, ift ©elbftliebe." S)er Unter fc^icb,
ben bic 3BeU möc^t, ift nämlid^ ber: tocnn einet rein für
ftd^ feiner ^IbfKtebe leben nritt (»ad öbri§en9 fe^ feUcn
gefd^iet)t), fo nennt e9 bte^It ©etbftfiebe; toenn er aber ht
^elbftltebe mit einigen anberen, befonberg mit met)reren onbcrn
@elbftif(i)en jufammcnftcljt unb =t)ält, fo nennt fie baö Siebe.
SBciter fann fic in ber Söeftimmung ber Siebe nie fommen,
toetl fte loeber ®ott no^ ben S^öd^ften jur 3U'ifcf)enbefttmmung
1^ 83oi bie WkLt nutet bem iRamen xm Siebe el^rt nnb
Bebt, ift bie Kffogiattmt ber eelbfUiebe. Xiefe forbert att<l|
unb Eingebung oon bem, toefd^en fie liebeüotl nennen
foH; fie forbert, bafe er einen ^ei( ber eigenen (Selbftliebe ber
öcreinigten «Selbftliebe äumD^jfer bringe, unb fic forbert, bajer
ha^ ^otteiSDer^öItnid o|)fere, um toeltlic^ an ber eingegangenen
Qerbinbuno feftan^ften, »el(|e€(ott ausfliegt ober t^n
fteniS beB ®dfiml^ toegen an^ beibmnnten tA^. ®ott tierfte^t
bogegen unter ber Siebe aufopfernbe Siebe, im göttli(l)en @inne
aufopjernbc Siebe, bic, um (^ott 9?aum ju fcl)affen, QÜe§ opfert,
felbft toenn baS fc^mere Opfer boburc^ nod^ fc^koerer toütbe,
bajs ed niemanb ))erftünbe, ttniB bo(| in anberem @inne mit
Snr toa^ftm ^nfn^^fernng ge^rt; benn bie 9ufo()femng, bie
)Mtt 9)^enf(!^ Derftanben »Irb, ^at ja in ber 9?enfc^en ^eifaE
i^ren Sot)n unb ift infofern nic^t ma^re ^lujüpterung, bie
unbebingt o^ne So^n fein {oH apoftolifc^ SS^ort, bie
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I
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Siebe fei beS ®cfc^ec> (£rfüüim(), erlaubt un§ olfo nic^t,
ber oberf(äcljHd)en Siebe bci^^uftimmen: ipcim ein 9??enfc^ toirf^
(ic^ Siebe ^abe, fo toerbe er aud^ öon ben 3J^enf(f)eu geliebt.
fSk toirb toeit e^er be( @c(^t(ie^ ang^ag^ Mcben, getobe
hkU er bk SHenf^ itt^t in bem^iim fieBen imll, in bent
fie felbftifc^ firf) felbft KeBew. 3>ie «et^ftniffe finb Wefe:
ben t)öc^ften ©rab öon ©etbftlicbc nennt aud) bie SBelt ©elbft*
liebe; bie affojiiertc ©elbfttiebe nennt fie Siebe; eine eb(e,
oufö^jfernbe, ^od)l)er5ige menfc^lidje Siebe, bie boc^ noc^ ni^t
Me ^rtftlic^ tft, beladet fie old Zf^^tt; bie c^cipc^ ßieBe
alec iviv^ bon i^ ge^lt, betobfc^ »nb »erfolgt. Unb
totr tooHen toteber bte 9)^g(ic^feit bttti^ eine migtic^e
Übereinfunft üertufdjen unb jagen: fo ftel)t eS in ber Söelt,
anbete aber mit ben S^riften. S)aö ift ja gang »afir; tucnn
aber jeber Getaufte ein (S^^rift ift unb bie getaufte (^t)ciften*
§ett lauter (giften, fo ift in einem d^riftttd^ Sanbc bte
JBelt" gor nid^ ba, tood in fold^m %oSi and ben ftit(^*
bftc^ nnb 9eodt!emngiS(tften ftc^ nac^toeifen (fi^t. — 9^tt,
eö befteijt in ber %\)at ein Sibcrftreit jnjifc^en bem, toa^
©Ott unb n)ag bie 5öelt unter Siebe oerfte^t. D, ift e§ aber
begeifternb, für ben ^äu^Iidien ^crb unb bod SSatcrlanb gu
f&m)»Hn, fo koo^ aud^, ffir (S^ott |n i6ni)>fen; nnb bod t^ut,
»er uor ®otl, bor feinem 9fogeftc^t an bent (Botteiiier^Itni9
nnb bcffen »eftimmnng ber iBieBe feftl^ält! S^^eilic^, ®ott
bcbarf feines 93?enfd)en, fo menig alö beS gangen ©efc^tec^tS
ober bei* ^11«, baö ja in jebem 5(ugenb(icf feinet 93eftef)en§
t)or i{)m baS 9iic^td ift, aud bem er ed fc^uf; für ©Ott aber
itat^ bo(^ »er ben guten Stav^ fänf^ft, um aud^röden,
bo^ €tott ba ift nnb ber {>err ift, beffen @|nn«l^ nnbebingt
ge^orc^t toerben foll.
S)ag ®ottes^ücr^ättm§ ift baö 9J?erfma(, an bem bie
ißiebe ^u ben SO^enjc^ ald bie ec^e erlannt loirb. ^bolb
11*
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— 164 —
mic^ ein ßic6e8t)er^öltni§ ni^t §u @ott fül)rt, unb )o6a(b
icf) im ßiebeöücrl)LÜtnig ben aiibern ü}?cnf^en nicfit (SJott
fü^ce, ift bie Siebe boc^ nic^t n}al)rc Siebe, toenn fie auc^
bet natürUd^en Neigung ^öd)fteg ®iüd uttb ^öd)fte Suft to&it,
mm fie and^ für bie ßiebenben bad l^öc^fte (Srbengut tofice.
S)ai^ fotttt bie SSSett nie in t^ren @iiin Befommen, bag ®ott
fo tticf)t bfofe ber britte in jebem Siebeöbunbe, fonbern etgent*
(ic^ bct einzige geliebte ©egenftanb ift, fo bofe @ott, unb nidjt
ber 2J?ann, bcr Gattin beliebter ift, unb bie ©attin burd^
ben ©attcn jur Siebe gegen ®ott gebrad^t toirb unb umge=
fe^tt, u. f. f. ^ie hU>i menfc^Uc^ ^uffaffung bec ^vtbt
tonn nie koeitet fommen aU 5U ber ®egenfeitig!ett, mimad^
ber ßicBenbc ber ©clicbtc unb ber ©eliebte bcr Öiebenbc ift.
5)0^ St^riftentum (et)rt, ba§ eine fot(^e Siebe i^ren rechten
©cgenftonb, „®ott", nod) nic^t gefunben ^at. einem
StebeöDerE)ä(tnig gef)ört baö ^reifacf)c: ber Siebcnbc, ber (^e=
liebte, bie iBiebe: bie Siebe aber ift Q^ott Unb bamm f^it
„einen onbem fOltn]^ Heben": i^m ^nr Siebe $u ^ott
t)er()e[fen; unb „geliebt toerben'' ^eigt: in biefer Siebe unter«
ftügt werben.
2Saö bie Söett üon ber Siebe fagt, ift üertoirrenb. ©agt
man fo ju einem Süngling, ber in bie SEßeÜ ^inauiS*
treten »iS: „Uebe, fo erfd^cft bn »ieber Siebe", fo ift bad
ganj ttia^r — befonberS toenn feine SBanberung nac^ ber
(Stoigldt, in bod Sonb ber IBoHfornmen^eit, ginge. 9[ber ber
Söngting foÜ \a in bie 2Be(t ^inauö ge{)en; barum ift esJ
tödfifc^, ttjenn man fo ju it)m fagt unb il)m bie ÜJ?at)nung
uorentt)ä(t, et möge fic^ felbft an QJott Ratten, um ju lernen,
toa^ Siebe fei unb bag bie SSelt, menn fie badfelbe nid^t oon
®oit gelernt ^be (a^, unb bann to&re ed fa bod Sonb ber
SBoHfornmentjeit, bad ber Süngling beträte!), eine gan^ anbere
SSorfteUung Don ber Siebe ^abe. ^enn ^^riftuS ni^t bie
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8ie(e unb biefe Sie6e ht t^nt titc!^ bcd ^efe^eS (Srffinititg
(^eloefen lüäre, ob man it)it bann gefreugigt l)ätte? 2öenn er
in ber 5lnforberiing an fid) felbft jurüdgegangen unb einig
mit bcneu gcttefen tDäre, meiere bie ßiebe aUcm anbeten
maä^, nur nic^t ^ur d^füHung be^ (^efe^ed im göttlid^en
@tntie; toenn et anftott and ßiebe ber Setter unb ^eiknb
ber fBelt §n fein, feine ^orfteQung Don ber Siebe in (l^in«
Hang mit ber 35orftcüung ber SBett umgcbilbet pttc: ob er
bann nid^t non jebcrmann geliebt unb gcpriefen, meüci^t
gar (o fc^redlid^er SSatinfinn!) oon feinen Slnljängcrn üer^
göttert toorben »äre? SBenn bie ^[poftel nid)t baran feftge»
^(ten ^Atten, ba| bie Siebe bie (^rffiflung bed Qk\t1^ unb
alfo etnwd anbereS fei aU eine d^rffiOnng menfc^Itc^en ^t*
fommenS unb "ijcirnatime an ber menfdjlidien ^feüfc^aft;
iücnn fie iljrem S3e9riff t)on 5j{cnfd)cii liebe nic^t treu geblieben
njären, ber fic§ einmal ber menfc^lic^cn ^^orfteKung Don ber
Siebe ni^t anbequemt: ob fie bann Der^olgt toorben toäxm?
Sbtnn med bie ^ett liebt unb Siebe nennt, nmd ift ed anbered
ato ^Ib^eit, ate eine gan$ irbif^ Sntereffengemeinfc^aft int
tocltlic^en @inn, unb ebenbe^^atb erttg öerftonben ^Ib^eit?
3ft auc^ jemals ein SD^enfd^ ob ber ©elbftliebe me^r Oer-
fd^rieen toorben alö ber, toelc^er toirflid^ an ©otteö gorberung
unb in Xreue an benen, bie er liebte, jcftt)ielt unb ba*
bei btieb, fte ^u tieben, troff Verfolgung unb ^fennung?
9ft ed nid^t au^ natfirUd^, bo| bie föelt in 3om gerat,
toeil c8 einen giebt, ber toon einem fotc^en, toirflid) Itebenben
9Jkn]d)cn \)ö\)cx geliebt toirb, toeil bie Siebe eine^ folc^en ju
ben SO?cnfc^en auö feiner Siebe ju jenem 4'>öl}eren entfpringt?
®e^t man auf irbifc^en 3Sorteil aud, fo {lagt man getoife
mit Unred^ Aber bie SBelt, bag man gar feinen greunb
finbe; benn um ben $reid, ber in biefem gaOe minft, fann
man Siebe genug finben, ^^leunbe gettnnnen, mc^ ober toeniger
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•moffen fyihm, mit bencn man — in SieSe jufavnnettllAli
®c^t einer aber barauf auö, bafe er unbebingt in ber SicBe
5U ben 3J?enfc^en an ®ott feftljalte, ob er aud) alleö unb
jebeiS opfern muffe, ob er oerarme, ob er oerac^tet aud bei
©^nagoge au^ftojjen werbe: fo magft bu getroft, um bie
^^to6e 5tt mad^ ht ber gettnng feftunttgeSen, lmfu<^i einen
^eunb — tm borffi hlo% bte Oetringungen ^njufügen mib
^icr alfo bcfonber^ betonen, „e§ fei nic^t um bed S5orteiIg
toiCien", unb bu loirft fc^loerlid^ einen finben. Söir tounbern
und barüber, bafe ©()nftud fotc^e geringe Seutc ju Slpofteln
n)d^(te; bad t^t er jebod^ getoig in ber (Srtoagung, bag an«
gcfixl^ biefer menfd^lid^ 9Kebng(eit bec «(poftel ber
brnd nm fo me^ anf bte il^nen Dertie^e gftttlid^ QoHma^t
falle; ift ed aber abgefe^en J)ieoon nidjt fa)t nod^ oerttjunber-
lieber, bajj (Sl)riftud fie bod^ getoann, bafe e§ tf)m alfo wixV
lic| gelang, einen ^reid oon ^fen 5U bilben, bereu fdt^
ftimmnng eiS tDor, bereitkoittig mitetnonber ftd| gä|cln §tt
Idffctt, kierfofgen, ))erf)>otten, frensigen, l^atiU|lcn an (äffen,
nnb bercn S9efiimmnng $ugteic| ni^t bann beftanb, bag fie fid^
gegenfeitig |cl^meid)e(ten, fonbern 0ielmet)r, ba^ fie fidj gegen-
feitig in ber ^emut oor ©ott beftärften? SBürbe ed nic^t
Ujie ein fdjre(i(id)er 8|)ott auf bad, loaS bie SSelt unter Siebe
Derfie^t, lauten, fdnnte ed babet aber ni^ nne eine nfi^ic^
VnfiDechmg nnrfen, n>enn tn nnfrer gefeOfc^ftdfengen
einer befannt machte, er tt^olle einen f otogen Siebeibnnb
ftiftcn? SBtö einer alle Opfer bringen, \o [teilt fic^ fofürt eine
ganje (Sc^ar uon foldien ein, bie in aller ®emütlid;feit oon
feinen Däfern profitieren iooEcn; — nun, bad !ann bie SSclt
Desfie^; bie 9rt t>on ^itna^me ftnbet fi«i| nnrfiiii^ ntf|t
feiten in ber IBett, ba| man ber gemeinfamen Vnftrengnng
fid^ ent^ie^t, bei bct 5S>i(ung bed @Mnn9 aber gemig ouc^
babei jeiu mill. Unb ed uerjte^t fic^, bie U)a^re Xeilna^me
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finbet fid^ auf (Srben auc^; too bu fic ober finbeft, tüitft bu
jie tm bei: SMt gel^fet uitb oecfolgt finbeit. 9K(ui^ bte
^Tobe, batie bir etimt SRenfd^en (unb bn Uaxuü^i tl^n ja nt^t
gerabe im S^x^ bec iBoIIfommen^tt benfen, burd^ bie
jene §err(id)cn fic^ auö^eic^nen, bie öom (^kfd)(ed^t üerfto^en
bie 3icrbe be^ ©cfd^Ied^U »urben); benfe bir einen 9J?enfc^n,
ber fo unglüdlid^ tt^ar ober njurbe ober tt)ar unb blieb, bafe
bec Vütet ttttb irbifd^ SSoctett i« fetneiiViigm ben tta|
imlineit hattest, fo itiigiMCtclr ba| er «mibie twat Seit^"
6, 7) „aus ©ctrübnt« ftd& cr^&nöen tooßte'S nnc tmc
in ber tjeiligen ©cf)rift uon ber ungttidf(id|en @ara (Xob. 3, 12)
Icfen; benfe bir, biejem mürbe e^ juft in ber trübften ©tunbe
bec.S^t gans ftar, ba| tcofe oft femei^ UiiQl6dte (einerfeits
loftceii dOtt Sklt (Bükt, )oeim et fte gettP&mie, gdoi^ »u^t
im fhmbe, badfeKe %u linbeni, toeti i^ Oeft^ burd^ bk Vitf«
forberung ju frol)em ©enufe für il)n nur eine f^merjUd^c
(Srinnerung an fein @tenb würbe; anbererfeit^ mürbe fein
Unglüdt burd^ irbifc^e SBibermditigfeit eigentli^ aud^ nid^
K>et0i:d|ect, fofent biefe inelme^ §u feinet <8emitt^rfaf{uitg
fttmmen lottbe, vait \M ttftfe ttetfet |it bem Sd^ioet^»
mtttgen) — beule bir alfo, lofttbe bem Htme» gan^ !(ar,
boB i{)m baö ©öc^ftc bod} nod) auöfte^ie, nämlid^ bie Siebe
)u ben 5)?enfd)en, bie SBiUigfeit, bem (^uten, ber SSat^rljeit
. ettt^ig "Hl ber SBo^r^eit miUen ^u bieuen, baS einzige, ba&
in SSa^r^t feinen befümmetten ©inn aufrief unb itpa
Setaüllttft fftt eine iSttnglteit Mtlei^ fönnie — benfe btr
einen fold^en in ber WkUf nnb bu foQft fe^en: ei^ toirb i^
übel ergeben, er geminnt bie Siebe ber SSelt nid^t, er mirb
oon ber ^elt nic^t üerftanben, nic^t geliebt merben! 3e
nofl^m bie äJ2enfc^en me^t obet meniget ^ur ^elt geböten,
UwAen einige i|n besagen, einige fibet i^n lochen, einige
i^ am tieBften o^^fttteln, meU fte ben &ia^ {{rftten,
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einige i^n deneiben unb boc^ nid^t beneiben, einige fid^ t)on
\%m angeben, aber bod^ niieber ^nrüctgeftogett fügten, einige
il^m entgegen OTbeiten, aber gIetd)mo^( otted in Öereitfc^aft
!)oIten, um it)n md) feinem Xobe ju el)ren, einige Sünglingc
]\d) njeibUd^ uon it)m Ijingeriffen fül)Ien, if)n ober fc^on nid)t
mc^r ganj öerfte^en, tocnn fie ettoad älter finb; bie S53e(t
aber mürbe einfa^ unb offen iljm feine @elbftliebc ouf ben
$t9p\ bemetfen, toett ec meber fid^ felbft nod^ anbeten^ ja
feinem einzigen anbeten SWenfc^en trbif^en SSorteil tjerfd^offte.
©effcr tft bie SBcIt nic^t; baS ^öd^fte, ba§ fie anerfcnnt unb
liebt, ift, njenn'^ \)odj fommt, bag man ba§ ®ute unb bie
9J?enfc^en fo Hebe, ba^ babei auc^ auf ben eigenen unb
einiger anbercr irbifd)en ^Sorteil 95ebacf|t genommen toirb.
Sßad bar&bec ^nandltegt, fann bie mit beim beften SBiaen
— baÄ ift jo nur eine Kebendort — m6)t begreifen; ein
©d^ritt barüber l^tnaug, unb bu l^oft ber SBcIt greunbfd^aft
unb Siebe uerfdjer^t. ©o ift bie Söclt unb i^re Siebe. Äein
93eobad)ter, ber mit miffenf^aftlic^er ®enauigfeit bag ©emii^t
einer gtüffigfett beftimmt, bringt eö ^iebei ^u größerer ©i^er*
^it unb (Siaft^ atö id^ mit meiner Sluffaffung ber mit
unb t^rer Siebe; fie ift nid^t, tote fie mand^mal im (Sifer
^ingefteHt toirb, ganj fd^tedjt, aud) nid)t maM(o§, fonbent
fo bi^ SU einem gemiffen ®rabe gut unb fd}(ed)t. Stjriftlic^
oerftanben ift freiUc^ biefe^ „bi^ einem geloiffen ®robe" .
Dom 8öfen.
^bcA fagen mir nid^, um 5U rid^ten, benn bamit tooQen
toir bie nid^t Dergeuben; bie @rto&gung fud^t nur, untere»
ftü^t oon fc^orfem ^)en!en unb ettoad 9Renfd)enfenntnt8, burd^
bie ©inneötäufd^ungen tjinburd) 5U bringen ober jeneö apofto*
tifc^e Söort in bie tägüc^en ^^ert)äüniffc be§ Sebent einju^
führen, in benen gerabe bie ^inneStäufc^ungcn ^eimifc^ finb.
<^ brandet freilid^ feine Qät, um betrogen jn toerben; be^
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I
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. trogen ift man fofort unb fann c§ bann lange bleiben; auf
bcn ^Betrug aufmerfjam ju toerbeii, erjorbert baflcgen ^txt
& ift fceHvä^ leid^tec, fid^ ein ffic oaemol eine eingebttbete
SoifteCdiiid Doit bet Siebe etn)iit|iin imb bomt fldl felbfi in
fetner (Stnbtlbnng Genüge t()un; e§ ift loett leidster, in
einer ipaft einen §Qujen 9jtcnjd)cn in ©elbflliebe üer*
binben, bi€^ Quj^ (e^te üon il)nen geliebt unb geachtet: eö ift
über^au|)t bie leid^tefte unb gefc^ä^tefte gefellfd^aftlic^c gertig«
feit, irre sn ge^. Sft ed bir aber ber le^te unb t|ö(^fte
S^aotd, Im Seben (ei<|t nnb gefeEig p mad^, fo (a^ bU^
|a nie mit bem ^^ftentnnt ein; fliel^' e^, benn e9 und ge«
rabe baö ©egenteil; e§ njiü bir ba§ Öeben erfd)n)eren unb
jttjor eben baburc^, bofe cs^ bid) einfam üor ®ott madjt.
deiner, ber (Srnft ^t, toirb ba^er mübe, ben (^iuned«
t&nff^ngen na(i|§ufpären; benn fo »eit er nnrtticl^ benlenb
(eben nriO, ift bai» ^tnintftc^ bad er am metfien für^tet,
ba6 er in einem Srrtnm fei — tmc ongenel^m au(^ bte
^i^erl)ältniffe, tt)ie gut bie ©efeUfd^aft märe; unb (S^rift
fürchtet er am meiften, unbetoufet öerloren ju ge^en — tok
f(]^meic^e(t)aft, mie gl&n^enb au(^ bie Umgebung unb bie
(Bcfeafd^aft »Are.
%>ci% ein onfprudbAjoOed ttefen nic^ Siebe fei, fd^i
fo einfeud^tenb ju fein, bafe man glauben follte, e8 fönnte
niemanb auf bicje SDc einung verfallen. Xcnnod) trifft ba§
nic^t immer ^u, unb ^ier ^aben toix eben ein 33eij|)ie(, ba|
bad blo^ ntenfc^üc^e Urteil in eine 8inne^täufc^ung bringt,
ttenn ed bad cntfd^eibenbe fein foO. moUtt ber «nf)mi(^
boOe fetbft fein IBefen Siebe nennen, fo »ftrbe man mo^(
©infpruc^ ertjeben, fo fönnte auc^ nicf)t Don einer ©inne«*
tauf(^ung gerebet njerben; biefc ift erft üordanben, njcnn bie
anbern ©egenftanb biefcC^ an)prud)^UüUen SBejeiid werben
»önfc^, badfelbe für i^iebe anfe^n, aU Siebe nnb i^n
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qI^ ben SiebeuoEen prcifcn. D^ne großer 9J?enf(^en!cnncr
5U fein, fann man teid)t Sebcn^uerljältnijje auftucifen, rtjo ein
Sßenfc^ fo gefteUt ift, bog ed jolc^e gieBt, bie gecabe (^efaUeit
an i^m ^Un, gevabe feine i^iebe türmen tuerben, toenn er
unter bem 92amen ber aOed Don i^nen forbetn miS.
& gieBt ja 9Renfc^n, bie ftd^ untn Siebe eigent(id) nid^tö
anbetet olg eine roeic^ücfte, unfreie §ingeBunq benfen fönnen.
<SoIc^e 3J?enfrf)en »oUen gerabc, baß bie, roclc^e fie lieb unb
toert galten möchten, fic^ rec^t anfpruc^dOoU gebärben. @d
giebt äRettfd^, bie eigentlich entmenfii|t tterg^en ^ben, ba^
}ebet SRenfd^ fid^ butd^ ben €lebanfen ftfttfen f oQ, tm (Sott fei
er dffen anbem nnb jeber t^m gteic^, bag ba^er bat Set«
i)ä(tni^ ätt)ifd)en 2J?enfc^ unb SOknfc^ nie ba«^ fein barf, ba^
ber eine „anbetet", ber anbere ber „5(ngebetete" ift, gleich-
gültig, ob ein äJ^enfc^ nun ein 5n?ann fei ober ein 2öeib, begabt
ober unbegabt, arm ober reich, $en ober ^ec^t. 2>ad ift fo
leiiht etnanfehen, bag man DteUeicht benft, biefe Mfcheulidh^
fdnne nnr bnrch einen SRi^btaud^ ber fl6erlegenl)eit, alfo mm
bcm Überlegenen ücrurfac^t njerben. and) ber Cl)nmäc^tigc
fann fie uerfc^ulben, ja fie felbft n)ünfd)en, um boc^ auf biefe
SBeifc eine Slrt 93ebeutung für ben Überlegenen ^aben.
9limm bie &l6iäjii^it ber ^igfeit unb bie göttliche (Sh^ener«
Hdrung htntoeg, bie fie jiebem ^tn^äj/ni ertettt, b. ^: nimm an,
fie fei oergeffen, fo lDet| bad ^d^md^t ®etb ihrem SerhAftniS
ju bcm überlegenen 3J^ann, ber S3efd)ränfte unb boc§ ii;itre
bem 5U bem ©egabten, ber ^rme unb bod) nur mettlich
^efümmerte bem 5U bem „aUmdchtigen ^ann", ber niebrig
@tehenbe unb bo^ irbifch ^flnnte bem ju bem $errf(her:
fie alle miffen ihrer Unterotbnung nur ben Wahmd p geben,
ba6 fie fi^ felbft hin* wib »egtperfen. Unb ba fie boch,
toeit fie nic^t^ ^ötjm^ fennen motlen, aud) nic^tö §öhere8
lennen, fo »ünfchen fie felbft biefe ^IbfcheuUchfeit, koünfchen
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fic mit aller ßeibenfd^aft. (5§ ift it)r ^ersengtüunfcJ), für bcn
äßäc^ttgcn ba ju fein; ol^ 2Äac^t im weltlichen ©inne fönnen
fie fftc t|it iti(|t ut^etcad^t {ommen; fomtt fann i^remlEBuitf(^
nur babur^ d^^^ )oetbeii, baj) f!e {!d^ att i^n ioegioerfcii.
3ft cd fo d^n^ unerhört, bag mWtMS^m lieber, betSRenfd^en«
njürbe üergcffenb, fic^ felbft tuegttjerfen, ben Vergötterten an-
beten uiib nur eineg öon i^m beget)ren möcf)te: bafe er b€r
SOicnfcftenWürbe üergcffcnb alleg üon il)r forbcrc? ift e§ fo
mttißtt, ba| fie liebes fo feine Siebe )>reifen möchte,
M bad Mvfte^, bag not ®ott atU biefeUntetfc^ebe stoifc^
ilRenfi^ ttiib SRenfcl) (^c^erj unb %anh finb unb oft baS
SBerberben? Unb bod) njirb ba^ SD^äb^en <Selbft(ie6e
nennen, n)enn ber ^Vergötterte i^r biefe (Srfenntniö bei^u-
bringen fnd^t. 3ft e^ fo unerhört, ba^ ber fc^njadje unb,
»eil er @ott^ ^ergag, toirflid^ niebrige äJ^enfc^ blog ben
eilten SBnnf(| ^aite, fl(^ oor bem i^errfd^t in ben @tattb
»erfcn bftrfen — um bodj für il)n ba ju fein? nur ha$
eine 93eget)ren \:)Qttt, bafe ber ^errfd^er boc^ auf i^n trete, um
bann mit greuben beö ^xrr)cf)er§ I)ulböone Siebe unb .Vicräcn^^
güte ^u greifen? 3ft fo unerhört, bag jene Titeln, bie
Q^ottei^ gan} oergeffen ^ben, nur nac^ einer getoiffen 3e^
^iel^ung p bem SCndg^eid^neten fd^ad^ten unb bereiüoiEig
bie gemeinfte ein 3^^^^" ^'^^ nennen! Unb toill er
bag nid}t, mifl er bem gerabe oorbeugen, inbem er i^nen ju
jener feiigen ^letdjljeit voi (^ott üerljilft, fo ujirb e^ ©elbft-
liebe genannt. D, loenn erft einmal ba^ ©mige einem 9J?en*
fd^ entriffen ift ober fo in i^m ift, ai& märe ed nic^t ba,
hcA (Smige, boi^ pgleid^ aQe ungefunbe (Sr^i^ung ber ßu«
neigung eine89)^enf^en ^um anbern abfüllen unb ^nnnebemm
entflammen fann, wo bie ß^ttlid^feit erf ölten miH; menn erft
einem ÜJ^enfc^en ba§ ©mige entriffen ift, fo ift feine ©ic^cr^
^it me^r, ba^ er nic^t barauf oerfalle, bod ^Ibfc^euUc^fte
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Siebe nennen unb jelbft mit Seibenfd^ajt ein ©egenftanb
für biefc 516{c^euli(^feit {ein tooüen. Man fonn bie
SKenfc^tt abftreifett, inbem man fid^ bitrd^ feine Wtadjit
unetttb^t^ mmleit »91; man Eann fte aber and^ abfttetfen,
inbem man [ic^ mit feinet O^nma^t nnent6et)rüd§ mad)t
unb baium fried)enb, betteltiaft bie anf|)ruc^öüoEe grcc^^cit
cineö anberen 5J?cnfrf)en ^Ucbe nennt.
®ic gorberuntj Der (^njigfeit cntbinbet jcbot^ niemanb
Uon bei (Scfüfiung bed gdttttt^n <^e^, ob aa(| bie ganje
SBelt einen entbinben moUte, ob aw| bie ganje SBett einmal
bie gred)^eit lieben, bie Öiebe ober mifttierfte^cn moQte, »eil
biefc t)iellcid)t erft burd) SSerjnjciflung l)inburd^ bie SSer*
ätpeifetten teuren tonn, fic^ an ^5ott 5n Ijalten, ftatt burd)
Äriec^erei an ber ©eele ©d)aben ju nehmen, ^ie ^orbcrung
bcr (Sioigfeit fott bie i^iebe har>tn betual^, baft fte ntc^ in
einem ©elbfibetmg befangen bleibe unb in irgenb einer @inned«
täufcf)ung fidj (iJenüge Icifte; unb e8 toirb feine (Sntfd^nlbignng
fein, baf? bie 9)?enidjen e§ ja felbft raünfc^cn, jelbft eö ßiebe
nennen unb fic^ felbft für geliebt galten, toenn fie ba^ Dpfer
folc^en anfprud^ooQen SSefen^ merben. ®oit ()at bie )Btebe
in ben EKenfc^ gelegt, nnb li^ott ^t gn beftimmen, mad
in jebem gatte Siebe tfi
I SBenn bann aber ber greunb, bie beliebte, bie beliebten,
j bie 9}ätlebenben mcrfen, ba^ bu, anftntt üon il)nen, üon ®ott
lernen ttjillft, lieben Reifet, fo merbcn fie öieÜeic^t ju bir
fagen: ,,fc^one bic^ felbft, gieb biefe Überf)xinnt^ auf! toad
miüft bu ed mit bem )ikben fo t^lt^ genau ne^en? mft|ige
bie Ufiforbemng, fo moOlen mir in ^reunbfdiaft nnb ^fwube
ein fd)öne>o, ein reic^eö, ein bebeutungönoßes Scbcn füt)ren!"
Unb rticnn bu biefen (Sinflüfterungen falfcfier g-reuubfc^aft
©c^ör fc^enfft, fo ttjirft bu für beine ßiebe geliebt, gepriefcn
merben. SS^iaft bu ei» aber nid^t, toiUft bu burc^ betne Biebe
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ttjebcr an (^ott, nod) an bir felbft, noc^ an ben anbern ^um
SBerröter tuerben, )o mugt bu btc^ bacein finben, bajs man
tit (i^gettliebe ttottoitft. ^etm um betne ftto^eugititg, ba^
tDal^ce ®dViÜvAt SieBe au ®oit ift, mtb toc^ SRenfc^en«
Itc8e, einem onbem jur Siebe gegen ®ott gu Derl^elfen; um
biefe betne Überzeugung n)irb bein greunb uielleirf)t nic^t
fümmein. merft gut, bajj bein Seben, toenn mit ber
i^oiberung (^otte^ anberd @rnft nuul^, auc^ o|ne ein Wsutt
nott beinec @ette ein aufge^taiec g^biger, eine .gfotbenmg
m xfpx fetto — mth bie iniE er toeg ^aben.
er^ältft bu feine greunbfd^aft unb ben guten 9^iuf, ttjirfli^ ein
greunb fein. Sn ber SSelt t)at teiber bag 9®ettüd)e berart
bte Ober^anb, bafe man bei ber Siebe öon jcitfc^er greunb*
fcl|aft fofort baran benft, ber ^reunb ^abe ben ^eunb um
einen ttbifci^ l^nxteil, um itbifd^ (Süter betrogen. Unb bod
UNtr ia beineS gfreunbed Wfic^t ober 9Reinung getoig nic^t.
(6r »oflte bici^ nur um boö (^otteööerf)ä(tniS betrügen unb
tDOÜte, bu folleft aU greunb il)m bet)ilfli(^ fein, fic^ felbft
ju betrügen: bann moUte er im betrug für :^eben unb Xob
mit bir treu gufammen^atten. 3Kan rebet üon ber gatfc^()eit
ber S3e(t unb bentt babet fofort baran, ba| fie um trbif<l^
Wtxx betrüge, bie grogen Srtoartungen eineSSReufd^entäufd^e,
feine füJ)nen ^(ane ju ©djcuben mad)e; ba^ fie aber gerabc
am allergefäi)rlidjften betrügen fann, menn fie in biefen Se-
^ic^ungen e^rlid) aüe^ ^alt, faft noc^ mel)r, aB fie öerf^jrod^en:
an biefe il^re gef&^rUc^fte galfd|^ benft man feltener, baran
ndmlic^, ba§ bid^ bie föelt mit i^rer — anfri^ltigen greunb«
fd^aft (bie fatfc^e greunbfd^aft mdre ja, ba^ fie bid^ um \M
Seitliche betröge) ®ott 5U uergeffen (et)ren toiU. 3Wan rebet
baüon, ba^ fic^ einer bem S3öfen üerfc^reibe, unb n)enn man
fragt, mit toeld)en ^-öorteilen i^m baö gelohnt werbe, fo mirb
mon SKoc^t, (S^re, IBefriebigung ber Segierben unb bergL
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— 174 —
«
nennen. 5)a6 man aber burc^ fofc^e 55er)d]reibung äugleic^
erreichen fann, für feine Siebe gepriefen unb njieber geliebt
loerben, baüon rebcn unb baran benfen üetgijjt
man. (S^Ietc^mo^I ift ba^ bec gaU — benn umgef^tt mnrben
unb iverbeii ya bte, tod^ in Siebe ^u (^ott bie S^enf^en
tieften, in ber Wklt get)agt. SSie bie Bdt hnt^ ba« 9n«
erbieten uon Ttad)t unb ©cipalt einen SJcenfdjcn üerlocfen
fann, ®otte§ ^u nergeffen, unb benfclben 9}?enfd)en lüieberum
ald ^lui^ttjurf be^anbeln, ttjeil er in ber 5?erfud^ung beftetjt:
fo Dertodtt bie SBelt aud^ burd^ i^re gteunbfd^ft unb
tmebenim, tocnn man i^ ^ittmh nvd^ fein tmO. ^ßom
(Emigen, üon ber 9[nforbeTung ®otte« on bie Siebe tvitl bie
SBelt nic^t gerne tjören, noc^ iDeniger biefclbe im Scben au^*
gebrücft fc^en. 3ßtrb nun ober bie Söelt gefte^en, bofe il)re
Siebe (Selbftliebe ift? (SJelüife nid^t! 3^ietmct|r flogt fie ben,
tDcIdier fic^ an <^oU l^ält, ber ©elbftfud^ an. ^r ^udnieg
ift ia alt: man o|>fert einen, ivenn ade anbem babon Sor»
teil l^Ben !Onnen.
^arin finb nämlic^ ®ott unb SSelt einig, bafe Siebe
beg ©cfe^eö Erfüllung ift — nur bafe bie Sßett unter bcm
®efe^ etttJaS t)erftet)t, auf toaö fie felbft öerfällt; unb tt>cr
i^r beiftimmt unb treuli^ nac^ i^r fid^ rtd^tet, ber ift (iebe«
tioQ. mit mand^ ^ ni(6t eined 9R6b^n0 Siebe, gdttlic^
oerfianben, berberbt, gerabe baburd^, bog er, um fein ®otted«
öer^ältniS betrogen, i^r aO^utreu mx, n)äf)renb fie gur ^er«
geltung im Sobe feiner Siebe unerfdjöpflicf) mar! SBie manchen
^aben nic^t ^erUKinbte unb greunbe oerberbt, fo allerbingd,
büg bieS nie in bie ^ugen fiel, ba er nun gerabe für feine
Siebe geßebt unb gepriefen mürbe — bon IBertoaubten unb
^reunben! ^e mand^ l^ben ntc^t feine 3^ttgenoffen ber»
berbt, bie ßcitflc^offcn, bie jur 5.^ergeltung feinen liebenben
«8inn uergötterten, loeil fie ba^in gebracht Ratten, ba| er
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— 175 —
fein ©ottcötierliältniö üergafe unb nun fcftlid) gefeiert, bejubelt
unb fentimental belDunbert toerben fonnte, o^ne bog er eine
SKo^mtng an ha» ^^re für fie gemotben m&iei %)am,
nm tme onbece nnb loa^i^ enifle Scage Ifym, nnb vm
iu%Uiä) nid^ ehhnol anf bai» ^öc^fte SorMIb ^tn^utoeifen,
fonbem mit einem geringeren öorlieb nehmen, ba§ ho6)
ber foqenannten (E()riften^eit leiber fc^on genug fagt: marum
ocrgtic^ mi)i jener einfältige Söeife be^ SlUcrtumg, alö er
DOK ber eelbfUiebe unb ^eUlic^iett IM» hm aiic|lecftu^l
leH Seii|tfuni8 ongeGogt nnb gnm ^be üemrlrift fein ScBen
Mttdbigte: nxintm terglid^ er ftt^ toot)! im felSen iCugenblid,
ba er fic^ felbft eine gÖttIicf)c®Qbe nannte, mit einer „Sremfe",
unb inarum Heble er tuol)I bie 3üng(inge fo fe^r? erftere
t^t er boc^ toot)l, ttieit er bie 5n?enjc^en in i^ö^crcm ©inne
nnb mit |d^cxen Wb^väj/Uu geliebt ^atte, fo ivett et atö ^eibe
Mc9 hnntUf ikK er alfo (ntfloeifeiib getoitcft nnb fi^ onf
Inne Steife tion ber S^ttlk^t ober irgenb entern S^enfc^en
^atte bezaubern laffen; meil er fid^ meber burdj Öiebe noc^
burd^ Jv^PW^^Mc^aft, nod} burd^ beredftnenbe ^arteiung mit
anbern ober gar ber ganzen ©egenmart in abftum^fenbe
ober «nfcegenbe ^torbtnbnngen ^tte |inein$ie^ hoffen; meil
er indsic^ Mge^ooen |atte, brr fdbfkffic^ttge SRcnfc^ an
fein, ber onbre nnr aufjte^n fomtte, ben ba^ niemanb
liebte! Unb feine ^^orliebe für Die Jünglinge t)Qtte bod) ben
(SJrunb, baf? er in it)nen nod) eine Smpfänglic^feit für Da«
@i)ttlic^e fanb, bie im Saufe ber Seigre, in^anbel nnbSöanbel,
in Siebe nnb gcennbfclaft, bitnl^ Untemerfnng nnter blo^
mciifd^idleft Urteil rnib mter bie Hnfocbemngen ber 3^ fo
tetd^ oecIocfR ge^t! ^(fo, toett er bm^ ha% ütDige unb
burc^ „etmaö Qiiöttlidjey" feine £iebe §u ben 9[y?enfd)cn baüor
bema^rte, bafe fie nid}t in ©efbftbctrug ober @inne^5täu|djnng
gefangen nntrbe; meil er felbft ed mit ber gorbemno emft
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— 176 —
na^m unb baburc^ tok eine gorbcrung on bic SD^enfd^en
n^urbe: bed^alb mi er bie „^remfe", be^^lb liebte ec bie
Säuglinge.
XBeim bu ba^ ouf hgenb eine fBki\t, ob aud^ in menfdi«'
fidler ©^toad^^, bem Körte bed ^poftetd nad^^ufornmen
ftrebft, bafe bie Siebe bie ©rfüUung be§ ©efefec^ ift: fo nimm
btc^ uor ben 2)?enfc^cn in ad^t! (Sttoa in bem ©inne, bafe
baß bu fie nicf)t lieben follteft? 0, meldje Ungereimtljeitl
toie foUte bann betne Siebe bie (Erfüllung bed ©efeged toecben
Umtnl 9lein, abet nimm bic^ in ac^t, ba^ bic nid^ toU^
tiger metbe, für (ieBeboU gehaben gn loerben, aU ^u lieben;
nimm bic^ in ad)t, baj5 bir bic Gegenliebe ber 3J?enfc^en nid^t
toid^tiger hjerbe baö, njorin il)r einanber lieben fotlt; nimm
bid^ in ad)t, bafe fie bir baä ^öc^ftc nic^t megnarren, weil
bu bic^ nid^t felbftifd^ ^gen laffen !annft! Berufe btc^ au(^
nid^t )um (Snoetd beiner Siebe anf ber Sente Urteil über
bif^; benn ber Seuie Urteil gilt nur fo n^ett, atil t9 mit
Rottes ^orbcriuu-} übereinftimmt; im anbern gaHe finb bie
Ü)knifct)cn nur bcine S[)?itfcl)ulbigen ! Scrue j^u^teid), unb Der«
gi6 nie biefe me^mütige Sc^rc: bie 2ßal)rl)eit biefeö Srben*
lebend ift, bog feine Siebe ^toifc^ ä)i{enfd^ unb äßenfc^ tM*
fommen gtftcflic^ »erben lonn unb foK, twQfommen flc^
n^erben barf! X)enn, göttlich öcrftanben, l)at fetbft bic gtürf»
lic^fte Siebe ^mifdjen 3J?en}d) unb 3)?enfd) uüdj eine ©efa^r,
an ujeldjc bie blof^ menfd)(id}e ^fuffoffung ber Siebe nic^t
bcnft: bie ®efal)r, bafe bie irbi)d)c Siebe ju t)eftig merbcn
fann unb fo bad (»ottcdoerl^nid ftört; bie Qk\a^t, ba| bod
<»otte«ber^d(tttiiK fdbft biefe glüdUd^te Siebe aU
forbem imm, mm menfd)(id^ gerebet eitel triebe nnb iwtt
unb breit feine ®efal)r fcljen ift. Unb au^ ber 9Jiüt]lic^*
feit bicfer (iJefaljr folgt, bafe bu aucft im g(üd(id)ftcn Sicbcä^
4)er^ltnid immerfort beforgt tooc^ mu^, nti^ in ber ^e«
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— 177 — .
forgnig, bafe bu bc^ ©etiebteu ober ber ©cliebte beiner über*
brüfftg toeicben möd^te, aber in ber, bag i^r miteinanber
(S^otte0 Mgeffeti f5nittet, ober bod^ ber (SIetiebie, ober bu
felbfi Unb aui» bet SRögtic^fett btefet ®efa^ folgt, um an
bie ©tnleitung bicfcr ©rtoägung ju erinnern, toie fc^tocr
eg, c^riftüd^ üerftanben, fein mufe, Siebe öerfprcc^cn, ba
bie ©rfüHung bebeuten fann, bafe man üom beliebten ge^afet
»irb. 91ur bie Siebe ^ott ift aQegeit glitcttic^, oUejcit
feiig, ttne ja oud^ «adf uttfrer Sludfü^nttig bei einiige,
mfjitt <iegettftattb ber Siebe tft; ba foEft bn md^t in 8e«
forgnid toad^en, fonbent Mog toac^en in Anbetung.
^ie Siebe ift bes (SJefc^eg Erfüllung, ^aö ©efc^
aber ift bie Spenge ber unerfc^öpflid^cn 53eftimmungen; loie
Idnnen mir fo ben (Skgenftanb unfrer diebe ie erfc^fen?
SBtr mollen bad äl^annigfalttge anf bad (Sntf^eibenbe }nrfii!«
führen. fHinn ergtebt fic^ «jefentüd^ eine boppeltc gor*
berung be^ ©efe^eö: bie ber Snnerlic^feit unb bie
ber ^uSbauer; ba^ alfo bie Siebe eben fo innerlich mit
ftatig fei
ffieCdle» tfi nun bte geforberte annetti^feit? ^
nur menfc^lic^e 53[uffaffung ber ßieBe forbert aud§ 3nner*
lic^teit, .^ingebunq, Slufopferung, beftimmt fie aber btofe
mcnfc^Ud^. S^re innerlid^e Eingebung befte^t barin, bafe
ber ^orfteQung be^ beliebten ton ber Siebe mit aQer ^uf«
Opferung (SIenuge g^Uiftet locrbe, ober boc^ auf eigene ^«
ontiDortung ^in bte (Sntfc^nng geloagt toeibe, M Siebe
fei. mmiä^ kierftanbett aber ifi bte @elbftlie6e Siebe au
©Ott unb nja^re Siebe ju einem 3J?enfd^cn bie Unterftü|ung
beffelben in ber Siebe gegen (5Jott. ^icr ift a(fo bie ^nner-
Itd^feit nic^t blog burd^ bad Stebedoer^tnid, fonbem burc^
Jliccteiaat]», VMUn bet 2ie6e. 12
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— 178 —
ba^ ®ottegt)erl)öttni8 beftimmt. ^)ie geforberte 3nnerlirf)!eit
ift ^ter bie ber ©elbftöerleugnung unb rid^tet fi^ nic^t nac§
beiS Qkiithtm (beiS ^egenftanbed) ^otftdlung tum bec Siebe,
f onbetn bamd^, bafe man t^m |ut IBtebe gegen (S^ott be^fttd^
fei. S)orQitd folgt, bag bad Siebei^erl^Itnii» atd fold^e« bod
Opfer fein fann, bn§ geforbert iDirb. S)ie Snnertic^feit
ber Siebe mu^ aufopfernb fein unb barf alfo feinen 2o{)n
forbern. ^ie rein ntenfd)Iid^e 5luffaffung ber ßiebe U\)tt
aii(^, bag bie Stiebe feinen £o^n forbern büi:fe — ^It aber
fftt felbftMftfinbltd^, bog fte geliebt fein n^oQe, atö Mn
bod !ein Sol^n, atö bliebe ha9 gon^e $erf}ä(tnid bamit nii^t
bod^ blofe ein S8erl)ältni^3 ättiifd^en 3J?enfd) unb äJ^enfd). X)ie
Snnertid^feit ber c^riftlid)en Siebe aber gicbt fid) n)iC(ig borein,
jum 2ütjn für tt)re Siebe üom beliebten (üom ©egenftanb)
ge^|t »erben, jeigt, bag biefe ännerUd^leit ein
retned ®ottedber^fi(tnii^ ift; fie l^at feinen £o^n, and^ nid^t
ben, geliebt ^n loerben; olfo gehört fte, ober ber SRenfc^ in i!)r,
gonj unb gar ^ott an. diejenige ©elbftöerleugnung, ©elbft=
be^errfd^ung, ©elbftaufopfcrung, bie bod) blofe ein STaufc^
tnnerf)atb ber ß^i^^ic^^^i^ if^/ innerljalb ber ^pl^äxt beö rein
aWenfctjlidien fic^ l^It, ift nid^t in aBaJ)rt)eit bie d^riftlic^e,
ift mie ein gegenüber bent (^ftlic^ (Smft, ift ttne
ein erfter Kniouf ^ur d^riftlid^en (Sntf(^ieben()eit ^BUm ttnQ
bog ober jene^ unb aÜe^ opfern, Ijofft aber bod) barauf, Oer*
ftanben ju tt)erben unb fo burd) mirflidje^ (Sinüerftänbni^
mit ben anbem oerbunben 5U bleiben, bie bann für bie
gebraclften Opfer it)re $lnerfennung unb greube goQen
ntflffen; nton nnQ allei» Derlaffen, fegt aber babei bod^ ni^t
uorauS, bag man and^ brongeben müffe, bie ©prad^e ber
anbern ju reben unb oon iJ^nen oerftanben ju Serben.
®ie Senjegung ber 5(ufüpferung mirb fo eine )d)einbare; fie
mad^t Wititnt, bie äBeÜ 5n uerlaffen, bleibt aber bo^ inner-
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— 179 -
[)a[h bcrfclben. iäJir ipoüen fie burd)aiiö nirf)t l)erab)e§eii;
0, fclbjt bicje bioi mcnfdjlic^e Aufopferung finbct fic^ öicl*
leidet fdten genitg. Sieben tm abtt c^iiftltc^, fo müffen
tmr fo^en, bag fie auf fyxlhm SBege fielen hUxht, &t et»
fteigt einen f)o()en ©tanbpunft (menfc^tic^ gercbet fte^t ja bic
5(ufopfcrmu] Ijorf)), fie tpirft alle§ Uon fidj, um Den crl)öl)ten
Stnnbpunft erfteigen, befjen ^öt)e üon ber 53en)unberung
entbedt totrb, tt)ät)renb bie Aufopferung fie^, bog fie gefetien
»ttb. Aber onf btefer (bemt e8 ifi too^, ba^ Auf«
opfening (Srl^Ben()eit ift) a(d bet Ungesagte ju fielen, Mr» ,
od^tct, gef)afet, faft fdjiimmer Dcrfpottct ber SRiebrigfte
unter bcn S^^icbrigen; alfo, nad)bem man mit ü6ermcnfd)Iid)cr
'Jlnftrengung ben erl)i)l)ten i^tanbpunft erreicht, auf il)m fo
baäuftcl)en, ba6 aflen borfommt, aU fttinbe mon auf ber
niebrtgften 6tttfe bec l@eta<^tnng: bad ift^ c^riftltc^ berfianben,
Aufopferung, unb bad ift, menfd^Iic^ mftonben, ISBo^finn.
9?ur einer fie^t ben n)al)ren ßufömmenljang unb er bemunbert
nic^t; benn ®ott im «^'^immef bemunbert feinen 9}^enfd)en.
3m ©egenteil; luäljrenb bie xoaijxc 5lujopferung nur eine
eoQidC 3uf^u^^ ^)^^ nöniUc^ &ott, ift fie boc^ mieber ttne
oon d^ott tKtlaffen, ba fie «M>r (Sk>tt toerftel^ hai fie gav fdn
tBetbtenft f)at, unb gugleicf) menfc^(id) uerftel)t, bofe fie Bei
ben 9[)?enfd)en 33erftänbni0, i]iebc, 53en)unberuug fänbe, menn
fie nur bie .^ätftc pon bem opfern looflte, njn^ fie opfert,
unb boc^ bann in geioiffem ©inne oor (^ott ebenfooiel tok
je|t bebeutete, ba bor &ott feine Aufopferung ^rbtenft ^at.
S)q8 ift, c^rtftlid^ mflanben, Aufopferung nnb ift 5ug(ei(^,
menfd)(icf) oerftanben, föQl)nfinn; unb boS ^eigt, d)rtft(td^
oerftanben, lieben. 8oU menfd)(id)e Siebe baö ^öc^fte ®Iücf
fein, fo ift biefe Siebe ja baö f^njerfte Scibcu tüeun nic^t
bad ^cr^äftnie- ^u (^ott bie l)öd)fte «Selicjfeit njäre!
%^ anbere gorberung bed ©efe(ed ift ber £tebe And«
12*
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^ 180 —
. bauer im Sauf ber Q/nt: bag fte ftatig nrie initerttc^ fei.
Diefe gorberung ergebt bie btofe menfc^(icf)e 5hiffaffung bcr
Siebe and); boc^ ift bie gorberung c^riftlid; ücrftanben eine
anbete, ba ja bie geforberte Snnerlic^feit eine anbete ift.
jDie gorbetung bet ©tätigfeit unb ^udbouer in bet ^tü
bebentety baft btefeI6e 9niierli(^fett ber Siebe fid^ in ber 2&%t
ber ßnt et^oUe, toorin ttnr in gemiffem Sinne nnr einen
neuen Stu^btucf für bie 3nnetlic^fcit l)abm. 8üiüie bu meinft,
bu ^abeft in beinet Siebe genug getrau ober lange genug
. geliebt unb ^abeft nun aud^ ^jptüc^e an ben anbetn
et^eben, fo mu|t bu baran metfen, bag bein Sieben fic^ in
ein ^orbem tierkoanbeln ttiU, atö g&be ed (tro^ aOer
9[nfo|^femng nnb Eingebung in beiner Siebe) eine (Sren^,
an bet ^etoottteten müfete, bafe fie im ©tunbe ein 'iRt6)t^'
anfptu^ fei — bie Siebe aber ift beg ®cfe^e^ (EtfüÜung.
2öit tcben ja nic^t öon einem großen 5lugenblicf ber @elbft=
Verleugnung; benn baS ®cfc^ öerlangt bicfelbe 3nncttic^feit
in ber S&nge ber 3^ Sn ber S&nge ber 3^^^^ ^
aber nid^t eined SRenfd^en @ee(e g(ei(^fam Derrenfen? ift ^
nid^t ein (Selbfttoibetfptud^ in bet gotbetung, bafe fie gleid^*
jeitig na^ fo oetfc^iebenet 3^id)tung Ijin anf^)otnt, inbem
fie ^auet oetlangt unb Xicfc? ©iet), bet ^feil fliegt fc^neU
butd^ bie Suft, oottoättg in bie Sßeite; tt)cnn er aber pr
f elben ^ ftc^ 'abm&rtö in bie (Srbe etnbobcen unb twrmärt^
mit ))fetlfd^neO[er (Sefc^toinbigfeit ba^tnfCiegen foQte: \9d^
9lnforberung toSrc ba«! @ie^, in großen ÄugcnbKdten ber
Söcgciftctung, ba oern^eilt baö Smige; njenn bann aber bie
3eit i^te taftlofe ©efc^äftigfeit beginnt, ttjenn fie roitb, inbcm
fie gc^t: toie foCf man bann nid^t mit bet Qeit öon ber
ÜBegeifternng abfoQen? Mit tarn mon^ugteid^ gleid^ Schritt
^(ten ntit ber $aft ber 3^ unb <3tanb ^(ten bei bem
Senoeilctt ber (^igfeit? 3n ben testen S^Qitn liegen
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- 181 ~
(unb toeni! ein S^^enfd^ in @cI6ftt)crteugnung ba8 f^tuerftc
Opfer ^at bringen muffen: gum So{)n für feine Siebe öon
i^rem ©egenftanb getjafet toerben, )o ift er ja tpie ber,
wctd^cr in ben legten QüQtn liegt) unb fo eine gufunft, ein
latiged Seben t)ot ft^ p l^ben, oBfd^oit oUed totbet ift; alfo
^nmal unb in |ebem Stugettblu! in bot legten Sfi%tn Itegenb
in aufrccf)ter §altung toortt)ärtÄ gelten §u müffcn: wctd^e
9lnforberung ift ba§! ^ornieberjulicgen ift ja ha^ gcrabe
(SJegenteil öom @et)en in aufrcd)ter Haltung; unb in ben
legten ^ÜQtn gu liegen ift ja ein ^Darnieberliegcn im ftreng«
ften ©tnne unb alfo bet grd|t mdgltd^e (Skgenfag gegen bai^
aufrechte ®tijim, ^aft bu je einen mfiben SBonbeter gefeiten,
bet eine ^6)tom Saft trug, nne er bei febem @d^rttte bagegen
anfämpfte, bafe er nidjt iöobcn finfe: bafe er fid) aufrecJ)t
t)a(te, foftet i{)n bie größte 3J^ü^e; er mu^ fämpfen, baji er
nid^t jufammenbred^e. %htt t)ingefunfen fein, barnieberliegen,
in ben legten ^^^^0^ ))om&TtdeUen mit
anfied^tem (Slange: tounberbar! Unb bad fonn bie gorbentng
fein, nnb jugleid^, bafe man fo auSl^atte in bet ßfinge ber Qät
5(dj, in ber SSelt beg ©eifte^ giebt e§ einen S5etrug,
n)03u fid) in ber äußeren SBelt fein ©eitenftüd finbet.
kotffen toix, ba| bad ^inb buc^ftabieren lernen mni, bet)OC
ed lefen lernen fann. Sba» ift mm einmal fo, eine nnnm»
gängli(i|e Stotloenbtgleit; eS ift nie irgenb 'einem ftinbe
begegnet, bag t$ hm^ einen berftdenben ^ein, bun^ eine
<öinne§täufd^ung ju ber (Sinbilbung üeranla^t njurbe, e«
fönne bereite lefen, el)e e§ nur bud)ftabieren fonnte. Sn
ber SBelt beg ®eifte§ aber, ttiie öerfü^rerifd^ finb ba bie
^l^ältniffe! SJcginnt l^ter nic^ aOed mit bem großen
9(ngenblid beS (Sntfci^Iuffed, ha SorfageS, be9 Serf)>re(^
— wo man ja fo flienenb tieft tme ber t»o1Ienbetfte ^orfefer
bei feiner tDol)I)tubieitcu )^£irle)ung. Unb bann !ommt erft
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— 182 —
ba^o i)tad)fte; bann füll man an ba^ ganj Sttcinlic^e, ba^ rein
^(Ktäqlic^e getjcn, ba^ roeber großen ©inbrucf machen, nod)
fo fortreiten foitn, bafe fc^on bcr 3**f^"^"^^"^)^"9 mciter
Reifen toivt — ad^, in ben langen, langen ©tunben ift ed
im Gegenteil niie Beim Ouc^ftabteren, bad bie SBotte andein«
anberreigt unb in 6tü(fe fiadt; man f^nn ben @tnn nic^t
ftnben itnb njartet ücrgcbcnö auj ben ^i^f^mmentjanq. 9J(it
fiel) )db]i in ©elbftuerlcugnung ftreiten, befonberg tcenn
man [legen foE, gilt für ben f^loiengften Streit; mit ber
geit gtt fttetten, nnb \o, bag man gan$ ftegen fottte, mujs
fftr eine UnmdgU<!^fett gelten.
3>ie fc^merfte Sfifbe, bie einem 8Wen)rf)en auferlegt
würbe (bcnn bie öürbe ber ©ünbcn legte er fid} jelbft auf),
ift in einem gemiffen ©inne bie Qcit - fagen wix md)t
and), bag fic töbüc^ lang toerbcn fönne! 5luf bcr anberu
@eite jebod^, meldte milbembe, linbernbe, toekl^ beftec^nbe
SRad^ l^at bie 3eit! Stbec biefeS ä^ilbernbe, biefed »efted^be
ift ja eine neue ®efa^r. Äknn ein SRenfd^ fic^ etttrag
©djulben fommen üefe, fo laji nur einige Qdt bat)ingel)en,
lafs i()n in biefer gar frf)einbar einen ©d)ritt uormärtfi^ jum
öeffercn gemacht l)aben: tüie üiel milber fommt il)m bann
bie ©c^ttlb t)or! fie ftc^ benn aber micUtc^ gemilbert?
3ft benn bie ©c^nlb aud| mitflii!^ bergeffen, menn ber
^banfen(ofe\ ben Ängenbtidf barauf fie t)ergeffen ^at?
„^ie Siebe ift bc§ ©efct^cö ©rjütlung." Sage nun, ift
e^ möglid), über biefe^ 3öort 5U rcben, ül)ne bafe man miber
SöiÜen rid^tet, menn man bod) nur ben SöiEen ^at, fid^
fe(6ft 5u rid^ten! ^ag ein ä^^enfc^ unenblic^ toeit Don bet
<&:fä0ttng ber ^orberung entfernt fei, giebt ed baffir einen
genaueren 9(udbrnd( a(8 ben, ba^ ber ^bftanb ju grog fei,
um it)n and§ nur Bercd^nen, aud) nur bic 9icd)nung ab-
Ic^lie^eu ^u {dunen! toixh ja nic^t blog täglich jo t)iel
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— 183 —
Dofäumt (toon bem gat ntd^t rebetti tM Derfd^ulbet bncb);
ift oBet gar einige 3^^^ Eingegangen, fo tft num auc^ nid^t
mel^r im fianbe, bie @c^utb genou anzugeben, tok fie einem
juerft fetbft öorfam, tDtxi bie 3^^* "^^f^^ Urteil über ba^
SSergangenc öerünbert unb milbert — ac^, njä^renb boc^ feine
3eit bie gorberung Deränbcrt, bie Soibenmg ber (i^tgfeit:
„bie Siebe ift bed ^fe^ed d^ftOitng/
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m. B.
Sit fiebe i|i (Setiii||reitsfiul^.
1. £iiii. 1, 5: Ki^rt Me ^mmmt M IkMI \ft )i\tht ntn retem
enn man mit einem eingigen Söorte ben ©ieg angeben
unb Sejeid^nen foHte, ben baö ß^^riftentum über bic
SBelt gekoonnen, ober, noc^ rid^tiger, ben @ieg, toomit bte
fBkU md^ ato übemitnben ^ ^ bad (S^fkntmii ja nie
ttdtltd^ f)ai fiegen ttMriKen), Me t>pm ^f)rifteittitm onsefihceBie
mienbU^e SSeränbcrung, tooburc^ in 2[öat)r^eit QlIeÄ geblieben
ift, ttjie eg toar, unb bod) im 6inne ber Unenbtid^feit oüe^
neu gemorben (benn baä ß^^riftentum ift nie ber ^euigfcitö*
främerei freunb getoefcn) — \o tDci| uj^ fem fürjere«, ober
ottd^ fein eittfil^eibcnbeced Kniet p Hernien M bod: to^ ed
iebeS menfd^U^e iBer^dltmd gn^tfd^ Sll^enfc^ mtb antenfd^
ju einem ®etoiffen§öcr^ältni§ gemarf)t ijat 2)aö C£l)ri|tentum
^at nid]t bie S^cgierungen Dorn X^rone ftürgen mollen, um
m felbft auf ben %i)xon ju fe^en; eö ^at im äußeren ©inne
nie um ben ^Ui% in ber SBelt geftritten, iwn ber nic^t ift
(benn toenn eft )>im einem $ei|en ^(a| ecgteift, fo Befett e9
bamit feinen $Iag in berSBelt): nnb bo^ Ijat ed aQednnenbCidl
oeranbert; fortbefte^en lieg unb no6) fortbefte^en (ägt.
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mt it&mltd^ hai Wut iit ieber 9[ber ^ulfiert, fo nrill ba«
(S^riftentum burcf) baö ©etDtffenöüerl^öItniö alleg burc^bringen.
Die 5[^eränbennTC| ift nidjt äufeerlid), nic^t in bie klugen
faüenb, unb boc^ ift bic IBcränbcrung unenblic^; toenn ein
mtn\^ ftatt bed 8(uted ienen göttlich @af t in feine ^bem
Mmmm ttimte, tm bem bad ^betititm tt&mitte, f o Mre
boS ein 9M!b bafür, tme bo9 ^fjriftentnm bad endige SeBen, bod
©ötttid^e bem SOf^enfc^cngefdCiIedjt einflößen tütü. Da{)er t)at
man gefagt, bie ßl^riftcn feien ein '^oU uon ^rieftern, unb
fann im ^lid auf bad ^emiffenökier^ltniS gefagt n^erben,
fte feien ein ^sit Dim fidnigen. ^n nimm bie getingfie,
bk unBeod^tetfte KiMiertn, benfe bt¥ eine te^ einfält^e,
fttmtt(^ föaf^frau, bie fi^ i^r ftnftfommen butd| bie
geringfte Arbeit emirbt: fie ijat, djriftlid) üerftonben, baS
9f?ed^t (ja n)ir bitten fie im S^amen bc§ ©l^riftentum^ rcc^t
ange(egentlidb, fie möge eg ausüben) — fie ba^ 9iec^t, unter
i^tet Ktbeit mit fid^ f elbft nnb mit (&oü au teben (tt^obutc^
ja i^ Ktbett leine ttnterbreti^ung etletbet) nnb }n fagen:
„\6i t^ue bicfe SfrBeit um bcw %aqlol)x\, bafe id§ fte aber fo
|)ünftüd^ auöfü()re, mt id)'ö tl)ue, ba8 t^ue ic^ — gctuiffeng^
falber." meltlic^ giebt eg nur einen Menfd^en, einen
einzigen, bcr feine tocitere SBerpflid^tung anjuerfennen \)at,
oU bie be« (icimffen»: ba« tfi bet ftönig. Unb bix^
jene genüge %ta% ^ftlid) üerftanben, baft ffttd^t, toie ein
^önig üor ®ott ju fid^ felbft ju fagen: „i6) t^uc boÄ
gemiffcn81)alber." SBirb bie grau tjcrbroffcn, mci( fein 9Jienfd)
auf biefe dicht ad)ten miti, fo bemeift basS nur, ba^ fie feinen
d^riftlic^ ©tun l)at; fonft meine id^ boc^, eiS genüge, ba|
mit Qhtt }ttgelaffen fjat, fo mit i^m $tt xeben. 3n biefer
^fi<|t begel^rltd^ fRebefret^eit ju Dertongen ift eine groge
i^ort)eit gegen fic^ fc(bft; benn e§ gicbt geujiffe Dinge, unb
barunter befonberd bie ^e^eimniffe bed Innenlebens, bie ba^^
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hmä^ ticrKccen, bag man fie ftffentfid^ ma6)t, mh ik gan^
ocrlorcn gc^en, tucnn bie ^unbgcbuncj bte §auptjad)e
gciüüröcn i]t; ja giebt ®et)eimni}ie, bic in fo(d) einem
gallc nic^t nur uerloren, fonbern gerabcju Unfiiin geroorbeu
finb. ^et göttliche ©tun bcd (^i;iftattiiiiid liegt boitn, ba|
cd im Serinmen }u iebem ^ßUn\^ fagt: Jai tn^ itU^
bamtt urnttetto, bog bu bte liSet^Itmffe ber SBeft ober
bcinc i^age üerönberft, bo^ bu 5. SB. ftatt eine arme 5Ba)d)^
fraii |ein, gar SJiabame 5U njerben ftrebteft; ü nein,
eigne bir ba6 (Et)ri)tlic^e an, unb »irb bir einen ^unft
augec^b ber iBelt anmetfen, mit ^Ufe beffen bu ^immei
unb (Me bäoegen foUfi; ja bn ttrirft bai^ nixi^ gidfiece
SItonber auioege bringen, .^immel unb @cbe in oOer &SU
\o (eic^t ju beiucgcu, baf] niemanb e^ mcrft."
^aS ift bie 3öunbertt)Qt be^ ßt)riftentum^, munbcrbaicr
aU baf} SSaffer in SBein üernjanbcü »erbe, biefe^ äi^unbcr,
in aUet ©tiUe, ol^ne einen ^ontoec^fel, ia ol^ne baft eine
^ttb xüt)xt, jeben SRenfd^en, göttli^ uerftonbcn, p
einem Äöntg ju macf)en, fo leicht, )o be{)enbe, fo ttjunberbar,
bn6 bie 3Se(t in genjiffem 8inn e^ gar nid^t ju erfahren
braucht. <5)cnn in ber SSclt broufecn foE unb mufe ber
^ntg ber einzige fein, bec nad^ feinem ©etDtffen ^errf^t,
aber — gennffend^alber jn get^n^en mnft bod^ jebem vAatM
fein; bai^ fann bo4 niemanb, niemanb t)et^tnbent. Unb ba
brinnen, tief brinncn, m ba^ (S^riftlic^e im ^eiuiffen ml^nt,
ba ift alleg üeräiibert.
©iel), bic Mdi mac^t ein Sluf()eben, tuenn eö nur eine
fleine 9lenbentng gilt, fe^t Gimmel unb (&tht für nic^tiS in
Oettcgmig, ift bet Serg, bet eine SD^aud gebiett; htA (Soften»
tum bringt in aller ®^Ut feine unenblid^ SSierfinberung
ftanbc, alö lüäre ba^ ein 92idjtö. ift fo ftiflc, mie md)t^
Wkiiiiö^ii^ jein fann, jo ftide, lote nur ein ^erftorbeuer unb
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bte Snnerßd^fett fem fottn: tood ift ou^ ha» ^^riftentum
anbercö qU 3nneilid)fcit!
(So öertranbclt ba^ Sl^riftentum jebeö ^i>cr^ältni§ jtPtfd)en
SOienfd) unb SJicnfc^ in ein @ett)iffengüert)ä(tni^, fü aud^ boö
bec £te6e. S)ad iDoUen kPtr benti bettad^ten, bag, d^tiftttc^
oerftanben,
bie £iebe ©etDiffendfad^e ift.
Sil bem üorftcljcnbeu @prud) beö ?(poftelö ift offenbar
ein boppetteg enthalten, juerft nämlic^, bajj „bic @ummc bcÄ
(§)e6otd bie Siebe*' ift ^ieS ^aben toir im i^orange^enben
^ttel tntaiätU, unetoo^t toit bie Qetra(|tuiig att ein
anbered SSSoct änfitü))ften, bog itainlid^ bie Siebe bed ®f
fc^e^ ©rfüüung fei. ©obann ift aber in nnfrem Xejte nod^
entljalten: rt)enn bic ßiebc bie (Summe beö (^siebotö fein foüe,
fo muffe fie oon reinem fierjen, oon gutem ©elüiffen unb
Hon unüerfalfd^tei Xieue fein, ^od^ motten mir bie $(uf^
merffamfett nut auf bie eine S^ftimmung rid^en, bag bie
Siebe 41totffenSf adje fei, morin bie ^toei onbern toefentßd^
enthalten finb unb äu ber fie mefentüd) l)infüt)reii.
^afe bei un§ eine beftimmte ^rt üon Siebe c^riftlidj
5U einer ®en?iffen^fa(^e gemadjt mirb, ift jebermann t)inläng*
lic^ befonnt. Mtx meinen bie (£^e. ^eDor ber Liener ber
^rc^ tM ^ar in ber ^erbinbung ^nfornmengiebt, bie i^rer
^erjen SBa§t gemcfen ift, richtet er gucrft an jebe8 cinsetne
bic 5>'ragc — nid)t etma, ob fie i^re^ ^er^cn^ 3Bat)( fei,
f onbern - : l)abt il)r eud^ mit C^ott unb eurem ©ciuiffen
beraten? 2)cr 2)iener ber ^{irc^e leitet atfo bie iiiebe auf
ba$ (^ctpiffen ^in, toe&f^ib er fie auc^ gemiffermagen aU
fremb, o^ne baiS toertrontic^ „t>u*^ anreb^; er legt ben beiben,
jebcm befonberd, anS ^er^, bag fie eine ®etoiffen§fac^c fei;
er mac^t eine ^er^en^angelegen^it 5U einer ^en^iffen^fac^e.
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Sefttmmter mh beutlid^ fonn IkA Mi wyi ni^t axA*
gcbrüdt toerben, unb bod^ ift eben baSfelBe tiot^mot« tti ber
grageform cntt)altcn, borin nämlic^, ba^ jebe§ bcfonber«
gefragt tuirb. Wlan rebct ja öon „^ciriffenöf ragen"; eine
folc^e richtet fc^Iec^terbingi^ an ben d^elnen a(d fold^.
@o nimmt onc^ bai» (Sl^ttfientnm, loenn ed bai» äRenfd^«
gefd^te^t iDefentltd^ d^riftlid^ 6etrai|tet, Dot oHem alle tiefe
Un^ötiligen je für ftc^, jeben BefonberS ofö ben @in?\e(nen.
^er Liener ber Äirdje fragt alfo bie Beibcn, jcbeö be)ün=
ber^, ob eä fic^ mit ©Ott unb feinem ©ctoiffen beraten ^abc.
2)ad ift bie nnenbtic^ SBeräitberung, bie im S^riftentum mit
ber natflrli^ Siebe t>or fid^ ge^ @ie ift, nne aKe IBer*
änbecnngen bed (S^riftentnmS, gan^ fttQe, ganj üetbotgen,
iDcit fie Mofe ber üerborgenen 3nner(id)feit be^ 9}^enfcf)en,
bem nnüerqängtidjen 3Sefen eine§ ftiHen ©eifteö angc()ört.
2Belct)e ^(bjcöeulic^teiten l)at nic^t bie Sßöett in bem '^^crl)ättni^
j^koifd^ äJ^ann unb Wkih gefe^n, ha ba^ Sßeib bem iD^anne
gegenüber foft toie ein %m, ein minbertoertigeil Siefen, inie
ein Sefen anberer Srt ga(t; ttrie ift nid^t um bie dHnfe^ung
bc^ SBeibö in njeltlid^ gleid)e Sfiec^te mit bem 9J?anne gefämpft
morben: bag (5{)riftentum ober nimmt btofe bie unenbtid)e
SBcränbcrung öor unb barum in aller ©tiüe. Öufeertid) bleibt
ed getoifferma^ beim alten; benn ber SD^ann foK ber $err
M SBeiM, fie t^m Untertan fein; in ber 9nner(i<!^leit a6er
ift liQeS t)erdnbert, mftnbert bur<| biefe fteine grage an ba8
SBetb, ob fie fid) mit i^rem ©emiffen beroten ^obe, bofe fie
bieten 3)knn — gum §erru \)ahm tuolle, benn onbcrö bcfommt
fie it)n nic^t. 3)odj bie ©emiffen^fragc unb bie QiemiffenÄ*
fad^e fteEt fie in ber 3$tner(id^!eit bor (Mt bem ^omt
gang gleid^. fßM (S^fln9 toon feinem 8lei(^ fagte, baft ed
nid^ Don ber SBelt fei, gilt tjon aUcm (S^rifttici^en. SBie
bie Orbnung einer ^ö^ren SBelt n^id e^ überall ^ur stelle
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feilt, a^er tiid^t (^anbgreifUc^; tm ein gnter ^etft i)teSte6enben
überall umgicbt, <Bd}ütt für Schritt fic begleitet, aber nid^t
gezeigt trerben fann: fo tüill baö ßf)riftlic^e ein grembling
im iJeben fein, toeil eö einer anberen SSelt angehört, fremb
in ber SBelt, njcil e^ bcm inneren 9Kenfcf)en ongc^ören toiCi.
^5nf|te SKenf ^ l^ben in %fyn^ fi(j^ ^ft^i, im ^Hamm
beS (S^riftentitmd eS toeCtltc^ offenbar mac^n, bag baiS
SBeib mit bem 9JZanne in gleiche 3ficrf)te eingefe^t fei: berlei
l)at bog S^riftentum nie oerlangt ober getüünfc^t. l)at
aüeö für ba^ SSeib get^an, koenn eö fiel) c^riftlic^ mit bem
^l)riftlid^en toWi genügen laffen; mag fie bad nid^t, fo getointtt
fie btttc^ ina U^ß/d^üt ftufeectid^ ©teamtg, bad fte fÜ| wdflVI^
ettto|en fann, nitc eitlen drmlid^ Srfag fftv bai^, uialK fie
öerliert.
©0 mit ber (S^e. ^)a6 aber baö ßl)riftentum burc^ bie
bie natürliche Siebe 5U einer ©etoiffen^fad^e gemacht ^t,
fc^eittt nix^ ni6^t jur golge l^ben, bog eiS übed^nt^ ^
Siebe ^n einer (Sleioiffettdfa^ madfte. SSer anbetet SReinung
ift, fagt iebod^ ba« (E^riftlid^e falfd^ auf. 3)o« a:i)riftentmn
l)at nömlic^ nid^t au^na^m^toeife bie natürliche Siebe pr
®en)tffen§fad)e gemadf)t; melmel)r, lüeil ev3 alle unb jebe Siebe
bap machte, ^at e^ auch natürliche Siebe ba^u gemad^t.
Unb übecbied ift {a getoi| bie natüclid^e iBiebe, loenn itgenb
eine, mn fd^loecflen tn eine (Mniffendfac^e an Mloanbebi,
ba fie in einem XtieB nnb in notftYli(her ßunetgung begrünbet
ift; ^rieb unb 3""ci9"i^fl fdjeinen aber für fi^ felbft bie
grnge entfd)eiben gu hJoHen, ob Siebe ba fei ober nicht, unb
{(heinen injofern gegen bad ^h^iftlic^e (tok baS ^h^^f^^i^
gegen fie) (&m\i^m^ jn ec^ben. Senn n&mlif| fim SKen«
fd^ fii^ lieben, tocA fte ja felbft am beften toiffen mftffen,
nnb menn i^ t^rbinbung fonft hin ©inbernt« („bafe fic
nicht (önnten ehelich ^ufammenlommen") im SQ3ege fteht: too^ü
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ba ©(ftttncrigfcttcn mocftcn? Unb bod^ mocfit baS (S^riftenhnn
fold^c, inbem fagt: nein, fie muffen erft bie grage bea nt*
iporten, ob fie ftd^ mit ©ott unb iljrcm (^cnjijjen beraten t}abcn.
^ad (j^^tftentum tft nie barauf aud, ^erönberunc^en im
llnfieren git fc^ffeit; ci» taiU loeber bett Xneb nod^ bie Qttß
iteigung obfc^affen, e9 ttriK lutr bie inicnblicfie Scrfttiberung
im Snncrn motten.
^icic llncnblid)feitöüeränt)erung ober (melcfie bcr ucr*
borgene 3Kcnfc^ ber Snnerlidjfeit ijt, ber bic Siic^tung
einiodrtd, auf ba^ (^otteSt>er^altni$ t|tii nimmt unb fid^ ba«
bnrc^ t)on ber Snneriid^feit unterfc^eibet, loelc^ ftc^ nad| and«
to&M nd^ttt) min bad (Sf)riftentnm üBerad nta^en, bol)er
aud^ alle unb jebc Siebe jur @en)iffen§fad)e ummanbcln.
*5)aruni ift e§ eine unrid)tii]c ^(nfc^auung Dom ß()riftlic^en,
menn man meint, e^ moUe nur au§nat)mgmeife eine einzelne
^tt uon Siebe ^ur (Sktt»iffend{ac^e mad^en. S^an Eann über«
f^viipi aud^ ntd^t etmaft ein^Ined einer ^Idniffendfad^
ma^en; enttoeber mn^ man, toie ba9 <S()riftentnm Ü)nt, aUt»
baju mad)en ober qar nid)tg. üert)ä(t fid) mit ber bem
(S^emiffen innctuoljucnbcn (S;;panfion§fraft cjerabe fo mie mit
ber ^Ugegenmart ©ottet^: man fann biefe nic^t auf einen
etn^tnen IDrt etnfc^r&nfen unb iafjm, ^ gerabe fei ^ott
allgegenmdrtig; babnrd^ toftrbe {a ^rabe feine XOgegentoart
oufgel)o6en! Unb fo tofirbe an(^ hafi Satten M ®emiffend
übert)anpt aufgel;üben, menn man eiJ auf etmag einzelne*
bejdjränfen mofftc.
SBoHen mir un^ einen ^(nfangS^unft in ber 2el)re bc^5
S^riftentnmd oon ber Biebe benfen (nneioo^l ein tlnfangd«
pvmU in einer itreidHnie nnmOgtid^ fef^^Iten ift), fo fann
mon nic^t fagen, ba« (5f)riftentmn beginne bomit, bcfs bie
natürlidje Siebe jnr (5)emiffenöfad)e madje, alö Ijätte biefe
^ngelegcn^it ^u aUererft bie SlufmecffamCeit ber £e^re auf
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fid) gejogen, bic für gan^ anbcrcö 5U forgen hat, alö |)et*
raten ftiftcn. 9^ein, ba^ (S^riftentum öcrfd^rt prin,vpic[I
itnb beginnt bQl)er bamit, loaö bcr (Seift für Siebe 5U galten
^ Um 3» (efttmmen, load Siebe fd, beginnt ed entioebet
mit €k>tt ober mit bem S^Ad^ften unb mitb baburdl bte
niefentlid^ c^riftHc^e Se^re üon bet Siebe, ba man j[a tm
@ott auöget)cn mufe, um in l'icbe ben 9^iid)ften pttbeit,
unb in ber Siebe ^um 9^äc|ften ®ott finben inuf^. 33on
biefer ©runbanfc^ouung auS nimmt ba§ (St)riftentum nun«
m^Y jebe jtuBcYung ber Siebe in 8ef<|lao imb ift eifer«
ffic^tig auf fid^ felbft. ^Btan ^am baffer too()( fagen, bie
Sc^rc Dom 53crt|ältni§ be« 3J?cnf(i^n ju ®ott ^abc bie natür*
lic^c Siebe 511 einer ©cnjiffenöfadie gemad)t; ebenfo gut aber
and), bie Se^re üon ber Siebe gum ÜÜic^ften ^abe bie^ gctt)an.
eine Wie boS anbcre SKal er^bt baö ß^riftnrf)e gegen bie
(ügenmdf^fett bed Xriebd unb ber natürlich Qant\^m%
einf^nid^. Wkil ber Vlam ^ oKererfi, e^ fonft ein
l)ähni6 binbenb für ilm njirb, ®ott angehört, mwg er juerft
befragt incrbcu, ob er fid) mit @ott unb feinem ©eraiffen
beraten ^at. öbenfo mit bem SBeibe. Unb weit ber 9J?aun
%u aQererft, felbft bem geliebten ^eib gegenüber, ber 9^&(^fte
nnb fie i^ an olEecerfi ber iRäc^te ift, mn^ gefragt toetben,
ob er nnb fle fid^ mit bem 9eh)iffen beraten ^ben. S^rift«
lic^ üerftanben gilt ®(cid^^ aller 9)icnfd)en t>or ®ott,
unb in ber Sef)re t)ou ber i)täd)ftcu(icbc ift bicfe eben ber=
gcfteüt. SKan glaubt Iciber üieüeidjt, bie DMdjftenlicbe fei
bereite ettoad, toenn fie eine abgebanfte natürliche Siebe fei;
fk iffc jeboc^ bai» Stf^e nnb ^dc^fte, unb bo|er mni i^r
gerabe im erften unb ^dc^ten Hugenblnf bed Qertiebend gletd^
i^re (Stelle eingeräumt werben.
ift ba'S (Sliriftlidic. @^ ift bnrdiau^? nidit fo, baß
mir erft mü^jam QkiitbU finbeu müßten; uielme^r follcn
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tüir in ber ©cticBtcn ^ucrft bcn 9^&(l^ftett (ic8eii. gür beit
%xkb uiib bie Steigung ift baö freitid^ eine fonberbar ab=
fü^tenbe ^erfcl)rtt)eit; gleic^ttjo^l ift ba§ baö ©^rift(id)e unb
ttriH QU^ nid^t me^r ab!üi)(en, aU ber ©eift als folc^cr baS
@tntiU(|e ober @iiiii(u^@eeaf(i^ abfü^loi mitl, lod^renb cd
fiktgenS gcnibe bie ^Sxt M (SIeified ift, bafi ec bxemit, ofpxt
öttt^ulubern. ^ie ®attin foH bir %n aüererft bcr SRät^fte
fein; ba§ fie bir beine (SJattin ift, ift erft eine nÖf)ere S^e«
ftimmung euteS befonberen ^er^äÜniffeS einanber. SBa§
aber bad en^ig ßugrunbeliegenbe ift, mug aud^ in jeber &tBe«
titng bei» befonbeten Sßec^ttniffed (Bntnbe liegen.
SBenn ed fid§ ni^t fo Der^iette, toie toüxt ham SRaum
für bie Se{)re uon ber Siebe jum 9^äc^ften ju gewinnen? Unb
boc^ uergi^t man baS gen)Ö{)n(icf) ganj. D^)ne eS felbft redit
5U merfen, rebet man ^eibnifd) üon Siebe unb grcunbfc^aft,
ttd^tet fein ;^n in biefer ^ejie^ung tietbnifd^ ein unb fügt
bann eüood (E^tiflentnm ^tnsu, inbcm man ben 9lä(|fien
\\At, b. ^. etlid^ anbete SRenfd^n. ^Bkt aber m^i bcmutf
od^tet, bafe i^m feine (Gattin ^uerft ber S^öd^fte unb bann
erft ^3attin fei, tümmt nie ba^ii, ba§ er ben 9Jddjften liebt,
fo mele ^^enfc^en er auc^ liebt; er ndmlid^ in ber Gattin
eine ^[udna^me. ^iefe Sludna^e tottb er nnn enüoeber
fein Sebenlang ^n l^eftig Keben ober anfangl» ^n fentig unb
fliftter §tt fatt. 5Denn Qttox^ (tebt man bie ^ttin onbecd
ben greunb unb ben ^^eunb anber§ aU ben 9^äc^ften;
€^5 ift aber fein n)efentlid)er Unterfdjieb, ba bie ®runbg(eid)=
t}eit in bem Segriff bed iRäd)ften liegt, ^er begriff bcö
Md^ften entfi^nd^t gan) bem bed SKenf(^n. gebet t>on nnd
ift aXenfd^ nnb ift bann »riebet baS Sefonbete, boS et für
fic^ ift; Me'^mnbbefHmmung aber ift bie, bag er SD^enfc^
ift. deiner barf fic^ burc^ bie ^erfd^iebenl)cit fo blenben
Xaffen, bag et feig ober übermütig Detgi|t, ba^ er äJ^enfc^ ift;
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fein 3J?en|c^ ift burcf) feine inbiüibueHe öefonber^eit bem
entnommen, bag er äJ^en)^ ift; er ift ^enfc^ unb bamt bcA,
mos tt befonbei» fftr fici^ ift So ^ ba» <£^toitttm ond^
nii^tt bodegen, bag ber Wtmm bie (iattm befonben» (te&e;
mir barf er fie nie fo befonberS ItcBen, bag fic fein 9^äc^fter
mc[)r ift, n)Qg ho6) jebcr 9J?enfc^ ift; benn fonft ücncirrt er
ba^ (iS;i)riftUc^c: bic Gattin iuirb iljm nic^t jum 3fiäc^ftcn,
unb bamtt tuerben olle anbern 3)?enfc^en i^m aud^ nid^t §ttnt
9UI(|fien. £c6te ein ä^enfd^, bet hwc^ feine Oefonbet^it
tddft mel^r go^enfd^ »fite, fo toftre ber ^Begriff „gj?enfc^'^
üertüirrt: bie ^(uönaljme ift fein ^Dienfc^, unb bie anbem
2}ienfd)cit finb gö nuc^ nic^t.
Wian rebet baüon, bag ein Wiann feine Gattin ober
feinen gfcennb ober bie ^[ngei^itetgen gemtffen^ft liebe; bann
iiegt aber oft ein gtoger äcttttm. IbcA C^flentum le^
bn foüeft jeben 9lenfcf)en, alfo aud^ bie 4)attm unb ben
greunb, gen)iffenf)Qft lieben, bo bie Siebe eine ©etüiffengfac^e
fei. SBenn man bagegen berart öon ber geiriffenliaften Siebe
^ur (Skittin unb jum greunbe rebet, fo meint man bamit im
oDgemelnen: balmonbiefelben, feftterecifd^fii^ obfonbesnbmtb
feftievenf^ fid^ ^ufammenfcpeicnb, nrit fofd^t Soidtcbe (iebt;
bag mon mit onbem !Dlenfd|en gar nU|li mel^r tt)un t)at
5(IIein biefe 5lrt ®emiffent)aftigfeit ift, d^riftlid^ uerftanben,
gerabej^u ©emiffentofigfeit. 9J^an fie^t ja aud^, bafe bann
bie (Gattin unb ber greunb beftimmen foQ, ob bie beloiefene
Siebe geloiffenlKift fei ^iertn liegt bie Unmo^^t; bemi
«Ott loia oictme^r felbfi an bem iBerp[tnid %n il^m felbft imb
%n bem ^öc^ften o(ä on ber 3n>«fd^n&cftiinmung ftmtroHieren,
ob bie Siebe 5U (Gattin unb greunb geloiffen^aft fei. ©lofe fo
ift nämlic^ beine Siebe eine ®c»iffenöfac^e, unb man fann
bod^ fi^er in ^a^r^tt bloft in einer <0emiffendfa^e gemiffen«
|aft fein; fonft tdnnte man ja au4 bon gelo^ffen^ftcc ^^lecet
tut Icatfttb, atta kt «de. 1$
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— IM —
rebcn. 3"^^^ "^"fe ^^^^^ '^^^ ®eh)iffctiSfad^e beftimint
fein, bcüor üon getoiffen^after Siebe bie Stiebe fein fann. 2)ie
Siebe ift aber erft ^^ekDiffcndfad^ loenn (Sott ober bet mä)\iit
Ott 3kDtf(l^6efttiiiintm0 eingetteten tfi tfi atfo mäjit ut ber
itotfirCt^en Siebe iitib greunbfc^oft afö fotd^er. Sft aber tti
bcr natürlichen Siebe unb greunbfc^aft ai^ folc^er bie Siebe
nttf)t ©cnjiffengfad^e, fo ift bie fogenannte ©etoiffenljaftigfeit
flltxahc um fo bebenüic^er, je f efter unb inniger ber 8unb ifi
2>ad <S)^ftlüj§e ift n&mlic^ nic^t nur eine nfi^ 8e»
ftininutng beffen, tooS man im ^bentnm ober fonft Stebe
genannt \)at, fonbem eine (Smnblievftttbemng; bad (E()rtften«
tum ^at nidjt bie eine ober onbere Sßerönberung in ber
bcfonberen Siebe jur ®attin unb jum greunbe, fonbem
bie Sel)re bringen moflen, mie bu aUgcmein menfc^ticj^
oUe ältoif d^n lieben f oUft Unb nnr bnrc^ btef e IBeränbantng
totrb aud^ bte natürliil^e Siebe nnb gfrennbfd^ft d^riftlic^
nmgebilbei
SKan l^ört auc^ mand^mal fagen, eö fei eine ©etoiffen^-
frage, »enn man einen nac^ feiner Siebe frage. S)aj5 toirb
aber gar oft nic^t ganj ri^tig üerftanben. Slllerbing^ ift e§ eine
Sooiffendfrttge, Ml^lb nftmtid^, loeil ein SKenfc^ in feiner
Siebe jn oHererft <S(ott angehört/ Sbaxm «erlebt e9 and^
niemonbcn, njenn ber ^riefter nad^ i^r fragt; benn er frogt
im Spornen ®otte§. SSie oft aber benft man baran gar
nic^t, fonbem meint nur, bie Siebe fei ein folc^ei^ ^erjend«
anliegen, bag ed jeben dritten gar nid^t^ angebe, jeben
^tten — anä^ (Sott nic^, mi^, c^rifttid^ toerftonbcn, eine
^ttriffenloftgfett ifi 9Ran fann fic^ bod^ überhaupt feine
®emiffenöfrage über eine Hngelegent)eit eineg 3)tenf(hen ben!en,
bei ber (^ott nic^t in 33etracl}t fäme; bafe man ©emiffen Ijabc,
bebeutet ja eben, bag man ju ^ott in einem SSerl^ältnig ftel)e.
SBenn (Sott nic^t »&re, !5nnte ein äJ^enfc^ auc^ nid^ti» auf
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feinem ©eiriffcn ^oben; bcnn ba§ 3>er{)ä(tni« jwifc^en bcm
(Singclnen unb ^ott, ba^ ©otte^üer^ättniö, ift boö ©eluiffcn; ^
itnb hemm ift ed fo fc^tecKic^, auc^ nur bad ^cingfte aitf
feinem <SktDtffen jn l^a6en; benn Imtc^ bie iBe^ie^ung auf I
<8>ott et^filt es fofort unenbCi(j^e§ ^emid^t. ^
ßiebe ift öJetüiffeitgfai^e, unb alfo nic^t (3ad)c
bei? Xriebg unb ber 3un6i9U"9» ^'^^^ ©ad^c bcg ®c*
füt)I^, ober ©acä^e üerftänbigcr Sered^nung.
2)ie votitüd^t obec blo| menfd^lic^e iBetrac^ng fennt
eine Wltn^ 9(tten tion Siebe unb tm% um bie (Sigentüm«
Kc^feit jebcr cinjetnen «nb itirc SSerfc^iebcnl^eit oon einanber
fcf)r gut 33e)d)eib; fie öertieft ficf) in bie ^J^annigfaUigfcit
bicfer llnterfd)iebe, tiertieft fid^ — njenn eine Betrachtung,
bie an ber Oberfläche haftet, fid) anber^ überhaupt ucrtiefen
fann. ÜBeim (S^rtftentum ift bad Umgefe^rte ber gaCi. (Sd
fennt eigentlid^ nur eine fLtt Biebe, bie (SMfteSßebe, unb giebt
fidf) nid^t tnet bomit ab, bie einsetnen Unterfc^iebe auf^njeigcn,
in benen fic^ ber gemeinfame ©runbc^arafter aüer Siebe offen* •
baren fonn. ^er Unlerfdjieb §tt)ifd^cn nerfc^iebcnen Birten üon
ßiebe ift d^riftlich roefentUch obgefchafft.
bie bU>i menfc^li^ IBetrac^tung ift bie iBiebe ent«
toeber rein unmittelbar ^rieb, toerltebte Bunetgung, fitunb»
fcf)aft(iche 3uneigung, ©efü^t unb 3i"^6'9"^i9 ^ ^nm
beftimmten n)ed}lclnben Qu^Ci^ tion ^flid^t, natürlicher 2Baf)l*
Dernianbtfchaft, gejelljchaftUchcr ©ebunben^cit u. f. f. ober
ettt>aö, ba^ erftrebt unb angeeignet merben mug, tt)eil ber
IBerftanb ed atö irbifc^ <^ut anerlennen mui, bag man
getiebt unb gefc^> toerbe, toie ba| man SRenfc^ ^be, bie
man Hebt unb fdia^t. Wt att bem befc^äftigt fic^ ba«
6t)^-ift^*ntum cigeiitlid) nictit, ttjeber mit jener Unmittelbarfeit,
norf) mit biefer ©cquGm(id)feit. ^aö (S^nftentum läfet ba§
aCied in Geltung, Idgt i^m {eine ÜBebeutung fürd öugeiUc^
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Scben; §uglcic^ aber iuiH biirrf) feine Sel)re üon ber Siebe,
bie nic^t auf 93equemltc^feit berechnet ift, eine unenbUdje
Umttxknblung im Shtiient fd^ffen. & ift ettoad SBunberbaied
ttttb tnelletc^ ffic mcmdlen etkoad XBitnberlic^, ettuod Ua«
Begreif (ic^eg , bafe Wc cloigc SD'^ac^t be* ®J)nftüd^en gegen
öu^erlic^e Slnerfcnnung fo gleidjgültig ift; ettüQ« SBunbcr*
bareS, baf? barin eben ber ©rnft Hegt, ba§ bie ^nnerlic^feit
an& iautcx (^rnft mit ber ^eltltc^feit fo fremb t^ut &
fiok ja bei»^al5 im d^^nftentum aud^ 3^iteit gegeBcn, ba man
fflr nötig erad^tete, baS Oe^etmmd |u tienalen imb bamtt
bem ^f)rift(id^en etnen loeHid^ fluiSbntd in ber SBeltlic^fett
;,u geben. (So tDoUte man bie S{)c abfd^affen unb lebte, um
»erborgen leben, im ^(ofter. (Sin meit gefiederterer ^cr*
fted ift aber bie Verborgenheit ber Snnerlic^feit ober bie
3mter(ii|feit bed berborgenen aRenfd^en, bk ,»bed WaaboA
^e^mnid beknal^'' (1. Xim. 3, 9). ^e »erborgen^eU be»
jllofterd in ber ^nfomfdt bei» SSafbeS ober unf oBgelegener
unäugänglic^er S3crge§llödc, bie Geborgenheit beö ftiUen Älofter*
belDol)ner§ marbarum gegenüber ber mat)ren dtjrifttidjen Snner*
Cxv.JSi^ / 1 1 ^^^^^^^ ünbiisS^ f&pid, \vk menn baö Äinb fid) oerfterft —
/ / / bomit man f omme nnb ed ftnbe. Wtt hcA ftCofter ald
fted fftv fein chriftlidhciS Seben auffuc^te, liej} bie »elt n)iffen,
ha% er fid^ öcrftctft höbe, b. h- er hatte ftch eigentlidh, chrift*
lidj oerftanben, nidjt im (Srnft Oerftedt, fonbern trieb S^erfted-
fpiel. infolge cinc^ ähnlichen aj^ifeoerftänbniffe^ bdS (^^)xi^i
i\ä^, infolge einer öhnlidhen finbU^n ^luffaffung meinte
man bann, ed fei c^ftliii^ hQ& ^^mntd |n t)erraten, bed
Chtiftentnmd Öletd^ftttigfett gegen ^rennbfchaft, gegen ^«
miltenbonbe, gegen SBatcrtanbSlicbc toclttidh auö^ubrüden —
toag bod^ unmal)r ift, ba meltlich ba^ Shriftentum gegen
/ nicht« gleichgültig ift, öielmehr einzig unb allein geiftig für
jl oHed intcreffiert loenn man feiner (S^leic^gfiltigfeit
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boburc^ Huöbnicf giebt, bafe man ba§ ^ublüum mit ®fcr
barauj aufmertfam madjt, )o i]t bt>S getüife feine (^leid)=
güttigleit. ift ja, tok toenn einec p einem anbern
(hidinge unb fagte: „tc^ !ümmece mid^ ttid^ nm bic^",
tootauf bec anbete Mfy .etmibent mfigte: mad^t bu
btc benn bte Wü^t, mit ba^ fagen"? S)ad mfite alfo
nrieber eine ^inberei, eine finbifc^c SSonte^mt^uerei üom^
(St)ri)tentum. SDa^u ift ba§ SJ)riftlid^e ernft, um üor-
nel^m t[)un. (Sd toxU äu^erlic^ gor feine ^eiänbetung im
Äufeetlu^n öornefjmen; e« »ifl biefeg fid^ aneignen, reinigen,
^igeit imb fo aUed neu mad^, koft^tenb boc^ aUed beim
otten Bleibt Sbtt (S^rift mag immetl^n fic^ t^ere^elic^en,
feine ®attin lieben (jumal fo, toie er fie (icben foll), einen
greunb Ijoben unb fein 'il^aterlanb ücbcn: babet foü aber
jtoifc^en it)m unb ®ott im ©^riftlic^en ein ööUige^ (5inüer=
ftänbni§ beftef)en, unb ba^ ift (S^riftentum. 1)enn ®ott ift
nid^t tm ein SK^enf d^» ^ Kegt i^m nid^tö batan, mit Hngeit
5u fef)en, ob feine @a^e gefiegt l^abe obet nid^t; et fie^t im
iBerborgenen ebenfo gut. STud^ braucf)ft bu nid^t ®ott auf
bie ©pur 5u Reifen, inbem bu i^m beine (£f)riftlid)fcit öor
klugen fü^rft; öielmc^r mufe er beinern SBerftänbniä nad§*
^Ifen, inbem er bir bie Söelttid^feit abgewöhnt, wefd^e immer 1
nut fe^n ttrifl. ^tte (S^tiftud ben (Stfolg feinet @ad^
fe^en moQen, fo ^tie et fd^on 5ugefd)(agett unb bie smdlf
Legionen (Snget ^beigerufen. ^« tüoUtt er gerabe nid^t;
er rügte im ©egenteil bie ?IpofteI, bie aud) ju fef)en iDün]d)tcn,
fie miffen ni^t, xodd^t^ (SJeifteg 5linber fie feien, ba fie
eine äußere (Sntfc^eibung f)aben toolltcn. 2)a6 ettoo* äu^«
lid^ abgemac^ unb feftgefteUt koetbe, tmU bod (S^tentum
gembe nid^t (»enn e9 nid^t etttNi bet SBelÜid^lett aum litgetnii}
ba* eine ober anbete Qtx6)tn aufftellt, 5. ©. bai8 3^^^^
@oframentd); inbem e^ barauf uer^ic^tet, toiü t& t)ielme^r ben
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Glauben be§ (Sin^elnen prftfm, }nrflfen, ob er ba§ ®(aubenS=
gc^imniö bema t)ren unb mit i^m [idj begnügen will. 2)ie
SBeU bringt immer barauf, bag ettoaS öuger(ic^ aus» unb
übgimadjit loeibe; mtfttoiitifclr tirie fte ift, glättet ftc fonft mi^
bafe bie @ful^ tii^ fei ^er fbaXai ^um mfmvm tfl
oier gecabe Mc Wnfec^tung, in bcr bet iS^Ianbe geprüft tocrbcn
foll. 2öe(t(ic^ ücrftanben märe auc^ ®otte^ ^)Qfein t)icl fieserer
cntfc^iebcn unb juüerläifiger feftgefteüt, mcnn man ein öilb
Don i^m geigte - bann fönntc man ja fe^n, bafe er ift?
ober ba| ein <id|e ift? — ber boi^ ecft nid^ tfi! mddi^
tpfite eiS an4 toett fidler gemefen, locnn (E^ind &n6erKc§,
toieflet(^t burc^ einen g(dn^nben ^ufjug, p geigen gefud^t
glitte, roer er fei, ftott geringe ^lnec^t^ge^talt an^uneJimen,
o^ne nur aud^ mit biefer auffaÜcnb ^u tocrben, fo baß er
gan5 tok ein onbrer ST^enfd^ auigfa^ nnb toeCtlicb feine
gäbe gftnalic^ lierfe^tte; bad ift ober gembe bie Snfed^tung,
in ber ber (Sldnbe tierfud^t nntb. @o anä^ mit bev ^rtfi-
liefen 2luffaffung bcr Siebe. SBefKid^er Unöerftanb bringt
barauf, ba^ ber ©eiftigfeit ber c^rifttic^en Siebe im ffuf^eren
ein fic^tbarcr ^lu^brud gegeben toerbe — biefe fann aber leibet
btttd^ feine SlugerUc^fett au^gebrücft merben, ba fte getabe
Smierlic^fett ifi ^ed ift ober lirie alled (E^ciftlii^ bec SSeft
%vmi Ärgernis, gan^ niie an<l^ ha^ (5ntgegengefe|te, bag baft
©^riftentum burd; ein antlfürlic^e^ äuBerc^5 3cid^en baö innere
öu^erlic^ entfc^ieben »erben lüBt, §. 33. burd) bie 3Ba)fertaufe.
S)ie Seit will ftetö baig Gegenteil: m ba^ (S^t)riftentum
SmietUc^leit ^ben taiü, ba n^iU bie nieUtic^ (^nfteni^it
ettoad fttgeced; m tM (S^ftentum ettood Sn^eteS ^ben
totd, ba totd bie toettHd^ (S^iriften^eit 3mter(tc^!eit, ba eben
überall, m ba^ S^ciftlic^e ift, ba^ 3iigerniig fiel) unmittelbar
jur ©eite ftellt.
jS)o(^ lemtt bad i^riftentum nur eine Wct Don Siebe:
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W Oetfkftitebe; Mcfe lotiii ober jebet anbeten Sn^enmg her
Ste6e )tt ^rnnbe liegen nnb mit jd)er DerSmiben fein, nie
t)ertDunbcrIic^ ! ®cnn biefe Sbee bcö d^rifttic^en iiebenS
tttüa^ gcmetnfam mit bem (äsJebanten an bcn Xob. ^enfe bir
einen 2J?cnfc^en, bcr ben (SinbrudE aller kfonberen Scbcnötjer*
l^tntffe, burc^ kDeld^e bie t^m ootgcfommenen iD^enfc^n [tc^
sntecfc^ieben, in einem SUtgenblic! an fid^ Dorfibergelim (äffen
»oQte nnb fte bergleid^en nnb bann fagte: „alle biefe txt»
f(^ebenen SKenfc^cn fctje id), ober ben 3)ienfc^en fef)e \d) nid^t".
©bcnfo üerF)ciIt fid} bie ^ri)'t(i^e Siebe ben l)erfd)icbenen
Birten üon Siebe: fic ift in aUen, b. t). fic fann in allen fein;
fle fetbft ober iannft bu nic^ jeigoi« ^ie natüctid^ Siebe
lennft bn brnnm, ba| eine 0nin bie Miebte ift, bie gfteunb«
fd^aft an bem ^nnbe, bie 8tttef(anb$(iebe an i^m (Segen*
ftanb; bie d£)riftlic^e Siebe aber fannft bu aud) nid^t boran
erfennen, bofe ber geinb geliebt wirb, ba bic^3 ebenfogut eine
Derftedte iBecbittexung fein !ann, xok menn einer ben ^inb
liebt — nm fentige Stitifim anf fein ^nt^t ^ fammeln;
and^ baian fannft bn fie ni(^ eilennen, ba^ fie ben Miebtcn
fyi^i, ba bn bie9 etgentttd^ nnmöglic^ fe^ fannft, bn
nid)t felbft ber 33etreffenbe bift unb mit ®ott mi^t
SBeldjeg ^Ncrtrauen (SJotte^ ju einem 3}ienfd)en, unb ttjelc^
ein (Srnft! 3Bir SKenfc^en ftttb bacauf aud, fiebere unb
^nuetlftffige fieic^ sn traben, an benen bte Siebe ertannt
ttetbe. 0ott nnb bad Sl)nftentnm fjat fein ftenn^eic^en —
leigt baS ntd^t ein groged, ja bad grögtmdglid^ Vertrauen
3« ben 2}?enfc^cn! 2öenn tüir einem 9}?enfc^en gegenüber
auf geid^cn ber Siebe üerjic^ten, fo fagen toix ja, ba^
niit i^m unbegrenzte^ Vertrauen fdjcnfen, bag mir i^m tu^
alles gegenteiligen &^m» glauben tooUen. ttacnm aber,
glaubft bu, jeigt <9ott ein fotd^ei» IBertianen? S)«!^ ttw^l,
toeil er ind Verborgene fte^t? 2Bad für ein ^ft!
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9lteinatt ober fte^ft bu Ue c^riftlic^e Siebe, fem mn^d)
f^t fic je gcfct)cn, fo »entg ott je einer ben „SKenf^en"
gejeljen l)at. j[)emiDd) ift bcr „9}?en)c^" bie n)cientüd)c 53c^
ftimmung, unb bcnnoc^ i)t bie d)nftlitf)e Siebe bie »efcntlic^e
Siebe, tDie ed, c^riftUd^ Derftanben, blog eine Kxt k)on Siebe
giebt S)enti, lote fc^on gefagt, bad (S^iiftentmii ntt^t att
bcnt, toai bie a){enf(i|cit tood^ec tion ber Siebe gegen ben
dkliebten ober ffrcmib n. f. f. tjcrftonben, ettoa« öeränbert;
eö ^Qt nic^t ein toenig ba,^u ober ettt)ag baöon get^an,
fonbern olleg üerönbcrt, bie ganje Siebe. 3)ic natürliche
Siebe unb greunbfc^att l^at cd nur injofcrn öeränbert, aU
{k infolge biefer Q^ranboerönbecnng ber Siebe innerlich fic^
oerflnbem nutzten. Unb biei» ^ babnr(^ ooQbrad^t, ba|
e0 alle nnb jebe Siebe jur ©ewiffendfac^e gemacht l^at, toa«
für bic natürliche Siebe unb greunbjdjaft u. f. f. ebenfo fel)r
bie Slbfü^lung ber Seibenfd)aft bebeuten Jann, »ie e^ bie
Snnerlichfeit bcS etoigen Sebent bebeutet.
^ie Siebe ift (S^e|oif{endfa(i^e unbmug ba^eroon
reinem ^er^en nnb oon unOerfftlfd^ter %xtnt fein.
„(Sin rcineiJ 3m allgemeinen fagt man fonft,
bafe jur Siebe ober jur Eingebung in ber Siebe ein freiem
^er5 gehöre. 3)ieö ^erj barf nid^t einem anbercn ober etnjaö
anberem angehören; ja auch bie §anb, bie ed loeggiebt, muft
frei fein; benn ni(i^t fott bie $anb über bad $er) oerfögen
nnb ei^ meggeben, fonbern bad fyx^ foQ bie ^nb loeggeben.
Unb btefeg ^erj, frei »ie e8 ift, foll bann feine ganje grei*
heit barin finben, bafe eö [ich weggiebt; — nidjt ber ißogel,
ben bu aud beiner §anb entlöffeft, nid^t ber ^^feit, ber bem
S3ogen entfd)n)irrt, nid^t ber 3*^*9' niebergebogen feine
Kif^tnng niieber finbet, nic^tö, nic|td ift f o frei nne bai» freie
^rj, wenn e« frei fic^ {)mQKht "Xkm ber Söget ift ho^
nur frei, ujeil bu i^n fliegen lägt; ber $feil fliegt blo^
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Mj/in, »dl bte ©c^ne i^n fortfi!^!eubert; bcr SttJ^ig fti^ncHt
Wog raiebcr empor, Joeit bcr 1)nicf Quff)ört: baö freie ^crj
aber mufe nid)t erft öou einem äBiberftanb befreit unb fo
frei roerben ; e§ toar frei, eg ^atte feine grci^eit — unb bod^
fanb ed feine gfsei^ ©d^nc gcci^, ^be gcftlctt, bte |f
waj> au^ jugegeScn twrbcn fann, lücnn bie ^auptfac^e ba*
t)urd) nid^t in iöergeffen^cit, t>ielmel)r gerabe in bag rechte
Sid^t fommt; — berni batum eben fud^en mir oon bem,
WA ben 37?enfc^en im aQgemetnen liebttd^ im O^re flingt,
g^benen gatted einfd^metf^elnb td^en, bamit niemanbeit
bet ^bonfe berfuc^, fe^Ie ititö nur ber 6tnn ober bie
f^orftellungögabe, menn mir nic^t ober nid)t au^fd^üeSlic^
Don il)m alg bem ^öc^ften reben, — um bie ^ut^tfac^e ^u
ueigeffen, nämlic^ baiS @)^riftüc^e.
(Kn tetiteiS ^er^ ift nic^t ein in bicfem @innc freie*
^ei^, ober fonimt fj^att ni^t a(d fold^ in 8ettaij^; benn
ein teineS ^er^ ift juerft unb jufe^t ein gebnnbened i^eri^.
5Bon i^m ift bo^er nic^t fo entjücfenb ju reben, xvk üon
bem tjolbfeligen ©elbftgefü^I ber 3reil)eit unb bem nod) ipih-
fe(igeren ber begeifterten Eingabe. (iJebunben, ja im tiefften
©inne gebunben, feftec gdbunben icgenb ein @^fi, tM
im ollen Kniem liegt, nm^ ba* fyx^ fein, bod tein fein
foS — eft nin^ nftmlid^ an 9ott gebunben fein. Sein Stl^nig,
ber fid) burc^ bcn meitge^enbften greibrief, fein SKenfd), bcr
fic^ burc^ bie fd)n)erfte Serpftic^tunt], fein ^ogrötiner, ber
fid^ für jeben Xag, tein $auglet)rer, ber fid) für jcbe @tunbe
banb, ift fo gebnnben; ein foU^ fann boc^ fogen, in loie
toett er gÄnnben ift, an ttott aber mu% ba* $et} grenzen«
fo9 gebnnben fein, menn eft tein fein foff. tlnb feine ttbifc^e
Wad)t fann |o binben: benn ber Mönig fann biird) bcn Xoh
feiner ^n^effii^n quitt merben, unb ber ^err tann fterben,
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f 0 baft bei^ ^glö^nerS iBett^fltd^tuttg auf^5ri, imb \nt 3^
bc^ Unterrid^t^ farin üorbet fein — ®ott aber ftirbt nic^t,
unb baß 33a nb, boä an tljn binbet, bricht nie.
(So mufe bag ger§ gebunben fein. 2)er bn in ber iÖicbc
£uft ober im Verlangen ber Sreunbf^ft glft^fi, benle batmi,
hai bad C^tetttum nie kierlattitt ^t, toa^ bn toott ber gtd«
l^tt rebeft, bag ober guerft biefe imenblk^ ^btmbetil^ ba
fein mu(3, ftjenn ba§ §er^ ber beliebten unb ttjcnn boS beinc
rein fein foU! Q\m\t olfo bie unenblic^e ®ebunbenl)eit; bann
erft läjt fic^ öon ber grei^eit reben. SBir ^aben ein grcmb*
toott, boS in bei SBiffenfc^ft t>iel gebraucht nnrb nnb nod^
me^ int ^nbet nnb fflanbd, bod man auf ©äffen nnb
&ai%tn, im gefc^öftigen Umtrteb bet 9Renfd)cn, and bem
9J?unbe ber §anbelöleute toieber unb toiebcr ^ört: ic^ meine
bog SBort „Priorität"; bcnn bie SBiffenfcfjaft rebet uiet üon
©ottcS Priorität, nnb bie |)QnbeIgtt)elt rebet üon Prioritäten.
@o tDoüm tm bttic^ biefed g^embniort nnfcem (fikbonfen
ben teeren 9[n9bm<f geben nnb bantit bcn teti^ten Stnbtmf
ftd^ern, inbem nrit fagen: nad^ bem @^^riftentnm l^t iltott
bie erfte Priorität, ©an^ fo rebet bie Sßiffenfc^aft öon
©ottcg Priorität nid^t; fie ücrgifet gerne bie 33ebcutung,
icelc^e ber ^anbel mit einer „Priorität" öerbinbet: bafe fic
eine ^nlbforbemng ifi (&ott fyii bie ecfte ^ctoritdt, nnb
allein, aOeS toai ein SRenfd^ befi^t, ift ein @i(^r^etidi>fanb
für biefe gorberung. SBenn bn ba« tm ftnge Bcl^ältft, fo
fannft bn im übrigen nac^ ^er^enöluft üon bem ®Iücf ber
grci^eit reben; tt)enn bu aber luirflirfj barauf ad^teft, wirb
biefe* (&lüd bir feine Slkrfu^ung totihtn.
Iba» fitie iQtxh ^at leine Sifidfic^, Yä(QattM ecgicbt
ed fi^ bet Suft ber Eingebung; bai^ nnenbfi^ an ^ott ge«
bunbenc §erj aber ^at eine uncnbltc^c Slücfftd^t, ja tott
jeben ^ugenblid bie mannigfaltigfte Sflüdfic^t nehmen mug,
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ift mc^t fo fe^ bim^ fem 9lfictftfl^tne^nien g/thunhtn tote bad
^n^, bad ittienbltd^ att ^ott gebuitbeit tfi flbetaH too es
ift, cinfam für ober erfütlt mit ©ebanfcn an anbere,
ober bei anberen; mit toaö baö unenblid^ gebunbene §er§ im
übrigen fidj aud^ befc^äftigt: bieje 9iMficf)t f)at immerfort
bei jld^. SBenn bu fo {^ön \>at>on rebeft, »ieDtel bie ^
liebte für bid^ fei ober bu für bie (Beliebte, fo benh bod^
baratt, bofe guerft biefe 9Wlcffid)t für beine @eele »ie für
bic ber beliebten gelten mu(3, menn ein reineö §er§ in Siebe
Eingegeben tuerben foH! ^iefe 9iücffi(^t ift baö erftc unb
bad le^te; biefe Üiüdfidjt !annft bu nic^t quitt merben, auger
burc^ @(|ulb unb <&ünbe.
S)Qd freie ^ers ^ot feine (Befd^ic^te; ai& ed fid^ ^ngab,
Befam eS feine SiebeggefdEjidjte, eine glfldEIid^e ober unglüd«
Iid|e. DivS uiienblid] an @ott gebunbene ^erg aber t)at eine
innere ®efdjid)te nnb oerftet)t baljer, ba^ notürlii^e Siebe
unb grcunbfc^aft bfofe ein S^^iic^cnfpiel, eine (Sin tage in biefer
einzigen Siebedgefd^id^te ift, meldte bie erfte unb bie Ie|te bleibt.
Sba bu fo fd^dn oon Siebe unb gfrennbfd^ft ^u reben mei^t,
memt bu nur t>erftfinbeft, bag biefe bod^ blog ein ganj fleiner
Stbfd^nitt innerl)alb jener emigen ®efd)id)te finb: mic furj
njürbeft bu biegen fnrjen §Ibfc^nitt abmachen! ^u beginnft
beine ©efd^ic^te mit bem Anfang ber Siebe unb enbcft an
einem ^robe. Sene enige Siebe^gefc^id^te ober l^at n>eit
frü^r begonnen: fie begann mit beinern Sßerben, ba bu aud
ni^d tourbeft; unb fo gcmig bu nid^t §u nichts nrirft, fo ge^| |
tt)ig enbet fie nid)t an einem ®rabe. ^enn menn ba^o Steubc*l l
lager für bid) bereitet ift, menn bu bid^ niebergetegt l)aft, um
nie ttieber aufguftetien, unb man nur barauf martet, bag
bu bid^ auf bie anbere @eite (egeft, um ju fterben, unb bie
©tiOe um bid^ ^r to&dlft; ttenn bann nad^ unb
bie 9täl)etfte()enben megge^en, unb bie ©tiOe ui5(^ft, meit
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nur bte 9}ö^ften jurfldbtetBett, loA^nb ber Xob btt näfjm
fommt; lücnn bann bie nöc^ften 5lngel)örigen (cife tt)egget)en
unb bic ©tille toä^^i, tpeil nur bie ^Qernäd^ften ^urücf bleiben;
itnb koesin bonn ber te|te §ttm Ie|tenmQl fic^ ixbtx bid) ge«
bengt fjat ttiib fic^ mä^ ber onberen @ettc le^rt^ loctt bu
btd^ ie^t ouf b^ Xobed Seite fe^rft: fo auf jener
@cite bod) itüd) (i:iner juriicE, @r, ber (e^te beim Sterbe*
loger, @r, ber ber erfte trar, ®ott, ber Icbenbige (SJott —
loenn auberS bein ^et^ rein toax, toa^ i& nur burc^ bie Siebe
p )9urbe.
So mttK uon bem retnen $er^ mtb Mi ber Siebe
üiA emer (Sk)piffendfod^e gerebet loerben. 9ft bie itaiftrKdie
«nb trbtft^ Siebe be§ fieben« Suft; fagt ber (5ilü(f(id)e mit
SSa^rl)eit uon \\)x: „je^t erft lebe ic^"; tft eö eine roatjrc
SebenSf^eube, ben Siebenben von feinem &iM, t)on {einem
Seben, b. ^. tm fetner Suft aud^ mit reben ^ren: fo
mnjs ^egen non jener Siebe, bte <8ekotfFenil^(|e tft, ein
li^torbener reben, etn tSerftorbener, ber, m\)l gemerft, bed
Sebent nid^t mübe tüurbe, fonbern gcrabe bie Seben^oluft ber
©migfcit gewann, ^oc^ ift e^ ein S^^erftorbener, ber rebet,
unb baS i'c^eint leibet t)idtn fo abfc^recienb, ba| (ie ouf feine
fro^ 9otf(i^ft 0ar ni^ jn ^ören toagen, toogegen afle gerne
anf ben ^en, i>im bem mir in onfl^eidlnenbem ^ne fagen:
er (ebe. Hnb bod^ gel^ört ein ißerftorbener l}er, nnb »enn
bte SD^itlebcnben bem ©lüdüc^en frol) ein „fiebe^o^" ju*
jubeln, fo fagt bie ©toigfeit im felben 51ugenblicf: „ftirb",
tpenn onberd bod ^er^ rein beerben foH. ^enn freiließ gab
ed foki^, bte bnrc^ Siebe p einem 9Renf(^en g(Mtii^, nnbe*
fc^reiMid^ gtücftid^ ober unglücSld^ nmrben; rctn aber mnrbe
eine« SKenft^en ^erj nie, aufeet bur^ Siebe ju ®ott.
„Sine unoerfälf^te Xreue." könnte auc^ je
eine abfd^lic^re ^ufammenfe^ung geben aU Siebe unb —
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— 205 ~
55alfc^t)cit; bod) ift fie ja eine Unmöglid)feit, ba faljc^e Siebe \
^afe ift Unb bad gilt nid)t aüein üon ber galfd^t)eit, öicl* '
me^r ift ber germgfte SKangel an 9lisftic^ieit mit ber £iebe »
imberettibar. Wtmqdt trgettbmle bie Kitfri<l^ttgfett, fo ift
ond^ eitiKi^ 8er(MeiK iH»|aitbetr; itt i^ oBer berfMl ftd^
bie ielbftifdje ©elbftliebe, unb fo tpeit bieje in einem 3J2enfd)en
ift, liebt er mdjt 3n ber ?Iuf richtig feit ftellt fid^ ber Sieb-
enbc üor bem (beliebten bor; unb fein Spiegel fängt fo genau
aud^ bod Unbebeutenbfie ouf, unt bie tlttfric^feit ed t^itt,
loeim fle ec^ ift, ober koemi bie Siebenbeii fld^ f etbft in bem
lion ber Siebe vorgehaltenen @))tegel ber %nfrichtig!eit «tt
toaljrer Sirene barfteUen.
©efe^t nun, eg fönnen jtoei SD^enfc^en fo in ^ufri^tigs
feit einanber burc^ftd^tig koerben, ift e§ bann tuiUfürlic^ Don
bem (i^riftentum, bott etmr nnberfälfd^ten Xreue in einem
onbent Sinne §n reben, fofent ^ barnnter bie 9(ufrt(i^tigfeit
öor ©Ott t)erftel)t? Sft nic^t oiclme^r gerabc nottocnbtg,
bafe ^mei SJ^enfc^en üor allem je autrid)tig gegen @ott fein
müffen, e^e fie fic^ in unoerfdlfc^ter ^reue lieben fönnen?
3ft benn nur ba gälf^nng, too ein 9Kcnfc^| betonet anbcrc
ober fict felbft betragt? ift fie nic^ and^ bo, »o ein äRenfd|
fic^ felbft ni^t femit? Unb fonn ein fold)er »o^I Siebe toon
nnücrfälfc^tcr ^reue üer|prcd)en, ober fonn er — t)alten,
toa^ er oerfprid^t? Sa baS fann er mol)l; toenn er aber nic^t
oerfpred^en fann, fann er bann ^Uen, toa^ er nic^t einmal
oerfinm^n fann? Unb Siebe oon unt)erfa(fc^ter ^£rene Cann
ber nic^ oerft»rec^, ber fid^ felbft nii^ fennt.
(Sin Sertrouendoer^ltnid ent^t eine fBerbop|)e(ung in
fic^, nämlid^ biefe: bafe ein 35?enfdj fic^ eigentlirf) nur bem
anoertrauen, nur ju bem ^Ncrtrauen ^aben, nur bem fid) in
Vertrauen mitteilen fann, 511 bem er ba3 innerlic^ftc 3Ser*
^&Itu» ^t, atfo bod l^^ältnid, nielc^ fid^ am beften $um
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— 206 —
(^egenftanb Hertfoiilic^ SIKtletCiiitg thn SKtlcÜiaig im
Vertrauen eignet. 2o ftet)t ja aber bod ^.^ertroueit in einem
^kxijälUm fic^ \dbit, unb fo bleibt ja bae SSefcntlit^
in bem liiertrauen unauöiagbar, ftatt bafe man glauben loHtc^
Sertrauai fei bte tludfage, bie nic^ $ncfici be^&U. Skmi
fo t»ie (Botttn motf^Iü^ gevebet §tt ilyiciit (Satten baS tiiner«
(ic^fte $ert)fi(tiiid (jat, fo fcmn fie mi^l i^ren (Ktern \M
eine unb anbete im $Bertrauen mitteilen, über in bicfem i^cr-
trauen üertraut fie nur etniag über ba^ 3>ertrauen an. Tie
(^ttin koirb ba^c iüt)lcn, bag fie t^nen nic^t aUeS antier^
tvouen ober fo aimei^iicn ionn, mte fte e8 gegen i^cen
Olann t^nt, |tt bem fie tnnertl^ted Serl^ttntd ^ —
aber anc^ bad tiertrantefte, unb toe((!^m fte eigentlich aQetn
i^r inncr(icf)fte8 ^5er()ältniö mitteilen fann, nämlic^ eben \\)x
ißerl)ältnis^ 5u il)ni. ^fu(3erlid)e ^Ingclccjentieiten unb gleich-
. gültige ^inge fonn man, roenn man nic^t albern unb finn*
\\ UA ^nbeln m\i, nic^t im Vertrauen mitteilen; aber fte^
}, loenn eine dkittin fonft jemanben tnnerfte ^er^oitoge»
Iegen()eit, ii)r $ert)ä(tni8 ^u i^rem (Sotten, mittetfen »oOte,
fo mcrft fic felbft, ba6 eö nur einen giebt, bem fie eö gan§
im 5i>ertrauen mitteilen fönntc, unb biefer eine ift eben
bcrfelbe, ju bem unb mit bem fie in biefem SSer^ältniö ftet)t.
gu totm t^t mn ein a)2enfch fein innerUc^fted ^tifilU
nid? )u »em fann er biefed ^aBen? nid^t allein p ®ott?
^nn aber loirb aOeS fßertrouen jtvifc^en SRenf^en ple^t
bto6 i)crtraulid)e 9}?ittei(ung über ba§ ißertraucn. 9^ur ®ott
ift er trauen, mie er Siebe ift. SBenn bann gmei SWenf^en
in ^liifrid)tigfeit cinanber Xreue Derfprec^n, fo müfjen fie,
jebed für fic^, ^uerft einem anbem Xreue t)erf))re^en nnb
Derfprod^n ^aben; fann man bann aber über^an))t ba))Ott
reben, baft fie einanber 5£rene üerfprec^en? Unb boc^ ift
ieneiS notuenbig, mnn fie, c^riftlic^ uerftanben, in unoer^
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— 207 —
fölfd^ter %xtat lieBen fottesi. Sßeim fim SRenfc^en fid^ gegen«
fcittg ganj antocrtroucn tüoUcn, |o müffen fie ^woox, jebeö
für fi^, einem dritten fic^ onuertrauen; fann man bann
übertjcnipt baöon reben, bafe fie einanber fid^ anoertrauen?
ttnb bod^ tft jene§ nötiQ, totm fie eiitanber gan^ fi^ anoer«
tiQuen f oUen, felbft toenn iit bem üBerttotten jebed (^ngelnen
}u d^ott bad UnaitSfprec^Iid^e Mei6t, bad bai» 3etd)en Bttbet,
ba6 boÄ 5Scrl^ä(t!ii« ju ®ott bo8 tmttgftc unb öertraulic^fte tft.
2Bie einlabenb, trie getpiniienb lautet bie 9^ebc jtDcicr
Stcbenben üon i^rcm Sl^ertraiien gu einanber, unb boc^ ift
in btefer Siebe, ti^ie in biefem Vertrauen eine gatfc^eit
^Ekm oBev tum ßiebe in unDeifätfd^tei: Xtene getebet
UKtbot foU, fo vmi ein S^eifioiBenet teben, nnb eS (outet
juerft, Ott mügte eine Trennung gniifd^en ben Beiben ein*
treten, bie bodj im iniiigften unb i>ertrau(id)]ten iöunbe fdjön
öereinigt njerben foüen. 3ö, eä ift mie eine Xrennung, unb
t>o6) ift e§ baS 53ertrauen bcr (Sloigfeit, baö fo jtüifc^cn
il^nen oitfgend^tet toitb. (&ac manchmal finb ^koei in i^rem
Settronen etnonber glütflid^ getootben; niematö aber ^t
ein SD^enf^ tn nitt)erfä[fd)ter Xteue geliebt o^ne bod SBer«
trauen ju (^ott, ba^ trennenb jtoifdjen bie SieBenben tritt
unb i^nen bod^ mieber bie 53ei)timmung ®otteö ju i^rem
$e]:ttauendt)er^dltnid bnngt. — f8lo% bann tft bie Biebe Don
mnem ^ciseit nnb toon miberf&lfd^ter Xtene, tuenn fie eine
dklDiffettilfa^e ifi
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IV.
ttnfere )l^id)t, bie Ülenfi^en }u lieben, Me mix ft^tn.
1. 9o]|. 4, 20: iemanb fliridit: „idi (iefte Sott" ttiU» Raffet feine»
0ntOrr, Her ift ein ßügner; Dmn wer feinen IBmber ni^t Ue5et,
n fieniet, wie fmttt er i^tt lielicit» Den itiiHt fidietf
^MSEie tief ift bod} bog Sebürfni^ nad) ßiebe in bem Sßefen
be^ 2Kenjd^ett kgrünbctl 2)ie crfte Söemerfung übet
ben äKenfd^en, Don bem einzigen, ber fte in iBa^rl^t mac^eii
fonttie (ttenn koir fo fagen bfitfett), uon @ott, fibev beit erfteit
SWenfrf)en gemad)t, Bringt e§ jum •9Cu8btu<f. SBir lefen ja
in ber Gdjrift: „®ott fagte, ift nic^t gut, baB bei 9J?enf(6
I oDcitt fei." ^ann tpurbc ba§ SScib üon be^ SD^anneö ®eite
\ genommen unb i^m jur (^efeUjd^aft gegeben benn bte
Siebe unb bie (^emeinfd)aft nimmt ^nerft etmaS t)on einem
SRenfd^n, beioor fie giebt ^al^ fyst %u aQen Seiten jebec,
ber äber bad Sßefen be9 äRenfd^en tiefer nad^ba^e, btefcd
©ebürfniS ber Gemein fd^aft in it)m er!annt. 2öie oft ift
baö gejagt unb immer tüieber gefagt UJorben; toie oft t)at
man über ben (^infamen me^e gerufen ober ben ©c^merj
unb baS @(enb ber ^infamfeit gefd^Ubert; mie oft f)at man,
bed berberbten, bed (fimenben, bei^ tiedoinenben Qa\ammta'
lebend mfibe, fid^ mit feinen ®ebanfen l^inaniS ma^ einfamcc
©tätte geflüd^tet — um toieber nad^ ber ^emeinfc^oft fid^
H >Mv ^^^t^^'- ^-kA. vJumA^u} ,
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— 209 —
fef)nen lernen! ^enn )o gefellfdjaftmübe man gen)orben,
üllcmat fommt man auf jenen ©ebanfen @otted, ben erftcn
über ben ä^enfci^en, anvüd. 3n bec gefc^äftigen, mimmelnben
äl^enge, bte als ^feQfd^oft )tt inel unb p koenig ift, ttiitb
bet aWcnfd^ bet ©efcflfdjaft mübe; bic |)ei(«tt9 befte{)t aber
nid)t in ber (Sntberfung, ba6 ©otteö ©ebanfe bod) unrichtig
tüor, 0 nein, fie beftel)t gerabe barin, bafe man baö erfte
»ieber gan^ non neuem lernt, fi^ in feiner <Se^nfud^t na^
ber (^meinfci^ft toieber berfle^n lernt @o tief tonr^elt biefeS
Oebftrfnid in bed S^enf^en SBefen, bag feit ber ^rfd^affung
beS erften SDZenfd^cn t)tcrin nichts öerönbert, feine neue @nt«
becfung gcmadjt lüurbe, fonbern nur biefelbe alte äl^al}r()cit
immer toieber öon ©efc^Iedjt ju ©efdjtec^t bie mannigtad)ftc
53cflätigung erfuf)r, nur öerfc^ieben im lludbrud , in .ber
2)arfteEung, in ber SSBenbung M (Debanfeni^.
@o tief mxitlt biefer <Skbanfe in bed iD^enfc^en Sefen
nnb fo ttjefentlid) gcijört er gu feiner Statur, bafe felbft
©r, ber mit bcm ^-Initer einö unb in ber Siebeögemeinfc^aft
mit bem 3Sater unb bem Reifte iuar, baß er, ber ba§ ganje
©efc^Iec^t liebte, unfer ^rr Sefnd (^^riftnd, boc^ menfc^Uc^
bicfed UBebftrfnid ffti^e, $tt Geben nnb bon einem etn^Inen
9)i{en)d)en geliebt ^n toerben. fBof^l ift er ber ISIottmenfd^
unb üUo [oId)er öon jebcm 9J?enfd)en emig üerfd^ieben; äugleid)
mar er aber bod) ein n^al^rer äJ^enfd), in allem 3)?enfd)Iic^en
üerfud^t; unb anbererfeitö ift bic Xt)at)ad)e, ba^ er bag er*
itbtt, gerabe ber Süidbrnct bafür, ba| biefer 3^9
SRenfd^en mefentlidl suge^ri Cr toar ein tnirf äRenfd^
nnb bamm ber ^Ino^me an aQem SRenfd^Iid^en fä()ig; er
mar nid^t ein hijtigc^j ©cfjeinmefen, ba§ üüu ben SBotfen
auö un^ ^^Wf einem 9J?enfcf)cn menid)lic^
ttiberfäl)rt, ju öerftcl)en ober öecfte^cn ju niollen. D nein,
ed !onnte i^n beS ^8oiti iommem, bad nid^ 9la^nng fpik,
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— 210 —
unb 5Umr rein mcnfdjlic^, tüte er ja )cI6|t in ber SBüfte
junger ucrfpürt [)atte. Unb fo fonnte er aud) mit ben
SDZenfd^eit an biefem ^bürftitö, p lieben unb geliebt |u
locrben, rein menf(^lt(| teilnehmen, ^ad fmben toir in bem
(Suanöclium So()attniÄ kfd)rie6en (21, 15 ff). „Sefuö fagt
©imon ^4>etrn^o: ©imon, Sonaö (Soljn, licbft bn mid) meljr
bcnn biefe? ^^ctrus fagt it)m: ja, ,§err, bn iceifU, bafe
ic^ bid^ lieb l)abe." 3öic rü^rcnb ift basJ nic^t! ßtiriftud
ftogt: liebft bu mic^ /,ntelfr aU biefe?" & ift ja toie
eine ÜBitte um iBiebe; fo rebet ber, bem ed ein $ln(iegen ift,
bcr am mciftcn beliebte gu fein, ^etruö iiel)t bo8 fclbft
ein, aud) ba§ ^Ütifu'crljaltniö, ba^ bcni frülieren gleicht,
(5t}riftu§ Dün Soljanncv getanft rocrben foütc; barniu giebt
^etruö nic^t nur ^ur 3(nlroort „ja", fonbern fügt {tinju:
„^rr, bu meiftt, bajs ic^ bic^ lieb ^abe.'' S)iefe Slntmort
beutet baiS BKi6t)erhö(tntd an. SRag n&mltc^ fonft ein SD^enf^
toiffcn, baji er geliebt ift, tmt er ba« 9Ni ttorl^er gehört t)at,
bae> er fo gerne ()ürt unb balier immer n^ieber ^u ^oren
toünfdjt; mag er e^5 anbcr^iiüüljcr iinffcn al» uon bem blofjen
3q, bas^ er hoö) imma tokhtx l^ören t)erlangt: ^t)riftu!$
mu|te ja in anberem @inne n^iffen, bag ^etrud i^n tieb
l^be. %od^ „fagt (S^riftuft nod^ einmal §n i^m: ^imon,
Sonad @o[)n, liebft bu mtci^? ^etrud fagt 311 i()m: ja, c^perr,
bu mcifjt, ha\] idj bid) lieb liabe." Söa^^ l)at er aud) anbereö
äu anttüorten, übgtcid) bie S^agc, jum ^ipeitcnmal auyge=
fprodjen, ba§ 9J?i6i)erl)ä(tni^ nur noc^ beut(id)er madjt!
„(S^riftud fagt pm brittenmat §tt i^m: @imon, Sonad ©o^n,
liebft bu mt(^? $etrud tt^arb betrftbt, totii er jum britten«
mal §u i^m fagte: liebft bu mid^? unb er fagte it)m:
^err, bu weifet aüe ^inge, bu lueijjt, bafe i^ bid) lieb f)Q6e."
^etru^ antwortet nid)t mef)r mit ja, aud) beruft er fid) nic^t
me^c auf bod, toa& ^t^rifiu^ aui^ ^cfu^rung bon $etri ^e«
\
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— 211 —
finniini] triffen mugte: „bii meifet, bafe ic^ bic^ lieb f)a6e";
er anttDortet: „bu toti^t alle 2)inge, )m to^i^t, bag id^
bi(^ lieb fyiU,** ^ettud ontivortet a(fo md|t me^t mit ja;
er fi^ubert fafi 06 bem SRigt^et^filttiid, mit einem 9a tirie
auf eine totrWic^e J^rat^c eine totrfKd^e SCnttoort (;cben, tüo«
burd) bcr Jvraßciibc a(fo etma^^ erftit^re, ober nod) bcutlic^er
erjülire, nl^:^ er eö üorlicr irufetc. 5(6er ber „olle ^inge meife",
wie tann ber etroajJ 5U ioiffen ober burcf) bie 'il>er[t(^erung
etned anbecn 6effet )u miffen bekommen? Unb bod^, menn
er bad nid^t fann, fo fann er qu^ nid^t gan$ menfc^üd^
Reben; benn baS ift eben bai^ ißätfet ber Siebe, boj eS feine
{)ül)erc ©eiinfjticit gicbt ai^ bie tüieber{)oUe ^krfidjerung be§
beliebten; ift einer unbcbingt fieser, ba^ er geliebt fei, fo
bebeutet baö, menfc^Iic^ üerftanben, ba^ et nic^t liebt, ba er
über bem SJer^ältnid beiS ^eunbed ^um tS^eunbe fte^.
@c^red(i(^er Siberf))rud^: ber, ber ®ott ift, liebt menfd^li^;
•benn menfc^IidE) Iteben Reifet ja einen etn^etnen 9)?enf(^en
lieben unb uon bicfcm cin,^clnen 9J?enfd)en fclbcr am meiften
geliebt fein njoUen. (Siel), barnm ^uurbe ^etruö betrübt, bafe
bie grnge breinial iricberftolt mürbe! 2)enn bei SUienfc^cn,
bie fic^ in i^rem Siebe^r^öltnid gleich fte^, ift ed eine
neue ({reube, tt^eun bie groge ^um brittenmal getrau toirb,
unb eine neue f^reube, ein brittedmat §u antniorten, ober
ober betrübt bie 3Bicber[)ü(ung, roeil fie SOtijjtrauen Der*
raten fdjeint; attcin menn ber, ber aÜeö iuciß, jum britten-
mal fragt, alfo e*^ für nötig erachtet, 5um brittenmal 5U
fragen, fo mu^ koo^l ber (drunb fein, ba^ er, ba er oQed
toetft, attc| tmi, ba| bie Siebe in bem Gefragten, ber i^u
ja onc^ breimat oerleitgnet ^atte, nid^t ftarf ober innig ober
feurig genug ift. ^5)arum, fo tjat tuot)! ^etru^ gebad)t, mufe
ber ^err ein breimaligeö ^^ragcn für nötig l)alten — benn,
nic^t toat^t, ba| bie gcage bamm breimal get^an tDurbe, toeil
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— 212 —
bem §errn felbft ein 53ebürtniö toax, biejeö jum
brittenmat 5U ^üren, biefer ©ebanfe ge^t über bie i^xä^tt
eiiied äJ^enf^en; ob ec aii^ gitgelaffeii tmcb, tietbietet et ftc^
ho^ gleid^fam felbft. D, aber tmt mtn\6ß^l Ibm $0^«
imcftern, btc i!)n §mtt 5£obe betttttetiten, bem ^(otuS, ber
fein £eben in feiner §anb Ijatte, beiben \)at er mit feiner
©ilbe geantnjortet; — ob er geliebt fei, fragt er breimat; ja
er fragt, ob ^etruÄ it)n — „lieber Ejabe alö biefe!"
@o tief )Ottt}eU bie Biebe in bed Sl^enf c^en SBefeit,
fo koefentHd^ ge^drt fte ^nm SD^enfd^en; unb bo^ er«
flitben bie SRcnfrfien fo oft Ku«flüc§te, um fid) — biefer
©cügfcit 5U ent^ietien; fie crfinncn alfo 33ctnig, um fic^ —
felbft 5U betrügen, ober um firf) felbft unglüdlic^ gu mad)en.
Salb tritt bie 5(ugflucl^t ouf olg Sße^mut oerfteibet; man
feuf^t über bie äßenfc^ett unb über fein Unglüci, bag man
feinen ftnbe, ben man lieben Ibnnte; benn über bie SBelt
unb über fein Ungtücf su feuf^en ift allezeit (eidjter, an
feine Söruft ju fdjlagen unb über fid) felbft ju feuf^en. Salb
nimmt ber ©elbftbetrug bie %oxm ber 5tnf[age an; man
{lagt bie SJienfc^en an, fie feien ber ßiebe nidjt Ujert —
nutn wf^uf^t toiber" bie äl'^enfc^en; benn ei^ ift aUe^ett leichter,
ben ^nI(Ager ^n fanden, aliS ber KngeÜagte ^n fein. 8alb
ift ber @elbftbetmg bie ftotje ©elbftaufriebcn^eit, bie meint,
fie fu^e üergebtid) nadj etn?aö, baö it)rer niert fein fönntc;
— benn e^ ift oHejeit teid)ter, feine ^ortreffIid)feit burd^
SBehitteln aEcr anberen, alö burcft ©trenge gegen fid) felbft
)n betoeifen. Unb boc|, bod^ finb aHe barin einig, bag bied
ein Unglücf nnb eine berfe^rte Stellung 5U ben ä^enf«!^
fei. SBaiS ift benn aber bad SSerfel^rte? load anbered a(9 bie9
©ud^en unb Verwerfen? ©oId)e 9J?enfdien merfen nid)t, baß
it)rc 9?ebe n)ie ein ©pott über fie felbft lautet, ba fie mit
xi^ui S^UxQt, fie Unntn unter ben SJ^enfc^en feinen Q^egen«
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— 213 —
fionb für i^re 8ieBc ftitbeit, imt fid^ fetbft, i^rcn gänalic^ett
3J2angeI an Stc6e öerraten. Sft benn h)ol)( Siebe, fic
augtoärtö, aufeer [ic^, finben ttjollen? glaubte, bag
toore Siebe, bafe man fie mitbringt! SBcr aber bie Siebe
mü&nngt, kD&^fenb er eineii (iegenfiaitb für feine £iebe fu(|t
(iiiib fonft tft ei( ja Umoa^l^eit, IniB er einen (Segenftonb
— für feine ßtebc fud^e), bem toitb e« (eid^t, unb jrtor je
nad^ bcr (gtärfe feiner Siebe um fo (eid)ter loerben, ben
©cgenftanb jn finben unb \f)n ItcbenStPÜrbic^ ,^ii finben; benn
baö tft nic^t bic SBoHtommen^cit, baft man einen älicnfc^en
to| fetner @c^(i^ nnb Segler nnb UnDottfommen^etten
lictet lonn; fle Befielt inelnte^r bann, bog man tr0|
nnb mit feinen ©d^ioöd^en, %t\)ifxn nnb UnHoOlommen^en
liebenämert finbe. SSir moüen unö rec^t t)erfte!)en. (Sg fann
ja einer ein folc^eg Sedermaut fein, ba^ er nur ba^ aller«
feinfte unb au^gefud^tefteiS^enc^t nnb nur in ber belifateften
gubereitttng ffieifen nmg, über gar and^ bann tt&^Ierifd^ ben
einen ober anbern S^^ter baran an9jufe|en ^t; fe^ man
fi(^ aber nic^t Slufgabe, feine Sederei gu entnncfeln, tnel«
me^r feinen ©efd^mact umjubilben, fo fann man nidjt blofe
ein bürftigeö ©cric^t geniefeen, fonbem eS aud^ gerabe^u gang
l5fUi^ finben. — Ober fagte Don itoti ^ünfttern ber eine;
„t4 Ml tnet gereift unb ^be mid^ inet in ber fBkit mnge»
fe^n; id^ fa^ mid^ aber DergeUtc^ nad| einem SRenfd^ nm,
bcr ein mürbigcr ©egenftanb fftr meinen ^infef tüärc; td^
fanb fein ©cfidjt fo tbeat fd^ön, bafe ic^ mic^ entfdjlicfeen
fonnte, e^ ju malen; ic^ entbedte an jebem ®cfid^t ben einen
ober anbern fletnen geiler, nnb barum fud)te i^ hergebend"
(Atie er fi^ bamtt etioa ald ber mirftid^ gro|e ftftnfUer
ertotefcn? Unb fagte ber anbere hingegen: „tä^ tM miä^
nid)t für einen Äünftler auggeben, ^abe auc^ feine Sfieifen
ind ^udlanb gemacht; um aber bei bem Keinen ^eid ton
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ficuten bleiben, tüeld^e in metner Umgebung finb, fo
t)übc id) ba fein C^3c|id)t )o imbcbcutcnb ober fo üerfeljU ge-
funben, bag id) it)m nic^t bod) eine fdjönere 6eite abgetuinnen
unb etniag 3t)CQ(e§ in if)m entbecfcn fonnte; borum freue ic^
mi<^ memet Stan\i unb fmt befriebigt bott t^, ttnemo^t
fdneit Unfprud^ barauf mad^e, ^nftler 5U fein" — l^ötte et
fic^ bamit nid)t gerabc ol« Mnftler bemiefen, ber ein gettjiffe^
©tUJQö in fid) trägt unb baljer glci^ an Drt unb «Stelle
finbet, lüttö jener weitgercifte Äünftler in ber toeiten 2ÖeIt
nirgenbs fanb, totxi er eben DieUetc^t jened geloiffe StmoS
nici^t in fic^ trug? 5Diefet stoette atfo to&xt ber mirflid^
Mnftler. ffifite ei^ nic^t auc^ tranrig, teenn Ud% tvie ein
^u(^ über bcm Sebcn löge, ma« eÄ bod) ucrfc^öncrn foH,
fo baß bie „ß'unft", ftatt un» ba§ Seben 511 Dcrfdjönern, nur
tabelfüc^tig entbeden fönnte, bafe niemanb oon unö fd^ön jci!
Unb nod) trauriger, ^ugleid^ noc^ Derfe^rter niäre t&, totm
an^ bie Siebe bU>i jnm giud^ müxbt, toeit i^re gforberung
alletn offenboTte, ba^ feinet Don und bet £iebe niett fei, ftatt
büß We ßtebe eben batan fenntHc^ n^firbe, bofe fie genug
Siebeöfraft in fid) l)ätte, um an lUhS allen cüva^ Xiicbcnemcrteö
5U finbeu; alfo Uebedfräftig genug mare, um un^ alle lieben
ju tonnen.
@d ift eine ttautige unb hod) nut 5U geh^d^nlid^e ^et«
!e^tt^eit, bag man imntet unb immet baoon tebet, une bet
®cgenftanb ber Siebe befdjaffen fein müffe, um ttebenSn^ert
gu fein, ftatt baft man umgcfetirt üon ber !^iebe rcbete, tt)ie
fie fein müfje, um fein, lune fie fein foU. tiefer Unfug
ift nic^t nur im täglidjen iJeben bie Ükgel, nein, toie oft
vmi man ed leibet fe^n, bag felbft ein „^<l^t" fein gan^ed
^etbienft in bie taf^niette, blaftette, ootne^me ^betfud^
fe^t, bie gegenüber oHem, too« Siebe I)eif?t, nur in()uman ju
tabeln unb ^u mäfetn n^eiB, unb für feine ^lufgabc an«
*
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fie^t, in biefer §)infidjt bie fieute in alle obfd^eulid^en ®e*
^ntniffe bed lIBefrittelnd mtb ^mätdn^ etn^utoet^en. SBte
\hA nur einet tl^tm mog; irne nur gav Diele fo offen unb
gelehrig für ein SBiffen {dn mögen, ba§ eigentlid^ nur bajn
bient, i^nen felbft unb anbeten bQ§ Seben 511 uerbittern!
2J?UB man nirfjt üon üielem im fieben fagen, eö märe bcffer,
man ^öUe e^ gar nicf)t miffcn befommen? benn bann
fßtit man oUe^ fc^ön ober boc^ fc^öner gefunben. 3ft man
aber erft einmat in ben ©d^mnl beiS üome^men Khfpitdi^^
einge^eil^t, toie ffj^terig ^ä(t bann, bad Serlorene, bie
natürUdje ©utmütigfeit, bie ®abc ber Siebe toicbcr ge*
»innen, bie C^k^tt im ©runbe jcbem 3}^enfd)eu gef(f)enft l)atl
Slann ober mill aber niemanb fonft, fo meife ein 2(^)oftcI
und jeber^it in biefer $infi(|)t auf ben reiften SSeg |tt (eiten,
ba{) mir gegen anbere unb und felBft glüdti^
mad^n. @o l^ben toiir nn9 ein IBort be8 ^poftels ^o^anneS
jnm ©egenftanb ber Setraditung i)or(icfctU, ba^ Sßort: „©0
jemanb fprid)t: id^ liebe &oii, unb Ijaffet jeincn ©ruber, ber
ift ein ßügner; benn toec feinen öruber nid^t liebt, ben er
ftel^, nne lann er (^ott lieben, ben er ni^t fie^?" gfro^
Aber bie Kufgabe, bie ed nni^ auflegt, sollen tmr reben:
Don ber $flici^t, bie äßenfc^en ^n lieben, bie loir fe^en,
jebo^ nid)t in bem @inne, bog tüir alle 3)?enid)en, bie mir
fel)en, lieben fotlen (benn baö ift bie f^on früt)er beljanbeltc
Siebe $nm 9^äc^ften), otelme^r in bem @inue, hai ed fid^ um
bie ^flid^t Rubelt, in ber fBkti ber SBirKiil^feit bie au finben,
bie toir bcfonber^ lieben fönncn, unb in ber Siebe gegen
biefe bie 9J?enfd^en ju lieben, bie mir fct)en. Sft baS nöm«
Ii(^ ^flid)t, fo befte^t bie 'iJlufgabe nid^t barin, bafe
n^ir ben (iebendU^ürbigen ^egenftanb — finben; bie
tCttf gäbe ift bann Dielme^r, ba^ loir ben nun einmal
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gegeBenett obec etkod^Itett (S^egetiftaitb — (uBettiS«
toürbig ftnbcn unb immerfort (tcBcniJtoürbig finbcn
fönnen, tpte er fic^ auc^ üeränberc.
2)0^ ttjollen toir junäd^ft eine ffeinc ©c^toierigfeit ab-
niodlen, tüctc^e bie irbifc^e Älugl^t, tiicßcid^t gar im ftoljcn
Setottgtfeiit i^^fi^arffütiiiSr gegen badatioftolifd^SBint tm*
Bringen ttnnte, o^ne ba^ toix {ebod^ BerflcEftd^tigten, 06 fte bte«
fcI6e »irfltd^ borgebrod^t ^oBe ober nid^t. 9Benn ber ^(poftel
fagt: „wtx feinen SBruber md)t liebt, beii er fiet)et, n)ie fann er
©Ott lieben, ben er nic^t fieljet?" fo fönnte ein Äluger eintoenben,
bod fei ein gonj öcrfe^rter ®ebanfe; benn Don bemöruber, ben
et gefeiten, ^Be et fid^ gerabe üBetiengt, bag ec feinet SieBe
unloett fei; tote feilte oBet l^erand (bag et ben nic^t tieBe,
ber augenf^einlid) ber SteBe ntd^t hjert fei) gefcf)(offen werben
fönnen, bafj auc^ feiner Siebe ju &ott, ben er niefit fet)c,
baburc^ ein ^tnbetnid entfiele? Unb bo^ meint ber ^ilpoftel^
ein folc^et fei an ber SteBe }tt &ott ge^inbert, tuiemo^t et
mit bem SSott „feinen S^tnbet" geoig nti^ andfc^Iieglid^ Don
einem ganj Befttmmten etn^tnen äffenfc^en, fonbetn fiBet^QU))t
üon ber Siebe ben 9J?enjd}en rebet. ©ajs man einen
©ic^tbaren nid)t liebt, fönnte nämlii^ ein frf)tüärmcrifc^er
5luöbrud für bie alleinige Siebe 5U bem Unfid)tbarcn fein
tooKen; ber ^poftel ober fie^t batin einen göttlid^en (Sininanb
tmbet bie (^(onBuHltbigleit eineS S9lenfd^n, bet ben Unfid^t»
Baten %n IteBen Dorgiebt, toenn eis fic^ jetgt, ha% betfetBe bie
nidjt liebt, toe% er fiet)t. 2öaS ber 5lpo[tel fagt, ift alfo
eine göttliche SSerina^rung gegen menfd)lidje ©djnjärmerci mit
ber Siebe ju (SJott; benn e^ ift ©c^toärmcrei, menn nic^t gar
^ud^etei, fo ben Unfid^tBaren lieben jn toollen. 2)ie ©od^
ift ganj etnfa^ ^ 9Renfd^ foQ bamit Beginnen, ba| et
ben Unft^tBaten, ®ott, lieBt, benn ^eton foH et feCBft (etnen,
tuad lieben i^eigt; ba| er aber toirflic^ ben Unfic^tbaren liebt,
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foH gcrobc an feiner £ie6e gegen ben S3ruber, ben er \kt)t,
crfonnt ttjerben; je me^r er ben Unfic^tborcn liebt, befto mel)r
tnirb er bie ^knfc^en lieben, bie er fie^t. 9äc^t umgele^rt,
ba|} er ben Unftc^tbaren um fo mel)r Hebte, je me^ er an
taen andfelt, bie er {te^; benit fonft mtrb ®ott feinet
SBtrKti^feit Beraubt, cttter BTügen (Stttbtfbung. IDormtf
fann otfo nur ein §eucf)Ier unb tüdifd^er 9Kcnfd) ucrfaUcn,
bcr eine Slu^flurfjt fucf)t, ober einer, ber ®ott üerleumbet, alö
märe er eiferjüdjtig auf fic^ felbft unb ttJoCic alle 2iebe für
fic^ ^ben, koä^renb bo^ ber feiige &ott batml^ig ift unb
bamm beftfinbig gleic^am tion fid^ koegtoeift: ^toiOft bn mi4
lieben, fo liebe bte SD^enfd^en, bit bn fte^ft; roa^ hu i^nen
t^uft, ba^ tliuft bu mir." ®ott ift erf)aben, aU bafe er
bireft cineö ^Jiciifc^en Siebe entgegenneljmen ober gar ©e-
fallen an bem finben fönnte, in toai ein (Sd^iodrmer fic^
felbfi gefallen fann. fBkm einer tum ber (Skibe, mit ber er
feine (Ettem ttntorfifi|en fönnte, fagt: fie iß ,,ftorban'', b. ^
fftr «Ott Beftimmt, fo gefäOt bag (»Ott n^. »iOfi bn
jeigen, baß fie für ®ott beftimmt ift, fo gieb fie f)in, aber
mit bem ©ebanfen an ®ott. SBiüft bu geigen, ba^ bu mit
beinem Scbcn ®ott bienen toillft, fo gieb ed in ben S)icnft
bcr a^enfc^, boc^ beftonbig mit bem iSkbantat an (S^ott
«Ott ift in biefem Safetn nii^t ^rtei in bem €inn, baB
er fein ^Ceit für fid^ tjerfangtc. ®r forbert oüe«; toenn bn
e^ aber bringft, fo erl^ältft bu fojufagen fofort eine Sin-
Reifung, mo!)in bu e§ Ujeiter geben foUft; benn ®ott forbert
niditö für fic^, toiemo^l er aUed öon bir forbert. -— ©o
fö^ bad mott beg «pofteU, re^ oerftanben, gerobe anf
nnfem «egenftonb ^in.
f^enn 8teBe gegen bie SWenfd^cn, bie man fiet)t, ^flic^t
ift, fo mufi man jucrft unb junäc^ft aüe eingebilbeten
unb überjpannten ^orftellungen oon einer Xraum»
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mtlt, allttio ber Q^egenftanb ber :^ie6e ju^en unb
}n finben fei, aufgeben, b. ^ man mtift nüdgtettt
toerbeit, Qtrnic^fett unb Sßa^r^ett gekoinnen, tnbem
maTt bieSBelt ber 2Bir!nd)!eit finbet unb tn t^r atÄ
bem unö angctDiefcncn 23eruft^fclb üerbleibt.
2)ie gefä()rltd))tc ber Slu^flüc^te, burd) bie man fic^ ber
£tebe ent^ie^t, tft bie, bag man allein bad Unftd}tbare, ober
man ni^t gefe^en, lieben motte, ^iefe Slu^uc^
tft fo l^otä^ fliegenb, ba^ fte We S8tcf(i(^fett gans üSerjliegt;
fo bcraufc^enb, boft fie leidet jur ^>er|u(^unq niirb unb leicht
fic^ felbft einbi(bet, fte fei bie aUerl)öd)fte unb üoüfümmenftc
3lrt öon Xiiebe. \äüt einem äJ^cnjdjen fcUen ein, fid^
frec^ äber bie Siebe aud^ulaffen; um fo allgemeiner ift ber
ISetrug, bnrii^ ben fid^ bie ä^enfd^ fetbfi betrftgen unb
imrfßd^ Siebe ent^ief^en: bag fte 5U fd}n7&rmertf(^ üom Sieben
unb Don ber Siebe rcben. ^a§ t)at einen üiet tieferen ®runb,
qU man benft; fünft fönnte fid) bie ÜNertuirrnnii and) nid)t
fo feftgefe^t i)aba\, wie ec^ ber gaU ift, bie ^^ernjirrung, baü
bie Seute bad ein Unglüd nenneit, nwS eine @^ulb ift: bag
fte ttämlic^ feinen (^genftanb für i^ Siebe finben unb ftc|
burdft biefe falf^e ?^uffoffung aud) fernerl^in im tBJege finb,
ibn ,^u finben; bcnn iinirbcn fie crft einmal i()re eigene <Sdjulb
einfcljen, fo fiinben fic i{)n U)ol}l. Jür bie allgemein ^err^
fc^enbe ^orfteHung öon ber Siebe ift biefe baS aufgefc^loffene
ttuge ber IBelQunbemng, bad Xrefflic^feit unb ^oUfommen«
^ fttc^. 50ann fommt man mit ber SHage, man fu(|e
vergebend. Wv tmMtn ntd^ aniSmad)en, in mte mett ber
einzelne 3}?cnfdi red)t l)abe ober nid)t; ob nid)t bodi ba<? (^c--
fud^te, bic lieben!5tiinrbii]c ^.refflid^feit unb 'lNOÜfoniincnt)eit,
^u finben ift; 06 er uidjt bad (^u4)en mit U)äl)Ucijc^em ^efen
))erkDec|fe(t, bem nid^tö gut genug ift iRein, auf bie Srt
motten mir ni^t föm))fen; benn mir motten ntd^ im Kommen
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btefer iBorftellung öwi SieBe lämpfcn, bo bicfc ganje ©or*
ftetlung irrig iinb bie Siebe uichiidjr hai^ gefdjloffene ^(uge
ber 92ad)fid)t uub ^älbe i)t, boi^ ^^ängel imb UiU^olXiommeii«
\jint nidjt fie^t.
2)e.t Ui^d^eb dtvifcl^ Mefett ^ l^otfteEitndett ift
a(et fe^r loefenüid^; f^e ftnb um eine gan^e SBdt k»on cm<'
anber t)crfc^iebcn, bie eine ba« birefte ®egeittctl t)on bcr
QTibcrn. iölüt5 bie letztere il>orfteUung ift bie 2SQt)rt)cit, bie
crjte ift ber Strtum. Unb ein Sntum ©irb befanntlic^ nie
burc^ fid^ felbft aufgehoben; er fü^ct lutr me^r unb me^r
in bie 3ne« fo bag ber S^&dgang )ttv SBa^r^ett immer
fd^lmettger finben tmrb. ^Demt ber Sntoeg ift leicht
finben, ber SRüifroeg fo gar fc^njer. ©o erjäl)^ ja bie ©age
oon jenem 53erg ber SSotilluft, ber irgenb tvo auf iSrben
liegen foll, baß niemanb, ber ben SEßcg l)inein fanb, beu
9^ücfgang finben {onnte. SEÖenn olfo ein 2)?enfd^ mit ber un*
tid^tigen SSorfteOnng tmi Siefen ber Siebe in bie SBelt l^in«
mi^el^t, fo fuc|t er mtb fuc^t, um (tme er meint) ben ®egen«
ftanb ju finben, judjt aber (luie er meint) üergeben^. ^od)
anbcrt er bie ^i>Drftcüung nid)t; im (^kgcnteil, n)äl)terifd) tüie
er ift, fudjt er burc^ öieler(ci SBijjcn bcrcidjert nur immer
mat)(erifd^er, aber (mie er meint) mgebend. i>od) fommt i^m
ber (Skbaitfe nid^, ber t^er fdnnte an i^m ober an feiner
nnric^tigen S^orfteffung liegen; im ©egenteil, je raffinierter
er in feinem mäljlcrifc^cn , iimnberlidjen Söcfcn mirb, bcfto
mehr l)ii(t er üon fid) fclbü unD üüii bcr '-Isollfoinmcntjeit
(einer iSorftcilung — jeigt fie iljm nic^t aud) bcutlic^, Ujic
nntioafommen bie ä^enfc^en finb? unb biefe <^enntnii» fann
er ja nur ber IBoIKfommen^ berfelben )u tierbanlen ^ben!
Snbeffen ift er Bei fid) felbft öbergeugt, ba^ bie ^nfb m^i
an il)m liegt, nidit an irgenb einer böfen ober gel)äifigcn
Kbfid^t Don i^m — uou \i)m, ber ja eben bie £iebe fuc^t.
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^Oeim baxoti ift jfx nväj/t %u beitfen, ba| er l>te Std^ oufgctoi
fftimte, er, bcr ja fo lebhaft füt)tt, tok feine Sorfidlung mel^r
unb me()r fd^toärmerifc^ rtjirb — ftaS toar lüo^t au^ jemofö
f^mäinicri)djer q(§ ein Irrtum, eine SHufionl Unb üom
Sntum er nic^t geloffen; ganj im ® egenteil, er ^at fic^
nunme^ mit feiner |)i(fe baju oufgefti^ttmngeii — bog Uit*
ftf^bore p liefen, ein iBitftgebUbe, bad man ntd^ fie^
Cber (öuft eS ntiS^ auf ein« l^tnaitd: ba^ man ein Suft«
gebilbc ficl)t -— unb bafe man e§ nic^t fiel)t? $Rimm
nur ba^ Öuftgcbilbe incg, fo fie()ft bu nic^tö: ba§ räumt
jener aj^enfd^ fetbft ein; nimm aber baö (Bt^m fort, fo fie^ft
bu ein Suftgebilbe: baiS k^ergi^ er. ^ber tok gefagt, bie
Siebe ttnU er nic^t aufgeben, ttnH and^ nid^ tierdd^u^ bon
i^r rcben; er totH fc^würmerifd^ toon i^r reben nnb — bie
Siebe jum Unfic^tbaren bemaf)ren. Xraurige ^erirrung!
3Kan fagt öon mcltlic^er (St)re unb Tla(i)t, Don D^eidjtum unb
®Iücf, fie feien S)unft, unb ba^ ift auc^ fo; ba^ aber bie
ftfttffte Maxist im ä)2en{(|en, eine äRad^, bie nad^ i^rec
iBefiimmnng jnft nU^ koeniger ift aU S)ttnfi, ba fie IBeben
nnb ftraft ift, ba| fie ^unft t)enixinbe(t nnrb, nnb baB
ber öon biefem !Dunft Seraufd^te ftolj meint, er t)abe gerabc
ba§ §Öc^ftc erfaf3t — er Ijält firf] ja aucf) an feiner (5in==
btlbung, an bem SBotfenbunft, ber immer bic SÖirflic^feit
überwiegt: fiel^, bad ift fd^xtdiiä^l fOfian tmnt fonft
fromm i^or Sergeubnng ber (S^otteiSgaben; loeId|e ®otte0gabe
ift aber mit ber Si^ %n bergfetd^n, bie er in eines 9^enfd^en
$erj nieberlegte — um fie bann fo öergeubet ju feE)en!
^enn bie ^Iugt)ett meint — tt;örid)t — , man i^ergeube feine ,
Siebe, ujenn man bie unDoUfommenen, bie fc^ac^en SKenfc^en
liebe; td^ glaubte, bad ^iege feine Siebe amnenben, (Slebrau^
bon i^r machen. 9[bet feinen (8egenftanb ftnben $tt fftnnen,
bie Siebe in t>ergeblid^m <Sitd^en üergeuben, fie im teeren
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9iaum biircf) Siebe gum Unfic|tbaren ju öergeuben: ba^ Reifet
ttKit)rIid) fie uergeuben.
Sßnbe )»aniin nöc^teni, fomm bir fet^t, erfenne,
ba| ber Sehtet an betner S^orfteQnng t)on bec Siebe liegt,
bag fie eine ^Jorbcrung fei, «nb jtoor bie ^errttc^ftc, bo bo«
gan^e ^afein fie nid)t be^at)(eii fönntc, fo ttjenig — al^^ bu bein
5(nred)t, biefesS ®utt)Qben ein^iifürbern, betreifen fannft.
bem ^^(itgenblicf, ba bu bie ^orftellung üon ber Siebe ba^in
beränbect l^ft, bag fie gecabe bad (Stegentett einer gorberung
ifi, eine gforbening, bie i^ott an bic^ fteClen bad Utä^t
\^at, im felben 9[ugenBtt(f ()aft bn bie ^irflic^feit gefunben.
— Unb ba^ i|t gerabc bie ^-Pflic^t, bafe man )o mit ge^
frf)(offciiem 5(uge (in bcr Siebe uerfdjiiefet bu e§ ja für bie
(Sc^mad)t)eit unb ÖJebrec^lic^feit unb Unüollfommenl)eit) bie
äBirfiic^feit finbe, ftatt bag man mit offenem 9l)ige (ja, mit
bem offenen, ftieren bed 92ac^tnMinb(eriS) bie ffiirftic^feit ü6er«
fief)t. ^ad tft bie $flicf)t, bie erfte Sl^bingung, bamit bu
überhaupt beine Siebe ben 9D?enfd)en ju^umenbcn öermagft,
bie bu fietift. ^ie 93ebingung ift, bafe bu bcu fcften S3oben
ber SSirflidjfcit finbcft. 2)cr Srrtum ift immer fc^mebenb;
ba^r iommt ed, bag er mitunter fo leidet unb fo geiftig aud*
fie^t, toeit er fo (nftig ift. ^e SBa^r^ett t^nt fefte, bal^r
mitunter ou^ fc^were dritte; fie ftc()t auf bem foKben ®runb
unb fiel)t barum mitunter fo einfältig auö. (Sö ift ja aiid)
eine bebeutenbe iseränberung: bafe man nic^t met)r eine gorbe=
rung an onbere ju ftellen, fonbern eine ^4>flicf)t ju erfüllen ^at;
hai man nid^t me^r eine SS^ett überfliegen barf, fonbern fo^u«
fagen eine fÖtlt auf fic§ nehmen foQ, nidftt' me^r ^ftig nac^
ber angenehmen j^xudjt ber ®emunberung bie ^anb audftreden
barf, fonbern in aüer (SJcbuIb mit äJ^ängeln 9^ac^fid)t Ijaben
mug. lueldjc ^-I^eränberung! Unb bod) tritt nur burc^
biefe ^er&nberung bie £iebe ind ^afeiu, bie £iebe, U)elc^e
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— 222 —
bte ^i(i)t erfüllen fontt: ftc^ beit SRenfd^ su^uioenben,
bie toix fetjcn.
SBcnn e§ ^f(icf)t ber Siebe ift, bie 9Kenid)en 511 (icben,
bie man (ie^t, fo gilt ee^ baf^ man in ber ^iebe gegen
ben einzelnen toitfltc^en äßenfc^en ntd^t eine etnge«
6tlbete ISSorftetlung bon biefem S^enf^en unter«
fd^iebt, »te er nac^ iinfrem SWeinen ober ettt^otgen
2Bfinfd)en fein foHtc. 3Bcr bcvo tl)iit, liebt ja bod) nid)t
ben ä)^enfd)cn, ben er j'ie^t, fonbern njieber etiuaö Unfidjt-
bore^, feine eigene i^orftcUung ober cttoad onbere§ bevart
Kttd^ bie Siebe nimmt manchmal ein ungnted SBefen an,
baS i^r einen bebenflid^ l^tgefc^mac! ton 3^^i^uttgfett
nnb SButtbcrltd^feit giebt. (S§ ift ja ^tümxki: ob man tabett
unb tabelt iinb nie einen ©egenftanb für feine Siebe finbct,
ober ob nuin in ber Siebe gn bem ©egenftanb feiner ßiebc
genau unb aufridjtig biefe ^sflid)t erfüllt, bafe man liebe,
nxid man fiel^. SBa^rlic^, ed ift adejeit nnb immer mieber
toftnf^iSmert, bag ber, ben mir (ieBen foQen, im 9efi| ber
(ieben^njurbigcn ^^oÜfommenfieit fein möchte; ttnr »fmfc^en
ba§ nic^t blon um nnfcrtuiincn, fonbern and) nm bc^ anbern
loillcn. ^-Borne^mlic^ müffen roir luünfdjen unb bitten, ber,
ben njir Heben, möchte aUejeit fo ^anbeln unb fi^ benehmen,
bag mir i^m biOligenb beiftimmen tdnnen. Sergeffen toir
ober in Rottes ^flmtn bo(^ nid^t: ift nic^t unfer tBer»
bienft, lucnn er fo ift, nod) meniger nnfcr IBcrbienft, bafe
lüir'^ l)on it)m forbern; — follte uon einem '^crbicnft bei nn^
bie Diebe fein (toa^ bod) unget)örig unb eine ungehörige Üiebe
ift, mo fic^'d um Siebe Rubelt), fo beft&nbe ed gerabe bartn,
bag mir in treuer unb inniger Siebe un9 gleich bleiben.
giebt ober ein mfi^lerifd^d ^efen, boiS ftetft ber
Siebe gleid)fam entgegen arbeitet unb bie Siebe bem, ma«
man fie^t, oer^inbern miU, inbem unftc^ec im ^üd unb
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— 223 —
bod) in anberem ^inne fo ftrcng ben ©egcnftanb (einer Siebe
nic^t nimmt, xoit er ift, bic njirflic^e ©eftaU üerjlüc^tigt ober
ftc^ an x^x ärgert, uttb nun tfidifd^ ettoad anbered fe^en
t»erlangt. iBon mand^en 9ßenf(i^en mug man fagen, ^e ^Ben
noci^ nit^t ®cftatt, noc^ feine fefte SBitftt^teit gewonnen,
toeil fie in ilircm inneren mit [irf} nicl)t einig finb, ma§ fte
finb nnb iiuvr- fie fein motten. äJkn fann aber and) burd)
bie 5(rt, mie man fie{)t, bic (^eftaU eined anbern a)cenfd)eii
loanfenb ober unn>trfli(^ mad^, lDet( bie £iebe, bie ben
SRenfd^n lieBen follte, ben fte fle^t, ^n feinem redeten ©c^Iufe
fommen fonn, fonbcm ba!b einen get)tcr meg, Solb eine
^^oUfommcnl)cit ba [)a6en mit!, al^ ob bcr .v>anbel, menn id)
fo jagen barf, nod) nid)t gan,^ abgcidjlofjcn märe. 1)odi mcr
in feiner idkbt jo gerne mäl)Icri|di ijt, liebt nid}t ben Ü)ien}d)en,
ben er fie^t, unb mac^t fic^ felbft burd^ feine )^iebe (eic^t
nnbeno&rttg unb I&fiig für ben ©Siebten.
5)er (beliebte, ber greunb ift ja aud) im gemöt)nlic^eren
©inne ein 2)ten)d) unb fommt jiir iin§ anbete alö fotc^er in
S3etvad}t; für bid) aber fotlte er roejent(id) nur ber (?5e(iebte
fein, menu bu bie !pfUd)t erfüllen foUft, ben ^Dknjc^en, ben
btt fie^ft, in lieben. SBenn nun bein ^er^Itnid ^u i^m
f^hxinft, fo ba^ er bir einerfeiti^ b(oB im gemd^nlid^eren
@inne biefer einzelne aWenfd), onbererfeitö in befonberer SBeife
bcr (beliebte ift, fo liebjt bu nid)t ben iDienjd)en, t^en bu
fic^ft. (5^5 ift üiclmefir, alö l)ättcft bu beine smei Dt)rcn
nic^t in bcm gemöl)nlid)en ©innc, bajj bu mit beibcn ein
unb badfelbe ^drft, fonbern einiS mit bem einen, ein anbered
mit bem onbern. ^u ^rft mit bem einen D^r, too» er fagt
nnb ob ^ nun oud) gemig unb richtig unb fc^arfftnntg unb
geiftreid) u. j. f. jei; unb leibcr nur mit bcm anbern D^r
t)örft bu, baf^ eö bie (Stimme be^ (>^eHebten ift. ^u be*
trac^teft i^n mit bem einen ^uge ^rüfenb, forfc^nb, mufternb^
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unb leibcr nur mit bcm anbern 5(uge ftcl^ft bu, bafe ber
Ocliebte ift. O, fo ju teilen l)eiBt aber ind)t ben SDicnfdjcn
lieben, ben man fie^t. Sft eg nid^t, als märe beftänbig ein
britter jur ©teile, fetbft »enn bie beiben allein finb, ein
btittet, ber lalt pt&ft unb iabelt, em btitter, bec bie 3nntg«
fett ftdrt, ein britter, ber ntod^t, bal ber 8etreffenbe burc^
fi^ fclbft unb feine fo mäl)(erifc^e Siebe mitunter mirfHc^
mibermärtig ift, ein britter, ber ben beliebten ängften n^ürbe,
menn er müfete, bafe biefer britte ba ift! Sßaö bebeutet e^
OttC^, ba§ biefer britte ba ift? Gebeutet ed, bag toenn
koenn nur hai^ ober bai$ nid(|t nad^ SBunfc^ todre, bu bann
nif^ lieben fdnnteft? Gebeutet atfo ber britte bie Trennung,
bie ^S^cibung, fo bafe alfo ber ^rennung§gebanfe fic^ mit
— jur ilsertraulid)feit gefcüt, ad), tüie menn im ^eibentum
unfinnigermeife baS ^erftörenbe SBefen in bie @int)cit ber
©ott^eit mit aufgenommen ift? Gebeutet biefer britte, bafe
bad Siebei^Der^äUnid gennffermaften ho^ Um )@er^tnid ift,
hai bu über bem Ißer^dltnii^ fte^ft unb ald StuftKiffer, Art«
tifer ben ©etiebten prüfft? ©ebenfft bu, bog in biefem gaH
etmaS anbereS geprüft mirb, ob bu nämlic^ n^irflid) fiiebe
t)abeft? ober rid)tiger, bafe etmaö anbereiS ausgemacht ift:
bafe bu eigentlich bie Siebe ni^t ^aft! ^enn baS Seben t)at
ja Prüfungen genug; biefe fottten eben bie Siebenben, %xtmb
unb Sreunb einig ftnben, banttt fie in ber Prüfung befielen.
SKirb ober bte ^|5nifung in boÄ SSer^öItni« mit t)ineinge509en,
fo ift au il)m ein Verrat begangen. SSabrlid), biefe gel)eims
uiSuoüe !5i>erfd)loffenl)eit ift bie gefäl)rlid)fte 2lrt oon SEreu^
lofigfeit; ein fo(d)er 9J?enfd) brid)t nic^t feine 2^reue, aber
er iäit ^ fortlaufenb in ber ^»ebe, ob er an feine Xreue
gebunben fei 3ft ed nic|t Xreutofigfeit, loenn bein ^m\>
btr bte fninb ret^ unb bein |)änbebm^ ^t etnra« fo tin«
beftimmteS, aU brüdte nur er beine ^anb, als toäxc babei
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aber ^iDcifeltiaft, ob er in bicfcm '^lugenbücf fo betner 5^or=
fteUung entff)re(^, bog bu feinen ^änbebrud gletc^mögig
ertoibecteft? IQ^efte^t ba toitfIt(| ein S3etl^&Itnt9, toenn tnefed
gtetctifam jcbcn ^Tugenbltcf bon neuem beginnen foH?
ba§ ben 9D?en)c^en lieben, bcn bu fic{)ft, rtjenn bu il)n jcbcn
Hugcnbfid n)ieber ?^um (SfJegciiftanb beiner ^^rüfung mad^ft,
fäl)eft bu i^n ^um erftenmal? (iin Secfcrmaul öon einem
äli^enfc^en, bad on jebem d^en etnm^ aui^nfe^n t^t, ift ein
nnberttd^er ^nMid; eiS ift aber nt(|t minbec mibetHd^, toenn
ein SRenfd^ ben @pcifen, bte man \l)m freunMic^ gereid^t
t)at, f^mar 5ujpncl)t, eigentüc^ aber n^icbcr nid^t §ufpridf)t,
fonbcrn glcidjjam immer nur an ber ©pcifc nafdjt, uou ber
er boc^ fatt njirb, ober fic^ immer bie 3Ku^e nimmt, fie
leder finben, mä^renb fie i^n bod^ in it^rer Q^infac^^eit
fättigt.
SiJein, fott ein ffl^enfc^ bie «ßfüd^t erfütten, boft er in
feiner i^iebe bie 9J?enid)en liebe, bie er fiet)t, )o mufe er ntci^t
b(o^ bie, meld)e er liebt, unter ben lüirflidjcn ?!}?enfc^en
finben, fonbcrn auc^ aÜc^ jtoeibeutige unb n)ä^(erifd)e SSefen
in feinet Siebe gegen fte ausrotten, fo bag ec in (&cnft unb
ffia^r^eii fie liebt, tait fie ftnb, in (Smft unb Sßa^r^ett bie
Aufgabe erfaßt: ben nun einmot gegebenen ober ermfi^Iten
©cgenftanb tiebcnSlnürbig ju finbcii. 2öir meinen bamit nic^t
einer finbi)d]on "i^ernebttieit in bie ßnfi'if^kl^^^t^" ^^'^ (Sjctiebten,
nod} n)eniger einer iPcid^Uc^en 9kc^giebigfcit am unred^ten
Orte bad SBort ^u teben; burc^aud nid^t, ber @mft liegt
gerabe bavin, bag bod Serl^&Itnid felbft bie Stx&\U bet Sieben«
ben beretnt }um Stampf gegen ha^ UntJoHfommene, gut ftber«
minbung be^ 5D?angeU)aftcn, ^^ur Söefeitigung be§ ^rembartigen.
ift ber ©ruft: ba?> tt)äl)tcrifd)e !föefen bagegen mad)t baö
^^er()ä(tni§ felbft immer iüieber jrt)eibeutig. S)er eine merbc
nic^t btttc^ feine (Sd^toac^t^eit ober bucd^ feine geiler bem
HtcTtegftatb, tBotten ber Siete. 15
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I
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anbern cntfrcmbct, fonbent für fIMffiUm» fei bai»
©c^roäc^ere baä grcmbc, befjen ilbertüinbung unb ©ntfernuitg
bciben Xeilen gleid^ angelegen ift. 9^ic^t barfft bu ipegpn
bec @(|UHi(i^^it beS beliebten üon biefem bid^ gletc^fam ent»
fernen ober beut Scr^aüen frember ntac^, im Qkgenteit
mägt it)r betbe ^nr (Sntfemnng ber @d^taKic^^ett nm fo fefter
unb inniger 5ufQmmen{)arten. ©obalb bag S?er^äUni§ etloa^
3tueibeutigeö bcfornrnt, liebft bu uic^t ben 9}?eu)d)en, beu bu
fie^ft; ift ja, tieclangteft bu etmaS anbered, bamit bu
lieben fönneft; getoinnt bagegen bad $er^ä(tnüS gerabe burc^
bie Segler ober bie ©d^d^^eU an Snnigteit (md^ aSB foQten
nnn bie g€t)ter feftge()a(ten loerben, jonbem gerabe loeti fte
tiberwunben iucrben foücn), fo Üebft bu ben SJtenfc^cn, ben bu
fie^ft. 2)u fie{)ft bic ^d)Ux\ bag aber bein ^erl)ältni§
inniger ioirb, ift eben baran Wen, bafe bu ben 3)?enfci^
liebft, an bem bu boc^ bie geiler ober ©c^mfid^n ober bie
ttnbolUomnien^t fie^i
ffite e« l^u^terifc^e X^ränen, ein Ijeud^Ierifci^c« ©euf^en
unb klagen über bie SSelt giebt, fo giebt eS aud) einen
^euc^Ierifc^en Stummer über beö öJeüebten ©cf)n)ac£)t)eit unb
UnuoHfommen^eit. @d ift fo bequem unb jo toeic^lic^, ben
<lktiebten im 9efi| aller ntögli(^n $oS{ommen|eit fc^
mpKen; nnb lojenn bann etmai» ^U, fo ift cft totd^er fo bei*
quem mib fo tpei^tic^, ^u feufjen nnb %n trouem unb fic^
fefbft burc^ feinen üermeinttid) fo reinen unb fo tiefen Kummer
lüic^tig §n ttjerben. ift überl)aupt eine oieÜeic^t aüge=
meinere ^rt oon ^o^Uuft, bag man felbftifc^ mit bem
liebten ober grennb @toat mad^n nnb bann Aber jeber
ftteinigkit ber^toeifetn toiO. Sollte aber bad fiiebe fein gegen
bic aWcnfc^cn, bie man fielet? D nein, bie SKcnfc^en, bie
man fiet)t (unb fo ift'cJ alfo auc^ mit unö, menn anbere un^
fei)en), fiob nid^t {o uolUommen; uub boc^ ift ed )o oft ber
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^11, bag ein SD^enfc^ biefe tceic^lid^e @d^trac^^ett bei fid^
§ro6 $iei^, bie trat boiauf berec^et ift, ben ooQftönbigen
SnBegriff oOet SoQfommen^eit Ue6ett; mtb gleti^ttw^t
fiel)t man, fo itnt>oß!innmen tott SKenfd^en oHe ftnb, bte
gefunbe, ftarfe, fräftige iiiebe fo feiten, bie barauf berechnet
i)t, bte UnuoUfommeneren ju lieben, b. ^. bie Wltnl^n, bie
tm fe^en.
3ft ^id^ ber Siek, bie S92enf(^it liebeti, bie
»Iv fe^, fo giebt ed fftt bie Stiebe feine iltenje; f o((
bte^flic^t erfüHt toerben, fo mufe bie Siebe grenjen»
lo!^ fein, b. t). unDeränbert, toie aud^ iljr ©egenftanb
fic^ üeränbern min^e.
5)enlen toii noc^ einmal be^ in ber (Sinleitung biefer
Snoögttng befproc^enen ^er^Itniffed sttnfc^ (S^^riftnd tmb
^Mtiii^. ^etnti^ toat bod^ loo^I, lamal m feinem ÜBer^Iten
gegen @l)riftu^, fein Inbegriff a0er ISoSfommenl^eit; unb
(SljriftuS feinerfeitö fannte bod) feine J^e^Ier! SSir
njoflen ganj menfc^lic^ üon bicfem ^ert)ältni^ reben. ®ott
totii, tote unbebeutenbe ^leinigfeiten üon oft forgfam
onfgelefen unb fofgfam anfbeloa^tt kserben, um fofoct, ober,
nxid ebenfo traurig ifk, na^ langer l^tlt bte gegenfettige 9Ui'
üage 5U begrftnben, mon fei etgennä|ig, tveutoS, t)ervfiterifc^;
©Ott weife, tüie oft fidj ber .SUdger aud] nidjt bie geringfte
9}?ül)e geben mag, um fic^ an bie (Stelle beä Sßerüagten
üerie^en, bamit ba« Urteil, bad ftrcnge, fc^onung^lofe, fic^
nti^ übereile, fonbem toenigftend bod mit ^ebac^t feftfteße,
loat eS beurteilt unb ric^; (Stott ttiei^ mie 0^ bie fieiben«
fc^aft fclbft ben ©efcfiränften fofort mit erftaunlid^em @(^arf*
finn auärüftet, menn er Unredjt erleiben glaubt, unb
anbererfeitg felbft ben Sinfic^tdoollen gegen jebe milbcrnbe,
entfc^ulbigcube, rec^tfertigenbe 5luffaffung beö Unred)tö oer-
f^Iieft^ kpenn er Vime^ ^u erkiben glaubt, teeil bie getrdnite
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Seibenfd^aft in i^rem üerblcnbeten <Sd)arffinn felbft gc*
fönt: baS toerben totr aber bod^ aUe jugeben, bag bei einem
SBotfott ^tonfc^ aioet gfremiben gleid^ bem $tDtfij^ (S^nfini^
itnb ^etmd tool^rlid^ ®ntnb genug todtt, um — mit einem
fold^en SSerröter 6recf)en. SDenfe bir, ttjärc eine ent^
f(^etbenbe ^rifiö in beinern Öeben eingetreten, nnb bu tjättcft
einen greunb, bcr bir auö eigenem eintrieb ^od^ unb teuer
^teue gefd^tooren, ia betenett l^tte, ba| er IBeben tmb Slut
fftr btd^ toagen looQe. 9htn BHebe er im flnqtnbM ber ®e*
fo^r nid^t cttoa au8 (ba» todre faft öerjeiljlidjcr getpefen);
nein, er fäme, er ftjäre gur ©teile, rül)rtc aber nidit eine
^anb, er ftiinbe rut)ig unb id}antc ^u; bod) nein, er ftänbe
nid^t ru^ig, fein einziger (§Jebanfe hjäre, fid) fclbft 5U retten
unb nm jieben ^ßreid; er ergriffe and^ nid^t bie glud^t (bod
tD&re faft berjei^Iid^er getoefen), nein, er Bliebe ftel^en aü^ —
3ufd)auer, unb fid^ertc fid^ biefe 9Röglid^feit boburd^, bafe er
— bid) ücrlenc^ncte: \va§> bann? SSir ttJoKen ben 9^acf)fa§
nod^ nid)t folgen laffcn, tt)ir njoHen unö ben Hergang re^t
Iebt)aft t^orftellen unb gon^ menfc^Iid^ bat)on reben. $Ufo
bn fifinbeft ba, angefragt bon beinen geinben, tientrteilt tum
beinen fjfeinben; ed ko&re bmi^blid^e ^Ba^)x^)t\t, ba^ bu ringS
öon geinbcn umgeben baftönbeft. 5)ie SWac^t^aber, bie btd^
bod^) Diellcidjt ptten nerftel)en !önnen, fie l)ätten ftd^ gegen
bi^ Derljärtct, fie l)Q^ten bic^. S)arum ftänbeft bu nun ba,
ange!(agt unb t>erbammt — kodl^renb ein üerblenbeter, rafenber
$aufe ^er^^ngen loiber bid^ oudftiebe, mil^nloitig fogar
bem ^banf^n ^ujubelnb, bog bein S^Iut über fie nnb t^re
Äinber fommen foüc! Unb ba^ gefiele ben Mad)Ü)ahm,
bie fonft bie 5D?enge fclbft fo tief neradjtcten; gefiele ihnen,
toeil e§ i^ren befriebigte, baö ticrifd)e SBi(bl)eit unb bie
gemeinfte ^ieberträc^tigEeit an bir i^ren 9iaub unb i^e
eeute gefunben tfittt. ^u l^&tteft bi$ in bein @c|i(lfa( er»
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geben, ()ötteft öerftonben, ba{j Ijicr nirijt ein einziges SBort
5U fügen fei, ba ber $o^n, nur anf ^Inlafe ipartenb, aud£| in
ber f^o6)f)tx^xQtn öcteuetung beiner Unfc^ulb nur %xo^ fe^n,
au^ über bem f(atftai 92a(|&)etd beinec (Skteii^gfeit nur
nod^ me^r fic^ erbittern, nur nod^ rofenber werben, unb fo
ou(6 eine ©c^meräcngäu^crung nur in neuem ipof)n als g^^S*
^eit beuten ttJoKte. <5o ftänbeft bu ba, ton ber menfdjlidjen
i^feUfc^aft auj^geftogen unb boc^ ni^tauSgeftogen; bu ftänbeft
ja ba öon SJienfcJ^en gan§ umgeben, aber nicmanb üon attcii
föl^ in btr einen äRenfc^, u^ietool^l fie in anbrer üBeate^nng
oHetbingiS einen Sli^enfd^en in bir fä^en — ein 5£ier litten
fie nid^t fo unmenfc^Iid^ bc{)anbelt! D ©(^recfniS, fcJ)recf*
lidjcr aU mnn bu unter toilbe %mt gefallen njöreft! Sft it)ot)l
baS n)ilbe näc^tlid)e ®ct)eul ber blutbürftigften SRauBtierc fo
fd^cflid^ njic bie Unmenfc^Iic^fctt einer rafenben aj^enge?
ftdnnen Stoubtiere, ^n Raufen gefd^art, einanber )n größerer
SBiIb^t anreihen, als jebem einzelnen natfirtii!! ift, nrie bod
bie 9}^cnfc^en fönnen, bei toetc^en ber ©injelnc inmitten eine«
rud)lofen §aufeng ben anbern ju mef)r aU tienfd)em S3lut*
burft unb üie^ift^er ^Jtül)eit anreiht? Äann ber unljeimlid^
glü^nbe f8M beS blutbürftigften ^aubtieri^ ba§ bämonifd^
gener ^ben, bad im Singe bed Qtm^ümt auflobert, tomn
er er^i^t nnb erl^i^enb inmitten ber tt)ilben 9Renge raft?
©0 ftänbeft bu ba, angef(agt, öerurteilt, ücrt)öl)nt; ücrgebenS
fcf)auteft bu bi^ nad^ einer men)d)cnä()nlid)cn ©cftatt um,
ge{c^U)etge hai ein ioo^lloollenbei^ Hntü^ bir begegnete, auf
bem bein Htuge andru^n !önnte — ba faf)ft bu it)n, beinen
grennb, aber er toerlengnete bi(^; nnb ber $o|in, \tfy>n ^jmi
laut genug, fd^Iüge nun an bein C^r, tone bnr^ ein ^nnbert«
fac^eö (Sdjo uerftärft! ®efe§t, baö rtäre bir begegnet, nic^t
Xüq\)x, bu Ujürbeft eö bereite für ^oc^^er^ig l)alten, Ujenn bu,
ftatt an ^c^e ^u benten, bein ^uge uon i^m ablel^rteft unb
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— 280 —
jju bit felbft fagteft: „\6) mag ben Söcrrätcr ntd^t bor meinen
Sfugen fe^en'M — 9Bie anbcrS l^onbeUe S()riftug. Gr uianbte
nid^t fein 5luge öon i^m, um fid^ gleic^fam üerbergen, bafe
^[ktntd ba mx; er fagte nid^t: „td^ miU ben ^ct&ter nic^t
fd^"; et fibttm ithifti M netn, „er fa^
an'', er ^olte tf)n fofort mit entern Ö(t<f ein; toenn eB t^nn«
lid^ gettiefen, gemif;, er ^ötte i^n gar angerebet. Unb njie
fo^ S^riftuö auf ^etruö? 2öar biefer ©tief abftofeenb, hjar
eS ein 93ücf, ber i^m glei^fam ben Sibfd|ieb gab? £ neinl
SBenn bie äl^^utter t^t ^nb burd^ eigene Unüorfid^tigfeit in
^kfd^ geuttes fie^t nnb eS mit ^nb nici^ %vaM*
Ratten fann, fo f)olt fie e# mit intern 9M ein, getuig mit
einem öortourf Sooden, ftrafenbcn, aber aiidjinit einem rettenben
SBIicf. <So fat) SijriftuS ben ^ctni§ an. 5ü)o mar ^etruvi
in Oefa^r? 2ld^, mer fann baö nic^t einfe^en: toie fd^n)cr für
einen, bag er feinen gfreunb tiedeugnet t)at! ^er bdcibigte
. g^nb aber tum in beS Qiom^ fictbenf^^ ni^ fel^, b4
ber SBerleugner in f^efa^ fei S)od^ er, ber ber $ei(onb
ber SSelt t)ei6t, er fa^ aßejeit flar, too bie ©efal^r mar, bafe
^etrug in ®efaf)r mar, bafe ^etruS errettet merben foÜte
nub mufete. 2)«; ^cilanb ber äöelt fa^ nid)t fälfc^üd^ feine
@ad^e oerloren, totm ^etrni» i^ nid|t §n ^ilfe etlte^ er
foi^ l»telme^ ben ^ßetotf berbren, loenn er ni^ etitei i^
5u retten, ^t mi)l je ein einziger SJ^eufd^ gelebt ober IdH
einer, ber baS nid^t üerfte^cn fann? (SS ift fo ftar, fo ein=
leudE)tenb, unb boc^ ift dfiriftuö ber einzige, ber biv3 in bem
fritifd^en ^ugenblid fal), aU er felbft ber Stngeflagte, ber
Ißerurteitte, ber ^r^5^nte, ber üBerlengnete nnix. — ^
Immt feiten ein S^enfdl in eine flrifld, bie ökr Sden unb
Xob entfd^eibet, nnb bamm fyxt ein üßenfd^ fetten fletegen«
f^, bie .^ingebung ber grcunbfd^aft fo auf§ äu^crfte gn
er))ioben; menn bu aber aud^ nur erleben mu^t, bag bu in
I
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— 281 —
eiRent lotd^gemt fbifgoAM %ntil^mMt, ftlugl^ triffft,
too bu im 9?atncii bcr ?pec«ttbfd)aft TOitt ttttb (gntfd^Ioffcn^ctt
erttjarten bürfteft; toenn bu auf gtücibeuttgfeit, SBanfelmüttg^
feit unb 5(u§tüei(^en ftofeen mufet, m Dffcnljeit, Söeftimmtf)eit,
©tanb^aUcn ongejeigt ttjöre; loenn bu nur gj?aul()clbentum
fiatt befotnteite Umfid^fett ftnbefi: koie fc^toiettg ift •
barni, ht bet (SUe beS ffngettBIIdS itnb^ bet Setbettfcl^aft fo«
fort öerftc^ctt 5« fönncn, auf lücld^cr @ctte bie ®cfa^r, tDcId^cr
tjon ben greunbcn am mctften in (S)efa()r ift, bu ober er, ber
bid^ )o im ©tic^e läßt; n?ie fd^toicrig ujirb eg ba, bcn 3J?enfdjen
3» lieben, ben man fiet)t — trenn man iljn fo öetänbcrt fiet)t!
Wx finb nun qjtmfjßcd, (S^^tifti ItBene^men gegen $etrnd
5u preifen; ad)ten unt obet too^l baTonf, ba| biefed Kü^imen
nic^t eine @inne8täuf(f|ung, eine ©inbilbung fei, toeti te\t
n\d)t im ftanbe finb ober unö nid)t bie ^(nftrcngung jumuten
rooUcn, un^ mit ber Gegebenheit gleichzeitig ^u benfen. @onft
fönnen toir loot)( (S^wf*«^ |)reifen, tuerben 06er gang anbctÄ
l^beltt mib benfen, toenn koir in unfrer (ebenbtgen (Siegen»
toart anf einen ä\)nl\d)m S^organg treffen. SSHt l^aBen feinen
©erlebt, mie bie geitgenoffen S^tifti SBerhaltcn anfgefa^t
liabeii; trenn bu fie aber triffft, biefe ß^ttgenoffen, fo frage
jte, unb bu mirft auc^ tok faft bei allem, toa§ SljriftuiS
t^Qt, $tt f)öxzn befommen: „ber X^or! mo^te feine @ad^ nod^
fo oet^loeifeit oerCoren fein, baj$ er aber nid^ einmal bie
ftroft hotte, mit einem einzigen, legten 8ft(f biefen Sen&tec
äu germalmen!, meiere jämmerUd)e ©cf)n)achheit! helfet boS
hanbeln tvk ein 5!]?ann!" <5o urteilte man, unb ber .^o^n
erhielt einen neuen ^luSbrucf. Ober fagte ber 9J?ad)tl)über,
ber bie Situation tiberblicfen meinte: „ja, ttwrum fu^te tt
fl^ aber andh €)efellfd^aft bei @üi^m nnb göOnem,
feine 9rn!)anger nnter ben geringften @d^idhten beiS ISoltt?
hätte er ficih ^odh ongeldjloffen, an ben SRat ber
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— 232 —
^omet)men! nun a fernen Derbienten 2o\)tt, mm, ba ed
fu^ ^eitttt^fldtt, toic man auf bcdd Beute Bancii fnm;
bo4, ivic er ftc^ «il^csett feOft fncetdgc^bm fiot, fo
CK es M sule^t; et foim nt^t etttmar bnn^ ful^ eCcid^e
^reulüfigfeit erbittert irerben." Cber jagte ein billigerer, ber
. fogar felbft gutmütig fein glaubte: „baB bie §o^enprieftct
^aben gieifen laffcn, bafe er, fc^iDärmerifc^, toic er mar,
mm alied taiotm {te^ Ua mul fernen Itoftanb gef<^iDä4|t
nnb feinen Wtat geto(!§ett ^oBen, fo boft tx in loeibifd^ fcoft*
lofer äJ^attigfett total in fic^ gufamntengefunfen ift; bamA
läfet e§ fic^ erflären, baß er eine folc^e il^erräterci ücr^^eiljt;
benn fein 3D?ann ^anbelt fo." ift (eiber nur aHju nja^r:
{ein äKann ^anbclt jo. ©erabe barum ift (5t)rifti lieben
and^ \M einzige ^Mipid in bec i^c^id^te, hai ein
Se^iec in bem tCngcndicE, too feine @a^ toie fein Seben
t)erlorcn imb affcÄ auiJ ift, am fd^redlid^ften burc^ bic SBer*
leugnung be§ ©c^üler^, ba^ ein l^e{)rer in biefem 5lugenblicf
butc^ feinen ^üd an biefem ©c^üler feinen eifrigften 2[n*
^ger unb fo ^um großen XeU feine @a(^ genn9nt, lote'
npQ^l baS ffic Olk verborgen ift
^^rifti 2ie6e ^u ^etotS xoax gcenjentoS; er fibie in ber
Siebe gegen ^etru^ bie Siebe bem Wttin^d^ ', ben mon
fie^t, in i(}rer 3>olIfünimenl)eit auö. @r fagte nid)t: „^etruö
mu6 fid) erft üerdnbern unb ein anbcrer SD^cnfd^ njerben,
bebor i^n ioieber Heben !ann"; nein, gerobe umge!e^rt,
er fagte: „^^etmiS ift ^ßetmS, nnb id^ liebe i^n; meine Siebe,
KDenn fonft dXoa^, foll i^m baju l^elfen, bo^ er ein anberer
3Wenfd) wirb." (£r brac^ alfo bie greunbfd^aft nid^t ab, um
fic üiedeic^t Ujieber aufzunehmen, tt)enn ^^etru^ ein anbrer
SDienfc^ genjorben toar; nein, er btsoa\)xtc bie greunbfc^aft
nmieränbert unb ^a(f eben bamit bem ^ßetrud, ba^ er ein
anberer 9Renf(^ tourbe. (Slanbfi bu, ^ßetntft tote o^ne biefe
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treue t^^eunbfd^aft (S^rtfti toieber gekoonnen tootben? ^Qetn
cä tft fo bequem, greunb fein, totm ba8 nid^W tocttet
bebeutet, üon bem greunb etiuad 93eftimmtcg §u forbern,
bie greunbjdjaft QU^ge^en gu laffen, ipenn ber greunb biefer
gorbcrung nici^t entfpric^t, unb fie uieüeid)t miebcr anzufangen,
totm tnt» ber gatt ift 3ft bad ein greunbfd^ftdDerptntd?
SBem fte^t ed benn it%r, einem i^^Ienben )nre(|t ^fen,
aU bem, ber fid^ feinen ^Jrcunb nennt, fetbft »enn ber geiler
gegen ben greunb begangen tv'ixh? H6er ber greunb cntjief)!
fic^ unb fagt (ja eö ift, al^ fpräd}e ein britter): „menn er
ein anberer SJienfc^ getoorben ift, fo fann er üieüeidjt wiebcr
mein %wmh »erben." Unb t& fel^U nici^t tnel, baft n>tr
SRenfd^ ein fol^ Serl^Iten fogar ffir ^oc^^er^ig galten.
^Q§u aber fel^tt freiließ mel, ba^ man t»on einem foId)en
greunb fagen fönnte, er üebe in feiner Jtiiebe ben 2)knfc^en,
ben er fie^t.
(^^rifti Siebe toax gren^enlo^, mt e^ fein mug, trenn
iDo^r nnb \mxüvä^ loerben f oU, baft man in fetner £iebe ben
ax^nf^ liebt, ben man fie^t. 2)ai$ ift fe^ Iei(|t einju«
fe^en. Sie fet)r n&mUd^ unb ouf tottä^ SBeife auc^ ein
SKenjd) ftc^ üeränbere, er öeränbert fid^ boc^ Xüoi^l nid)t fo,
baB er unfic^tbar mirb. S)t biefe^ — Unmögü^e — nid)t
ber gaÜ, fo fel)en wir i^n ja, unb bie ^flic^t ^etj}t unS ben
S)i{enff^ lieben, ben nnr fe^en. 3m allgemeinen meint man,
tomt ein SO^enfc^ tvefentlidl ^um Schlimmeren Derftnbert
^be, fo fei er fo uerfinbert, ba| man ber $f(i^t ber Siebe
i^m gegenüber entbunben fei. 3Belcf)c ©praci)üern)irrung!
(Sntbunben luerben ~ oon ber IMebe, alö ttjäre fie etttiasJ
(Sr^ttjungeneg, eine iöürbe, bie mau abzutocrfen »ünfd^t! 2)aiJ
(^riftentnm aber fragt: ,,fannft bu i^n »egen biefer ffkt*
finberung nic^t me^r fe^n?'' ^rauf mag bie |[nttoort
lauten: „freiließ fann ic^ iljn fe()en, ic^ fe^e ja eben, bag er
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ber SteBe it^t mf^t tont tfl." &tffii bu ahn bad, fo
fie^ft bu eigeittlid^ nid)t i^n {toa^ bu bod| in anbercm ©tntte
nic^t beftreitcn fonnft), bu fiet)ft nur bic Untrürbigfeit, bie
UnöoIIfommenfjeit, inib läiimft bomit ein, baB bu, al^ bii
i^n Uebtcft, in einem anbeten (©inne nic^t il)n fa^eft, fonbcrn
tiitt feine ^OT^fige unb Sßoöfommenl^cit, bte bu liebteft. ©tjrift«
n^berftanben l^fatbogegen (iebengetabe benäRenfd^n Uebett,
ben man fie^t. Der 92ad^btttd! (tegt nl^t baranf, bag man
bic 58oClfommenl)eit liebe, bte man an einem 50'?enfc^n fie^t,
fonbern auf bem 3)?enfd)en, ben man j'ief)t, mai] man an biefem
ä^^enfc^en nun ^oEfommen^eit ober UnüoUfommen^eit )et)en,
ober gor bie trautigfte ^eränbernng; benn feinenfaU^^ !)at
er aufge^rt, berfelbe äRenf §u fein. Sßenn 'einer bte iSoQ«
fommen^t Hebt, bie er an einem aRenfd^en fie^t, fo fiet)t
er nicf)t ben SWenfd^en unb l)ört bat)er mit feiner Siebe auf,
h)enn bie 58oÜfümmenf)eit aufliört, menn bie ^^eränberung
eintritt, bie bod) mo^l felbft im traurigfteu gaüe nid)t bc*
beutet, ba6 ber SWcnfd^ auff)Örte ba^ufetn. Seiber aber
^ bie Mog menf^Iid^ ^uffaffung ber Siebe, felbft bte
ttjeifefte unb geiftreid^fte, bod^ ettooS §od^fliegenbeÄ, ettaiail
@d)n)ebcnbeS; bie dE)rift(id^e Siebe bagegen fteigt uom Gimmel
5ur ®rbe nieber. ^ie 9iid)tung ift fo gcrabe bie umqcte()rtc.
^riftlidje Siebe fc^loingt fic^ nidjt gen ^immel, benn
fie fommt öom Gimmel unb bringt ben ipimmel mit; fie
fteigt ^emieber unb erreicht bamtt, ba^ fie ein unb benfeCben
Wltn^ä^tn m allen ^erAnberungen (tebt, koett fte in aQen
S5eränberungen benfelben SKenfd^en fief)t. 5)ie bloft menfc^*
(id}e Siebe ift beftänbig im S^egriff, gteic^fam fortzufliegen,
ber ^-l>oüfümment)eit beg beliebten nadj= ober mit i^r baöon*
juflicgcn. Wxx fagen öon einem ®erfüt)rer, er fte!)te einem
Wt&h^ fein ^etj; non oller hM menfti^Ui^en Siebe aber,
felbft t>on ber fc^dnften, mug man fagen, ed fei etUpaiS^tebift^
— 286 —
Ott i^r, fie orttocit^ bcm i^teBlen bod^ feine SoHlotitmett«
^cit, tDogegen bte d^riftlic^e ßiebe bem ©eüebtcn alle feine
Untooüfommen^tten unb ©cf)tt)Qdif)eiten fdjenlt unb in allen
feinen ^erönbcrungen bei i^m bleibt, ba fie bett ^eufc^
UAi, be» fie fielet
Seid^tkle M bctf nti|t fo, fd toftte Q^fM nie bagn
gefotnmen, p (tefieti; beim ti»o failie er ben SoCObimnenen
cjefunbcn liaben! 9J?erfn)ürbig! SBq§ ftinbert bcnn (SljriftuÄ
eigentlidj, ben 55oIlfommenen finbcnV SBar'g nicf)t er
felbft, bog er eben ber ^oUfornmene toax, toa& baran erlannt
toicb, bag ec ben äRenfc^, ben et fal^, gten^enlod liebte!
83te ttntttbetlid^ fseuaen bte SorfieSmigen! SBtc lebeit
bei ber Siebe imtner \mm SoHfontmetteit unb iBoUfbntinenen;
boS S^riftentum rebet bei ber Siebe aud^ immer Dom ^SoK*
fommenen unb 3Sotlfommenen: aber tt)ir 9J?enfc^en reben
leiber üon bem ^ottfontmeneUr ben mir finben ntüffen unb
bann lieben {ftnnen unb looDen; bod (^^^liftentum vibtt toon
bem Solltommenen, ber vS^ fein foE, um bte aXenfi^en gren^
XfA p lieben, bie id) fel)e. SBir 3Äenfc^cn wllett emfwt
fe{)en, um md) bem ^egenftanb ber i8o(lfDmmenl)eit fe^cn
(Die Dii^tung ge^t bo^ beftänbig auf baä Unfi^tbare); in
ß^rifto aber fa^ bie SSollfommenf)eit jur (Stbe nieber unb
tidbte ben äRenfd^n, ben fie fal^. Unb tiinn (K^riftentum
foHen mir (emen; benn eiS gilt hoä^ in nod^ biel meiterem
@inne, aU e« urf|)rängtid^ O^fogt ift, bag niemanb ^um
^immel auffteigt, aufeer bem, ber üom §immel l)ernieber fteigt;
fo fc^märmerif^ bie ^Jicbe aud^ lautet, bafe bu bic^ jum
^immel fd^toingeft, e^ ift eine (Sinbilbung, menn bu nidjt
}nKwr d^ftlii^ kMmt ^immel nieberfteigfi 5Du fteigft ober
d^filid^ timn ^immel f^exMttx, menn bu ben SRenfd|en,
ben bu fie^ft, fo toic bu it)n fiel)ft, grenjento» liebfl SBillft
bu ba^r in ber Siebe uoUfommen merbeu, \o [uc^e bie je
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^-Pflic^t 3U erfüllen, in beiner Siebe ben 2)?en)c^en Heben,
ben bu fiel)]t; liebe it)n fo, mic bu il)n fic()ft, mit aÜer feiner
UnüoUfomaien^it unb 6c^n)ac^l)eit; liebe \f)n, tok bu it)n
fiel)ft, mm et fid^ gonj üeranbert f^i, totm er bi(^ nid^t
mtfjft liebt, fonbem DieQeicl^t gteu^Ctig ftd^ ofitoettb^ ober
fic^ abtuenbet, um ehteti anbereit (iebett; liebe i[;n, nne bu
t^n fie^[t, n^enn er bid) uenät unb uerleugnet.
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V.
ttnfte P^ütty in itt ittke Si^uü gegen
einanier }u bleiben.
äiömec 13, 8. „(^iH niemanD ni(f)t^ f(t)u[Dig, l»am iMife i^x ew^
tttUet einatiDeT lietri."
an ^Qt auf Derfd^icbcne SBetfen bcjeid^ncn uitb
6ef(f)rei6cn üerfuc^t, tpie bte fiiebe einem 9)?enfrf)en, in
bem fic ift, jum SetoufUlein fommt, bcn g^^^'^i^b in ber
Siebe, ober, tvk bem p SKutc ift, ber (iebt. äÄan nennt bie
Siebe ein ©efü^t, eine Stimmung, ein Seben, eine Setbem
{(i^ft; ba biefe Oefitmmungen in allgemein finb, ^ot man
fie aber nod) genauer 6efd^Yetben tt)O0en. Wtan ^at fie ein
SSermiffen genannt, ober n)of)t gemerft ein fo(d£)eö, bafs bei
Siebenbe beftänbig ücrnÜBt, er boc^ bcfi^t; eine ®et)n=
]urf)t, bie ober too^Igemerlt beftänbig auf baö get)t, toag ber
Sicbenbe bod^ eigen !)at benn fonft ift eg ja ung(ücfü(^e
ßiebe, nmd man bef(|retbt. ~> Sener einfältige S^fe M
SQtertnmd I)at gejagt, „bie Siebe fei ein ftinb bei} 8tet(!^umd
unb ber $rrmiit." SBer »äre ml){ auc^ ärmer a(S einer,
ber nie geliebt l)at! ?(uf ber onbern @eite aber bat eigent-
lich nid)t einmal ber ?(rmftc, ber gebüdt S3rodcg. au|lie|t
unb bemütig füt einen Pfennig banft, aud^ nur eine ^or«
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fiellung bobon, ime Hein bte S^Ietntgfett fein fann, bie fttr
ben fiicbcnben unenblidjen SBert ^at; mt flein bie Slleinig=
Ceit {ein fann, bie bcr ßiebenbe (in feiner 3lrmut!) mit aller
©orgfalt auflieft unb üorfic^tig aufbctt}at)rt — aU ben foffc»
baiiften ©c^a^l @el6(t bec ^tinfte ift no^ nic^t im ftanbe,
eüoad 5U fe^en, toad in fetner ftleinl^eit nur bem gefd^arfften
fBIide bet Seibenfd^aft (ber Siebe in «ttnmtf) nidlt ent«
ge^en fann unb biefe in größte 93eftüräung bringt! Se gc«
ringer aber ber ©egenftanb ift, ben bie 3trmut auflieft, unb
je übcrfc^toänglid^er fie bafür aü für bie größte ®abe banft,
befto gtdger mug \a bte ^rmut fdn. Sa, ff^red^enber aU
afle ^Beteuerungen beloeift bte ®rd(e ber 9(rmut, menn ber
Hrme für einen ¥f^^d fo inBrünftig banft, afe l^ättcft bu
i\)m 3ieid^tum unb Überfluß gegeben, fo inbrünftig, al§ njöre
er nun reid) geujorben. ^enn eö ift leiber nur alljugeroiß,
baß ber ilrme n^efentlid) gleich arm blieb, fo baß ed nur
feine — unfinntge SBorftettung UKir, bie i^n reid^ machte.
@o orm ift bte Krmut ber Siebe! — (Sin ebler SÖ^onn 1^
ton ber 8teBe gefagt: „fie nimmt olled unb gieBt aQed."
2Ber empfing and) niel)i-, aU mv eine^ SD^enfc^en Siebe
empfing? unb mer gab mel)r aU mer einem 3J?enfd)en bie Siebe
gab? ^4Benn ber 02eib einen ä)^enfd3en noc^ fo ge^ffig aller
uiirflic^n ober oermeintlic^ Qk^iit entfleibetr !onn er kool^I
fo Bis in^ 9tttierfte einbringen, hai er aOeS nft^we? O nein!
er ift tnel %u bumm; er a^nt ntd^t einmal, ttw baS ^erfted
fein fönnc, ober baß e;^ ein foldieö gebe, in bem ber ma^re
$Reid)c feine mat)ren (Sc^öje geborgen Ijat; er a^nt nic^t, baß
eö mirüic^ einen oor 2)ieben (alfo aud& üor bem D^eib) fic^rcn
Sflaum giebt, Une ^ @€^&|e gie^, koelc^ S)iebe (alfo oud^
ber 92eib) nii^ fte^ten Knnen. Sie Siebe aber fanit BüS ind
Snnerfte hinein bringen unb einen SO^enfc^en fo au§plünbem,
boß er ni^^, nic^t^ ^efi^t, fo baß er jelbft jugelle^t, er
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beftgc nid)tö, nic^t^, gar nicfjtiS! SD^erfiüürbig! 2)er Dieib
nimmt, ipie er meint, alleö, unb t)Qt er eS genommen, fo
jagt ber SD^enJc^: id) fyibc eigentlich nid^tö üerlorcn. ^ic
2iebe aber fann oQed fo ne^en, ba^ ber SKett^ \tUKx
fagt: ^ befile gar tiu^.
^Dod^ am tceffenbfien Befd^reilt matt DteHeU^t Ue Steie
atö eine unenblidjc ©d)ulb: njenit ein äWcnfd^ bon ber Siebe
ergriffen trirb, fo fommt i()m bicö in ber SBeife jnm 23e=
iDugtfein, bag er glaubt, in eitler uuenblid^n ^c^ulb
ftel^n. 3m allgemeinen fagt man bon dnem, ber geliebt
tptrb, er fomme \mx^ bie ü^m Bcmiefene Siebe ht @(^tt(b.
So rebeit mit bat>on, bag ftraber i^ren (S(tem gegentber in
einer Siebe^ofc^nlb feien, mil biefe fic juerft geliebt ^aben,
fo bafe ber Slinber Siebe nur ein Hbtrag au ber @c^ulb ober
eine Vergeltung ift. Unb bod ift auc^ loa^r. ©(eic^too^l
eritttttn bkfe 9lebe ofl^ufe^r an eine toirUti^ i^brecf^nung:
e9 ift eine @($tt(b oitfgelanfen, bie QJb^ß^0t toetbeit foS; cd
ift und Siebe ertoiefen toorben, bie mit Siebe abgegal^It toerben
foH. ^aöon reben Uiir je^jt nid^t, baüon, bafe iocr empfangt,
baburd) in ©d)ulb fommc. S^ein, mx liebt, ift in <5rf)utb;
inbcm er fu^ oon ber Siebe ergriffen fü^lt, loirb er fic^ beffen
aSA einer »wnbUc^ @c|iilb benmj^ in ber er ftd^ befinbct
atanberaar!
9lk Siebe eined S)^enf(|en ift ja toie gefagt bad ^>^d)ftc,
toa^ er geben fann — unb boc^, eben bamit, baf? er feine
Siebe giebt, eben bur^ feine ®abe fommt er in unenb(i(^c
<Schu(b. S)arum fann man baS Eigentümliche Der^itebe
fo be^id^en: baft ber Siebenbe bux^ feilt ^eben uu*
ettb(i(| in @c|ulb — in ttnenbltt^e 6c|tt(b fommt
@o oeti^b ed fich aber mit bem UnenMic^en, unb bie Siebe
ift unenblic^. Söenn man ®elb l)ergiebt, fommt man freiUc^
nic^t in @4tttlbi ba tommt oieUne^r ber d^m^tänger in
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@d^iilb. (SJiebt aber bcr Stebenbe, roaö unenbUd^ ba§ ^öd)ftc
ift, baö einzige, ba^o ein 9}?enfd) bem onbcrn geben fann,
feine Siebe, fo bmmt er jelbft in eine unenbUc^c ^c^utb.
SBelc^ fd^ne, loetdl ^ige <S(|eu fiU^tt bie £tebe nic^t bei
fid^! &t barf ittc^t Btog nid^t dtitebeit, X^int fei
«ttoüÄ $Berbtenfttid)ed; nein, fic fc^eut fic^ fogar, iftre« %fymi
eine§ 5lbtragö an bcr (Sd)nlb fid) beiru^t jn tücrben; fie
njirb fid) it)reö (iJebenö a(ö einer nncnblid)en ©d)nlb bett)u6t,
bie ja nie abge^a ()lt n^erben fann, meil ba^ (Sieben immer
tmebev in @d^ulb bringt
®o fbnnie man bie Siebe befi^teiben. 5Da9 S^tifta«
tum ober tjertoetlt nie Beim rn^ben 3"f*tJW^> ober bei ber
blühen 33e|d}reibung beöfelben, cy eilt immer 5ur Hufgabe
ober ftetit eilig bic Aufgabe. Xae ift eben in bem SBort
be« 5(po]tcI§ auf^gcbrüdt: „feib niemanb nid)ts fd^ulbig, benn
bag i^r eu^ unter dnanber liebet", toüä^ SBort koir bepn
5ur ®nmblage fftr unfre (Srtoögung maä^:
jS)a| ed unfere $fli^t ift, in ber Siebe ^d^ulb gegen
einanber }u verbleiben.
3n einer <5d)u(b bleiben! ©oÜte ba^5 mijl jd)tDierig
fein? nic^td ift ja leifl^ter, ai» in einer ©d^lb ju bleibenl
Unb foHte. bad bie Aufgabe fein, ba| tmr in einer ©d^ulb
Meiben? totr meinen ja fonft, bie ^lufgabe fei tnetmel^r, an9
einer ^xl)uih berau^^ufümmen! Um ma^ für eine ®d)nlb e§
fic^ and) Ijanbeln möge, eine @c(bfd)ulb, eine (5l)renfd)ulb,
ein IBerfprei^en, immer ge^t ja bie Hufgabe ba^in, baj? man
je bftlber je lieber auS ber ^ulb ^audfomme. $ier aber
foQte bie Aufgabe, atfo (El^renfad^e fein, in i|r jn berbleiben'
Unb toenn baiJ bic ?lufgabe ift, fo mufe e« ja eine ^anblung
fein, üielleidit eine iücitläufige, fd]Unerigc |)anblung; in einer
(Sc^ulb p bleiben ift aber gerabe ber Hu^brud bafür, bag
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mau firf) nidjt bag mtnbeftc üovnimmt, ber 9ru^bruc! ber
Untf)ät{gfeit, (55(eic{)gü(tigfcit unb ^rägljeit. Unb eben basfelbc
foU f)ier ber ^uSbrud für ba^ gerabe ^enteil ber %Uvi^
gfiltigfeit fein, ber Idtöbrucf ber üneitblid|en £teBe!
@tc^, all ba8, alle btcfe fonberBareit ©d^toiertgfeitcn,
bie fidj iriber biefe eigentümlid^e Dkbetoeife grcid^fam auf*
türmen, beuten barauf ij'm, ba^ bie @a^e einen eigenen
3u{amment)Qn9 ^aben mn% \o bafe eg bereite einer getuiffen
Umbitbung bed @tmtd unb (^ebaitfend bebarf, um nur auf
bad aufmer!fam ju loerben, um ttKi9 ed ftd^ Rubelt.
S8ir tvollen und junäd^i einen (eichten beulen.
SBenn ein Siebcnber für ben (beliebten etlüQg, menfdjiid) ge*
rebet, fo 5lu6erorbentlid)e^5, fo ^oditiergigeg, fo ^(ufopfernbeg
gett)an t)ätte, ba^ mir SDJenfd^en fagen müßten: „baö ift bad
^öd^fte, m& nur ein iZJ^enfd^ für ben anbern tl^un {ann",
fo tD&tt bod ja f(^5n unb gut. Stngenommen aber, er fflgte
^n^u: „fte^, nun ^abe iä^ ntetne ^ulb abgeja^It", koäre *
boS ntd^t ein lieblofe?, fdteö unb ftrengeS SBort? toäre e§
nid)t, njenn ic^ fo fagen barf, eine Unanftanbigfeit, bie man
niemals Ijören joUte, bie aud) in ber guten (SJefeflfd^aft ber
ujQ^ren Siebe uner^rt ift! SBenn bagegen ber Sicbenbe
feiner l^od^^^igen, aufoipfemben X^t erfl&ren »ürbe: „ic^
IiaBe je^t noc^ eine Sitte, tag mid^ bir t)erpf{td^tet bleiben":
toärc ba§ nic^t ein (iebeS SBort? Ober tocnn ber ßtcbenbc
mit jebem Opfer bem SSunfd) beg beliebten ttjillfalirte unb
baju nod) fagte: „e^ ift mir ein ^-8ergnügen, Ijiemit ein tcenig
an meiner ©c^ufb abzutragen — in ber it^ bod) gerobe p
DerMciben tofinfc^" : bod nid^t ein iitU^ SBort? Ober
toenn er rein terfc^miege, bag ed i^n ein 0)}fer foftete, (ebig<
iv6^ toeil er ben öcrmirrenbcn ©cbonfen ferne l^atten looQte,
e§ fönntc einen ^(ugcnblid mie ein 5lbtrog an ber ^c^ulb
erfc^einen: tuäre ba^ nid)t ein ©ebanfe toirlUc^er Äiebe? SBcnn
lex tegaarb, SBaUeit t)er Siebe. 16
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fo ift, fo ift ja bamit Quggebrüdt, bafe t)icr ein eigentliche»
Sficci^nen unb 3^^^^^^ unbenfbar, ber Siebe burcf)Qu§ njiber^
Itc^ ift. @ine 5lbree^nung lägt ftc^ nur anfteüen, too baS
SBei^äUttid ein etiblu^ ift; betm bad ^x^äJitm& t>t» d^nlk
lUfym ittin (Eitbn<|ett fUl oista^eit. S)er SMenbe
o6et faim ntd^t red^tieti. SBemt bie thtfei^b me tPtffen
bcfommt, toa^ bie redete t^ut, fo lägt fi(^ unmöglicf) eine
Sficdf)nung abfc^Iiegen; ebenfotuenig, Irenn bie (Sc^ulb unenb*
lic^ ift. iD^it einer unenblid^en &xö^t knn mau ni^t rechnen,
bemt Betec^eit ^t|t gecabe kwtestblu^. — S)er Siebenbe
Mitfd^t alfo um ferner felBft Urilleii in ber @^iilb ^ bletBen;
er Mnfc^t feine (SittBtitbung Don irgenb einem Opfer, hwcä^^
onS nidjt. SBillig, unbef^reibtid^ hjiÖig (tüie eS ein tt)ätigcg,
fd^äftigeö 2)ing um bie Siebe ift) rtiH er aUeö t^un nnb
fülltet nur bad (^ine, er fönnte alles fo t^un, bag er aud
ber ©d^itlb Säme. %M i% red^t kierftanben, bie Surd^i» ber
SSmifd^ ift in ber Sd^nlb ^n bleiben, wib er ift |ng(eid| bte
^ftic^t, bie «ufgak. 3ft bie ßieBe in wn» SKenf^en nicf)t
fo öoUfommen, bog bie§ unjer SSunfc^ ift, fo foll bie ^flicfjt
un^ baju bet)ilflid) fein, bag toir in ber ©d^utb ncrb(eiben.
SBenn e§ ^ßflic^t ift, bafe toir in ber Siebe ©c^ulb gegen
einanber bleiben, fo müff en toir frft^ unb \p§Lt, ja eloig
loailfani fein, ba^ bie Siebe nie bei fi^ fclbfi Oer*
loeife ober fi^ mit ber Siebe in anberen ütenfd^en
Dcrgletd^c ober fidj mit iljreu eigenen Seiftungen
Oergteic^e, bie fie üoUbrac^t t)at.
SD'^an ißtt in ber äBelt oft begeiftert unb feurig Don
Siebe reben, bon d^lauben unb hoffen, oon bed $ei^nd
0fite, tnrs oon allem Sbeolen, unb ttrirb oon ben glfi^ben
finUMäm, ben glü^enben ^rben ber ©c^ilberung l^inge*
riffen. Unb bod) ift eine foldje Stiebe red^t eigentlid^ eine
gemalte SBaub unb bei näherer unb ernftlic^erer ^efic^tiguug
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— 243 —
ein S5etrug, ba fte ben ^n\)'öxtxn enttoebcr fc^meid^eln ober
i^rcr fpotten mu^. 2J2anc^mal befommt man aud^ einen
c^xifUic^ Vortrag l^ren, beffen ganjed ^el^eimnig btefe
in einer iUtlettung ^ ^füiid^ )Be^ tcflgenfd^ Qe«
geiftecimg tfi ffiemt n&ndtc!^ jemaith cntf ehte folc^ Hebe
^ ganj einfältig uitb teMid^ (bo8 tft cBen Slebltd^Iett, bafe
man nac^ bem ©efagten l{)un, fein £e6en einrichten toiß)
fragt: „tuag fotl ic^ benn tl^un, toit mu^ ic^ eS ongreifen,
ba§ bie Siebe jo in mir aufflammt?" fo muß bei SÜebnec
eigentlich antttwxten: ^bod ift eine fonbecbaxe Stofie; iver
Siebe nnb i&Uaibm nnb Hoffnung rnib $et§eniSgüte f^, bec
l^t fle auf bk befc^eSene Sßeife; bem aber, ber fte nk^
^at, fann eine SfJebe nid^t fielfen." ©onberbar! Wan follte
bod^ glauben, eä tt)äre befonber^ üon SSert, ba^ ju benen
gerebet toürbc, bie nic^t fo finb — bamit fie fo »erben
Idnnten. ^iec liegt ober eben h(A Xxägecif in bem 8lenb»
tocA: man tebet, att moDte man bie SÖtte anleiten, nnb
mug bann geftei)en, man fihme nur t>on benen teben, bie
feiner Einleitung bebürfen, nieil fie nun einmal bie ^i'oüfommen*
l)eit l)aben, ttjelc^e bie Siebe bcfc^reibt. 3" ^^"^ ^^^^^
bann aberV n7em foQ bann biefe 9lebe &tanm bringen, ba
^iM^tend einige eii^ne finb, toon benen fie tebet — menn
ei^ über^n|»t fold^e einzelne gtebt
Sollte aber fold^ei» mh 5Cfinbeln an<^ (Sf)riften'
tum fein? ®ann ift eg ein 55^f)ler am urjprünglic^en Sänften*
• tum, bafe eö feine SSorte üon ®ered§tigfeit unb 9?eint)eit be^
ftänbig an ©ünber unb ^bUntt ridfitct, bie boc^ tooljl nid^t
gerecht finbl 2)ann l^tte ja iM (S^riftentum, ftatt fo f)ii|ig
toon ben (gerechten jn rebcn, bie ber 8n|e ni^ bebfirfen,
fid^ richtiger ju einer Sobrdie auf bie — <&mäjitm oufgepu§t!
@olI aber baS gefdjclien, fo ift nic^t nur niemanb ba, ^u
bem bad d^riftentum reben foU, ad^, ed giebt aud^ niemanb,
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üon bem reben fönnte, b. fi. ba§ (5;f)riftentum ift bann
5um ©c^tocigen uerurteiU. dldn, am aUenüentgften l)Qt baä
(S^tentitm fid^ aU eine Sobtebe dngeffil^ct, utib ci^ fid^
nie toirit 6cfa|t, Bef(|rei8enb babet beduetlen, lote ein
SHeitfd^ ittm eHtmal fei; c8 ^ot tiie ehten tttitcrf d^tcb jtDifd^cn
ben 9J?en]c^en gemad^t, fo bafe nur non benen reben Jönnte,
bie nun einmal fo gliicflid) finb, fo Hebcüon ju fein.
©tjriftentum beginnt \ixad& mit bem, toaö jeber aj^enjc^
toetben f oll ^runt nennt fic^ bad <^nftentum eine fin«
leünns nnb mit 9led^t; benn niemanb lohb bei (S^tifbtSr
toclc^cr ber SBeg ift, ober Bei bet ©d^rift, bie bie Ifnrettmtg
ift, öergeblic^ anfragen, tüa^5 er tl)un foüc: ber gragenbe
beJommt e§ fofort luiffeu — tncnn er fclbft \v\U.
^amit foQ ä)'2igt)erftänbniffen oorgebeugt toerben. äBei
^ ni(|t f offen toHXL, kood il^m bec Siebe koegen ^ngonntet imrb
(nnb gettpil nntg anr ffoeignung nnb Seloa^cnng bet Siebe
jebem ttiet ober rid^ttger aHeS ^ugemntet loerben): ber ^t
fid^ aufeerl^alb beö SJ)riftentnmg geftellt unb ift ein §ctbe, ber
ba§ ®(ücf(ic^e, alfo ba§ 3"?^'^^^^9^ betounbert, aber gerabe barum
im ^nftern tappt, iDirb auc^ fd^merltd^ oor i^m Hefter
»erben, ob and^ nod^ f o inele 3nlid^ tmt tl^m ^erumgaufeln.
fßtm fott a(fo etnmd nnb foH benn nnn
gefd^el^en, bantit man in bet Siebe ©d^tb gegen ein«
anber bleibe? §at ber gifcljcr einen gifd^ gefangen unb er
tt)ill if)n am Seben er(}aUen, maö mu^ er bann tf)un? @r
nutg i^n fofoit ind Kaffee t^un, fonft fied^t ei: ^tn unb gel^t *
fiber fni} obet lang (l^runbe. Unb nxmtm mn^ man ^
ind »af^ t^? föeti bem gifd^e bad »äffet fein (Hement
ift nnb atled, \üa(^ am SeBen erhalten werben \oll,
in feinem (SIemcnt ju belaffen ift; ba§ Clement ber
Üiebe aber ift Unenblid)feit, Unerfc^öpffic^fcit, UnermcBtid)*
teit ^iUft bu ba^er beine Siebe bekoal^ren, fo ac^te bar«'
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«
*
— 246 —
anf, bag fte, burti^ bte Unenblid^eit ber ^et^eit
unb Scben gefangen, beftänbig in i{)rem Clement bleibe;
fonft fiec^t fie ^in unb erftirbt — nic^t über furj ober lang,
benn fie ftirbt fofort, roaö eben ein 3^ic^en \üx biefe i^re
^ollfommeiil^it ift, ba| fie allein in ber Unenbltc^fett
leben bnn.
»ü6 Unenbtid^feit, Unerf^ö^jflid^feit, Unermefelic^feit bad
©fement ber Siebe ift, n^irb gettJtfe niemanb leugnen; eS ift
auc^ Ieicf)t ein^^ufetjen. eingenommen (mir fönnen ba§ ja
mol)l annehmen), bafe ein £'necf)t ober irgenb ein 5lrbeiter
ffir So^n genau gan^ bai^felbe för bid^ tl^ne toie bei Siebenbe,
fo bofc alfo bte ©nmme il^ detftmtgen nnb SHenfke füx
ben Secftottb nnmiteifd^bBat gleid^ ift, fo Metbt bod^, bod^
ein unenblid^er Untcrjdjieb, ein Unterfdjieb, ber gar nic^t §u
ermcffen ift. ^er eine üon beiben giebt näm(idf) beftänbig
noc^ eine S^Qaht barein, bie fonberbarermeife unenbUc^
me^r toert ift ald bie Seiftmtg, ber fie bie S^Qaht bilbet
^b^fyiXb bcieid^ iptc ben Untecfd^ mit Stod^ a&» ^nner«
nteglic^". 3n aQem, mi^ ber Siebenbe fftr bi^ t^ut, im
Unbebeutcnbften ttjie in ber größten Zijat ber 5(ufopferung,
giebt er beftänbig bie ßiebc mit baju, unb baburc^ ertjält auc^
ber geringfte ^icnft, ben bu einem ßoljnarbeitcr meUeic^
faum anrci^nen niürbeft, unmefebaren äöcrt — Ober lo^ einen
SKeufd^en onf ben i^nd^ Herfallen, ob er nid^ o^ne eigent»
Itc^e ^Be jnm anbem, kbtgltc^ loetl er ed einmal fo »oOte
(alfo oerfuc^gt)olber — nid^t aug ^flic^t), ebenfo unerfd^ö^f*
lic^ (toie mir ^u fagcn pflegen) in ^(ufopferung, 3)ienftleiftungen
unb Sufeerungen ber Eingebung fein fönnc tt)ie ein anberer,
ber benfelben ST^eufd^en n^irflic^ liebte: bu fie^ft leicht, ba|
er ci^ nid^ erreid^ bo| im dkgenteil ein Unterfd^eb annfd^
ben beiben Bleibt, ber gar nid^t auiSjumeffen ift. ^ tokd»
(id§ Siebenbe be^äü immer einen ^orfprung, unb ffoai einen
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— 246 —
uticnblic^en SSorfprung; benn fo oft jener eine nenc ^ufeerung
öon Eingebung auSgefonnen, bercd^net unb gefiinben !)Qt, ^at
fk ber ßiebenbe bereits aitögefül^rt, toeü er feiner S^erec^^
mmg 6ebacf imb bantm aitd^ leinen Stngenbtid mthttf&t^
3n einer nnenbltd^ @d|nlb fein mib berBCeiBen ift
aber gerabe ein 5(ugbrucf für bie Unenblid^feit ber Siebe, fo
bo^ fte in il^rem Clement bleibt, trenn fte in ber ©c^utb
bleibt. @g fitibct ^ier ein SBec^felüer^äUnig ftatt, ba§ abcc
anf Reiben Letten ein nnenbli^ed ift (Sinerfeitd ift'S ber
Miebte, ber in ieber SiebeMnlemng bell S^iebenben (ietooll
W Unme|8ariett erfennt; anbrerfettil fü^It ber l^^be bie
Unmcparfcit, tocil er erfennt, ba^ bie ©c^ulb unenblidj ift.
§iebei ift ein unb bagfelbe ftet^ sugletd^ unenblid^ gro6 unb
unenbüd^ flein. ^er ©eliebte gefielet in Siebe, bafe ber
SHebenbe bnrti^ tta& ftlctnfte nnenblifj^ me^r atö a&e
anbem mit oOen, an^ ben größten 0))fem; nnb ber Siebenbe
geftef)t fid^ felbft, bag er mit oHen m6gli(i^en 0))fem nn«
cnbfid^ loeit f)inter bem ^urücfbleibt, toa^ er alö feine @^utb
erknnt. 2öetd)e n^unberbare ^lu^gteid^ung tioKbringt boc^
^tcr ba^ Unenblid)e! O, bie (5Jetef)rten finb ftolj auf bie
IBere^^nnttg b«^ Unenbtic|en; ^ ober l^aben inir ben @tein
ber SSBeifen: bie gertngfte Seifinng ift nnenbtid^ größer aU
aSe Opfer, nnb olle Opfer finb unenbtH!^ gering, ttienn
fie für bie geringfte ?lbtragung an ber (Sd^ulb gelten woÖen.
2öa8 fann nun aber bie Siebe aug it)rem Clement
bringen? ©obalb bie Siebe bei fic^ fefbft Dernjeilt,
ift fte att|er^a(b i^red (i^lement«. fBkA ^|t t», baft
fle bei ftd§ fetbft benoeKe? S)afe fte fid| felbft aum ®cgen«
fhmb ttietbe. ®in ©egenfionb aber ift otleaeit ein gefä^r«
lid^eö ^ing, toenn man fi(^ üorttiärtö beiregen foH; ein
^egenftonb ift ald ein enbUd^ fefter $unft, ai^ ^ren^e unb
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— 247 —
|)emmm9 ein gefö^rltd^ 50mg ffir bte UttenMic^feti Un<
cnblic^ fann fic^ nämlid^ bie ßte6e ifid^t felbft jum ®cgcn*
ftanb Serben; bog l^ätte auc^ feine ®efal)r. 2)enn tuet un*
enblid^ fid^ fel6ft ©egenftanb ift, Bleibt in bct Unenbli(^feit;
ttiemt alfo bie Siebe in biefex SS^fe i^ eigener (fikgenftanb
ift fo ift fte mir obec betbteibt in \!^itm Sein; beim fte ift
in fid^ felbfi eine S3erbo|)))eIung, unb atö burd^ @e(6ftbe»
toufetfcin unb ©elbftbeftimmung öerbop^)e(teg ßeben, atö
©eifte^Ieben, ift fie uncnblid^cS Seben unb fann nid^t tuie
ba§ b(o| natürliche ^Da^inleben in ber einjclncn, jcrfplitterten
ibilentng anfge^. l^ermeilt alfo bie Siebe bei ftd^ felbfi,
fo nrng fte fid^ a& einzelne SiebdNingcntng ober ntu^ i^t
eine anbcrc, öereinjette Siebe jum ©egenftanb toerben, bie
Siebe in bem einen 2J?enfrf)en unb bie Siebe in bem anbem
aj^enfc^cn. SBenn fo ber ©egenftanb ein cnblid^cr ift, fo
öertoeift bie Siebe bei ftd^ fclbft; benn baft fie unenblic^
bei ftf| felbft HeAoeile, |ei|t gerabe, baft fie fid^ beioege.
SetlDcilt abet bie Siebe ettb(i<!| bei ftc^ felbft, f o ift oSeiS
(orcn. S)enfe bir einen ^feit, ber, »ie man fagt, pfcilfd^neU
bat)inf(ie9t; benfe bir, er befäme einen §lugenblicf ben (Einfall,
er n^oUe bei fic^ {elbft t)em>eilen, t)ielleid^t um ju feigen, Xük
to6t er gefommen fei ober ttiie ^odg er über ber @rbe fd^n^ebe
ober ttrie fein ging fi(| sn bem eines anbem an<^ (»feilfd^nell
bat)infaufenben ^feitiS tier^Ite: fo fiele ber ffeil im felben
5(ugenblicf ju ©oben.
®o ift eS auch mit ber Siebe, ttjenn fie cnblid^ bei fid^
felbft oemjeilt ober fi^ felbft ©egenftanb »irb, b. genauer
auggcbrücft, loenn fie fid§ öergleidjt. Uncnblid^ fann fid^
bie Siebe ni^ mit fic^ fetbft oecgleidlen; benn in i^ret
Qnenbli^feit gefe^en gleid^t fte fid§ felbft bis gur ftftten
Sbcntität mit fid) fetbft, in bem uncn blicken SBergleid^en
giebt ed fein ^ritted, ift eine iBerbo))t^lung, alfo feine
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^scviUcidjunt^. ^^u jcbcr ^ikrglddjung gehört (^^eic^^)eit unb
Unglcid)l)€it, unb ein britted. ©lebt nun fein ^ertoeilen,
fo giebt €d !eute liBecgUic^img; giebt (ein S3ergfei<i^n, fo
owli fein SBenoeilen.
009 fonn nnn oBer bo« ^titte Beim dergleichen fein?
I^io X?icbc im cinjclneii DJicnfdjen fann fid) mit ber Siebe in
anbcvn ocrglcidjcn. T)a cntbedt er ober meint er ^u ent^
bccfcu, bie Siebe in i^m jei größer ald in anbern, ober fie
fei in einzelnen anbeten gtd|et, in anbeten obet bann n>iebet
geringer. (Sr meinte bieOetd^t anfangs fetbfi, bad (Sktn^ fei
blof) ein f[üd)tiger ^tenBIicf im SBorBeige^en, ber loeber
3cit nod) ^Inftrcngung erforbere; mit bem Scitcnblid bc8
^^nniiloidjen^ aber entbedt er teiber nur aü^uleidit eine gon^e
;ük'lt uon 95ert)ärtniffen unb 9{ed)enejem|)eln. 2)Q^ giebt ben
Mufentl^att; im n&mUd^ Hugenblid ift er in i^efo^r, ani^
berSd^utb ^n bmmen, ober bieUeid^t Bereitö and t^r ^erand«
getreten — b. ^. aud bem (Clement ber Siebe. — Ober fann
ba<S ©ritte bei ber SSergteidjung in ben t)on ber Siebe bid*
l)cv auögefüf)rten ^{)atcn be[tet)en. 3m jelbcn ^ilugenblid ift
er, tt)ä^renb er jä^lt unb abmiegt, in ©efa^r, auö ber (Sd)ulb
)U Commen ober bieEeici^t bereite, in groger ^Ibfijufrieben«
(eit, me^r aU an« ber <S(^uIb — b. 1^. me^r att an^«
l^olB ber SieBe.
fKit bem 5ßergleid)en ift alle^ Derloren, bie Siebe Der*
onbtic^t, bie ©d^ulb be^aljlbar — ganj mie jebe anbere ©c^ulb;
unb boc^ ^at bie @d^ulb ber Siebe bie (5igenfd)Qft, unenblic^
)U fein, tt)ogegen eine (^^renfc^ulb bie (Stgenfc^ft fyit, bai
man, j|e el^er ie lieber, bor allem fie iod werben mug. SBaiS
oertiert ba« 85erg(eid)en jeber^eit? @Ä bertiert ben tifugenbficf,
ben ^lugenblid, ber burc^ ein Seben§jeid)en ber Siebe au§«
gefüllt rt)erben foütc. Verliert man aber ben klugen*
blidt, fo tierjinitman, üerUert mau jic^ in i^m. (^n
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— 249 —
tietlottm ICitgett6fi(f tet^ bte Aette bet (Simgfett ah; ein
öcrforner 5Iugenbltcf unterbrtd^t bcn 3"f^^^^"^<^"9
®n?ii]fcit; ein Verlorner ^(ugenblicf ift bcr ^erliift be§ (Smigen;
öcrliert man aber ba^5 (Steige, fo üerüert man fic^ eben ba-
burd^ im Slugenblid unb loirb ein ftinb bed ^ugenbtidd.
aSixb ein Sttgenblid bntc^ l^et^eic^ Mffiielt, fo ift alKed
toerfptelt. ^ 9ngenb(t(f be9 t^ergtetd^iS tfi n&nittd| ein
felbftifc^er Thujen bücf, ein 5(ugcnblid', bcr für fid) fein luill;
gcrabe baö über ift ber 53rncE), ift bet gaU — »ie bcr $feü
fällt, toenn er bei fic^ üerteeitt.
9Kit bem Ißecoleidlen ift alied k)erIoi;en, bie iBiebe t^ec»
enbli(|t, bie @d^ulb bc^a^Ibar, o^e bag in Oetrod^ f&ntc,
loeld^en $Ia| (unb toftre eiK ber oBerfte) MeSieBe tttx^ältmi*
ma^xQ, im ißergleid) mit anbcrn ober mit ben eigenen
^t)aten einnimmt. SBir müüen unö red^t üerfte^en. SBcire
ed in Sa()r()eit fo (mir Eönnen baS ja einen ^ugenblid an*
ne^n), ba| bei Umgang mit Seuten and bem gemeinen
^ßoVt nnter ber SBürbe etned ^ßrtn^ nnb nnge^iemenb mftre,
nnb ein fold^er ginge gteid^mol^I mit t^nen nm nnb fagte
nun äu feiner SSerteibigung: „id) vergebe meiner 2Sürbe bnrd^f
aus nic^t^\ idj merbe mid} fd)Dn nnd) nnter bicfen Seuten
aU ber erftc geltenb ju madjen miffen" — fo mürbe bcr
feine ^ofmonn gdntg antmorten: »$oi^it, bad ift ein Wi*
toerftftnbnid; ha» Ungc^iemenbe liegt im Umgang mit fold^ld
Kenten; ^i)xt $o^eit toerben ja felbft fül)Ien, bafe c* »ie
ein ©polt lautet, menn doh Sljrer §ol)eit {)eij3t, ©ic feien
ber erftc unter biefem gemeinen S3olf. Säftt man fid) über=
f)aupt mit i^nen jufammcnftellcn unb oergUici^en, fo ift nic^td
|tt gtioinnen, faft am loenigften, menn man babei atö ber
erfte anerfonnt tvtrb; benn bie @teOnng felbft» in bte man
eingetreten ift, nieti^ ermöglid^t, bog man mit il^nen tier«
glichen merbe, ift ber ^eljUritt, unb bie tonigltc^e 253ürbc
I
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6Iet^ bloi babittc^ getoo^it, bog man ftd^ butd^aitö bon
i^eit ferne fjtSt" S)oci^ bad tft ja nur ein Sc^erj. XBenn
aber, uncnblic^ ift unb fein foß, bic gemeine (SJefellfc^aft
be8 (Snblic^en auffuc^t, fo bafe eg mit i^m umgetit unb ftc§
mit i^m öcrglei^en läfet, fo ift ba^ unjicmUc^, unroürbig,
fo ed fu^ ^robgetDürbigt, oud^ toenn bei ber ^er-*
gletd^nng, ber ed ftd^ andfe|t, bte etfte ©teEe ernngi ^nn
nienn einer oud^ gan^ rid)tig relatit), k)erl^&Itnidinägig
nie!)r üebtc alö alle anbern 3Jknfd}en, fo liebte er be«f)alb
noc^ nic^t. Sieben l)t\%t in ber unenblid)en ©d^ulb bleiben;
bie Unenblid^feit ber (^c^ulb ift bad ^anb ber ^oIl!ommen^eit.
©teQen nnr und jnr IBeleuc^tung ein anberei^ Unenb»
K(i^f eiÜ^berl^Ünid loox, Ibmtt btr einen Segeifierten, ber t>oU
©cgcifterung nur eine 8 tt)iU unb in ©egeifterung afle« für
baö ©Ute opfern Ujill; benfe bir, er macf)te nun bie ©rfaf^rung
(unb bie loirb er ni^t jufällig machen, fonbern unbcbingt,
fo lange bie fßkit bie äBett ift), ba^ ü^m bie SEBelt gan^ in
gerabem Ser^&Itnid nm fo me^r entgegenarbeitet, je mteigen«
nü^iger, felbftlofer, angcftrcngter er arbeitet; benfe i^n bir
auf biefer ©pige — ttjenn er einen einzigen 5Iugenblicf fe^l
fie^t unb fein ©treben mit bem Sot)n ber SSelt ocrgleic^t
ober fe^l fie^t unb fein öeftrebcn mit feinen bigl)erigett
£eiftungen t>ergleic|t, ober fel^ fie^t nnb fein Sod mit ber
XniSgeid^nung berer Dergleid^t, bie gerabe nid^ tum SBegeifte»
rung ju brennen fd)einen: ac^, fo ift er öerloren. ^od^ ber
3Seriuct)er tritt ju i^m unb fagt: „l}ait an mit beincr Slrbeit,
minbere bie 5lnftrengung, ^abe gute Xage, genieße bag Sebcn
in liBel^aglicl^fett nnb benit|e bie fd^meic^el^fte Sage, bie man
bir anbieten toirb: einer ber Segeiftertften gn fein" — htm
ber SSerfu^er ift nic^t ftbel auf bie ©egeiftcrung ju fprec^en,
fo ftug ift er fct)on; fo entleibet man fie ben 2euten Qn6)
nic^t fo leidet. Snbeffen toiü, jener lIBegeifterte bem ^erjuc^er
— 251 —
fem fd^enfcn; er erneuert feilte Unftrengung. 3)(r
tritt ber S3eifuc^er mieber \\)m unb fagt: „^alt an mit
beiner 5Irbeit, minbere bie 5(nftrengung, ^abe gute Xage,
genieße bog Seben in Söet)Qgli^feit, inbcm bu bie unbebingt
fc^etd^^ftefie f^t Benfit^t, Vit fTeUi(| oiu^ tiitt tnt
gebotet! koetben fanti, ber am meiften Segeifterte feht^
eine Soge, bie bem ßeben Iei(ä^ter ma6^t unb bir, bem ©e*
geifterten, bie Söeipunberung ber SSelt öerfc^afft, »öfirenb ja
fo bein Seben jur blofeen 5(nftrengnng tt)irb unb baburc^ ben
SBiberftanb ber SBeU ^rauÄforbert." öer^ältnt»*
m&|i9 bei Segetflertfle )tt fein, fji^ eben: tii(|t bcgetfierl
fein! fBU^ bem, ber feine Seele bur^ IM tBerglei^en be»
fterft nnb Derberbt ^at, ber bc^alh au6) in bem golgenbcn nur
ungeheuren ©totj unb ©itelfeit fe^en fann! 2)enn ber 936-
geifterte fagt nun jum SSerfud^er: „tteid^e öon mir unb nimm
jeben @^eban!en, baft ifl^ mic^ mit anberen tierglid^e, mit fort!''
Unb bamit trifft er gan) boiS Sliil^e. 6iel^, barum rufen
tvtr einem Segeifterten ^u: ,4^^^^^^ ^ ^0^» Derfto^ft
bein C^r, t)alte bid^ an bie gorberung ber Unenblic^feit,
fo fotl fein ^ergleid^en fid^ einfc^Ieid^en unb beine 8e*^
gcifterung baburc^ morben, bafe bu — öer^ältniömäBig —
ber SBegeiftertfte toürbeft! SUigeftd^tiJ ber gorberung ber Un»
enblid^leit ift felbft beine grd^te ttnftrengnng ein Ihnber«
f|ne(, burc^ baiS bn bir felbft nid^t n)id^tig merben fannft,
burd^ baö bu öielme^r gerabe t)erftet)en lernft, tuie unenblic^
Diel me^r öon bir geforbert niirb." SBir mamen einen, ber
in einem fturmfc^neU ba^in eitenben ©c^iffe ftef)t, bafe er
nid^t in bie SBogen blidte, ba er jonft fc^tt)inblig merbe: fo
mad^ bie SSergletc^nng ber Unenbtid^ nnb d^Iid^feit einen
fRenfc^en fc^n^inblig. $üte bidft borum Hör bem IBergteid^en,
ju bem bid^ bie Sßelt nötigen miH; benn bie Sßelt uerftel)t
fi(^ auf bie ^egeifterung nic^t beffer ald ein (^elbnienjc^ auf
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— 262 —
hie 2te(e, mib bit iDhrft
S)umm^eit am aHercrften auf ba6 ^^erglcirfjcii au3 ift unb
burc^ biefcg alIcS in ba0 ausgetretene OJeIcife, in bie ftereotnpe
jySSJitttic^teit" bannen möchte, ©iet) bic^ bat)er nic^t um,
«grille ntemanb auf bem 9Q3ege" (£uL 10, 4), ffixt mc^
auf bad @c|men imb dtti^tfen, bod btc bdnc Ce flc tfte c m i a
tocgnamii usb 1^ Shnft fCvbett ht ber %xthnS!^
beS SSergleic^enS öertocfen mitl. Safe bid} nid}t ftöreit, ba6
bie 35?elt beine ^öegeiftcrung ^)krrf)eit fc^ilt, (Selbftliebc
nennt — in bcr (Sicigfeit roirb jeber üerftet)en muffen, mad
Skgetftentng mtb iBtebe ift. il^imm baS mä)t an, bod
htc 9e5oisit tmrb: um l^olbe WMt tnt tioSe Odnnbcssiig
bet »dt au getvtmiat; Bleibe in bec@^ bef Uiieiib(id|lett
mtb freue hxd) be« 2ofe§: bafe bie SBctt gegen bi(^ ift, »eil
bu nidjt feilfd^en millft. ^öre nic^t (benn eö ift bereits ju
fpät, baB bu bem (^e^orten nic^t glaubeft), ^öre nic^t, mo^
fälfc^tic^ bie Segeifterung ^üer ^anb fagt; ^öre ^ nid^t,
ba| btt (tii(^ auf anbete Iffietfe ^n @4aben fvnunfil^
toemt btt es glaubft: ffitit nid^t jeber SH^enfd^, ber ben
SBiUen ba^u f)ot, jur Unenblic^feit gleid^ na^ unb olfo
gleid) na^ jur iöegeifterung. Xenn jur Segeifterung gel)ört
boc^ Xüoifi ntc^t b(og, bajs man alleS t^un unb leiben, funbern
auc^ bafj man babci beftänbig in ber ©djulb ber Unenblic^feit
bkiben mSL @o oft ber tM^nofirtö fiteren foO, mul
bte @e^ne geftxmnt loerben; fo oft aber bie 8egeifterung
i^ren glug erneuert ober bnri^ (Neuerung betoa^rt, ntitft
bie Uncnbüdjfeit ber (Sc^ulb bebac^t merben.
©0 ift eS auc^ mit ber Siebe. Sßillft bu bie Siebe be*
too^ren, mugt bu fte in ber Unenblic^feit ber 6c^ulb 6e»
too^ren. ^ btc^ bamm toor bem IBergtei^ai! fßks tm
Mibarftett Bd^a^ ber VkU BeUNU^, Brom^t ntc^ fo ängft«
(id^ barüber ^u nxic^n, bag nienumb etMl botton erfahre;
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— 253 —
benn bu mufet äugleid^ barübci: toad£)en, bafe bu n\d)t hutä)
"i^erglcicfjen felbft etlraS üon ber Siebe 511 iDtffen bcfommcft.
§üte bid^ oor bem Sißergteid^en ! S)aö ^^ergleic^en ift bie
mtfeligfte SBcrbinbuttg, in bie bie Siebe eintreten fann; bog
«ergleic^ iffc bie gej^Uc^e »efonntf^aft, int bie £ie6e
mod^ fdtut; hai Setglet^ ift bie fi^Iirnrnfte allet tBer«
fü^rungen. Unb fein SSerfü^rer ift fo rofcf) bei bcr ^nb,
fein ^l^erfü^rer ift überall fo an Ort unb (Stelle njie baö
^ergteid^en, fobalb bein iSeitenblid loinft — boc^ fage fein
SScrfü^rter 5U feiner 95erteibigung „bog Sßergleid^en öerfü^rte
.mu^"; benn er felbft !am ja anf bad S$etg(eic|en. &
' ift ttio^C Be!dnnt, toie ängftlid^, nne tiergeblic^ nnb hoä^
fd^rccflic^ angcftrengt einer n)anbelt, njenn er »ei^, bafe er
auf bem (>3Iatteiö gel)t; ebenfo befannt aber ift, bofe er
ganj fidler unb feft auf bem @ifc ge^t, öjenn er üor ginfter*
niS ober aui^ fonft einem ^runbe nid^t koeig, bag er auf
iSUiMB toanble. ^fite bid^ alfo bat^ot, ha» Stogleid^en
%n entbedkn! *SM IBetgletd^en ift ber ungefunbe &S^o% ber
bem Saum ba§ SBad)§tum nimmt: bcr ©aum »irb, tme
t)erf(ud)t, jum tt)elfen Sdjattcn; ber ungefunbe ©d^oB aber
lDä(^ft in geiler Üppigfeit. S)ai8 ^crgleid^en ift tT»ie be8
9{ad)bar^aufeiS feud^ter (S^runb; ob bein ^au^ and) md)t bar^
auf gebont ift, eiS finit bod^. ^bcA SBergld^ ift n)ie ber
j^mlicl) fd)Ieic^enbe 8Bnrm ber ©^nrinbfud^t, ber nid^t ftirbt,
roenigftenS fo lange nid^t, big er bcr Siebe ba« ßeBcn ou««
gefocjcu f)at. ®a§ SSergleic^en ift ein efeU)after 5(uöfc^lag,
ber fid) eintoärt^ gebogen i)at unb am 9)?arfe jel^rt. $üte
bid^ botfcr in beiner Siebe öor bem SBergleic^en!
9ft aber bod iBerg(eid§en bod einzige, heA bie Siebe axA
ber ©d^ulb bringen ober bod^ gefä^rttd^ »erben Unmit,
unb entgef)t fie alfo bem Sßergleid^en, fo bleibt ftc gefunb
unb Icbenöfrij^ — in ber unenbUd^en ©c^ulb. 3n ber ©c^ulb
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hl^bm ifl eht mienbCtd^ fitnterliftiger mh boc^ imttMl^
treffcnbcr ^TuSbrucf für btc Uncnblici^fcit bcr Siebe. SSBcnn
man §. 33. Don einer S'^aturfraft fagt, fte ftürme mit unenb^
lieber ©^neü igf eit öorloartö ober fic bred^c mit uncnbüc^r
ftroft unb gfiae ^ert)or, fo f)at man beftanbig ha» ^fü^I,
cd Utattte iMNl^ aiu!^ einmal cme ©toAiiiQ ober <Sc{(|a|»fiiii9
'Chttvetat Sto ober, nncnbliil^ an ^ugletd^ eine nnenb«
lid^e <S(^ulb leintet fic^ jum SRürf^It ^at, öcrboppelt baburc^
feine Unenblic^feit; eS ^at in fic^ felbft ben SBäc^ter, ber
beftänbig barauf a^tet, baf^ feine ©todung eintrete — bie
@(l^ulb ift bie jttJeite, unenblic^e ^riebfraft
3ft ed piid^t, in ber fiieiie @<|nlb gegen etnonber jn
^(elben, fo tft ed nid^t ein fc^kD&fntetifd^er fCndbtntf,
nt^t blog eine t)erbent(t(|enbe ^orfteUung t>on ber
Siebe, baß man in bcr ©(^ulb bleibe, fonbern ein
^anbetn; fo oerbicibt bie Siebe mit §i(fe ber ^füc^t
4rift(i(^ im ^anbeln, im ^anbelnd, nnb
tben bamit in bec nnenblic^en ©i^nlb.
Sieben ^fet in eine nnenblid^ @^nlb gefommen fein.
S)er Wtßm^ä^, in ber @<i^u(b 5U bleiben, f5nnte b(o| eine
Äuffaifung, eine ^SorfteÜung öon ber Xiicbe, ein (e^ter, über^
fd&loängüc^fter ?(u§brncf ju fein fc^einen, ber mit baju ge=
— toie ber tonj bei ber geftlid^fcit. ^5)enn felbft
bem foftbatften »e^er, mit bem föftli^ften Xranfe gefäOt
mangelt rwä^ tüMt hai er bdcOnit ifi Unb felbft ber
licbeniStourbigftcn @ee(e in ber teijenbften graucngeftatt
mangelt etmaS: ber ton§ alö 5?rönung il)rer Siebüc^feit.
©0 mag man aud^, ttjenn man blofe menfc^üc^ üon ber Siebe
rcbet, fagcn: bicfer 953unfd^, in ber @c^u(b bleiben, ift ber
^A^nnft ber Sefttic^feit, ift ber Sttm ^ ^ geftlic^feit,
etnpoS tM in gemiffem 6inn toeber bakMm nml basn
(benn man trinlt bo(| mffi nic^t ben befcftn^ Oed^er,
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' aud^ to&^i ber ftraii} nt^ mit bem $aitt>te bet 8taut §tt«
fammeii); unb gerabe bavunt ifi btefet fBunfd) bet KuiSbri«!
ber fd^lhten 8cf)rDärmerei. bie blofe menfd^lid^e 5luf*
faffung ift bie fc^öne ©djtüärmerci baö ^öc^fte.
2)aS ^^riftentum ober rebet nid^t fc^tüärmerifd^ öon ber
iiiiebe; ed fagt, ed fei ^{lid^t, in bec Siebe ©c^itlb au bleiben,
ttttb fagt baS tttc^t, aU berftiege ftd^ bamü bai^ ^enfen im
^öd^ftcn $Rauf(^e ber Überfd^njänglic^feit gur legten fd§tt)tnbe(n=
bcn §öl)e — benn ber SSunfd^, in ber ©d^ulb bleiben,
toäxt ein überfd^toänglic^er ^uiSbrucf, unb boc^ fönnte ed
f (feinen, er »ütbe kDomdgtid^ nix| überfd^loönglid^, toenn
er ^flid^t ttftre. @eI8fi baS Überfd^toangli^e erregt bod^
gegen feinen fSiVen, ben ^ein, afö trüge ^ tfXiM mt ber
©d^utb ob; ift eö aber ^flid^t, in ber ©^utb §u bleiben, fo
^Qt fid^ bie Unmöglid^feit no6) einmal l^ö^er üerftiegcn. (£g
lägt fid^ foft ber Seroufd^ung ))ergleid^en, in ber c3 eine
Steigerung bei» Konfc^ bebeutet, toenn einer pVMjßä^ einen
ttngenbttd ganj nüd^tem tmrb; benn bie @<i^toärmeret mirb
noc^ fd^toärmerifdjcr, menn fic rul)ig unb befonnen fid^ äußert,
baö ^Ibenteuerlic^e tt)irb nod^ abenteuerlidjer, tüenn eö ganj
einfad^ unb troden toie eine gen)öt)nlid)e $egebenl)eit er^ä^It
mirb. — ^er fo rebet bad (S^riftentum nid^t; ba| man in
ber @d^b bleibe, banon fagt eS gan^ boSfelbe, toa» eine
eble mcnfc^tic^e Siebe in glä()enber ©cgeifterung auSfpric^t,
fagt e§ aber gang anberS. 5)aö ßf)riftentum madjt gar fein
5lufbcbcn baüon, niirb nic^t mt bie bto^ menfd^H^e Sluf-
faffung ber Siebe üom (^brud übern)ältigt; nein, ed rebet
gerabe fo ernftl^ft babon, mie t)on f onft etUKtS, \M ber blojs
menfd^Itd^en Segeiftemng ganj frembartig t^orfommt. &
fagt, e§ fei ^td^t, unb nimmt bamit atteS (Sr^i^enbc, allcS
5Iugenbticflid^c, aHe^ loa^ ^Sd^toinbel erregen fönnte öon ber
Siebe loeg.
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(S^ftcntum fagt, fei ^^>flic^t, in ber isc^ulb
bleiben, unb jagt bamit, baf? ein §anbe(n fei, fein blü%ci
Slußbrud, in bem fic^ bie Siebe äußert, feine blo^e 51 uf*
faffung t^er felbft, bie fie burc^ nachträgliches dla^btnUn
üBer {ich geurinnt (ShnfÜifh tierftoitben hat fein ä)l^eitfch in
ber Siebe tkiS ^ö^fte erfüSt; unb fefbft toemt bt€9 ber %aU
märe, biefeS Unmögliche, fo njürbe fid^ boch im felben ?(ugcn^
blicf, diriftücf) üerftanben, eine neue Hufgabe ergeben. &kbt
es aber jofoct eine neue 5(ufgabe, jo fann man unmöglich
erfahren, ob man bad ^öchfte gethan h<^be, benn ber Singen*
blicf, in bem man jn imffen häommtn foEte, fteht fefi
gebannt im ^enfie ber 9[nfga6e; ber BD^enfch fann olfo Don
bem öorau^oget)enben "^Hugenblicf nicf)t§ ju roiffen befommen
(baju reicht bie ^dt nicht!), et ift befchäftigt, fteld im ßuge
hanbeln, n)ogegen fogar bie <Sd^n7armerei auf ihrem
ipöhepunfte ttsooA SSertneilenbed an fiih
^h^f^tnm terfteht [ich auf boS $onbe(n, hai
^-^raftifdjc, unb tueife bie Siebe burd) fortge^enbe X()ätii]feit
in 5(tom ^u ert)aüen. ^ie blo^ menjdjlic^e ^lufjaffung ber
Siebe beraunbert biefelbe; barum fommt eiS fo leicht einem
(^tiUefiehen, 5tt Slugenblicfen, too nichtd )u thun ift, gu leeren
Slugenbliden, b. h- ivi ^ugenblidfen ber ©chtDftrmerel 5Die
Siebe fteht ju ber Moß menfchlid^en Sluffaffung t>on ihr in
einem ät)nlid)en 33erl)ältni^ loie ein au^ergenjuljuli^ begabte^
^inb 5U einfältigen Altern: bog Äiub ift fo raf(h mit ber
$Utfgabe fertig, bag bie Altern julegt ni^tS mehr ftnben
fdnnen, mit fie bad liebe ftinb bef (heftigen f oSen. S)ie
Siebe mad^t ber b(o| menfi^Iid^en 9(uffaffung k)on ihr eine
ähnlidjc ^Verlegenheit, tok ein feurige^, ftol^e^ ^ßferb einem
ungeübten 9^eiter: e§ reitet il)u rafdj mübe, ^tatt bafe ber
Oieiter im S^iotfafl ben Sfienner mübe reiten üerftünbe.
tarn bai» (^h^^ftentum. ©eine Slbficht ift nicht, bie
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8ic6c tof)m fielen, hnx(fyin^ nic^t; ober d5 ttjctfe im SBc*
roufetfein feinet ewigen SBefcnS unb ancjctljan mit bem (Srnft
ber (Stöigfeit, bajj bie Siebe bemciftern fann, unb rcbct
barum fo ftmpcl, b. t). |o ernfllic^ öon ber ©ac^c — gonj
toie ber eifenftade Oereiter, ber toei^, ba^'er beii ^ettgft
tumme(n foitit, beffen ^euer nic^t Beloutibert, oSer fagt, er
folle frf)on feurig tucrben; benn er nimmt bem fein geuer
nic^t, er be(}crrfd)t unb tierebelt e§ blofe. tt)eif3 baö
(S^^riftentum bie ßiebe bemciftern unb fie 511 (eieren, baj
jeber Slugenblid feine Aufgabe f^t, toeig mit ber £iebe aitd«
Stt^alten, fo boj} btefe bemtttig lernen mu|, ei^ fei leine
9iebendart, feine ©d^YDftrmeret, fonbem @mft itnb Ißa^rl^eit,
in ber ©^ulb bleiben lüüücn.
SSie gezeigt wäre baö (SJefäljrUdje, luenn bie Siebe tier*
gtetd^nb bei fic^ felbft üeriueiten mollte. ^aö muj Oer*
^inbert )oerben; inbem aber bie $f lid^t bai$ beforgt, gefd^e^t
Sugtei^ etkood anbereS: bie Siebe tritt näm(i(^ in ein Öer»
^ältni^ 5U ber c^riftlidjen SSorfteflung uon (^ott ober in ein
cf)riftH^e§ 58erl)ältniä §ur "iNorfteüung üon ^5ott.
@ci^ulbüerl)ä(tniä wirb Quf baö ^ert)ftltnig jtüifc^en iD^enfc^
nnb &i>it übertragen. <3ott übernimmt foftufagen in Siebe
bie gorbernng ber Siebe; ber Siebenbe fommt burd^ bie Siebe
ju einem SWenfc^en in eine nnenbtic^ ©d^ulb — in eine
@d^utb and) gegen ©ott ai^ bcn ^>Drmunb für ben ©eüebten.
9^un ift ba^ i^ergleidjen unmöglid; gemacht, unb nunmel^r
^t bie Siebe it)ren 3D?eifter gefnnben. SBon feftlidjer ©tirn«
mung nnb $arabeleiftnngen ift nun nic|t me^r bie 9ttbt;
bie Siebe ^at nid^t mel^r auf bem finbli^eti <Sd)Qupta^ ber
3J2enfd)lic^feit auf^ufpielen, tüo e§ gttjeifcIJiQft bleibt, ob bie
©Qd)e ©d)erä ober ©rnft ift. SBätirenb bie Siebe in oüen
it)ren Sebengäufeerungen fid; nac^ au^en gegen bie SD^cnfc^en
bet^ätigt, m fie ja i^ren (Skgenftanb unb i^re Slufgoben
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l)Qt, iueiB ftc boc^, ba§ fic n\d)t auf biefer «Stätte gerichtet
toirb, bafe uietme^r ba^ Urteil ganj innen gefällt tt)irb, too
bte )Bie6e bor (^ott fte^t (Sd tft Uiie bei einem ^itb: aud^
untet Stembeit (ettimntt ed fid^ eben, koie ed etjogen tootben
ift. WlaQ nun hie f^rentbe bem ftinb bergen ober nid^t;
glaubt fid} beffer aU anbere Ätnber aufjufüljrcn ober
nid)t: baö ernftli^ erlogene ^nb üergifet nie, ba§ baö Urteil
ba^eim gefällt tcirb, öon ben ©Itern. Unb boc^ ift ja bie
(^c^ie^mig ttid^ bacauf berec^et, bag hai Stinh bal^m bei
ben &Uxn tierbleiben folle, im Gegenteil, fte toiH, ba^ ed
einmal in bie SSctt ^inauS fomme. @o ift'Ä mit ber ßtebe,
d)riftlic^ öerftanben. ®ott a^kt)t fo^ufagcn bie Siebe in
einem SKenfd^en; aber er t^ut baS nid^t, um an il)rem %ti»
hlxd gteid^fam feine Suft ^aben, toielmel^r tl)Ut er um
fie bann in bie SBelt ^aud§ufenben unb fte bort mit i^rer
Hufgabe unabläffig befdEjäftigen. ^otf) öergigt bie cmft»
lirf) grofegejogene, bie d^riftlid^e Siebe feinen 5lugenblicf, tvo
fic beurteilt tt)erben foll: nämlic^ bal)eim, abenb» ober morgend
ober loann eS fonft ift, fo oft fie eben oon allen il)ren ^uf»
gaben einen $[ugenbUd ^eim fommt unb ind IBerl^dr ge«
nommen koirb — um fofort nrieber audgefanbt toerben.
^btnn fclbft bei ber f)öd^ften ©d^ttärmerci fonn bte ßiebc
immerl)in ein Ujenig öermeilen, e^e fie toieber ^inauö^ie^t;
bei ©Ott aber giebt e^ fein ^ermeilen.
6ie^, fo tjerftanben mirb ed dtoft unb äBa^r^eit, bag
man in ber Siebe ^ulb gegeneinanber berbleibe. ^ud^ bie
Qufric^tigfte unb menfcfjli^ gerebet ebelfte @d^mArmerd, aud^
bie glüljcnbfte unb felbftlofefte öegeifterung ift bod) nid)t
(Srnft, felbft tüenn fie (Srftauntid)eö leiftet unb juglcid) in
ber ©d^ulb 5U bleiben münfd^t. 2)enit aud^ bie ebelfte meufc^=
(id^ jOegdfterung ^t noc^ ben giel^ler, bag fie, ate blog
menfd^tid^, fd^tie^Kd^ i^rer felbft nti|t möd^ttg ift, totil
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— 259 —
fte feine t)ö^ete 9^ad^t über ftd^ t)at. S3(oB bad ©otted«
oevptmd tft (Sxtt^i; baS ®ntftlk^ ift getabe bad, baft bte
betifbor ^5c^fte Aufgabe oufgntdtigt toxxb, loeti einer ba ift,
ber mit ber Wladjt bcr Stüigfeit jtüingt; bcr ©ruft liegt
barin, baß bie S^egeifterung eine 3}?ad§t über fid^ ^at unb
i^tcn SlJ^eifter bei fic^ S)er Sinjelnc ift in ber Siebe <Sc^ulb
anbeten SU^enfc^n t^eq^flid^tet; aber nebet biefer etnselne
9Renf(| felbfi nm^ anbete äRenf^ ^Ben feine Siebe
Benrtettcn. Unter folgen Utnftänben raufe ber ©injetne in
ber uncnblidjen ©d)ulb bleiben. ®ott l)at bie wal)xc unb
unfel)Ibare unenblid^e ^orftcßung öon bcr 2kht; i^ott ift
bie Siebe; olfo raufe ber (Sinjetne in ber (öc^u(b bleiben —
fo na^ ^ott fie rid^tet, ober fo toafß er in i^ott bleibt;
benn btog in ber Unenblid^feit ber ©^nlb fonn ®ott in
fij: i^jnx bleiben.
(Sr bleibt in ber @(J§uIb, unb er erfennt ;^iigreid), fei
feine ^ßflic^t, in ber <Sd^uIb ju bleiben, feine ''^flic^t, biefed
Sn^ngefte^n; unb biefei» gug^f^nbnid maci^ er ol^ne
@<|tti5rmeret, bemfittgen, liebenben ^x^tn^, \omt er eS anberd
Ij^, (^rifttic!^ raaci^t. ^8 ^Demütige Hegt in bem 3ugeftönbntd;
0 baä fiiebeDolIe in ber unenbli(f)en SBiHigfeit, §u raac^en,
^ ipeil eö rait jur £iebe gel^ört, »eil ein befeUgenber ©tun
unb 3ttfammen{)Qng in biefera ßugeftanbnid liegt; bad (^rift«
Ii(^ liegt barin, bafc gar !än tlnf^ben baDon gemad^t ttnrb,
tteil ed ^flid^t ift.
„Seib ba^er niemonb nic^tä fc^ulbig, benn bafe il)r cuc^
unter einanber liebet; nein, gebet jcbermann, hjaö i^r
f(^ttlbig feib: @(l^o|, bem ber ®^oi gebührt; ^oU, bem ber
goH gebfil^rt; Snrd|t, bem bie ^urd^ gebührt; C^re, bem
bie (S^re gebührt**. ©leibe alfo feinem anbem SKcnfd^cn
ettPQ^ fd^ulbig, ntc^t, toa& bu Don i^ra geborgt, nic^t, m&
17*
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I
— 260 —
bu i^m üerfprodjen l)Q]t, nid)t, tüaö er mit Dicd^t öon bir
atö ©ntgelt f orbern fann. bleibe, irenn möglich, nicmanb.
etkDoS f^uUng, leine l^midommtiii^, leinen ^enft, leine
Xetlnal^ine in Scenb ober Setb, feine ^onnng int Urteil,
feine ^itfcletftung im fieben, feinen fflat in ber ©efa^r, fein
Opfer unb tpäre eö baö fd)tüerfte; nein, in all bem bleibe
feinem 3}^enfc^en ettoad fc^u^^ig; bleibe ober bennoi^ in ber
@^ttlb, bie bu mit aXL biefen ikiftungen nic^t ^aft ab^l^Ien
mUm mh bor &oit nic^ ^ft oE^a^len fdnnen, Bleibe in
ber @d^ufb, einanber p lieben!
D tf)ue baö! Unb bann nur nocf) etnS: „bebenfe bei»
jeiten, bafe eö bir in ber SScIt übel ergeljen mirb, menn bu
ba^ t^uft ober bornad) §u tl)un ftrebft." SSefonberS tt)ic^tig
ift ed, l^ierott am ^(uffe biefed ^bfc^ittd, ü6erl^n))t am
©d^fuffe biefeg SBüc^Ieind §u erinnern, bamit bie SRebe nid^t
untt)a^r f)inrei6enb mirfe. 2)arum n)irb bie SBeft eben ben
©diluB gang t3erfcl)lt finben, tt)a§ iDieber üon SBert ift, jofern
bad betoeift, bofe ber ©c^tug — richtig ift.
äRan lieft unb ^j)rt mand^mol mit SSetrfibnid (|riftli(|e
IBortrftge, bie eigentlt(j| bie I^te (Sefa^ fibergel^en. fEki»
baSei Don Glauben, bon Siebe, bon ^entut gefagt koirb, ift
gan^ ridjttg unb gan§ djriftlid); bennoc^ aber mufe eine foId)e
SRebe einen Süngüng irre leiten, ftatt it)n ben redeten SBeg
§u leiten, ©eil bie 9iebe auglä^t, mag bem (Sf)riftnd)en in ber
SSBelt begegnen koirb. S)ie 9iebe forbert, ein äßenf^ foll mit
@eI6ftberlengnung an ber (Sntttndlung (j^riftltd^en ®vm^ Bei
fid) arbeiten — aber bann, bann, ja bann mirb nid§t§ mciter
gefacht, ober merben bie t)Dd)]t bebenflidjen nät)eren 93e'
ftimmuttgen berfcJ^miegen, toä^renb man baüon rebet unb bie
^erfic^entng giebt, bag bad (SJute feinen iBolin ^abe, £iebe
Bei ®ott unb Mtn\6^ ernte. Sßenn nun biefe ^ftlid^
(Befinnung mit 9ied^ od baS ^ö^fte angepricfen toirb, fo
— 261 —
mu6 ja ber SöngKitg glauben, t& müffc i^m in bcr Söelt
aud^ gut crgef)cn, tüenn er bcr gorberun(^ nadjfomme ober
bod^ rebüd^ baran arbeite, it)r nadj^ufornmen. ©iei^, btcfc^
Ißerfc^toctgctt bcr legten ©d^toierigfeit (bafe ed tt&mtid^,
mettf(|(t(^ gecebet^ in ber SBelt übri ge)^ toerbe, utib ffiocx
gecabe je mel^r er ba9 ef)rtftlici^e in fid^ etituridfoti) ift ein
Öctrug, ber ben Süngling entloeber jur SSerjtoeiflung über
ftd^ felbft {aU läge ber geiler gang bireft an tf)m, ba§ er
fein nja^rer S()rift toäre) ober juni mutlofcn SBerjic^t auf
fein Streben führen mn% afö begegnete i|m ettoai^ ganj Un«
gdnd^ttcl^, mä^renb i^ bod^ nur baS gon^ Vckod^iil^
Begegnet, bon bem ber ^ofieC Sol^onned gefliffentltd^ fagt
(1. 3o^. 3, 13) „(afet cuc^ bag nid^t wunbem", SDer Süng*
fing ift alfo üom SRebner betroffen, njcil biefcr ben rt)at)ren
ßufammen^ang üerfc^toieg uub ben ©c^ein beftef)en lie^, al^
bro^te bem (£^riften nur öon einer @eite ber Äam^f, »ä^rcnb
bof| ber toa^ d^aid^ Stmp\ fttt» eme 5Do|)|pel'€lefol^
in fic^ fd^Iiegt, koeil er auf jmet Letten att^nfjhn|yfen ift:
jncrft im 3nnern be§ 5D?en)^en, njo er mit fidf) felbft fäm^fcn
foÜ, unb bann, n)enn er in biefem Äam^f ©rfolgc erringt,
au^ert^alb bei^ SKenf^en mit ber SBelt. öieüeic^t getraut
ft4 fold^ ein Sflebner nic^t, bad S^riftlid^e nnb ba§ (Mt
auf biefe freiließ fonberbore, aber ttKi|rl^ett8getrene Iföeife
eni|)fe^ten, bafi ed n&mlid^ feinen So^ in ber SBelt l^be,
ja bof5 bie SBett i^m gerabe entgegen arbeite. Sßielleic^t
fommt e8 bem Oiebner öor, a(§ fc^lüge er ficf) felbft auf
feinen — too^Irebenbeu 3Jiunb, ttjenn er juerft bad Q)ute in
ben kne&jerfpred^enbften nnb alfo gludticfift gen^ö^Uen SSen*
hingen nnb Sbtftbrfhfen ange)iriefen nnb olfo ben gn^drem
mögli^ft einbnngtid^ on9 ^erj gelegt ^at, nod^ l^eute l^in«
juge^cn unb barnac^ gu tf)un . . . tieüeidjt meint er, er
fc^Iage fi(^ felbft auf ben liD^unb, la, t& fei @ünb unb
i
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— 262 —
@4ahe fftr ben (Smhxud btefei» SRcifterftiito fcino: gef d^mad «
DoQen tBo^trebett^eit, iveim et bann mitten untet feinen
Änbcfclilungen iioc^ bannt fäme: bafe bog ®ute mit ^afi,
SScrodjtung nnb Verfolgung gelof)nt ttjcrbe. SSenn fic^
fo iKil^it, {o fc^int ja natüilü^ec, ku)]: bem (bitten
toanten; ober no4 ttc^tiger: bad t^nt man ja eben, totnn
man e« auf biefe Seife anbefiehlt 5Der 9{ebnet tft fxeitu^
in einer Reiften Sage. iÖtelleic^t möchte er too^tmeinenb bie
SDienfdjen fo gerne lücfen; fo (äf^^t er alfo bie le^te ©d)mieriö-
leit m^, ba^, bie (^nipjel)Iung fo f^rpicrig niac^t — unb
nun ge^t el^ fliegenb, ec^benb unb rü^renb bid p Xl^xanen,
in einem ^intei^enben Sotttag. Z)a9 l^ei|t abet, toie Qf^dgt,
nur bettfigen. ä^ai^t bet ffiebnet bagegen (Skbraud) t)on —
bcr fc^toierigen ?Inempfe^(ung, fo „fcf)recft er bie 3"^örcr
fort"; DieUeic^t toürbe bie ^ebe il)n fetbft faft erfd}redten,
i^, ber in ^o^em @rabe gefeiert, geachtet unb gefd^ä^t, lote
et tft, in fid^ ben f))tec^nben Oekoetd liefett, ba^ bad gute
^^riftttc^e feinen So^n in bet ffielt et nämlid^
ben ßof)n \)at, ob and) bie (Strigfeit äe^nmal meint, er ^a6e
ben £oJ)n batjin, ba§ er ben 2of)n ^at, fann ni^t geleugnet
lüerben; aber er fc^mecft ettuaö nac^ ber SSeU unb ift nic^t
ber @rfa(, ben bad (^^tiftentum feinen ^^ngetn in ber
Seit tiet^fsen ^t nnb momit ed fofott — fid^ tadfisfy^
len 1^.
9Bir loollen tüat)rnc^ einen Süngling nicf)t aufgeblafen
macf)en unb gu eilfertiger gefd)äftiger ^Verurteilung ber SBelt
anreihen (®ott öer^üte, bafe irgenb ein SSort üon ung ^ur
(SntttHcKung biefed nngefunben SSSefend in einem SO^enfd^n
beittogen foHte); im (^3egentei( mdd^ten tt^it i^m getaDe fein
Seben innerlicf) fo angeftrengt mad^en, bafe er juüörberft auf
anbereö ju benfen \)Qt; benn baö ift gelPife ein ungefunbcr
auf bie ^elt, ber oerfolgt ju »werben n^ünfc^t, o^ne
— 268 —
ineileul^ je bte ungemeine Seraidt»octimg febad^ §» ^oBeii.
Xnbetetfett« ober mö<j^ hnr toafftWiS^ einen Süngling eben«
fo tücnig burd) i^Nerfd^toeigen ber ©d^toierigfett betrügen unb
eben in bem 5lugen6Itcf betrügen, ba tuir baö (Sf)nftüci^e
ein|)fc^lett toollen; benn ba unb gerabe in btefem 5(ugenb(icl
nutft Me @ad^ ^raitd. SSir glauben bad (S^xiftlul^e frei«
mfittQ on^ mit bem Seifaft ontiteifen p Mcfen, fein
So^ in bet Vklt, mtlbefi aniBgebcücft, Unbon! ifi Wir
fel}eu für unfere '»^^fli(i)t an, immer beizeiten baüon
reben unb ni^t mitunter ba§ (Efirifttid^c mit 5Iuö(affung
einer feiner loefentlic^en (^c^n^iertgfeiten anjupreifen, um
eÜDa stt onberer 3ett, t)ietteii|t bei Oelegen^ eined einten
bestes, einige Xtofigcftnbe für ben im IBefen IBeffnd^ onf«
jufpüren. 9ttm, gerabe bann, \ovm bo9 ^t)rift(tc^e am
ftärfften angcpriefen njirb, foH gleidijeitig in einem 5Item
bie ©c^lüierigfcit t)erüürget)oben U^erben. (5ö ift nämlic^ un*
d^riftüc^e 2Beici^Ii4Ieit, um jeben ^reid bte äeute für bad
(E^riftlic^ gettmmen jn mVim unb fär bie 89ef|>rc(i^g unb
Stiebignng ber @(j^etigfettm bie Qint aisutaKirten, ba biefe
nntflic^ ^eretttbred^en. ^Demt eg liegt bem ber trügerifc^e
©ebonfe äu (SJrunbe, fönnte am (rnbc bod) mögüd^ertueife
ein (5{)rift biefer SEßibemärtigfeitcn überljoben bleiben, ganj
in bem <&tnn, mie einer günftigenfaUS üon ^rmut ober
Shonl^ kierf<i|ont bleiben lann. S)ad ttnU f agen, man fie^t
in bem SBibevßanb ber aSeÜ nur ein anfUIiged, ni^t bai»
n)efent(t^ tBeri^Iten berfelben gegen bog <S^cifHid|e: berf etbe
fann üieücidjt eintreten, üieüeidjt aber audj ausbleiben. Unb
boc^ ift biefe 33etracf)tung gan^ und^riftlic^. (Sin §eibe fanit
fic^ uieUeidjt bei feinem S^obe mit Siecht glüdlid^ greifen, ba^
et fid^ burd^'i^ £eben l^bntd^ loonb unb an aQen SBibet*
Mctigleitett gUkdlid^ twrbei gelangte; einen C^rifiett aber
mü^ biefe greube in ber legten Xobegfkmtbc etmai beben!«
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— 264 —
lic^ machen — bcnn c|riftlic^ angefe^en ftet)t bet SBibcrftanb
ber SBelt in einem loefenttid^en ^er^äUnid jur Snner«
Itd^ett bei» C^rtfÜtcl^. O^d^ foU, loec bad (S^ftlid^
tDö^U, eBeit in betit 9[ugen5(tÄ ber SBal^f ehieit (Siitbntd
üon feiner ©djtüierigfeit f)abeii, bamit et unffen fann,
er tü&l)lt ^cm Süngüng barf nid^t^ anbercö tierfprod^en
loerben, ald toad ba^ ^Ijtijtentum galten fann; bad (^l)rifteit«
tstm afiet fotnt nic|tö anbereS ^a(ten, ald toaS eS toon llnfang
Ott tiecf))rod|eii l^t: ber SBelt tttibaitf, SBiberftostb, f^sSjun, tm
benett ed etttett um fo ^ö^erett iStah berfpric^t, je ernfter
man eS mit feinem d^riftentum nimmt. 2)0» ift bie (e^te
(Bc^mierigfeit an bem (£t)ri]t(i(^en; unb ba§ barf am aHer^
tpenigften t)erfc^toiegen koetben, toenn man bad (^riftlid^e
atit>retft.
92ettt, koetttt bte (e|te @d^ttnertgfeit Derf(^tinegett ttmcb,
fo idtttt' etgentCi^ timit ^^rifttic^ett tttd^t gerebet loectat. 9fi
bie SBelt nii^t fo, mie fie urfpriingticf) Dom (5()riftetit«m an*
9efc{)en mürbe, fo ift ba§ dtjriftlidje njefentüd^ abgef^afft.
JBad ba« ^l)riftentum ^clbftoerleugnung nennt, entljält eben,
imb fioax toefetttlic^, eine ^opptlQt^a^x, fottft ift bie
@e(8ftk>erleitgititttg ni^t d^fi(id|ie @e(6fiber(eitflitttttg. Storni
alfo jemanb Beioeifen, bag bte 9BeIt ober bie (E^fiett^
je^t mefentn^ gut gemorben ift, aU märe fcf)Ott bie ©migfeit
eingetreten, fo mill id) and^ bcireifen, bafe bie djriftlid^e
©clbftüerleugnung unmöglich gemacht unb baö (£f)riftentum
abgefd^afft ift, toie ed einmal in ber. d^toigfeit abgefd^fft fein
toirb, too ed anfgel^M ein fam)>fenbe9 §u fein,
^banfe ber hlo% menjdjlid^en ©elfiftttetlengnnng ift
ber: gicb beine felbftifi^en 2öünf(J^e, ^(ane, 93eftrebungen
auf — fo mirft bu geadjtet unb aU ber ©ered^te unb Söeife
geehrt unb geliebt. Wlan fie^t leicht, ba^ biefe ©elbftöer»
Xengnnng <^tt ober bad (i^ottedoer^ältnu» eneid^t; fie
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— 265 —
bleibt ipelttid^ innerJ)aIb bc^ 5öer(}ältniffeg gtüifdEien 9J?enidj
unb Wltn\6^ fielen. 2)cr ©ebanfe ber c^riftlic^en ©clbft*
uerUugttung ift ber: gteb beine felbftifc^en äBünfd^e unb
9eftxeButigett oitf, gteli bettre etgetmfiltgen ^(ane unb gloecEe
auf, fo bag bu tn SBo^rtiett felbfttod für baS ®ute otBetteft
— unb finbe bid^ bann barein, ba^ bu eben l)ierfiir faft
Ujie ein ^erbredfier Derabfdjeut, üerljOljnt, Derfpottet n)irft; finbe
bidj barein, totm t)on bir geforbert toixh, ba^ bu als ein
^erbre^c gerabe bafftr l^ingenc^tet iintft; ober vid^tiger:
ftnbe bt(^ n^t baretn (benn ba^u !änn man faft genötigt
ttjcrben), fonbcm Ujä^Ie c8 frei, d^riftliti^e ©elbftöerteug^
nung njeift nämlicf) jum S3orau§, ba^ eS ifir fo ge{)en ttiirb,
unb ttJä^lt eS frei. S)aö (£^riftentum ^at öon bem, tva^
fageu »iü, feine eigcnnü^igen ^tütdt oufjugebcn, bie Söor*
fteOung ber (Skoigfeit; ed Ift^ ba^ ben (S^rifien nväft nm
ben I^t6en $ret9 bnrd^fc^Iüpfen. Wtan fie^t leidet, bag bte
^riftli^e ©elbftöerteugnung ©ott erreicht unb an Q^ott ii^xtn
einzigen §aU t)at. 5Iber bloß ba§ ift d^riftUd)e ©elbftöer^
leugnung, fo öerlaffen fein — in ber S)ot>|)elgcfat)r ; bie
anbete ®efa^ ober bie (S^efal^r auf ber anbent @ette ift
gerabe bte Sikrgf^aft, bag ed mit bem ®otteA>er^&Itmd feine
9K(^tig!eit fyit, bofe ein reine« ©ottcgöcr^äftni« bcftc^t. Unb
Wenn eä fonft feine anbere ®oppe(gefal)r gäbe, fo fiel)t bie
soweit fti^on baS für SDumml)eit ober SQ3at)nftnn an, bog mau
fo üerlaffen fein koiE, unb ift alfo U)eit entfernt, ed ^u e^ren
unb §n bdonnbem. ^e SBelt oerfte^ fui^ nur ftug auf bie
@el6ftt)erleugnung nnb e^rt bal^ nur bte @e(Bftt)erIeugniing,
bie fiel) fing in ber ©^^äre ber Söeltlic^feit liält. ^arum
forgt bie SSelt burd) falfd)e§ Sob beftänbig bafür, baß bie
nad^gemac^te ©elbDerleugnung gen^ig im ^urS bleibe; unb
btdtoietlen freuten fid^ bie I3[^er^a(tniffe unb Urteile in fo ))er«
nndelter SBetfe, bajs ein futlbtged ^uge ba^u gel)ört, bie falfd^en
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— 206 —
SBerte ecfeimcii. 5E)eim man fanii (Sott t^dOx^ oud^ in
bic SBeftlic^feit mit herein nct)mcn unb fo eine «Selbftöer*
leugnung geroinnen, bie bie $!J?arfe ©otteö trägt unb boc^
falfc^ ift. (IS fann jid^ ja mand^mal toeltli^ gut audn^men,
ft^ [elbft um (^ottedmiHen ()me man fagt))n verleugnen; man
begießt ftc| aber m<i|t in jene ^Don^elgefa^t, too man Decloffen
nnt auf i^ott fein Sertranen fegt, (onbent nerteugnet ftc^, fo
bafe bie 3Seltlidjfeit biefen 9}knf(^en Der[teljt unb bafür el)rt.
S)oc^ bie gälfd)ung ift leicht ju erfenncn; benn fobolb ba§
"^oppd^dd^n fe^U, ift bie ©elbftmleugnung nic^t d^riftlid^
^Ibftoerleugnimg. (S^ ift menfc^ltd^ ©elbfttetleugnnng,
uemt bad SItnb fi^ fetbfi tierlengnet, koA^b ber (Htem
Xrme emmntemb nnb oerlodknb ftd^ i^m öffnen. (SS ift
men]c{}tid)c @e(bftöerleugnung, Wenn ein 3J?enfc]^ fic^ felbft
öericiiqnet unb bie SBett fid) nun fiir if)n auff^lie^t. 5(ber
ed ift c^ciftlic^ ^elbftDerleugnung, n^enn einer fic^ felbft üer«
leugnet nnb er nun, toeit bie SSklt fid^ gerabe barum für i^n
oerf^te^, Don ber ffiett prfidgeftogen €(otted Sertroucn
fud^en nm|. 5)ie S>o^)peIgefa!)r Hegt ja gerabe borin, bog
er bü auf SBiberftanb ftie^, m er 33ciftanb ju finben Ijoffte,
)o bag er a()o 5tt)eimQl fid) menben mufe, njä^renb bie hlo^
menjc^lic^e ^elbftk>er(eugnung fid^ nur einmal kpenbet. ^de
^bftk^erleugnung, bie Seifianb in ber SBelt ftnbet, ift alfo
ni^t d^ftlic^ ©dbftberlenpung. 3n biefem @um fagten
bie aten iHrd^entctirer: bie 5:«genben ber Reiben feien
giftnjenbe ßafter. — @ö ift blog menfd)Ii^e ©clbft«
öerleugnung: oljnc )s^rd)t für fid} felbft unb o^ne diiid'^
fic^t auf fic^ felbft fic^ in ®efa^r ju begeben — in bie
(gkfa|r, ttio bem @ieger bie Qt^xt unnlt» loo bk lißeionnbemng
ber aXttlebettben, ber Qa^^fymt bereits bem nrnitt, ber au^
nur loagt SKon fte^t leicht, ba^ biefe ©etbftoerUugnung
Qs^ott nic^t erreicht, funbern uiiterlue^ii?, innerhalb ber ^^Rtn\^*
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— 267 —
Itd^Eeit fte^n Mei^ S^tiftH^e SelBfttietteugnung ift
e«: o^nc gutd^t für ft^ felbft unb o^ne SRürffid^t auf fid|
felbft fid) in bie ®efQt)r l)inein tuagen, bei ber bic SKit-
lebenben, bcjaiigen unb uerblenbet unb mitjc^ulbig, feine @^rc
iDtnlen fe^en ober fe^en tooUm, \o bag e^ olfo nid^t nur
gef&^rlid^ ift, fic^ in (üefa^ |a begekn, fonbem botipelt ge»
fö^rlid^, »eU bei ber 3"f^^<^ ^^uf ben SDhttt§eit
toartct, gleichgültig ob er fiegt ober öcriiert. Sn bcm einen
fjatle üegt bic 33orftelIung mn ber ®efQl)r gegeben üor; bie
aJhtlebenben finb barin einig, ba^ ba eine (IJefa^r ift, bie
ein Sä^agnid erforbert, unb fomtt burc^ ben <Sieg @[)re jn
griinnnen ift, ba bie ISoifteUnng t>on ber Ükfa^t bereiti^
nnSig rao^t, ben %u bckintiü)eni, ber nnc baiS föagntd mad^t
3m anbern r^aU muß ber 9)?uttge bie ®efat)r gleid)fam erft
entbecten unb fid) bie (Erlaubnis crfömpfen, baB er gegen ben
Sellien ber iDätlebenben öon ©efa^r rcben barf; benn bie
äWitIcbenben laffen e§ mi^l gelten, ba§ man in biefer @e»
fa^ fein Seben rtdtteren tonn, beftreiten aber, bag ^r eine
i^efa^r fei, ba fie bie gan^e für eine £a^erltd^feit galten
unb alfo für eine bo))f>e(te Säc^erHc^feit, fein Seben für eine
iiäc^crlic^feit auf'd (Spiel ju fe^en. 60 entberfte bas (£l}riftentum
eine (S^efa^r, bag man emig uerloren ge^e, mt man fagt. ^iefe
iSefo^ fc^en ber SBelt eine It^öc^erlid^ett jn fein, teufen
nrir mm mm c^rifttic^ Ö^ug/tn. (Sx mögt fic^ für
btefe Se^ in ben fiampf mit ben äRac^tl^abern, bie fein
Öcben .in i^rer §anb ^aben unb bie in t^m einen Unruhe*
ftifter fe^en muffen unb e^ mirb il)m motjl baiS £eben
foften. ßüx felben ^tit finben bie 2)?itlebenben, mit benen
er nit^t junäc^ft ju ftreitcn l)at, bie oielmet)r blofee Qufc^wer
finb, fie finben ed Iüi|er(id^, fic^ um einer folc||en ^r^t
tm0en in ben %oh §n mögen. $ier ift bai^ Seben )u bertieren
unb ma^rlic^ feine (i^re unb 8eU)unberung 5U geminnen!
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— 268 —
^leid^lDO^l ift bai^ unb nur bad d^cifUid^e ^^tkiexUugnttiig,
fo nerlaffeit fein. — SB&te tiitn bte IBelt ober bie (Sänften«
{)ctt tpcfentü^ gut gciDorbcn, fo toärc bicfc ©ctbftöerleugnung
unmöglich gemalt; benn in fotc^cm gatt luürbe ja bie SBelt,
als wcfcntlid) gut, bcn etjren unb greifen, ber fid^ felbft Der*
leugnete; fie ^ätte aud^ beftänbig bte richtige iBorfteUung,
too bte il^efo^ ift unb toeld^ bie toal^te ®efa^ ifi
@ie^, ba^er mBd^ten tmr btefe tüte jebe Siebe tion und,
bte nacl) ber un§ bcrgönnten Shajt ba§ (5t)riftüd)e öer^errüc^t,
mit biefer mmc\ DertDcfenbcn (Smpjetjlung befi^ÜeSen: ^üte
bic^, fang lieber gar nidjt an, na^ bem ©efagten ju ^anbeln
— tt>ettn ed mä^t in SBa^rl^eit bein (Stuft ift, in SBa^t^
btd^ fe(5ft 0u kietleugnett. SBit ^egen eine ju emfte Sot»
fteÖung Dom @{)rift(td^en, al8 ba^ tuir jemonb (ocfen iDoUten,
tüir möcf)tert faft el)er baüor toornen. SBer in 2Ba^)r^)eit baö
^^riftUc^e fic^ jueignen to\ä, bem toirb bod^ befc^iebeu luerben,
bag er innerlich gan^ anbete (Sd^ed^niffe erlebt aU bad
6i|d^n ©d^recfen, bad t^m eine 9liebe gleic^fam ^um @d^u«
jpxü borfüt)rt; et mufe nad) aufeen eine ganj anbere ®e*
fdljloffenJieit ertüerben, otS fie btvo bifedjcn Diebefunft mit t^rer
gcfd^minften Unmal}rf)eit an i^m ftanbe bringen fann. 2öir
übcriaffen eS jebem |)rüfen, ob biefe unfere ernftlid^c ^or*
fteEung etUKi falt, trofttod, ol^ne Segeiftetung ift. SBenn
einer oon feinem eigenen Set^ItniiS ^ur SBett rebete, toftre
' e« eine anbere @ad}c; bann ift c§ ^flic^t, fo milb, fo ent«
fd;ulbigenb aUi müglid; reben, unb menn er baS tljut, ift
€Ä fogat uod^ ^^^flic^t, in ber ßiebc ©d^ulb ju bleiben. 2öenn
tt)tt a6er mit unfter 9iebe anbetn ben SBeg koeifen foUen,
fo bütfen koir and^ bad nic^t Detfd^meigen, tiM tneUei<|t
toenig geeignet ift, bie Siebe für ben ^od^ftiegeuben 6tnn
cineö fdjmärmerifdjen Sünglingä an^ic^cnb gu mad^en. SBir
bütfen auc^ nic^t empje^len, ba|man fic^ läd^elnb übet ben
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* — 269 —
Sßtberftatib mh hie X^or^ bet Sßett ^htttieg fe^it foHe;
benn felbft hjcnn e§ ficf) tt)un lä^t, tuie eö im §eibentum
gefc^at), fü Täfet firf) aiicC) einzig im §eibcntum ifym, tvcxl ber
^eibe nic^t bie iDatjre, ernf tlid^e, etüig befümmerte ^orftettung
he& Soften t>on bem SBo^rett l^t; benn für biefe ifi
hm^fyaa ntd|t Iftd|etlt(i|, bajs anbete {te ttt<|t l^ben. iS^U
iKtfionben tft bie toefenttid^ ^^or^eit ber fBktt gor
lüdjt läc^erÜrf), aud^ too fie lä^erlid^ ift; benn n^enn fid)
um ®eminn ober ^Berfuft ber (Seligfeit tianbelt, jo ift e^
n^eber ein (^^er^, mm \6) fie gewinne, and^ löd^erlid^^
ttienn itgenb jemanb fie Derfc^er^t.
50agegen ift ei» eine 2&6fttl\äßdt, tm ber toir nnd tos^l
ijfittn foQen: bai^ (S^rifttid^e burd^ einfd^meid^elnbe 9{ebe §u
empfehlen. SBenn jemanb einem anbern ein ungel^euer fdjarf«
gefd)nffenc§, ^meifd^neibigcS ©d^mert überreichen mürbe, reichte
er i^m tooljt mit ben ajiienen, ben ©ebärben, bem 5Iug*
brud bar, mit benen man einen Slnmenftroul übeneid^t?
SBAre bod nii^t berrü(ft! SBaft tl^ man biebnel^? Über«
jeugt Don ber ^Creffüd^feit beS gefö^rltd^en ^totM rül^mt
man biefeö allerbingg mit aEem ^^ad^brud, ober \o, büß man
in gcmiffem (ginn and) mieber boöor mornt. (So mit bem
(Sf)riftlid^en. Unter Umftönbcn foUten mir barum auc^ o^ne
aOed ÜBebenien (nnr UimUn ed t>ox ber l^d^ften 9^ftan^
DerantUiorten) in ^rtftlid^en, gerabe in d^riftli^en $re«
bigten toHNt bai» ^i^rifteninm prebigen. ^Denn toir toiffett
fe^r gut, m in unferer Qtit ba§ Ungtüd ftcrft: in ben
tänbelnbcn unb einfd)meid}elnben (Sonntag^reben, burd) bie
man ba^ (E^riftcntum in eine ©inneMufc^ung unb nn^
äRenf^ in bie (SinbilbnnQ ^ineingenarrt |at, nnr feien am^
fochten. Senn aber ein SO^enfd^ eine 8Ittme in feiner ^nl^
galten meinte, etneSfnme, an beten S9etrad|tung er l^atb eitel,
^alb gebanfenloiS feine greube ^aben moUte — unb e§ riefe
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— 270 —
i^m jcmonb (ttjo^lgcmerft, bcr 9Sat)r^cit gcmöft!) 5«: „bu
tUiglüdfeliger, bu fie^t itid^t, ba^ btei» ein nnge^er fc^arf«
gefd^UffeneS, jtocif^ncibigeg <B^tütxt ift, nxi8 btt ba m bemer
§anb t)ält]t": trürbc ber 5T?cnfcf) bann nicf)t chtcn klugen*
bi\d erfc^recfen! 5t6er, aber — betrog i!)n bcr, ber e^ ber
3Bat)rt)cit gemäfe fagte, ober betrog i^n bic S33at)r^cit? SDenn
ttrieberum ^ie^e ed ben äRenfd^n boc^ nut no(j^ me^ in
feinem a)?i|betftfinbnid beft&tfen, nvenn i^ jemonb ber««
ftcl^cn gäbe, btc S3(ume in feiner §anb fei feine einfalle ober
gett)ö()nlid)e 531ume, fonbern eine t)öd)ft feltene! 9^ein , baö
(i;t)ri]tentum ift nid)t im men)c^ticf)en (Sinn eine ^ö^ft feltene
ölume, aud^ nic^t bic allerfeltenfte — bamit bleibt bie ^Rebc
hikfy, ^eibnif(| nnb tBtlÜUI^, inner^lb bet blog menfci^Uc^
IBorfiellung. ^^^riftentnnt ift, göttlt^ t)erftanben, boiS
^öd)j"te ®ut, unb barum gugtctd^, menfdjlidj üerftanben, ein
ungef)euer gefäf)rHd^e§ @ut, ipeil eö, blofe menfd)lTC^ t)cr=
ftanben, burdjauö nidjt bie feltene 93lume, tiielrae^r ^rgerniÄ
unb ^^or^it ift, je|t, loie einft im $(nfang, nnb fo lange
bie SBett fte^t.
Überoll, too bo« (S^riftHd)e ift, ift be8 ÄrgerniffeS aj?ög=^
Iid)feit; ba§ flrgerniö aber ift bie Ijö^fte ©efabr. Seber, ber
in äßa^rt)eit ba§ SI)riftIic^c ober ztm^ üom (£l}riftlid)en fid)
zugeeignet l)at, f)at aud^ on ber SWögli^fcit bc« trgerniffeg
fo tiorbei müffen, bag et fie gefeiten unb angefid^ berfetikn
— ba« a;^riftrid^e getoäl^It l^at. 3ebe S^ebe über ba« (S^rift*
lic^e mnfe beftänbig be§ Srgerniffeö SDtöglidjfeit offen galten;
bann fann fie aber nie ba§ Sl)riftentum bireft anempfel)ten,
fo ba6 nur etttja bie eine 9^ebe bieg mit ftärferen, bie anberc
mit fd^iD&ci^en, bie britte mit ben aEetftarfften IBob^reifungen
tfym !5nnte. Stein, ba« (Si^riftentnm Iftgt fic^ nur babntd^
an|)reifen, ba^ an jebem $unft immerfort bie ®efal)r beut»
lic^ gemacht n^irb: toie baS (S^^riftlic^e ber blog menf^Iid^en
— 271 —
SSorfteUung ^()or()eit unb 'Ärgernis fet. Snbcm aber bie^
beutlic^ gemalt unb offenbar ipirb, loirb ja bauor gctuarnt.
@o ernft ift bad i^^nftentum. SBod bet ä^enfc^eit a^eifott
btaud^t, mac^t ft^ fofort föftüd^ für fte; hcA (S^riftentum
aber ift feiner felbft fo getoife unb njeig fo ernft unb ftreng,
ba^ bcr ?D?enfcf) feiner bebarf, bafe eben barum fid^ nid)t
bircft anempfiehlt, fonbern erft bcn 9Jtcnfc£)cn auffd)rerft —
ttrte i^^tiftttd fid^ ben ^))ofteltt bamtt em))fat|[, bag ec i^neit
Bereiten Doraudfagte, f!e ttierbett um feinetkotKeii ge^a^t
metben, ja bie, meiere fic töten, koerben meitiett, fte t^iui
Q^oit einen ^ienft bamit.
ba§ (St)riftentum in bie SSelt tarn, brauste e^5 nic^t
(obgleich e§ baö tt^at) barauf aufmerffam ju machen, bajs
bad ^rgenttö fei; bentt bad etitbedte bie SEBelt leidet genug,
bte ftc^ ärgerte. 3e|t aber, jc^t, ha bie SBelt d^riftti^ ge^
n)orben ift, je^t mufe baS (5f)riftentum Dor allem fetbft auf
bag ^(rgerni^ ac^t geben. Sßcnn eö baf)er Xfiatjac^e ift, bafe
in unferer 3^it fo üiete „(5t)riften" beö (S{)riftentumg öer^
luftig ge^en, mf^t xü^rt bad anberd ai^ ba^er, bag bie
^»(»gli^feit bed trgermffed fftr fie fe^tt, biefei» entfe«(icl^
„^ufgepafet!" . . ? SBa« SBunber fo, wenn ba8 6:^riftentunt
mit feiner @eligfeit unb feinen 5Uifgabcn bie „Stjriften" nic^t
met)r bef riebigen fann - fie fönnen fidj ja nic^t einmal
me^r baran ärgern! — 511^ baö (^l)riftentum in bie SBelt
lam, brauchte ed nid^t felbft (loiemo^l t& bai» t^t) barauf
• aufmerffam §u mad^en, ba^ eS ber menfd^Itd^n IBemunft
miberftreitc; benn baS entbedfte bie SBctt Tcid^t genug. Se§t
aber, jetU, nac^bem ba§ (Sljrifteiitum 5al)rl)unberte lang fid)
toeittüufig mit ber menfd)licl)cn Vernunft eingelaffen t)at,
}e^t, ba ein gefaUenei^ ^^riftentum — gteic^ jenen gefallenen
(Sngeln, bie fid^ mit trbifi^n SBeibem tierbanben — mit ber
menfc^lid^en Semunft eine (E^e eingegangen ^at, je^t, ba
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— 272 —
S^riftentum unb ^i?ernunft auf unb Xu ^u eiuaubcr fte^eu:
jc^t mufe baä (E[)riftentum üor aüem fclbft auf ben 5lnftoB
od^t t)aben. ^oU ba^ @()rtfteutum (ad^, ift, ald n^öre e§
bad ai^ätd^ t)im bem Sa^tl^unberte lang toetjaubecten @(|log)
au9 bem 3oiibet ber (Stnttei^töufd^ung unb oui^ ber t^m an«
gctt)anen ^^eruuftaltung ^eraugge))rebigt Ujerbcu, fo mufe ju*
erft bie 5!J(üt]IicI}feit be§ ?(rgerniffe3 auö bem ^obe^fd^faf
lüieber iuö Jiiebcu geprebigt tuerben. iRur bie Ü)?öglid)fcit
bed ärgemiffed (bad (^engift gegen ben ^laftrunf ber
^ologetif) ift im fianbe, ben in @d§(af Serfnnfenen
tt^eden, ift im ftanbe, ben SSerjauberten gntfid^ntufen, fo bafe
ba^ ßl)rijtentum tuicbcr e§ felbft ift.
(Sagt olfo bie ^eilige <Sc^rift: „tDÜ)t bem, burd^ toelc^en
ttcgerni^ fommt", fo getrauen tüir unS 5U fagen: tüetjc bem,
ber guerft barauf berfiel, ha» (S^riftentum ol^e bie Wtl^*
li^feit be« Ärger niffc» gu mfftnbigcn! SBe^e bem, ber
fd^meidjtcrifd^, bu^Ienb, empfe^tenb, betpciienb ben ^Dcenfd^cn
ein uumänntid)eg (itmaö auffc^tüa^te, bat> C£l)riftentum fein
follte! 2öet)e bem, ber bad SBunber begreiflidj machen ober
und boc^ ^eUe $Cudfid^ten etdffnen tonnte, ed toerbe balb
gelingen! 83e^ bem, ber bad ®(aubenSge^mntd t)erriet
unb broc^, ber e8 in ein öffentli^c« SSiffcn öerberBte, incil
er bie SQ^ögüdjfeit be^ Srgerniffeg tt)egnal}m! JBelje bem, ber
baö (^et)eimni^ ber ^Nerfohnung begreifen fonnte, ol)ne ettra^S
oon ber äJioglic^feit bed ÄrgerniffeS ju merfen! ^^lod) einmal
me^e i^m, bajj er meinte, er tl^ue <§^ott unb bem (S^ftentum
einen ^ienft bamiti SSe^e allen biefen untreuen ^auS^ottem,
bie fic^ niebcrfe|tcn unb falfdie SBetueife f daneben unb bem
(Sljtiftcntum unb fi^ felbft bamit greunbe gemannen, ba§ fie
bem (£t)rifteutum bie SJiöglid^feit beg 5irgerniffeS toegftric^en
unb liunberte t)on X^or^Uen guf (^rieben! O, traurig Der«
geubete (Stele^rfamleit, traurig tiergenbeter <3(^arffinn| traurig
— 373 —
uergeubctc Qdt, bte auf bie unge()eure ^Trbcit, bie ^Berteibiguug
bed (^f)xi\kntümi, Demenbet tuurbe! SIBa^rlic^, tpenn baS
(S^riftentum xm einmal mieber mit ber WlbgUiifytidt bed
Ärgemtffö in feiner SRac^ erfte^t, bag bted ®d|te(fniiS bte
9Renf<!^en nrieber anfrüttetn fonn: fo hxan^t ba8 (Stiriftentum
feine 3Sertcibigung. Unb anbrerfeitg, je gete{)rter, je treffnd)cr
bie ^^erteibigung, bejto mei)r ift ba§ ß()riftentum ücrpfufc^t,
abgefcf)Qfft, entmannt. ®enn bie SBerteibigung koiH getabe
gittmfitig bie SJ^dglic^fett bed ttgerniffei» koegnel^men. i)oi^
(S()riftentttnt foll aber ntd^t tierieibigi loctben; bte 9Renfd^n
i()rerfeitS mögen 5ufef)en, ob fie fid) öerteibigen unb ba^, toa^
fic n)ä^(en, Dor fi^ felBft öerantiucrten fönnen, wenn baä
(5;f)riftentum mit fd}recfenbem 9)^ac^tn3ort \vk einft i^ncn bie
äBa^l anbietet unb getoaltig fie %ut j2Ba^ nötigt: entnxber
fi^ 3U &Tgexn obec bad (S^riftentnm anjnne^men. 9{e()met
iftr olfo bie 9KögIic^feit bcÄ Ärgemiffc« Dom (S^rifttid^cn
tücg, ober lofet it)r bie SSergebung ber ©ünben loö üon bem
Äampf beg geängfteten (^ctüiffcnö (ju bem büd§ nac§ Sut^er^
i^errli^er (Srflärung bieje ganje Se^re l)ingefüf)rt merbcn
vmi), bann f c^lie^et je el^ je beffer bie ftiid^en ober ma^
^ergnügungS^aUen batond, bie ben ganzen 5Cag offen fte^nl
9Bä()renb man aber fo burd) 5(uf^e6ung ber 9)?ögti(^feit
beö *5lrgerni]feg bie gange Sßelt c^riftUc| gemadjt Ijat, gefd)iet)t
immerfort baS ©onberbare: bafe bie SScIt am toir flicken
(S^riften fi(| ärgert. $ier fteOt fid^ baS ^rgemid ein, be^en
SRdglicl^teit nun einmal oon bemC^riftH^n tttisertrennlic^ ift
9lnr ift bie 13!$ertotrtnng trauriger benn je: benn einft ärgerte
fid^ bie 9Be(t am CSf)riftentnm — baö Ijatte einen ©inn; nun
aber ijat bie SSelt bie ©inbitbung getoonnen, fie fei c^rift(id),
fie ^abe fi^ bog S^riftentum angeeignet, ol^e ttm^ oon
ber äRdglid^ieit bei» ^rgemiffei» bemerfen — unb ärgert
ftc^ bann an bem »irfli^en (Qriften. Vkifyclti^, bon einer
Aiecicflaatb, nfttteti bec Side. 18
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— 2W —
folc^ ©intiedtöufc^ung ift fc^ioer lod^ufommen. SBefie ben
ffinfen gebcm uitb ben gcfc^äftigen 3wn9^"' ^^^^ Ö^^^^SC"
^ßiclgcid^äftigfeit, bie, mcil [ic lücbcr baö eine nod) bü£>
anbere iDeifj, bariim fo unenbticJ) leicht beibeö, baö eine
unb ba§ anbere jufammenrcimeu fann!
^n bem )pirfitd^n (S^riften ärgert fid^ bie d^riftUd^e
SBelt noc^ immerfort. 9^ur ift bie Seibenfc^aft bed flrger«
ntffe« in ber Siegel l^ier nid^t fo ftarf, baj fie ben @[)riften
ausrotten njiti: nein, e§ bleibt btofj beim Spott imb .po^n.
S)aS läBt fid^ leidet etflären. ©inft, ba bie Sßelt baö ^öc*
tnugtfein ^tte, nid^t d^rift(id^ fein, ba gab e§ etmad ^u
ftreiten, ba ging ed auf Seben unb Xob. 9hm aber, ba bic
SBelt ftols unb Berul^igt ba« 8etDu|tfein ^at, bog fic felbft
djiiftlid} fei, nerbieut ja boö übertriebene Söefeii be§ tüatjrcn
ßitjriften iiidjtsi tneiter qI^ ettt)a§ ©ctäd^ter. S)ie 5^crtüirrung
ift trauriger alö in ber erften 3^^^ (Stjriftentums^.
koar traurig, allein ed loar ©inn bariu, ba^ bie SBelt auf
%oh unb Seben mit bem (S^rifientum ftritt; aber bte nun*
met)rtge ertiabcnc fRul^e ber SBclt, bie au« bem Söctt)UBt)eitt
i(}rcr Gljriiiüdjfeit flicfit, if)r, incnn man )o tüiU, billiget
spötteln - über ben lüirflidjen S^riften: grcnji ta)t
an SEßa^nfinn. 80 ift baS ^^rtftentum in ben erften Qttttn
nie 5um ®egenftanb bed Bpott» getoorben.
SBenn benn in biefer (^riftüd)en SBelt ein 9Wcn)d£) bie
^f[id)t, bafe \mx in ber l^icbc ©diufb gegen einaitbev bleiben,
nur eintgermafien crjüUen (udit: fo unrb er auc^ in bie
(e|te 6d}lDierigfeit tjinau^gefüljrt luerbcn unb mit ber geinb*
fc^aft ber fßkit 5U tamp\m ^ben. ^te SBelt benft teiber
fo ttenig ober nie an ®ott; beider fie aud^ |ebe8 Seben totaf
mifeDerftcl^en mu^, beffcn mefentli^er nnb ftöttgfter ©ebanfe
eben ber ©ebanfe an (^k">tt ift, ber ©ebnnfe baran, tt)o gott
lid^ üerftanben bte ^efal^v ijt unb toa^ bie gorberung an
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— 275 —
einen 902cnfd)en ift! ^on bem lüirf liefen ^l^riftcii fagt ba^ct
bie (i^nftlidie Wklt in \nt\tt ^ütfic^t: „et gtebt ftc^ fetBec
preid; felBft too et offener Unred^t erlitten f^t, bittet er
fclbft faft um S5crgcbiing." S)te SSelt üermigt an if)m —
djriitlidj (benn bie SBett finb ja bie (il)riften) bie nötige —
d^riitlic^e ^cräen^tjärtigfeit, bie gefd)äjtig i^r guteg 9ie^t
einforbert, fid^ geltenb mac^t, ffiöfed mit HBdfem ober bod§
mit bem ftol^n )EBenw|tfein etgenet (Büie bergili SHe SBeft
merft gar nicfit, bafe ein folget ^Kenfd^ einen gang onbem
2?cü|lüab für fein iicbcn ijat, unb ba^ barauö baö ©an^e fid;
gan^^ einfach erflären lä^t, n)ät)renb eö freilid^ cjanj finntoö
wirb, wenn c§> nad) bem 3JiaBftab ber äöelt crÜärt roirb.
^ aber bie ^It eigentlid^ gar nid^td babon mei^ nnb nio|(
aud^ nid^ti^ bobon totffen toHHL, bag biefer SD^agftab QM
®otte8üerl^ä(tni3) ba ift, fo fann fic foI(^ eine« 9J?enf(i^en ©c*
nel)men fic^ nur atä bcn (äigcnftnn einc§ ©onberling^3 erftären
— benn baB bic§ (Stjriftentum ift, fann ber 2öclt natürlid^
nie einfallen, bie ald eine i^riftlic^e boc^ n^o^I felbft am
beften meigr mod (Si^riftentttm ift & ift fonberbar, hai ein
SO^enfd^ nid^t eigennügig ift; e^ ift fonberbat, bag er ni(^t
tt)icber )d)ilt; e§ ift fonbcrbar unb eine S5lamage, baB er
feinem geinbe üergiebt unb faft ängftlid) ift, ob er aud) genug
für feinen geinb t^uc; eS ift fonberbar, bofe er aüeö am
nnred^ $la( tl^t unb nie ba mittönt, too ed aud^ ettoai^
g(eic^ fie^t, bog man mutig, l|od^l^er5ig, unetgennü^tg ift:
ift bag fonbcrbor unb gefud^t unb faft albern, furj jum
Sad)en, ba man ja felber burd) feinen SBeltfinn beffen uer*
fiebert ift, bafe man aU Sfjrift im Söefi^ be^ SBa^ren unb
bed ift, ^er unb bort, ^ie mit ^at feine, ^ö^ftend
eine fe^r entfernte ^ttagdborftefiung babou, bag bad <S(otted^
oer^ftmiS ba ift, gefd)n)eigc babon, bafe biefeg tägüc^ eine«
9Jienjd)€n £eben beftimmen foH — barum mu^ fic fo urteilen.
18*
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~ 276 —
5£>ad unfui^tBare <0efe( für bad Seben folc^ eines ^enfd^tt,
für fein Setben unb ffit feine ©e^tgfeit, ift für bie SMt gar
mä^t ha: ergo mufe fie ein fold)eg SeBen, toenn fie mitt) fein
iüiü, für eine 3ünberbartcit crflärcn, irie trir ja für
23a{)nfinn ertUircn, n?cnn ein 2}^cnfd) immerfort einem 5i>ogel
nac^ft^aut, ben niemanb Don unS anberen fel)en fann; ober
toenn ein äKenfd^ tan5t — nad^ einer SDhifif, bie ein anberer
2Bltn\f^, felbfinttt bem reblid^ten SßiHen, ntd§t ^örenlann; ober
mm ein SÖienfd) burc^ feinen ®ang erfenncn tä^t, ba§ er
i)or etlraö — Unfid)tbarem auö bem 5öe(^e (^eftt. ift
ja auc^ SBa^nfinn; benn ein ^ogel fann nic^t unfid^tbar ba
fein, ttjcnn er totrlUd^ äugegen ift, fo »cnig als eine toirf*
li^ ^ßtufü nn^ürbar fein fann, mib fo »enig a^d ein totri^
Itc^eS ^inbemii^ int Sßege, ba§ ^unt Stndtoetd^ ndttgt, m*
fidjtbor fein fann; ©Ott aber fann nur unftcf)tbar unb unl^örBor
zugegen fein, fo ba^ bod^ nic^t fo öiel belocift, toenn bie
aSelt i^n nid)t fieljt.
3d^ nnU biefei^ )iBer^altnid mit einem einfädln l@Ube
Belett(i|ten, bad id| oft, koenn an(| in t^erfd^ebener SBeife,
gebraud^t ^obe — ift fo frud^tBor, fo Icl)rreid^ unb fo
be5eid()nenb. SBenn ein ftreng erpgeneg ftinb mit unartigen
ober loeniger artigen Äinbern gufammen ift unb bei it)ren
Unarten ni^t mitt^un »itt, bie fie bo(^, loenigfteng grofeen*
teitö, felBft nid^t für Unarten anfel^n: fo tt»iffen ftd^ bie
unartigen ftinber ha^ mdjit anberd §u erff&ren, afö ba^ fened
^inb eben fonberbar unb bumm fein müffe; fie merfen nidjt,
ba^ baö 'iscr()ä(tmö fid) anbcr§ erflären töfet, barau^o, baß
baS ftreng erlogene ^inb, njo e^ ouct) ift, immer ber ©ttern
aD>2a6ftaB für bad, toa^ ed barf unb mad ed nid^t barf, Bei
fid) t)at. SQSären bie <£(tem ftd^tBar ^ur Stelle, fo bag bie
unortigen 5?inber fie bcmerften, fo toürbcn fie ba8 ^nb bcffcr
üerfteljen fönnen, befonberö tüenn fie e^ unmutig fä^en, bajs
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I
— 277 —
bcm 33er6ot feiner Slteni get)ord^cn mufe; beim fo Ȋrc
ja offenbar, tag bai^ üebet tote bte mattx%tn Stmhtv
to&ct, mb ed Mte (dd^t genug etnsnfe^n; ja mit 9btgen p
fe()en, woi bo« SKnb ^urüdf^dtt. SBenn oBer ble (Stiem ntd^t
(^ut]ici]en finb, füniien bic unartigen Einher bo? ftrcnq crjoqenc
5linb nidjt üerfteljen. ©ic benfen tttoa fo: enttoeber muß
bie§ ^nb gar feine foU^ 2öünfd)e toie toir anbern Äinbcr
^ben nnb ift eben bumm mtb fonbecbat; ober ei^ inel«
Ieu|t SBftnfdIe genug unb barf nur ntd^t — UKtcnm aber
ntd^t? ^EHe (Slfem finb ja nici^t ba! e9 ifi alfo »teber eben
bumm unb [onberbar. 5n?an fann eS barum nidjt otjne rt)eitere§
@d)abenfreube ober S3oöf)eit üon ben weniger artigen Anbern
nennen, baj} fie über baö ftreng erlogene fo urteilen; o nein,
fte meinen Dielleid^t in i^rer SBeife fogar red^t gut mit
t^m. @ie berftel^en hcA ftreng gehaltene IKnb .ni^t; i^re
Unarten fommen it)ncn fctbft gar ni^t fd^timm öor, unb
bal)cr tiiollcn fie, e§ foUe aud^ mittl;un unb ein munteret
Minb fein — rtjie bie anbern aud^. — ^-8on biefem S3itbe ift
Icicf)t bic ^(nnjenbung ju mad^n. G§ tt»i(I ber Seit gar
nid^t in ben @inn (tone bad and^ nii^t ber goll ift), bag ein
(S^rift nid^t biefelben Sftfte nnb Setbenfd^aften ^aben foQte
ttne bte SBelt. ipat er fic aber, fo fonn fie e^ nod^ weniger
ücrftet)en, Warum er, anä gurdjt üor einem Unfic^tbaren,
einfältig genug bie nac^ bem 53cgriff ber SBelt unfc^n(bigcn
unb erlaubten ^egierben, beren ^efriebigung fogar ,,bie ^^fiic^t
gebietet'S bcjttnngen tonU, marnm er bie ^bftliebe besmingen
tonn, tott^ bte SBett nid^t b(og unf^utbtg, fonbem (5blid^
neimt; fie begreift eS nid^t, warum er ben ^oxn bezwingen
will, ben bie SBelt nid}t blofe für natnr(id), fonbem gar für
bad ä^ic^en eine^ ÜJ^anneö anfielt, ber feine 3D?anne^würbe
wa^rt; warum er atfo auf ^meifad^e SSeife fidj felbft un*
glfidQid^ mad^ tonH: inbem er erftend bie ^egierben nid^t
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— 278 —
befrieingt unb bann }um Sol^n bofflt t>on bec SBelt fUfy md^
Tlan ]icl)t Icicljt, baj^ bic ©clbftDerleugnung l)ier ridjtig
be^eic^net ift: fic ^ot ba^ 2)üppeläeid)en. (Sben roeil baö ber
gaU ift, tüeil aüerbingd berjcnigc, ber fic ernfUid^ üben »itt,
in hoppdtt Q^afyc gmten vm% eben batum fagen tote,
fei ber 6;t)ri[ten ^flic^t: in bec Siebe ©d^nlb gegen etnanber
5U bleiben.
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Ceben unb tDalten ber Ciebe.
Einige c^riftCic^e ^irtpägungm
tit ^omt
Zweite Jlßteit'u«ö.
1847.
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il^tefe <|nfllti|en Sctofigungeit kooHeit — afö ^^rud^t
tneter (Smögung — (Qitgfam 6erfionben tocrbcn unb bann
aber and] leid)t, iDäljrenb fic freilidj \d)x fc^tDtcrlg tuerben
mögen, toenn fie jemanb burd^ flüd^tigcS unb neugierige^
ßefen fid^ fc^r fc^ttierig mad^t. „3ener ©injelne", bcr crft
bei fid^ ertoägt, ob et lefen koUl ober md^t lefen toiH, erkoäge
in ßiebe, toeittt er fi^ toirKid^ gu lefen entfd^Iiefet, ob nic^t <
bod] bie ©c^tüierigfeit unb bie Scidf)ttgfeit, mit SSebadjt ^u*
fammen auf bie 2öagfd)ate gelegt, fid) rid)tig ]o f^u cinanber
malten, bag bad ^^riftlic^e ^ier nid)t mit faljc^em ^mid^t
ausgegeben totrb, tnbem bie <S(^koierig{eit ober bie £etd^ttg>
fett grog gemad^ kDürbe.
@8 ftnb „c^riftlirf)e Erwägungen"; fic ^nbettt eben bo^r
nic^t t3on ber — „ßiebe", fonbern üon bem — „Seben unb
SGßalten ber Siebe". @g ift ba« „^Balten ber Siebe", baö
^ier bargelegt toixb, nid^t als toäxtn nun bamit aQe il^re
^tt^erungeti aufg^&^It mtb befd^rieben^ bttrd^and nic^t; nid^t
afö ko&re ttun ba8 einzelne ein ffir a0emat bef^rieben, gott»
lob ni^t! 9BaS in feinem ganjen 9^eicf)tum n)efentHd^
unerfdjöpftid^ ift, baS ift aud) in feiner geringften ^(ujierung
toefcntlid) unbefd)reiblid), gerabe Ujeil e§ überall toefentlic^
gan^ gegentoartig ift unb tt)efentli4 nid^t ^u befd^eiben.
3m &pa^afyx 1847.
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f
i
I. '
IKe fiebe erktnt.
[Üe inenfd^Ii^e Stiebe üom ©eiftlic^en, ja felbft bie gött*
Iid)e ber ^eiligen ©d^rift, ift tDcfcntlicf) übertragene
Siebe. SDteiS ift aud^ ganj in feiner Ordnung ober bet
Ocbnintg bes S)iit8^ imb bed S)afetiu^ eiitf)nm|eiib, ba ber
S^cnfd^ attNic toom KugenMiif ber (Matt an Qcift ift, fii^
beffeir oBer crft ^p&ttt Betoufet wirb, fo bafe er IM»^ eilten
gemijjeu 5(bfc^nitt finnUcf)']ee(ifcf) öerlebt t)at. tiefer erfte
^Ibfc^nitt foH ober beim (Srnjod^en be$J (^ieiftes^ nid)t tt)egge*
öjorfen »erben, fo toenig als beS ©eifte« ©rtoac^ auf finn«
It(^ ober finnlid^feeltfc^ SBeife ft(^ im (Skgenfo^ ittm ©inn«
lid^en mib eimtfi^feelif onOlnbet ' S)er erfte Hbf
bleibt ba [)cr, um gerabe bom ^ft übernommen )tt loetben,
unb fo beuu^t, fo ®runb gelegt toirb er baS Übertragene,
^cr gciftti^e unb ber finnlid^sfcelifd^e 9J?enfcf) fagt ba^er in
gctüiffem @inne baSjelbe; unb bennoc^ beftet)t ein unenblid^r
Unterf(|teb, ba ber le^tere bod ^ikl^etninü» bed ibertragenen
WofM tdäft afysk, obgletd^ er (fretlid^ nid^ ibectragen) \M*
felbe SBort gebraucht. (Sd ift ein ^tmmeltoetter Unterfd^ieb
atoifd^en ben^beiben; ber eine fyit ben Übergang gemad^t ober
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— 6 —
^Qt fic^ auf jene (Seite t)in übertragen laffen, tt)ä{)renb ber
anbere auf biefer (Seite verbleibt; boc^ ift ein 53inbeg(ieb
jtüifc^en beiben, bog fie bcibe bagfelbe ^ort gcbraud^en.
^er, in bem ber (SJeift ernjad^t ift, toerlägt ja barum bie
fic^tbare SSett nic^t ; er ift aud^ ferner, n)ie»o^( aU benjufeter
®eift, in berfetben unb felber ftnnlid) ficf)tbQr; fo bleibt er
auc^ bei ber ©prarf)e, nur bafe er fie in übertragenem @innc
gebraucht; ba§ übertragene Söort ift ja aber nic^t ein nagcl*
neues, e§ ift im QJegenteil baS bereite gegebene SBort. SQ3te
ber ®eift unficf)tbar ift, fo ift auc^ feine (Bpxad^t ein ©c^
t)eimnig, unb baS (5)et)eimnig ftecft gerabe barin, bag er bie*
felben Sßorte toie baö Äinb unb ber Einfältige gebrandet, nur
übertragen, luomit ber ®eift erflärt (aber nid^t auf finnti^e,
ober finnlid^^eelifc^e Söeife), er fei nic^t ber finnlid)e ober
finnlic^sf^c^^W^ 9J?enfd^. ^er Unterfc^ieb ift feine§tt)eg§ ein
auffadenber; toxi fet)en eS gerabe barum mit $Recf)t für ein
3eid)en falfd^er ®eiftigfeit an, ttjenn man ben Unterfd^ieb
re^t auffällig — b. t). natürIid^*finnU^ auffällig ()ert)ortreten
läfet, mäf)renb mat)rer ®eift fic^ in ba§ ftiCte ®et)eimni§ be§
Übertragenen tym'm ftüd^tet, baö bod^ beutlic^ genug rebet
— für ben, ber D()ren t)at ^u l^ören.
(Sin§ üon ben übertragenen SBorten, meiere bie f)eitigc
©d^rift fe^r ^äufig gebraucht, ober eineö uon ben SBorten,
tDelc^e bie t)eiligc (Sd^rift fe^r ^äufig übertragen gebraust,
ift ba§ 3Bort erbauen. Unb ba§ ift bereits — ja e§ ift
fo erbaulicf) ju fet)en, mie bie ^eilige (Sd^rift ni(f)t mit bem
cinfacf)en SBort in Streit fommt, nic^t geiftreid) 5(bmed)felung
unb neue SBenbungen auffu(^t, fonbern im ©egenteil in
lüat)rt)aft geiftigcr Sßeife in bemfelben alten 3Borte ben ®e«
bauten ftetS oerjüngt! Unb eS ift — ja eS ift fo erbauüc^
ju fef)en, mie bie ©c^rift mit bem einfoc^en SBorte baS ^öc^fte
unb ämar auf bie innerüd^fte 3Beife bejeic^ncn meig; eS
j Google
— 7 —
ift faft tote jetteg <St)eifungStounber mit bcm Hetnen Vorrat,
ber butd^ ben ©egett fo toeit teilte, ba^ iiix| ein Ü^erfluft
Sttrfi(!6(teB! Unb d$ ift — ja e9 ift etBauti^, toenn ed
einem glücft, ftatt gefdjäfttg neue ©ntbedungen motten,
bie gefc^äftig bag 5rite Derbrängen foüen, mit bem *^Ktbe*
fonnten eine neue SSefanntfc^aft einjuge^en, inbem er bemütig
fid^ mit bem ©d^rifüooct ^nügt, bonfbar unb innig bad
t)on ben Sötetn ÜBerltefette fld^ aneignet ftinbet l^ben
iDtr tDol^t oVe oft „^Jftembe'^ gef))ielt; mf^iüä), bai$ ift gerabe
©ruft, toenn mir, geiftlid^ öerftanben, biefen im (Smft erbau*
liefen 6d^er3 beibe^aUen unb mit bem ^Ubefannten „grembe''
f;>ielcn.
d^banen ift ein iibetttagenet ilndbiud, bod^ tvoUen tm
%m&ä)^i fe^en, toetd^e eigentüd^e, finn(td^«nnmttteIbaTe
SBebeutung biefeg SSort t)at, babei aber im @inne be*
IjQÜen, baft ber ÖJeift einen anbern, gel)eimcn ©ebanfen mit
i^m auöbrücft. Erbauen ift auS „bauen" unb ber Söorftlbc
„er" gebUbet, anf ber alfo ber ^'^ad^brud liegen nut^ geber,
ber f^erbant", baut, ober ntd|t jjättt, ber baut, ^erBaut".
SBenn ein fD^ann einen t$(üge( an fein Baut, fo fagt
man nid)t, er erbaut einen ^ttigel, fonbern er baut an.
^iefe§ „er" fc^eint alfo bie 9iicf)tung in bie §öt)e, bie ^ic^^
tung aufmärtg, anjugeben. ®oc^ ift ha§> and) nidjt ber gaH.
SBenn ein ä^ann ein brei^ig gujs (^b&ube noc^ ^^n
i)&f)tt Baut, fo fagen Urir boc^ ntd^t, er erbaute bcA
|>ou8 jetin gufe ^ö^er, toir fagen, er baute barauf. §ier
beginnt bereits bie Sebeutung be§ SSortg beutlidjer t)erl)or*
antreten; benn eg ift einleud^tenb, bajs eÄ boc^ auc^ nid^t
auf bie |)ö^e anfommt. SBenn bagegen jemanb ein ipaud
nod^ fo nieber unb Kein, aber Don ®mnb au9 auffü^,
fo fagen toir, er erbaute ein j^ud. (SrBauen Bebeutet atfo
etmaö öon ©runb üuö in bie ^ö^e üujfüt)rcn. S)iefe^ „er**
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Qte6t freiließ aU 9^iic^tung tie in bie ^ö^e an; alber mir
knenti bie $d^e jugteic^ itmgefe^ %iefe ift, fagett toiT er»
Bmten. lEßttb batum ein gioat in bie $5^ rnib lx>in
®ruitb Qug gcbont, ober nid^t fo, ba^ bie Xtefc bcr $öl)e
rirf)tig entfpnd)t, fo fagen trir, fei „fcf)lec|t er^ ober auf^
gebout"; unter einem ,,frf}fed^t gebauten" §au§ öerftel^en toix
ettDad anbereiS. ^er ^ad^bmd liegt alf9 beim (fobouen k>or»
ne^lid^ bataitf, ba§ t)oft ^nmb avA gebant totrb. SBo^^t
teben roh bei bfogen (Stb* nnb ^nnibaTbciten nic^t t>vn
Erbauen; tuir fagen nic^t, man erbaue einen Srunnen; foü
aber t)on einem ©rbauen bie Oiebe fein, fo mufe bie ?(rbeit
üom @runb aug gefdje^en, gteic^oiel, tote ober »ie
niebet bet 193au loiTb. äO^an {amt bal^r tion einem fagen:
et begann ein $aud p etbanen, kmi^ aber nic^t fertig.
Wogegen !ann man nie fagen, eS l^be femanb ttm» erbaut,
toenn er ni^t t)on ®runb aug baute, er mag nun bem f&au
in bie §ö()e noc^ fo öiel hinzugefügt Ijaben. SSie ttJunber*
Ud^I 2)iefed „er" in „erbauen" tocift auf bie §ö^e l^in, be*
ftimmt aber bie i^bl^ umgeftl^rt aU Xiefe; beim erbauen
bebeutet Don (i^runbe aud bauen, ^rum fagt ouc^ bie
©(f)rift Don bem tt)öri(f|ten 5QZann, er ^abc fein $auö „o^ne
®runb" auf bie @rbe gebaut; t)on bem Warn aber, ber ba§
Sßort jur mal)ren ©rbauung l)ört, ober ber e^ (nac^ bem
SS^rt ber ^c^rtft) ^ört unb banad^ t^ut, t>on if^m ^eigt ed,
er fei gleid^ einem Hßenfd^, ber ein $aud baute „unb
tief grub" (Suf. 6, 48 f). fttli ein (SkMffer fam
unb ber @turm an biefeö gut erbaute §aug ftiejs, ba freuten
toir uns alle ob bem erbaulichen 5lnblicf, ba§ ber (Sturm eö
nid^t erfd^üttem fonnte. S)cnn, mie gefagt, bei bem (Erbauen
lommt ed tmnt^wliä) auf bad I93auen im (SIrunbe au. (H
ift töblid^, ba6 ein SRann t>or bem Seginn ttberf<|I>, „tote
l^od^ er ben Xurm aufführen lann"; foE er aber erbauen,
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f 0 Ia| ja botoitf ad^, iNift tc tief QfOh; bemt mag
fid^ bet ^^tttm wmb^ii^ Big 51t ben Sßoßen ev^n, fo
tvai er bod^ eigentlich md)i erbaut, ttjctin er feine ®runb*
läge befam. (S^anj o^ne ©runbtage erbauen, ift nid^t
mögli^; bad ^iege in bte £uft bauen. Da^ec „baut" man
ftnca^t^ rupg £itftfdpffer; ßnftfd^ldffer „al^tn" toftre
cm »«ICftfftgec imb Detb^ctec etnEa<|(|e&miif|. 5C)eiiit felbß
ix ber IBe^dinung bcS 9K(i)tSfagenbett muffen Me einjelncn ^
SGßorte äufamntenpaffcn; baö ift aber bei bcm ^(ugbrud „in
bic ßuft — erliaiicn" nid^t ber %aü, ba ber eine ^eil bie
^runblage n>egninimt, bie bei anbere t}orauSfe^t; bie «gu«
famiiteiifelniig to&» ba^ etne unmal^re Übcttseitoiig.
60 iDitb ber 9bt8bii«f ntämm** m bcc cmfo^eii im«
mitteTboren Kebe gebraust; mm edintent loir itn§, bag e8
ein übertragener 5(ugbrucf ift, unb ge^en bemi auf ben (SJegen*
ftanb unfrec (^itoagung über:
S)ie iSiebe erbaut
3ft a6er ba9 Crbanett im getftlit^ ®imt ein fo etgen«
t&mlv^ ^Abtfot ber Siebe, ba| ed einzig unb affetn
jufommt? ©onft fönnen ja me{)rere ©egenftänbc gteidjmdjig
ober in ung(eiii)em 2Jla^t, aber inSgefamt auf ein unb baS*
felbe ^robifat Stnfpruc^ ()aben. Sööenn baä mit bem Erbauen
ber 0aII ift, fa to&xt ed unric^, ed in (0 befonbere IBe*
gie^g in bet S&dn §n fe^en, tak biefe Crtoftgnng t|nt; eft
toAre ein auf SRigüerftAnbnid bem^ber IBerfud^, ber lEikbe
eine ^InmaBung an^ubic^ten, a(ö njoUte fie allein f)aben ober
an fid) reiben, njaö fic mit anbern gemein ijat — unb
bie Siebe teilt ja gerne mit anbern, ba fie „nie baö 3^ie
fni^t'' (1. ^r. 13, 5). %>o^ ift in SS3a^r||eit boi» Urbanen
asdf(^Ue|Ii($ ber Eidbe eigentftmlic^; anbererfeüS aber tonn
bk (Mottfiil^ gciuig aDem imteloo^nen, mit allem fi^ tier*
— 10 —
binben — gerabe tok bie £iebe. @o fie^t man, bag bie
Stc(e mit biefet befonberi^ iitCoiitmeiibeit d^enfilaft fU^
itic^ obfonbert, aud^ nid^t anf irgenb ehte ©elUftfittbigiett
mit» auf il)r güifid)fein in ber 9?eif)e mit anbeten pod^t, fonbern
burrf)auö fiel) Ijingiebt; ba^ ßigcntümlid^e 6eftef)t gerabe barin,
bag [te aug)d)liegnd^ bie (^tgenfc^aft ftc^ goo^ ^in^u«
& giebt irid^tö, nid^tö, bad nitr gd^ait ober gefagt
)tt metben bnm^t, itnt ecbanlid^ p »etbeit; ed fei aber, ttxid
ei» looEe, koenn e» erbauttd^ ift, fo ift Siebe habet. So ba«*
I)er bie ©rmaljnung einräumt, bie (Srteihmg beftimmtcu Dietzeln
fei fc^irierig, ba eben lautet fte: „t^ut alleg §ur (Srbauung".
©ie tonnte gerabe fo gut lauten: „tijut aüeg in J^iebe", loo*»
mit gana bodfelbe audgebrüdt toäxt. 2)ec eine SKenfd^ !ann
ba9 getabe iSkgenteS tion bem t^mt, toad ein anbeter, alKeiit
tl^ut ed nur jeber in Siebe, fo loirb bad eine tone bad anbere
crbaulidi. @g giebt in ber <Sprad}e fein SBort, ba§ an unb
für fid) erbau (id) ift, unb e§ giebt in ber <Bpxad)c fein 2®ort,
bad nic^t erbaulid) gefagt toerben fönntc unb erbauUc^ n^ürbe,
ttienn bie Siebe babei ift. ^ie ©abe 5U erbauen ift bal^er
bnr^ttS nid|t (hoA ift gerabe ein lieblofer nnb ftreitffi(^et
Srrtnm!) ber auSf^Iteglic^ ©orjug einjerner begabter, ttic
mit ber 2öiffenfd)aft, ^idjtergabe, ©d)i)n^eit unb berglei^en
ber J^nll ift; üiefmetjr menn nur bie Siebe redjt im 9}?enf^en
lüäre, )o follte unb fönnte unb ttjürbe er, einer mie ber anbcrc,
erbauen, nömtic^ burd^ fein Seben, feinen SBanbel, burc^ fein
S3fnel^men im tillltägUd^n, bnrd^ feinen Umgang mit feined*
g(eid)en, burd^ fein SBort, feine äfngemngen.
©aS bcmerfen toir auc^ fclbft, benn mir gebrauchen ba§
SSßort „erbauüd^" im meiteften Umfang; Don mag mir unS
ober öicüeid)t felbft nic^t Siec^enfdjaft geben: toic gebrauchen
eS blog ba, aber oud^ immer ba, too Siebe babei ift.
^od| Derlangt ber ret^e €)irad§gebrau(|, ba^ tonr pHaMvdi
— 11 —
barauf a^ten, bog SBort eincrfcitö nur ba gebrauchen,
m Siebe babei tft, unb anbeterfettd innerhalb biefer f&t»
gtenpng ed unbegrenzt p gebtaud^en, ba oHd» etbaulid^ fein
fonn, tote ja auc^ bei allem bte Siebe fein fdnn. — Wkm
toix einen ©tgenbrötler burc^ lö6Iid)c ©enügfamfeit fporfam
mit mcnigem Qu^fommen fe^en, fo el)ren unb rüf)men tüir
ü)XL, jein Slnblid ift un^ eine greube, eine S^efeftigung im
i^uten; boc^ iieben tote l^ier nic^t Don einem eigentUc^ er^»
banlicfien ^nbltd SBenn loir bagegen fe^en, ttrie eine $auiN
mnttcr, bte tnete ju öerforgen I)at, burd) ©enügfamfett unb
treiie Sparfamfeit in ^iebe i)erftct)t, in baS SSenige einen
©egen legen, fo bafe boc^ alle genug befommen: fo fagen
toir, e§ fei ein erbaulicher Slnblicf. S)a§ ^rbauUd^e Uegt
barin, ba|s n^ir jugteic^ mit ber iSknügfamfeit unb@)>arfam!eit,
bie toir e^ren, bie (iebenbe gürforge ber ^oniSmutter mit«
anfel)en bürfen. dagegen nennen trir'ö einen nienig erbau-
liefen, einen ungcniüttichen 5(n6Ucf, tuenn toxi einen eigentticf)
im Überflufe ^""Ö^'fiJ fe^cn, ber bod) gar nid)t§ für anbere
übrig \)at äBir nennen feinen ^nbüd mpbxtnh, feine
tppi%U\t efelt und an, mir f^aubem bei ber SSorfteQung
oon ber fd^rcdlidhen SHad^e über bie ®enufefu^t, bafe fte im
Überfluß hungern mu^; bafi mir aber Dcrgcblidj ben minbeften
§luöbrucf üon Siebe ju entbecfcn fud)cn, beftimmt unö gu bem
Urteil, ber 5(nblicf fei loenig erbauUc^. — SBenn toir eine
^^treic^ gamilie in eine {(eine äBo^nung eingegto&ngt fe^
unb toir fe^ g(eicf)toot)t, fte too^nen gemütlich, freunblid^,
ja geräumig, ba fie ja aÜe $(a^ finben, fo nennen toir bcn
^tnblirf erbauli^, mii tüxx bie Siebe fet)en, bie in benßin^elnen
unb in jebem (Stn^elnen fein nmg, ba ja ein Steblojer bereite
für fich ben ganzen $la( audfüUen fönnte; toir nennen i^n
erbaulich, toeil toir fe^n, bag ed ba toir!Ci(| 8taum giebt,
too bie ^er^en nic^t eng unb (iebM finb. Unb ^ntotd^rum
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— 12 —
ift eis meiiig nhatdii^ loenn man euten unruhigen Mft einen
^loft Bett)ol)nen fie^t, ol^ne tn einem einzigen ber titelen
©öle d\ul)t ju finben unb o()nc bod^ bo« fletnfte ©0(0^ uer*
miffen fönnen. — Sa, toa« lann fo nic^t erbaulid) fein!
2)er 9(n6Iicf eineö fc^Iafenben 9)?enf(f)en, foUte man meinen,
fdnnte nic^t erboulid^ fein. Unb boc^, ivenn bu bad 5^uib
an bec WMUt S3tufif (|(a|en fie^ft nnb bit )^ bec äVhttter
ftei)ft, bog fie qleic^fam baiouf getoodet ^ nnb nun ben
5Iuqenblicf benu^t, iuäl)renb bog Ätnb fdjiäft, um'fic| ber
greube red}t Ijin^ugeben, loeil fie boS Äinb faum merten laffen
borf, tük unauiSfpred^üc^ fie liebt: fo ift baö ein crbauüc^er
^nbltd Sft ber äJ^utteri^iebenic^t fic^tbar, fuc^ft bu in t^rem
nnb t^ren Wtnta betgeblid^ irgoib tnd^ jbtjaenmg ber*
felBen, eine ^nbe an bem fttnb ober Su^f^^d^ f badfelbe, fie^ft
bu nur Xräg^eit unb ©(eii^gültigfeit, bie frot) ift, baö Hinb fo
lange loc^ §u fein, fo ift ber ^nbücf oud^ nicf)t erbaulid). ®a8
$äüh aUettt fd^Iafen p fe^en ift ein freunblidjer, ein too^«
ä^enbec, ein bem^igenber Slnblicf, aber erboulic^ ift er ni(|i
WSl\i bn \fyx gleii^o^ erbaulid^ nennen, fo ift t» bamm,
toeil bn biH^ bie SHebe ^ur 6te0e fie()ft, nieil bu fiet)ft, mie
©otteö Siebe ba« £inb umfc^toebt. — <£)en großen Mnftler
fein äJ^eifterrtjer! öoüenben ^u fef)en, ift ein t)errlic^er, ein er*
l^ebenber ^nblid, aber erbaulic^ ift er nic^t. ©efe^t bied
SWeiftcrtoerf lüSrc ein SSunberioerf — toenn nun ber ^5änft(er
(M )Biebe §n einem ä^enf^ in ©tüdfe fd^lfige: fo mto
biefer VnhM erbanlid^.
Überaü m baö (SrbauUdje ift, ift Siebe, unb überall
too Siebe ift, ift ba§ ©rbaulid^e. S)arum fagt ^qu(u8, ein
SÄenfc^ o^ne Siebe fei »ie ein tönenbeä (Sr^ unb eine füngenbe
an4 toenn er mit ä^enfd^en« unb Sngelgungen rebete.
S3a8 ift n)o$[ and^ mentger erbanlid^ al» eine Itingenbe
@f|eae! ^ Seltlid^e, nrie ^(i(| nnb lote lont ei» andl
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— 13 —
fei, ift o^nc Siebe utib barum nicf)t erbauUdj: ba§ un^«
beutenbfte SBort, bie ficinfte %[)üt mit iiiebe ober iit Siebe •
ift erbaulid). S)arum blä^t ba^ SBiffcn auf. Utib bod) fann
aaertuigi» SBtffen unb bie äKitletdmg bedfetben aitcl^ etbaulul^
feilt, »cnit Siek ba6et ift edtl^fjm fd^etttt ttenig et6att(i(|
gu fein, mtb bod| limtt oitdl er ec^aiteit; mtd) ^^aufifiS tft^t
fic^ felbft, aber in Siebe unb barum, wit er fclber fagt, „jur
©rbauung". (Sine 3iebe, Wddjt au^moi^en Ujollte, toa^ aÜeö
etbaulid^ fei, fönnte barum nie ein @nbe finbcn, njeit fc^lec^t*
^ allein bteiS fein fonti; fte koöre fo unai^^iü^ koie bie
leibev tiitv p berec^te SHage über bie Sett, ba| man in i^r
fo loenig (Srbound^e^ fe^e unb ^Ore. Ob ndntticl^ fetten groger
9fieicf)tum ju fef)en ift, tt)ut nid)t§ jur Sad)e; U^ir tt)ünf(^
ja auc^ am (iebftcn allgemeinen SSo^lftanb ^u fe^en. Db
fetten ein 9}?eiftern)erf 5U fel)en ift, tt)ut im ®runbe aud^
ni(^d §itr ©ad^, rnib in biefer ^infic^t fdnnen bie SRenfd^
me^ftend fetbft nid^ bo0n nnb rnd^ babon ifyau Vnberd
t>txffilt fi^ mit bem (Srbantic^en. 9n febem ^ugenbtiif
lebt bie un^äljlbare Spenge oon 2J?enfc^en; cC^ ift mög(ict),
ba6 alle§, tüaS jeber 3)?enfc^ fic^ üornimmt, aUc^, masi jeber
äRenfc^ fagt, erbaulich fein tann; unb boc^ giebt leiber fo
feiten tXM Srbautic^ au fel^ i^r su |^ren!
IDie Siebe erbaut (Brittnem toir unft nur be9 in ber
(Einleitung @ntlindle(ten, n^rnnit nnt fofort bagegen fidler
fteöten, bafe luifre Siebe fidj nic^t in il)rer ^lufgabc Vergreift
unb inä Snbloje uer läuft, jofern aHe^ erbaulid) fein fann.
(Erbauen behtuttt ttm^ uon (^runb au^ auffut)ren. äBenn
man bon einem mirf ttd^ f^tM, einem i^böube rebet f 0 »eig
jeber, toa^ unter Q^runb nnb Vmnbtoge tierftanben mirb.
fBo« ift aber im gciftlic^cn @tnn bc« ©eifteMeben« ®runb
unb guubamcut, ba§ ben S3au tragen foll? 2)a^ ift eben bie
Siebe; Siebe ift ber Urjprung oon aUem, unb geiftig oerf tauben
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— 14 —
ift bic Siebe ber tieffte ®ninb bed ©cifteslebcnS. 3n jebcm
90?enjd)en, in bem bie ^iebe ift, ift (geiftlic^ üerftanbcn) ber
@runb gelegt. Unb ber JBau, ber (geiftlic^ öcrftanben) auf*
gef&^ct toerben foU, ift tmeber bie Siebe; luib bie Siebe ift
bie erbant. 5{>ie Siebe ecbant, nnb bad fte haut
bte Siebe auf. So ift unfTC Aufgabe begrenzt; bie Siebe ber«
breitet fic^ nic^t über ba^ einzelne unb mannigfaltige, beginnt
nic^t üerlDorren an ettoa^, ba^ fie ganj toiflfürtic^, um bod^
eilt (Snbe befommen, trgcnbmo abbrechen müfete; nein, fte
fonsentriext fic^ imb bie Sufmerffatnfeit auf bad Skfentlic^,
bad in oE bem Wtanm^alüqtn timner tnieber ein unb \M*
fc(6e ift: bie $Rebe tianbelt juerft unb jule^t üon ber Siebe,
eben ttieit ba^ Srbauen bie eigentümliche S3e)timmung ber
Siebe ift. Siebe ift ber öirunb, Siebe ift ber 93au, Siebe
erbaut (Maum fj/d^t Siebe aufbauen, unb bie Siebe iftd,
bie fie aufbaut 9Btr teben freiltd^ man^nuil in allgemeinerem
@tnn \mt (ürbauen; tm ^genfa| gut ^Ied)tig!eit, bie nur
nieberreiBen miü, ober im öJegenfa^ jur S8erfef)rtt}eit, bie
nur nieberreifeen unb jerfptittern fann, fagen toir üon bem
Xüc^tigen, ber fein gad^ t)erfte^t, er erbaue. @o erbaut, »er gu
(enien unb ju leiten berfte^t, toer in feinem %ad^ mit Erfolg
unterri(|ten tm%, tm SReifier in feiner Shinft ift. <btlt
üon allen biefen, bafe fie erbauen, fo toiH ba^ tjeifeen, fie
njirfen nic^t üerberblic^, fie (eiften etma^. 5Iflein all biefesS
erbauen in ber 2Siffenfd)aft, in ber ©nfid^t, in ber ^unft*
fertigteit, in ber [ftecl^tfc^ffen^ u. f. to. ift bo^, fofem ed
ftd^ nid^t um (Erbauung ber Siebe l^belt, fein ^bauen im
tiefften Sinn, ^enn getftlic^ üerftanben ift bie Siebe ber
®runb, unb erbauen tieifet ja üon ®runb au§ auffüt)rcn.
Sft alfo üon bem (Erbauen alö ber Slrbeit ber Siebe bic
SfJebe, fo mu6 ba§ enttocbcr bebeutcn, bafe ber Siebenbe
bie Siebe in baiB $er^ etned anbem ü^eufdgen einfenft; ober
— 15 —
mu6 eS bebeuten, bo^ ber Siebenbe bie ßiebe im ^erjen bed
anbem SD^enfd^cn alö befte^enb öorauöfe^t unb eben burd^ biefe
8immdfe^9 bie £tebe in t^m — tum l^nmb oitd aufbatttr f o«
fem er ia in SteBe fie im ®mnbe uoconiSfe^t. 5ba& eine obec
ba« onbere tnug e§ fein, mo« ttnx unter bem ©rbouen ju ber*
fteljcu l)abcn. 5?Qnn nun aber ber eine 2J?enf(J) bie Siebe in§
^erj eineö anbem 3J?enfd^cn einfenfcn? 9^ein, baö liegt aufeer
unb über bem S3ereid^ eine^ ä)?enfdjen; folcf) ein Slbt)öngigfcttg*
bet^aanid skoifd^ äRenfd^ unb äRenfd^ ift nnben^c; in
bem ^n fann menfd^Ii^ Siebe nic^ erbauen. ®ott felbft,
ber ©d^ö))fer, mufe bie Siebe in jeben SWenfd^en legen, (£r
ber felbft bie Siebe ift. (5§ ift bat)ci gcrabc^u üeblo§ unb
burd^au« ni^t erbaulid^, tuenn jemanb in ^Inmafeung fid^
etnbilbet, er trolle nnb fi^nne in einem anbem 9}?cnfdE)en bie
Siebe ff^ffen; aller ^efd^ftige nnb nm|tig t^nenbe (gtfer in
biefer |)infi(^t Bant bte Siebe ntd^ anf, ift oud^ felbft nic^t
erbaulid^. @o tft benn bte erfte STrt ju erBonen nnbenfbar,
toir muffen alfo an bie anbcre benfen. 2)amit Ijabcn mx
öon bem ©a^, bog bie Siebe erbout, bie re^te ©rttärung
genwnnen, bei ber toir Dern^eilen moHen: ber Siebenbe
fe|t borand, baji bte Siebe in bed anbern 8Renf<$en
^er^en tfi, nnb ebenbnrd^ biefe Soranftfe^ung baut
er bte Siebe in t^m auf — t>on ®runb au&, fofern
er fie ja liebenb im (^irunbe üorau^fe^t.
(^d !ann fic^ nid^t barum ^anbeln, toa& ber Siebenbe,
ber erbauen toxU, nun ti^un foU, um ben anbem ä^enfd^
nm^nfc^ffen oboc mn bie Siebe in i^m l^or |n snmtgen,
fimbem bamm, nrie ber Siebenbe erbanlid^ fi^ felbft beskoingt.
fd^on ber 65ebanfe ift erbauUd^, ba^ ber Siebenbe bo*
burc^ erbaut, ba§ er fid^ fetbft begloingt! 23(o6 ber Sieblofe
bilbet fi^ ein, er müffe burd) ben ßtoanQ, ben er anbem
ant^ttt, erbonen; ber Siebenbe fe^t beft&nbig oorond, bag bie:
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— 16 —
Siebe ba i\t, eben bamit erbaut er. ©in ©aumeifter benft
gering tjon ben (Steinen unb bem ©d^utt, ben er jum 93au
brandet; ein Set)rer fe^t beim ©c^tiler bie Untt}iffcn^cit öor*
aus, ein 3udE)tmeifter bie SSerberbtt)eit beg Setreffenben : aber
ber ßiebenbe, ber erbaut, Ijat nur baiS eine S3erfa^ren, bafe
er bie ßiebe öorau§)e^t; njog femer §u tt)un ift, baö fann
forttDätirenb nur barin befielen, bafe er fid^ felbft jtüingt, bie
Siebe öorauöjufelen. (So locft er baö ®ute fjertor, burd^
Siebe jietjt er bie Siebe auf, er erbaut. 5!)enn bie Siebe toitt
nur auf eine 5lrt be^anbett fein, fie toiU burc^ Siebe gepflegt
fein; fie fo pflegen tjeifet erbauen, ^iefe Pflege befte^t aber
eben in ber 5ßorau§fe^ung, ba^ fie im (iJrunbe ba fei. (5g
mag bat)er für einen 9J?enfc^en einen ^Rt^ l)aben, S3aumeifter,
Seigrer, 3"^t"i<^^f^^^ f^^"» ^^^^ einem §errf^en über
onbere gleich fielet; baö Erbauen aber, hjie bie Siebe e§ be-
treibt, Ijat fold^en S^eig nid^t, ba eg nur ein ^5)ienen ift; ba^cr
^at nur bie Siebe eine greube am Srbauen, njeil fie gerne
bient. — S)er Söaumeifter fann auf feine SIrbeit ^inmeifcn
unb fagen: „bag ift mein Sßerf", ber Set)rer auf feinen
©d^üler; bie Siebe aber, bie erbaut, fann auf nicf)t^ ^in*
n?eifen, benn if)re 5lrbeit beftef)t ja nur im 5ßoraugfe^en.
§(ud^ biefer ©ebanfe ift njieber fo erbaulic^. ®efe^t eg
gtüdte bem Siebenben, bie Siebe in einem anbern SKenfc^en
gu erbauen; menn bann ber S3au baftef)t, fo fte^t ber
Siebenbe abfeitS für fid^ [öergt. II. <Scite 96], befd^ämt fagt
er: „baS t)abe id£) ja beftänbig DorauSgefe^t". Slc^, ber
Siebenbe f)at gar fein SBerbicnft. (Sein 93an rpirb fein
2)cnfmal ber Slunft be^ 93aumeiftcrö; fein ©d}ülcr erinnert
nidjt Xvk fonft ein (Schüler an bcö SeJ^rerö Unterrid)t; ber
Siebenbe t)at ja nid)t^ gctljnn, er \)ai nur öorauögefe^t, ba^
bie Siebe im ®emüt fdjon ba luar. arbeitet ber Siebenbe
ftiU unb feier(id), unb hod) finb Gräfte ber ©migfeit in Se-
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— 17 —
ipcgung; bcmütig madjt bie ^iebe c6en bann am luenigjtcn
aus fic^, toenn fie am ftrengften arbeitet, ja i^r 5ltbeiten ge^t
fo üor fic^, alö tl)äte fie gar nic^tö. 51^, ber ©efd^äftigfcit
mh SBeltltd^feit ift bad bie gcögte X^r^, taft bad f(^«
toe ä^Hc^töt^ Me f d^ie 9Criett feitt f oH Uab Unm^^
tfl fo. 5£)eim fic^ felbft bc^crrfc^cn ift fd)tt)ierigct bottt
eine 8tabt etiiäuneljmen, unb ju erbauen, toie bie Siebe
boö tl)ut, i)ä(t idjiuerer a(§ ba8 erftaun(icf)fte SSerf au^^u*
führen. Sft jd^ujer, für {k^ felbft feiiwu (ginn ^u be*
d^en, ttrie fi^koec ift eiS boim, fx^ einem anbent äßenfc^
qieqßttSbn gani $tt nid^te p moc^ to&l^ttb man bocl^ aHed
t^ttt unb olieS (etbet <itlt fonft für fd^föierig, mmind«
fe^ungSloS beginnen, fo ift eg njat)rlidj am aller fc^toerften,
bie Erbauung mit ber ^orauöjegung beginnen, bafe bie
£iebe ba fei, unb mit berfelben ^orauSfe^ung fd^Ue^en.
^Denn bamit ift bie gan^e Hrbdt einei^ SRenfd^en im t>oxaxa
iKcntd^tigi, fofern nAm(td| iMm Anfang btd (Snbe bie SelbfU
tietleugnung t^oraudgefe^t ift, ober bafi ber IBttumetfiet ganj
5iirücftritt, möre er nichts. Söir fönnen ba^er bie er=
baucubc Xljätigfeit bicfer Siebe nur mit ber öerborgencn
SGßirffamfeit ber Siatur Dergleichen. 3Bät)renb ber ä^enfc^
fc^Iöft, fc^Iofen bie ^öfte ber ^lotur toeber bei nod|
bei iRac^t; ntemanb beult baron, lote fie oud^oltett — to&^xenb
aQe an ber SBtefen 9Cnmut unb ber gM^borfeit ber ^Iber
greube t)abcn. '3)a§ ift auc^ bie 5(rt ber Siebe; fie
fejt baö ^afein ber Siebe üorau^ mie ben £eim im ^örnlein,
unb gelingt ed i^r, i^n ^um ^ad)fen ^u bringen, fo tjat bie
£tebe fic^ oerborgen, toie fie loö^renb i^rer ^rbät frü^ unb
{|)dt i^rboigen koar. 5Dod| bog ift genüge bag <2^battlid^ in
ber Statur: bu fc^auft all i^re ^crrlidjfeit, unb ba ergreift
eö bic^ erbauenb, toenn bu baä 253unberlid)e bebenfft unb oon
bcm, ber e« t)erüorbringt, gar nid^td getoa^tfi Äönnteft bu
Stteclegaarb, SBaUcn 6ei äitbt, II. 2
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— 18 —
©Ott mit leiblid^en klugen fe^cn, ftünbe (Sr fo fügen ba-
neben unb fagte: „ic^ fyibt bad oEed ^ecDorgebtac^t", fo
lote bad (i^6cuütc|e oetfd^m ib en.
5&tttd^ t>ie IBotandfe^mtg bet Siebe erbaut bte Siebe.
@o erbaut ber eine Siebenbe ben anbent, unb ^ier ift ed bami
leicht genug, fic borauÄ^ufc^cn, tüo fie offenbar ba ift. Sn-
befjen ift bie Siebe boc^ leiber nie ooHfommen in trgenb
einem 3)2enfc^ ba; infofem fonn man auc^ ettoad anbered
tl^mt ald fte oorondf e(en, man lann auil^ geiler nnb @^^mad^
fetten an il^ enibeifen. Unb loenn einer bann licbM f otd^
entbe(ft {)at, fo totÜ er bic gelter oteHeit^t, tote eÄ Reifet,
tt)egnel)men, ben ©plittcr njec^nclimcn, um bie Siebe rcdjt
erbauen, ^oc^ bic Siebe erbaut. 2^er Diel liebt, bem mirb
oiel oergeben; je ooEtommenere Siebe aber ber Siebenbe t>ou
anSfe^t, befto ooQiommener lotrb anci^ bie Siebe, bie er (^fliegt
& gtebt in ber Seit fonft fein tBer^tni«, in bem ber (Srfolg
fo genau unb fi(f)cr ber Arbeit entfprätS^c mie ^icr. 9Kan
madje bagegcn feine ©innjenbung, man berufe fi^ niii)t auf
bic ®rfat)rung, bcnn e^ ift Uebloö, millfürlic^ einen %aQ
feftjufe^en, an bem fid) §eigen foE, toa^ ^erauöfam. ^ar»
auf oerfte^ ftd^ bie Siebe ni^t, fie ift etoig oon ber (SrfftUung
ber 8oran9fe|ung fiBerjeugt; ift bod nic^t ber gaH, fo ift bie
Siebe im ©egriff ju ermatten.
SDurc^ bie ^orauöfejung, bafj bie Siebe im ®runbe ba
ift, erbaut bie Siebe; ba^er erbaut fie and) ba, too, mcnfd^lic^
gerebet, bie Siebe fel^Ien {c^eint unb mo eg, menfd^Iid^
oerfionben, bor allem not ifyit, freilid^ nid^t §ttm l^ergnügen,
aber ^ur Mettung, and 9tid»errei6en au ge^n. IDiefeS Cin«
reifeen ift bog ©egcnteit oom (Erbauen. 9We jeigt fid^ biefer
©egenfa^ beutlic^cr, aU n?enn bauen bie 9^ebe ift, bafe bie
Siebe erbaut; benn atleg fonftige ^bauen t)at mit bem (Sinrei^en
bad ®ine gemeinf am, ba| ettood an einem anbem oorgenommen
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— 19 —
njtrb. SBcttn ober ber ßiebenbc erbaut, fo ift bie^ ba§ gerabe
(Skgenteil k)om (Stittei^en, benn ber fiiebotbe t^ut ettood an
fid^ felBft: er fe|t DorouS, ba| bte SteBe in bent anbem
SWcnfd^en jugegen ift — toaS hoä) gerabc boS ©cgenteti bon
bem ift, bafe er am anbern SJ^enfc^cn ettoa^ t{)ut. (Sin-
reiben befriebigt nur atlsuteicfit ben finnli(i^en äJ^enfc^en; baö
Erbauen in bem @inn, bag man am anbem ettoad tl^ut, knn
ben finntid^en SKenfd^en and^ befnebigen; aber %u erbauen
inbem nun fic^ felbft ubertmnbet, befriebigt nur bte Siebe.
Unb bod^ fann maif nur auf biefe einzige SBeife erbauen.
99et bem h?Dt)Igemcinten ©ifer einzureiben, um bann §u er-
bauen, DergiBt man aber, baf] ^iifc^t büdj fein SOienjc^ ben
(^runb ber Siebe in bem anbem Witn\^n legen fann.
@iel^, ^er geigt ed fid^ gerabe, n^ie fc^toierig bie tum
ber ßtcbe betriebene Saufunft ift, bie in jener Berül^mten
©teile bei bem 5(pofte( "ipauluö (1. 5!'or. 13) be|d)riebcn tüirb;
benn mag ba üon ber Siebe gefagt mirb, ift nur eine genauere
©c^ilbcrung it)rer Slrt gu erbouen. „S)ic Siebe ift long*
mütig", bamit erbout fie; benn Sangmut befugt ja eben, bog
{te mit 9[ndbaner boraui^fe^t, bie Siebe fei im ®mnbe boc^
bo. SBer, menn audj 5ögernb, urteilt, mer urteilt, bafe bem
anbern 9}?enfd}en bie Siebe fel)le, nimmt bie ©runblage fort
— er fann nid^t erbauen; bie Siebe aber erbaut mit il^rer
Sangmut 5Damm „^egt fie nid^tSßeib'^ aud^ nid§t „^al^'f
benn Steib rnib fpred^en bem anbem SO^enjfd^en bie Siebe
ab nnb tierbetben bamit tt»o möglich bie ^runbloge. ^e Siebe,
bie erbaut, trägt bagegen bcs anbern Unöerftanb, feine Unban!*
barfeit, feinen Qoxn — baran ift fc^on genug ju tragen, mie
foHtc ba bie Siebe aud| nod^ S^eib unb ^a^ mit fid^ ^erum*
trogen tdnnen! @o Derteilt ei» ftd^ in ber SBelt: loer 9leib
nnb §a6 in fii^ trägt, trägt nid^t aud^ be« anbem Soften;
aber ber Siebcnbe, ber nic^t SJlcib unb ^afe ^egt, trägt fie.
2*
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— 20 —
^eber trägt feine Saft, ber Dleibifd^e unb ber Öiebenbe, ftc
tpobett üt geiDiffem ^inn beibe Wläxtqxtt; benn, tpk ein
gnmtmer gefagt ^ ift aud^ ber ^^etbifd^ ein ^Dl&tt^^tt —
abn be» Xotfctt. „5Die Siebe fuc^t ni<|t ba« 5ixt%
batunt etbmtt fie. %>em tm ha» @etne fuc^t, mug ja aVit»
anbete auf bic Seite fd)affen, er muft einreiben, um für ba^
©eine, baö er erbauen triÜ, ^la^ ju befommen; bie Siebe
aber fc^ öorau^, ba§ bie Siebe im ÖJrunbe ba fei, barum
etbant fle. „^it freut fid| nid^t bet Ungered^tigieit'';
tuet abtx eintet^ obet bod^ mit feinet SRetmmg, man ntftffe
noimenbig einteigen, ftd^ felBft toii^tig toerbcn kmff, nnig fic^
ber Ungerec^ligfett freuen — fonft gäbe ja nid^tö etnju*
reiben. !5)ie Siebe aber freut ftd), bie Siebe im ©runbe üor-
ausfegen p büifen, barum erbaut fie. „S)ie Siebe ertragt
aiU^", bemt aUe^ ettsagen ^i^ bod^ §iilett in aKem bie
Siebe ftnben, bie im (0nmbe twtattfgefe|t koitb. Son etnem
SD^enfc^en, ber eine fe^r ftaile <Skfnnb^tt ^at, [agen tDtr, er
fönnc jebe ©peife unb jebe^ ®etränf ertragen; bamit meinen
tüir, ba^ feine gefunbe 9^atur auc^ auö bem Ungefunben ba^
9Ml)renbe ^erau^ie^t (mie bem Manien auc^ gefunbe D^a^rung
f(^abet), bag fie ond^audbemilf^a^mng ix^, \oq& am toenigfien
nft^xenb f c^iehti Socxtcdgt bie Siebe aati»butd| bie beßftnbige
SBotott^fe^ung, bog bie Siebe ho^ im ®tunbe ba fei — unb
bomit erbaut fie. „^ie Siebe glaubt aUesä"; benn aEe^
glauben Ijeigt ja, aucf) trog bem Slugenfc^ein, ber nidjtc^
ober gar baö (SJegenteil fe^en iä^t, üorauiSfe^en, bie Siebe
fei im (tonbe bix| iMnr^anbeti, jelbft im Verirrten, felbft im
eerbecbien nnb im ^ofietfftlUen. S)ad SKi^nen nimmt
gembe IKe ^cnnbtnge loeg, inbem ed norau^fe^t, bie Siebe
fei mänt ba; barum fann SJ^i^traucn nid)t erbauen. „^)ic
Siebe ^offt aüeö"; aUeö Ijoffen Reifet ja aber, auc^ trog
bem ttttgenfc^in, ber gac bod (i^egenteil ^igt, ooron^fegen.
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— 21 —
bafi bie 2khc bod} im (SJrunbe bo ift, unb ba^ fie fid^ ftf)Dn
nod^ geigen toirb, felbft im Srrenben, im 5?erirrten, ja felbft
im SSerlorncn. <Sie^, ber SSatcr bc8 öerbrncn @o^nc^ ttKU
tneHeic^ ber einige, ber ipii^ ba{$ et eilten ttcdsfstKix
@ol^ 1^; benii beS fBotetd Siebe l^e oDed. S)ct 8nibcr
tratlte fofort, er fei l)offnungi^M toertocett. f>te B^e aber
erbout; unb ber SSater getoatin ben Verlornen ©ol)n mieber,
gerabe hjeil er alleö l)offenb üoraugfeWe, baji bie Siebe im
®runbe gugegcn fei. @g gab tro^ beö <So^neg 3Serirrung
feinen i&m^ tm feiten bed ^teid (unb ein S3i:n(j| ift ja
boS ftegenteil bom (Manen); er l^offte olled, bamm erbonte
er in föo^rl^t bnr^ feine bftfezfid^e ^ergeBmtg, getcdie loeti
ber ©ot)n red§t Ie5t)Qft inne tpurbe, bofe bie üdterlic^e Siebe
mit il)m ougge^olten, o()ne bafe eö einen ^ruc^ gegeben ()attc.
« ^jDie Siebe butbet ailt^'\ benn aHed bnlben t)eigt gerabe
mmiudfelen, ba| bie Siebe int Chombe sngcgen fei. Wkm
ttrir fagen, bie 9Rntter bnibe die Unarten bei» ftinbeS, fagen
nnr bomtt, fk ote ^ran Bettadjtet leibe gebulbtg bod iBdfe?
9^ein, mir fagen etnjaS anbereS, bnfe fie nämüd^ aU äRutter
beftänbig im ^uge bet)äU, eö fei it)r 5tinb, unb alfo öor*
andfegt» ba| bod ^nb fie hod) no6) liebt unb fi(i^ ba§ fc^on
nod| aeigen nnrb. ^ir reb^ ia fonft boium, bag bie
«ebnib, ni^, bag bie Säebe aQei» bnlbe. S)enn bie tBcbnIb
bttlbet dfed nnb fc^ioetgt; nnb toenn bie Whttn fo bk lln»
arten be§ .^inbe§ bulbetc, fo toürben td'ix bamit eigentlich
fagen, 2)?utter unb 5iinb feien fi^ boc^ fremb gemorben.
^ie Siebe bagegen bulbet aHed, fc^meigt gebulbig — fet^t
aber in aller ©tiSe kwranS, ba^ bie Siebe im anberen boti^
nix^ Sugegen fei
@o erbaut bie ÖieBe. „@ie toirb ni^^t oufgeblafen,
fie ift nic^t ungeftüm; fie mirb nic^t üerbittert". @ie
ift nic^ t>on ber ^^einung aufgeblafen, bag fie im anbern
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— 22 —
3J?enfd^en bic :^tebe f (Raffen müfjtc; ftc ift nicftt uerbittert
unb ungeftüm, ungebulbig, faft lioffnung§Io§ mit bem be-
fc^äftigt, tood fic juerft einreiben müffe, um erft bann lüicbcr
auftuBaiten; nein, fie fe|t beft&nlng tmavA, ba| bie Siebe
im ®ntiibe ba fei. ^tmn ift eiS itnBelmtgt ber ecbattH^ie
SbiMidE, hie SteBe etBoiten §u feigen, ein fdtBItii, ber fetbft
bte (Sngel erBout; unb barum ift unbebingt baö ^rbau*
lid^fte, lüciut einem SD?enfc^en gelingt, red)t babon ju
teben, tok bie Siebe erbaut. @g giebt manchen ^tnblicf, ber
frennbüd^ ift, ber mffit^, bec he^uxObttt, ber etgtecft, ber
er^Bt, ber feffelt, ber fibei^eugt n. f. f.; itttr einen IbtBGit
giebt t», ber erBant, unb baS ift ber titiBM ber erBanenben
Siebe, magft botjer nod^ fo ©^recflid^eS unb Slbfd^eu*
Iicf)e§ iit ber 3Se(t gefcJ)en ftaben, ba§ bu toomögtid^ gerne
toieber oergcffcn miid^teft, tt)eil eg beinen Tlnt, beinc ßuberfid^t
Breden, bid^ mit &id unb mit ÜBerbru| am £eBen erfüllen
toiK: BebenCe Blog, nne bie Siebe erBani, unb bu Bift erBant,
ba| bu loteber teBen magft! @o mand^Iet fann man jum
©egenftanb ber 9^ebe morfjcn, aber einjtg erbüulid) ift e^, üon
ber Siebe gu reben, toie fie erbaut. 9J?agft bu ba^er noc^
fo fd^Uiere (5rfa()rungen genuui^t i^Ben, fo Derbitternb, baft
bu faft mftnfd^ft, nie geboren ^n fein unb ie el^r je lieBer
im Xobe p toerftummen: Bebenfe nur, toit bie £ieBe erBout,
unb bn Bift nri^ erbout, bafe bu totcber reben magft! (g«
giebt nur einen erbauli(i)en ^fubHcf unb nur einen erbau=
lid^en ©egenftanb; bennod) fann alleg erbaulid^ Qcfagt unb
crbaulic^ getrau »erben ; benn überall, m ba§ (Srbaulid^e ift,
ift bie Siebe, unb fiberaU m bie Siebe ift, ift ba» (^rbaultc^
unb fobalb bte Siebe ba ift, erbaut fie.
5)tc Siebe erbaut burc^ iJjre SSoraugfe|ung, bafe
bie Siebe ba ift. .^aft bu ba§ nid£)t fetbft fdjon erfabren,
mein Sieber? äBenn je ein föltn\6) \o bir gerebet ober
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— 23 —
fo gcgat tni^ ge^bett 1^, ha% im Jrid^ ixtkwit fo ted^ tt»
Baut fü^tteft, fo tain'9 bal^r, bag tm tcd^t (eS^aft etfamttefl,
lüie er in bir bie £iebc üorauäfejte. Ober tok fteUft bu
bir lPol)( QU(^ bcn 9J?enfc^en üor, ber bi^ in 2öat)rJ)ett cr^
bauen ]oü? 9^ic^t toa^, bu tpünfc^ft ü/m (iinftc^t unb
ftenntnid unb l^egabitng unb (l^a|ntng, abec boc^ ^äUft
bu ttid|t biefe Dtnge fftt entfd^eibcnb, fonbent baS, ba§ er
em suDertöffig (tebet älRenfd^ ift, b. ^. in SSa^r^t eht lieber
ä)knfd}. S)u meinft alfo, für bü§ ©rbauen fei entfc^eibenb
unb toefentlid), bafe er ein foldj licbcüoHer 5D?enfd^ ift ober
bie Siebe in {olc^em (§^xabe befi^t, bag man fic^ barauf uer-
laffen fonn. SBod ift nun ober Siebe? Siebe ift fo knel
ald bie Siebe tiorouSfe^; Siebe l^aben ^t Bei onbem
Si^ Donntöfe|;en, liebrei«!^ fein {)eigt bei onbem toorouiSfe^en,
baß fie liebrcid) finb. 2Bir tcoUen nnä rec^t üerfte^en. @ö
giebt (Sigenfdjaften, bie ein SD^enfd) für fid^ {)aben fann
(mietoo^l er fie anbem gegenüber anmenben tarn), unb (Eigen»
fd^ften, bie er nur für anbre ^ben fonn. @o fann er
Seid^ fftr fi(| l^ben, ebenfo aRad^t unb «ktben unb
Itominiffe u. f. m. %tt SBeife ntug nic^t anbere fftr »eife
leiten; Dielmeljr fann e^ fe^r gen)if5 unb nja^r fein, bafe ber
in S55a^rJ)cit Sßeife annimmt, e^ feien iDeit ni^t alle SD^enfd^en
toeife. 3a, ber begriff ber Sßeig^eit fc^liefet nic^t aug, baft
einmal ein SSkifer g^ebt ^obe ober lebe, ber fügen börfte»
er lolte olle anbem fftr umoetfe. 5Diefer ®ebanfe (baß einer
felbft toeifc fei — alle anbevm aber fftr nntoeife ^alte) (öfet
fic^ burd^benfen , o^ne mit fid) felbft in SBiberfprud) ju
geraten, obfc^on eine fold)e IHiif^erung im 2J?unbe eineö mirf^
lid^n äJ^enfc^en ^oci^mütig tuäre. SQSoUte hingegen einer
metnm, er fei liebet)bll, ^gleidjf aber, aQe anberen feim ed
nii|t, fo lofirben ttir fagen: nein, 1^ biefer Qkbaxät uriber»
[prid)t fi^ fdbft; benn liebreid^ fein ^eigt ja gerobe an»
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— 24 —
nebelt, iMmntöfe^en, anbcre SRnifd^ fettit IicScDol!. ^
(Kgcnfd^aft bcr ßic6e fannft bu nit^t für bid^ fclbft ^aben,
benn burd) [te ober in i^r bift bu gerobc für anbre. 2öir
ttenncn freiüc^ pwfiQ bie Siebe in einer 'tRtiijt mit anbern
@igen{(l|aftett bed 9]?enfc^en n)ie ^B^i^tit, ^8etfianb u. a.,
ofyxt )tt metfen, ime fd^^ fte fiil^ Mi biefett imterf^bet.
teilte 93etgl)ett, feine (Erfal^timg, feüie I6«tftfiid>tdlett f^t
ein SKcnfc^ für fid§, aud^ toenn er fic onberen ju gut fommen
läfjt; ttjcnn er bagegen in SBa^rJ)ett tiebeüoU ift, fo l)at
nic^t er ßiebe, mie er SSei^^eit l)at, fonbern feine Siebe
bcftc^t gerabe in ber SSorauSfe^ung, bog tüix anberen Siebe
l^Ben. S)tt välpa\i a(d ben Siebelioaen, bn metnft (—
ti^ÜQ —), baö fei eine (Rgenfcfiaft, Ue er bit fü^Ift
bt^ burd^ il^n erbaut, eben toeit er liebcöott ift; ober ber
ma^re 3uföTnment)ang ber (Sact)e entgeht bir bod^: bafe nam»
lid^ feine Siebe barin befielt, in bir Siebe tjorau^äufe^en,
ba^ eben ba§ bid^ erbaut, baS bie Siebe in Mt erbout. Äömttc
bie Siebe etned SKenfc^ in etkood anbevem befiel^, fo
nxfttbefl bit bt(| Bei aSer gntierlaffigfett berfdben ond^ nid^t
im tteffhn ©tun erbaut füllen; fo loenig al« bu öon fetner
SSeigfteit, SBerftänbigfeit, (5rfaf)rent)eit, ©ele^rfomfeit eine @r=
bauung im tiefften (Sinn l^aben fannft, ob fie auc^ juüerlöffig
fein mag. könnte feine Siebe in ettoad anberem befte^,
fo fitanteft btt bid^ am^ nic^ gan) anf i^n mloffen; bemt
bad 3iit)eriafftge an bem Siebenben tfi gerabe baS, ba^ er
immer fo oiel Siebe i)ai, fie in bir öoraug^ufelen , ober
rid^tiger ba§ er ber SiebcüoIIe ift, ber fie in bir öorauöfe^t,
felbft ujenn bu an beiner eigenen Siebe jtDcifelft. — ^u
oerlangteft aber, ein aj^enfci^ möffe in ©a^rl^cit liebeüoll fein,
rnn in iEBo^^t erbauen ^u ttnnen. Unb GebekwS fein
\)trit, tmt gezeigt, bie Siebe bei anbem oorondfe^en. So
fagft bu ja gan^ badfelbe, toa^ toix entmidelt ^aben.
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— 25 -
©0 trenbet ftrf) bie ©rnjägunq ju \%xzm Anfang jurücf.
(SrBouen Reifet bie Siebe öorau^fe^en; UebeooU fein Reifet bie
Biebe totoudfeten; intr bie Siebe ecbaut. ^nn erbauen I
^eigl ttwA tm l^ntttb <aa cutffü|teit; gnftli# ift aber bie '
Siebe ber i^rmh Don aOem. 3)eR 0ttmb ber Siebe in etnei^
onbcrn 9}?enfd^en ^er^ legen, öerntag fein SJ^enfd); bo(^
ift bie Siebe ber @runb, unb erbauen fann man nur Don 1
©runb au^, olfo lonu man nur bur^ iBorauSfe^ung ber
Siebe erbainm. Stimm bie Siebe )9cg, fo giebt eis itiemanb,
bet fxUatkf imb niemanb, bev odtott mixb.
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n
Hie iKeke jloidit iles — imi wbA Uii sie Mrn^eii.
1. ^01. 13, 7. ^te Siebe glaubt am.
^pmt Qbet BletBt WmU, Hoffnung, SteBe, btefe biet;
2{tht ift bie gröjiefte unter il)nen", bie ja
barum auc^ ber (^runb üon ollem ift unb bleibt, iDcnn üUe^
anbcrc aufgeljoben ift. 2)te Siebe ift alfo „bie gröfeefte"
unter „btefen"; tod^ abet ^tnfid^l^ ber ä^oEbmmen^U
(unb toai gäbe e9 SBoQfommenerei^, mit bem fk bex§Ieif^
iDfire, ali^ staube unb Hoffnung!) bie größte ift, mitg aud^
bie 5(rbeit ber t^r, trenn ic^ fo fagen borf, unterfteKten
©d^tüeftern übernel)men unb fie noc^ öoHfommener beforgen
fönnen. äBeltlic^ fann n)ot)I mitunter einer ber ^ome^mfte
fein, ol^ne ba^ er an üBoUfommen^ ber gr^te ttpdre; bad
ift aber gerabe bie UnboQfommenl^ bed Sße(t(i(!^. Sn
SSBal^r^eit gilt eS, bafe ber ©rofete leiften öerfte^en mufe,
toa§ bie (SJeringeren leiften fönnen; unb e^ gilt in Sßa^r^eit
t)on ber Siebe, bag fie ba^ Q^eic^dft bed Glaubend unb ber
Hoffnung iiba:ne^men unb fogar nod^ DoHtommener tier'
rillten fann.
Ibai^ toollen toir nun bebenlen, inbem nnr erloögen, tote
bie Siebe alled glaubt — unb bod^ nie betrogen toirb.
2Bir ttjollen juerft ertragen, toie e§ 5U öerftet)en ift, bafe bie
Siebe aUes^ glaubt, unb jobann, tpie ber Siebenbe eben ba«
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— 27 —
huxä), bafe er alle^ glaubt, gegen jeben 93ctrug gefid^ert fein
fann; benn tDai)rüc^ nid^t jeber, ber aüe^ glaubt, ift barum
b€t Siebenbe, lutb nid^t ift jeber, ber oüed glaubt, bacitm
gegen jebeit Qetntg gefic^ — oudl ber iSIaitBe ni^t, toemt
er atlei» glauben ttnV. Unb fdnnte ed aud^ fd^einen, bog
biefc @icf)er()eit üor jebem 93etrug ein ®ut, ein ^^orteit fei,
ttjeldöe bie Siebe befi^t (fo bafe biefe 53etrad^tung fid) alfo
eigentlid^ nid^t jum ©egenftanb ber (Srnjägung in einer ^d^rift
eignete, bie t>on bem äS&alten unb ben X^aten ber ißiebe
^nbeli), fo tfi bod bennoc^ ntd^t fo. ^te ®td^er^ett gegen
jeben Setrug ift ein SBerf, ift eine tfufgabe, ganj glcid^be»
beutenb mit bem, bafe fie alleS glaubt, fo baf^ uian unbe=
bingt eins fürö anbere fagen fann, bafe „bie Siebe aües^
glouBt", unb ba^ „fie nie betrogen toirb"; eg ift nic^t toie
fonft, ba^ bad ^onbeln unb bie Alug^eit, bie fk^ oor bem
Setrug l^üten nnU, itm ^tnge finb, alfo audeinanbet faQen.
!Die 5tlugl)eit ift auc^ nic^t bamit einöerftanben, ba^ bie Siebe
nie betrogen tpcrbe; benn fo ju lieben, bafe man nie betrogen
lüirb, ift im ©inn unb in ber ©pra^e ber Älug^eit ba<^
S>ttmnifte unb bad X^dri(^tefte, ttHid man tl^un lann, ja ed ift
ber ftlug^eit jum trgemtd — unb baran erft rec^t fenntli^
al9 tt)efentn^ 5um (S^riftentum ge^5rtg.
25ie Siebe glaubt alleS. — Seid)tfinn, Uncrfat)rcn=
t)cit, ^Irglofigfcit glauben alleö, man ju i^nen fagt;
©itelCeit, d^inbilbung, (Setbft^ufrieben^eit alled (Sc^meidiel*
l^fte, m& man }u i^nen fagt; 92eib, ©d^benfreube, Stteber«
träd()tigfeit allein ©d^Ied^te, bad gefagt toirb; ha» äRi^trauen
glaubt gar nid)tS; nad^ ber Set)re, bie bie (£rfal)rung giebt,
ift eä baö Älügfte, nic^t aüeS ^u glauben: bie Siebe über
glaubt alles.
. ^Ifo bad äRigtrauen glaubt gar nic^td, ed t^ut gerabe
bad dkgenteU t)on bem, toai bie Siebe t^ui 3m ailgemeinen
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— 28 —
\)i nun ^tvax baS ^Df^ifetraucn bei bcn beuten nic^t toof)l an^
gefeljcn; barau^ folgt aber borf) feine^tüeg^, bo^ man in
unbcbiiigtcr ^■l^erabf^euung aüe^ ajJifetraueng ganj einig mit
ftc^ felbft ift, fo toeittg atö in unbebingter ^it)»cetfuttg bct
Siebe, hie aOeiS glaubt a^an trifft bieQeid^, fonbecbar gemtg,
lieber einen ©ergletd^, otfo einen in fid) wiberfprud^^üoEen
Sl^etgleid^ ätüifcf)en bem 2)?i|tranen, baö, ein njenig — liebe*
öoU, boc^ ettoaS glaubt, unb ber Siebe, bie, ein wenig —
mi|trauif^, bo^ ben einen unb anbern ^rbad^t fyit 3a,
totm man bod fc^arffinnig berbedte äRi^trotten red^t Dor»
tragen, in üBentotfirtii!^ (Shrdge mit bem btenbenben
@cJ)ein ber ÄIugf)eit, ber ^'^interüft unb (5rf)(aut)eit fd^müden
njoUte, fo ttJÜrbe ba^ ml)i Dielen fogar eine ißerfud^ung
ttjcrben; mand^e mürben un^ bann fing öcr]'teJ)en geben,
fie Ratten badfelbe auti^ entbedt, unb Mren — ftol^ auf
i^re (Etttbedung. Unb im (Segenfa^ l^^u lofitbe fid^
too^t bie Siebe, bie a0eS glaubt, ttrie ed bem ^uten fo
oft begegnet, fel)r ärmlid^ au§ne^men, fo ba^ mand)er
nid^t einmal ju gefielen njagte, bag er fo einfältig ^u fein
toünfd^te.
ma» ift ttämlid^ bad fd^arfftnnige ^k^mnid bed mi*
trauend? (SS ift ein 9RiBbrauc^ bei» SBMffeniS, ein iDH|brattd^,
ber o^ne tt)eitere§ in einem ^Item^ug fein orgo an baö an*
fnüpfen tüiH, hjos al§ Söiffen gang tDal)r ift unb erft ein
ganj anbere^ wirb, toenn man öerJe^rtcrtoeife in ^raft be§*
felben glauben miK — tiM ebenfo unmdgUd^ aU berfe^rt
ift, ba man ni^t in ftraft beS ffiiffend — glaubt ma»
ha9 99{i|trauen fagt ober borbringt, ift eigentltd^ blog ba«
SSiffen; ba^ ©e^eimniä unb bie galfd)l)eit liegt barin, baß
e§ nun ol^ne UJeitereö biefe§ Sßiffen in einen ®lauben um*
fe^t, aU tt)äre ha& gar nid)t3, oliS toäre ba^ ettüQ§, baö gar
nic^t bemerft )u Horben brandet, „ba ja lebet, ber badfelbe
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— 29 —
äBifjen Ijat, nottuenbigerloeife benfelben 8c^lug ^ie^n
mug"; als luäre alfo ett)tg getotg unb gati^ an^Qmadfi,
hai mit bem SSSiffen ou^ gegeben tft, tote man f d^Iie^t. Sbtx
IBetrug befte^t bann, bag baiS iDKfittouen t)om lEBiffen and
(bcnn ber ©^ein unb bog ^alfd^e ift, bafe man baö 993citcrc
in Äraft beö SBiffenö t^ue) in Straft beö Unglauben^, bcr
in bem ^üBtrauijc^en ift, fdjlieBt, annimmt, glaubt, toa^ eio
fc^lie|t, annimmt, glaubt, moi^ienb man Don bemfelben SBiffen
and in ftraft bed (S^Ianbend gexabe bad (Sntgegengefe^
fd^Iiegen, annehmen, glauben !ann. 1ba9 Mißtrauen fagt:
„SDer S3etrug rcidjt unbcbingt ebenfolüeit mie bie 2Bal)rl)eit,
galfc^l)cit ganj ebenfohjcit »ie @^rlid)feit; eS giebt nid^tS,
nioran man unbebingt fidler bad SBa^re ober ben ©^rlici^en,
ben üufrtd^ttgen eilennt. @o aud^ bei ber Siebe; i^ud^Iet
nnb Stft unb @(|(att^t unb i6erfä{)rung fann unbebingt
cbenfüüiel t[)un aU bie Siebe, fann ber maleren Siebe fo
täufd)enb ä^nltd^ fel)en, bafe eö fein unbcbingteg Slenn-
jeic^en für biefe giebt, weil bei jeber äufeerung beg SBa^rcn
ober (in unftem %aXi) bei magren Siebe bie äßdgttd^feit eined
SetvugS übrig bleibt, ber btefer gan^ entf))ri(^i'' Unb fo
ifi auc^, fo foQ ed fein. (Skrabe toett bo« 5Dafein „bic^"
prüfen, „beine" Siebe prüfen foß, ober ob in btr bie Siebe
ift, eben barum füt)rt eö bir mit §ilfe beö ^^erftanbe» ba§
SBa^re unb baS S^lfc^e als entgegengcje^te 3D?öglic^feitcn
oor, bie einanber bad (S^leicl^emifl^t l^olten, bamit burc^
„bein" Urteil, b. ^. bur^ bie in bemfelben enthaltene SBa^t
fic^ ^eraugftellc, ma§ in bir moljut. ^c^, mandjcr bcnft fic^
ta^ Öieridjt aU etmaö jcnfcitö be§ ©rabeS ©eüorftel)enbeg,
unb baS ift eS ja auc^; man ocrgißt aber, ba^ baS (SJeric^t
toeit nö^ liegt, ba^ ed jeben ^ugenblid oor fid^ gel^t, oieil
bai^ 5Dafein jeben Sbtgenblid, ben bu erlebft, bid^ richtet, ba man
eben bnrc^ fein Seben ftetd fi^ fetbft richtet, offenbar )oirb.
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— 30 —
(£'ben besljalb muß ba^ ^afcin fo eingeridjtet fein, bafe bu nid&t
burd) ein 5Ut>etIdfftged Sßiffen ber Dbtttjcnbigfeit cntrinnft, bid^
fel^i in bemem eigenen Urteilen ober in ber ^rt betned Ur«
tetleni^ ^n offenbaren. SBenn alfo bad t^Ifd^e nnb bdd SBa^
fo im ®Icid§gett)id^t oI« jtoci etnanbcr entgegengefc^te SKöglid^*
fetten ficf) gegenü6erftcl)en, fo muß e^5 fiel) cntfd}eiben, ob nun
in bir bag äJJifetrancn ober bie Siebe ift. 2)enn fie^, einer
fagt: »fogar tuaiS fic^ aU ha^ reinfte @efü^( §eigt, fönnte
boc^ golfc^^eit fein", nnn ja, ha» ift mfigfi^, bai» foU fo
fein — - „ergo n)ä()Ie \6) ha(i SJ^iStrauen nnb glaube ntd^t«",
b. t). er mac^t fein 5J?ifetrauen offenbar, ^re^en njir bcn
©d)hi§ um: „2SaI)r^eit unb galfd^ljeit reidjcn inibebingt
gleid) toeit, fo bafe baiS augenfc^einlid) niebrigfte 33enct)men
reine Siebe fein tönnte" — nnn jja, bad ift mdgUd^, bad foQ
fo fein: ergo 5iel)t ber Siebenbe oor, ba^ er oHeS glanbt,
b. 1^. er mad)t feine Siebe offenbar. @in Sßirrfopf meint
freilid^, ba§ ^afein fei ein ^icmlid^ trübet (Stement: o, fein
SOieer ift fo burd)fid)tig! ^ann ba^er einer bereifen, baß
man auf @runb ber äJ^öglic^feit einer Xanfd^ung nic^td
glanben foU, fo fann tc^ ben Setoeid antreten, ba^ man
aHeS gtanben foH — auf (Shmnb ber 9RögIic^feit ber
^äufd^ung. 9J?eint einer, man foHc aud^ bem beften 9J?enfd)cn
nid^t trauen — bcnn er fönnte möglid)ern)eife bo(^ ein S3etrüger
fein, fo gilt ja aud) ba^ Umgcfe^rte, baß bu felbft bem
f(l^te(|teften äRenfd^n bad ^ute zutrauen fannft, benn mdg«
lid^enoeife fönnte bo(^ feine ©d^Iec^tigfeit nur ein &!^n fein.
^tc Siebe ift bo« gerabe ®egentei( be8 SWißtranen«
unb ift bo^ in baSfelbe SSiffen eingen)cil)t. 3in SBiffen finb
fie, njenn man fo miU, nid)t Don einanber ju unter) d)eiben
(bad äBiffen ift ja gerabe bai^ in nnenblic^em @inne @(etc§«
gtlltige); nnr im Sd^tteßen nnb (Sntf(|eiben, im (S^Iauben
(allein 5u glauben unb ni^tg ^u glauben) ftnb fie fid^ gerabe^u
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— 31 —
etitgegengefetyt. SBenn itämlid^ bte Siebe oEed gkubt, fo tl^ut
fte ed tnml^aitd ntc^ im felben @tnne )me ber £letd|tfhm,
We Uitcrfal)ren^eit, We llrgtoftgfeit, btc m9 ttntDtffeni*
l^it unb Unfunbe allcS glauben. 9^etn, bie Siebe tDcijj tio^
einem afle^, tt)a^ baä 2}?i§traucn tüeig, bod^ oljne mi^trauifd)
5u fein; fie tueig, toa& bie Srfa^rung tocife, ttjeife ober ^u*
glet^ bog Ine f ogenattnte (S^a^nmg etgentl^ jene äli^if ^ung
U0it WUtmntn tmb Siebe tft.
„SBietnet ^etmlic^e« fattn bo(i^ nid^t in einem iWenfd^en
iüof)nen, ober njieüiel fann bod) nic^t {)eimli(^ in it)m h)o!)nen;
ttie erfinbetifc^ i{t nid^t bie üerborgene Snnerlic^feit, fid^
Derbergen, 5U töu[(!^en ober ftdg anbeten entjief)en! @ie
iDfinfd^t am Itebfteit, ba^ man il^r 5S)afein axufy nid^t einmal
a^nc; öerfd^mt fürd^tet fie fid^, ßcfel)en ju ttierben, unb
fürd^tet e§ tuie ben ^ob, ba^ fie gonj offenbar tucrbe! Sft
e^ nid^t fo, bafe ber eine 9D?enfcf) ben anbern nie ganj üer-
fte^tV SSerftebt er i[)n aber nid)t gan^, fo bleibt ed ja immer
m&glivd^, ba| bod Unjkoeifel^ftefte hod^ eine gan| anbere (&t*
!(&mng l^ben fbnnte mtb innir eine, bie )vo^t gemerlt bie
\Doifytt WÄre. (Sine Änna^me fenn ja febr gut eine Wlenqt
gäüe erfläreu unb bomit iljre SBa^rl)cit bcftätigcn unb gleid)-
njo^l fid) fd^lie^Iic^ untoa^r l^erauöftetlen, fobalb ber gaU
fommt, ben fie nid^t erftören fann — unb eS lö&rc ja mdg«
li^, ba^ biefer |$aQ ober biefe Keine n&^e Seftimmung
no^ im testen 9[ngenBKdt ftc^ etnfteUte. ^al^ fOmmt ed
aud), bafe gevübe oüe rul)igen unb tt)ir!Iid) geiftüollen leiben«
fd^aftölofen öeobac^ter fo unenblid) öorfic^tig im Urteilen
finb, fie, bie bod) tvol)! ooräugöttjeife fic^ barauf öerftc^en,
forfi^b unb burc^blidenb hi» in» gnnere su bringen; ober
^ fte entfc|(agen ftd^ am üebften gan^ beiS Urteilend, meit fie
auf @)mnb t^rer retd^en 9eoBa<3^1ttng eine entioi(!eIte SBor«
fteUung Don jener rätfelljajten SBelt be^ Verborgenen ijabm,
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itttb toeil fie f&tsAaä^ SeSieiifd^fieit Be^rrfc^en
gelernt l)aSen. 9^ur oberflad^Iic^e, ftürmifc^e, leibenjc^aftlic^e
2D^en)d]en finb jo rafc^ toeg mit i^rem Urteil, ba fie ftc^ felbft
ntd^t fennen unb bacm nat&iltc^ auc^ nic^t miffen, bag fie
anbm ittc^ leimai. So mo^t cd bec <Siitfii^tftwIIe, bcc
S^enhe nie. (Sm uui0^f unecfn^teiiec SReiif^, bec jnm
tneSei^ noc^ vk mif ebiem $fetb gefeffen, fprtngt rafc^
toeg auf ba§ erfte befte; ber riefenftarfe unb boc^ fo geübte
S3crciter aber — bu foÜteft ]el)en, wie genau er baö i^m
frembe ^^^f^rb betrachtet, bad es.jum erftenmal befteigen \Qä,
tm beb&<j^ itnb borfu|ttg er |u Stole ge^^, lote er fanm
etitmal fid^ getioitt, cd ^ (eftetgett, fonbcnt cd erft an einer
Steine (onfen Idfet, um feinen @inn au^juforfd^cn; unb anbeter*
feitS ttjie lange er feine ^^^rüfung fortfe^t, lange, lange, nad)»
bem ber Unerfat)rene fie aufgegeben Ijat. ^enu ber Uner*
fa^rene, ber gar fein ^fcrb fcnnt, meint „^ferb ift $fcrb —
etgo Um» fie oUe"; nnr ber ^Bereiter Sjlat eine enttmidte
S&irfidlttng bobon, kote grog ber Unierf^teb fein futn, nne
man auf btc ücrfc^cbcnftc unb entgegcngcfc^tefte SScife ftc^
in einem ^ferbe tauften fann, unb tnie jujeifel^aft alle
Äenn^eic^en finb, »eil jebcö ^ferb toicbcr ettpaö SBefonbcrc^
für fid} ift. Unb nun bi^enbS bte Ungldd^it ju^ifc^en
SKenfd^ unb äRenfd^I kme nnenbli^l XB&re cd mü^ fo, fo
ipftre ber äRenfc^ begrabiert; bemt bcd iRenf^n SSorgug
öor bem Xier ift nic^t blofe, toic man fe^r oft fagt, bog
5lUgemein^menfdjlid}e, fonbem gugleic^, toaS man fe^r oft
t>ergi^, bag jeber (^in^elne inner^lb beS ^efc^lec^t^ etmaS
n»efcttUid^ l^d^iebene^ ober (^^entümlic^ed ift Unb btefer
%or|tt0 ift rc^t eigenttid^ ber menfd^Iul^ $orpg; ber erftere
SBor^ug ift baS, toad bod gan^e ©efd^Ied^t bor ben Xier»
gattungen üoraug l)at. menn e§ nid)t fo hjäre, bofe ber
eine ä^enfc^ e^rlic^, aufrichtig, achtungSmert, gottei^für^tig
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— 33 —
unter bcnfclben Umjtänben gerate baö ®egentet( üon bcm
t^un !ann, tDa& ein onberer tf)nt, ber bod^ auc^ e^rlid^, auf-
rid^tig, a^tungSnjert unb gottc§fürcf)tig ift, fo tt)äre baS
®otUSmffiitm» tttc^ koefentltc^, nic^t in feinet ttefften »e«
bentung üor^anben. Mnnte man jjeben SRenfd^en mit nn«
bebtngter 9Ba{)r^eit nac^ einem allgemein gegebenen 9J?a6fta6c
beurteilen: fonjäre baö (S)ütteöt)erl)ältniö mefentlid) aufgehoben;
fo möre aüe^ auömärt^ gcfet)rt unb mürbe auf [)eibnifd)c
Skife im (Staate« unb ©efeUfc^ftdleben beclaufen; fo toöxt
bod £e6en Diel leic^ geloorben, oBec gar (eec; fo
tD&te bie Unftrengung, oud^ ©etbftoerttcfung nid^t mej)r
möglich noch notmenbig, bie gerabe in bem fdhtrierigften
3ufammcnfto{^ uncnblidjer S'^ifeüerftänbnifje bajs^ (^ottc^ocr*
^ältniig in einem äJ^enjc^en enüoidelt.''
fiannft bn mir nun fagen, mer bad gefagt ^at? 92etn,
bad tft eine llnnidglt(|!eit; e8 ifi gan| smeibentig, ber Hebe»
ooüfte Wltn^tü) unb ein anberetr ber ebenfo mifittauifdh ift,
beibe fönnen e^S ebenfo gut gejagt l)aben, fofern njir nur bad
nötige SBiffen bei ihnen öorau<o)e^en bürfen. Stein 9J?enfch
hat c^o gefagt, feiner höt eö gefagt, fofern er 3)?enfch ift; e«
ift ein äRittaut, ber erft burd^ bie befonbere $erf0nU(l^feit
l^nr menfd^Iid^ Sftebe nnrb, inbem fie bem SBort t^ren (9etfi
einhaucht unb bnrd^ bte ftnftfprache ^mme txxMf^t (i9 ift
baS Sötffen, unb ba§ SSiffen ift alö foldjeö unpcrfönlid^ unb
fofl unperfönlid) mitgeteilt merben. ^a§ SSiffcn faf5t atle^
alö 9Ö?öglid)feit auf, unb lebt infofern außerhalb ber 2Bicf#
lid^fdt beS S)afeind in ber reinen 9)^öglic^feit; erft mit bem
ergo, mit bem Wanhtn beginnt ber (Stnaelne fein Seben.
jDie meiften merfen aber gar nidht bafe fie fo ober fo jebe
SKinute ihre§ üebeng Dermöge eineö erefo, eineö glauben«
leben, fo nachläffig leben fie bahin. 3u bem SBiffcn liegt
feine ^ntfcheibung; bie (Sntfcheibung, bie (»erfdnlic^ Stellung
ftUtCcgaatb, IBaUeit bcxSte^ II. 8
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— a4 —
inib ScfthRMii^ ttttt erfi mit bem ergo, mit bcm (^lonBeii
ein. ffi^tffen ift hie mienbfi^e 3»eikiilt^ ober bie
iinenbUd()c S^unft beg Qtocisbcutcn« unb ftcOt, hjcnn c§ fein
^Ödifteö Iciftet, bic entgegengejetjtcn 3J?ögUcl}feiten in DoUigem
^lci^gen)ic^t emanber gegenüber. S)ag man bied t^un !ann,
l^|t ha& SBtffen l^aben; mtb nur toet etnanber entgegen«
gefe^ SSI^i^fettcn in toölßgem iHetc^griii^t «ntantcOat
imnog, nist er teilt fBiffen mit. i>te (Sntfd^tbung im SBiffat
über bog SSiffen als (Sntfd^eibung mitjutetlen, ift eine 3öcr»
fel)rtl)eit, bie frei(id) in unfrer Qcit ber ec^te tiefe, bc§ tiefen
S)cnfenÄ ecktet Xieffinn geujorben ift, bie aber nicf)tgbefto*
lucniger bleibt, koad fie nxir: eine ^erfe^rt^ett DaS äBtffen
ift nic^ SKt^tronen, bemt boi^ IBtffen ift mienbltf| gned^
ift bie unenbUij^ (»(eic^gültt^ im Wci40ekm^; bad »iffm
ift au^ nid^t Siebe, bemt boS SBtffen ift itnenbKc^ geredet,
ift bie unenblid)e (^leid^gültigfeit im ®leid^gen)td)t; ba^ SSiffcn
ift au^ ntd^tä Unreine^, ba cö bie unenblirf)e ©leic^gültigfeit
ifi ^er Mijstrauifd^e ^at mit bem ^iebenben badfelbe Sßiffen
gemcinfam, unb toeber ift ber ä)^i|ttauifci|e tmä^ bicfe»
mffen mt^uifil, nocl iß ber Siebciibe biin| biefeft IBiffcn
litbckwa. fßenn aber M IStffeR in einem SRenfd^en bie
einanbcr entgegengefe^ten SJ^ögüdjfeiten inS ®Ieici^gen)id)t ge^
fe(^t Ijnt, unb er foCi ober njiü nnn urteilen: fo jeigt fic^, je
nac^bem er fo ober fo glaubt, n^er er ift, ob er migtrauifd^
«bir Ikbeocü ift. ^ur fe^r üeriotrrte mtb ^alb erfahrene
Scttte meinen, bad IBtffen beftimme fit in intern Urteit «Ber
einen SRenfc^en. €ofc^ tmffen ntc^ einmal M Sßiffen ift
nnb ^aben fid} nie Qdt unb ÜKül^ genommen, ben unenblid)en,
geregten @inn für SD^ögltc^feiten entmicfcfn, ober bie
ä^^dglid^feiten mit ber ^unft unenblic^er 3^eibeutigfeit auf»
Sufaffen nnb ind ^leid^gennd^ $n bringen, ober fld^ in i|Km
SKetnen nnb Uiteüen ttov jn iKrfie|en.
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• 1
— 36 —
Sil t^er Uinjergoren^it ^ben fic ftumtiffiiinig ober
lelbenfcl^aftltd^ eine SmcIieSe fftt über bk fCtt toon S^dg«
Kd^t; ein rpenig büDOTt reicht ^in, ba^ fie urteilen, unb baiJ
nennen fic bann ein Urteil in Slrüft beö Sßifjenö unb meinen,
felbftjuf rieben bei einem bcrartigcn — ©tauben, in Äraft
bed — SEBiffend (reiner Sßiberf|)ruc^), • fic feien gcfid^ert
gegen Sntnm ~ totld^ hm (Üanben (ein neuer S9Siberf))nii^)
rnnbe^tsn fein f oE.
ÄSie man gan^ aUgemetn ^dren fonn,^ fürchten fi^ hie
lÜ^cnfcljcn jcljr, fiel) im Urteil 5U irren; ^ört man aber
genauer ju, fo entbecft man leiber gar oft ein traurigeiä
ä^igt^erftänbntd bei biefer - ernftüc^n gurc^t @ie^, jener
ctnfftUtge SBetfe bed iUtertum^r er nntrbe, mod er mrbe — •
fOi, er nwrbe nid^ (ihroM# ^ großer <0e(bmamt ober
^od)fte^enber ^atöbeomter in biefer beften IBelt: vetonnt,
Deilacljt, üerfpottet, ongef(agt, uerurteilt mürbe er bcr eble,
einfältige 3Bei)e, boc^ ber Seltene, m\)^ü ber (Sin5ige, ber
roirüic^ ^ifc^en bem, toa^ er tierftunb unb toai er nic^t tKU
fbinb, einen Unterfc^ieb ma^t, nnb bod tourbe er eben,
»eil er f,ilber allcd fftxi|tete, in einem Stoctmn ^ fetn*.
^ben bk IRenfc^en bei !^ ^Üin^f im Urteil ^ inen,
ttirflid) biefen erhabenen ©tanbpunft bed ©(eic^geftjic^tg im
?lngc? *58ieüeid)t. @g rtäre aber auc^ tt)ot)( mögUc^, bafe
bie gurc^t mitunter Htoa^ einjeitig ift. äBir ^^en)ct)en ^aben
eine natfltlic^e gjiirc^ koir fönnten irrtfimlid^ — t)on einem
Slcnfcl^ eine gn gnte SRetnnng ^egen. 5Der ärrtum bft«
gegen, ber in einer p wtgünftigen SXeinung über eine«
onbcrn 9J?enfc^en befielt, wirb foum gefür^tet, menigftend
nid)t fo tt)ie ber erftere. ^ann fürd)ten mx unö aber nic^t
am aUermeiften oor einem Srrtum; toir finb im Gegenteil
in einem Srrtnm befangen, inbem n>ir eine einfeitige ^ur^t
nor eina getoiffen fUk oon 3rrtnm ^poben. i6 fx^ Me
8*
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— 3ti -
©itcLfcit unb ben ®to\^, uon bem ^intcrlifttgen eine gute
9J?einung p Ijaben ober gef)Q6t gu l)aben, it)m tl)öric^tertt)ei)e
gegtaubt l)aben ~ b. ^. in cmem SBettftrcit jrüijc^en Älug^cit
unb ^iüQf^xt unterlegen ^u fein. Tlan ärgert ftc^ fel^t bar»
Aber, ober man frnbet bod^ (j|a fo fagen tm, unb ^ nu^t |a
nur tomxQ, ober rid)tiger, eS ift eht Setrug, in erbauK^ Siebe
einen feierlicheren, einen fi^embartigen 5luöbrucf brauchen)
eine recf)te S3Iamage barin, fo ^um 9krren geujorben fein,
durfte und a&er, fe^r milbe on^Sgebrücft, nic^t ebenjo eine
Qlamage fein, ba^ koir bad ÜBdfe geglaubt ober mi|trautf^
mä^t& geglaubt l^abeu, too toir bo<^ tt»tr!ltd^ bad (^ute oor
uni^ l)atten! SSHtb boi^ ntc^t einmal in ber (£n)ig!eit nie^r
ald — eine ©lamage fein; benn gebraudien roir nur bad in
ber Söelt fo oiel gebrauchte Sßort; e^ nimmt fi^ in i8er^
btnbung mit ber C^migteit {o gut and! ^ier in ber ^elt
ift ed ober feine „I93lamage\ böfe t>on einem guten ÜKenfc^u
)u benlen; bad ift ja eine äbertegen^ett, burc| bte man boi$
®nte auf einfädle SBeife lo8 »irb; aber öor ber „SBIamage'',
öon einem böfen 5D?enfchen gut ju benfen, ftellt man fic^
fieser — ba man fic^ fo fe^r oor einem Srrtum fürchtet
Sbtx ßiebenbe bagegen fürchtet fic^ in äBa^r^eit baoor, im
Srrtum ^u fein, barum glaubt er aQed.
^te SBelt oerfud^t auf allerlei SBeife, unter anberem
auch bamit, bafe fie tljut, ai^ märe ed eine groge Söefc^ränfts
hett, eine STljorljeit, in Xiiebe aÜe^ 5U glauben, ^och bie
@ac^e ift bie: man oerfte^t fid) felbft nicht. SWan ma(^t
einen ©trid^ burch bie iSiebe (leiber ftatt bag man fie unter»
ftreid^tl), unb bann legt man ben ^^ac^brudE auf bie Zf^ox*
heit, allein ju glauben, mä^renb bod^ ber gan^e Stachbrmt
barauf liegt, baB „bieiJiebe" aüeS glaubt. SSahrüd), nicht
bag äöiffcu befledt ben 2)^enfd)en, burdjauö nicht; baö Söiffen
ift bie blo^ S)urc^fichtigleit unb (U^ie bad ^ffer) gerabe
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— 87 — '
bann am tioHfornmenften nnb tdnfien, nmtn t» fehten ^efc^matf
on fi^ fyit 5)ein Liener bcr ©ercc^ttgfcit giebt ec^ feinen
Waid, ba6 er beffer benn ber 5?erbred)er um alle @cf)Iic^c
©efcfieib tueife. Dlcin, baö SEÖiffen befledt ben a}?enfdjen nic^t, f
fonbern baS äl^igttaiten befledt eined ä)^enf(|en Skiffen, koiej
bie Siebe (ftntect.
Senn mit einen anbent SDIenfd^en bentteilen, fo fü^rt
ba8 ©iffen ju bem ®Icid^eh)ic^t ber etnanber entgegengc*
festen 2)?ögl{d)feiten - borin, mie nun ber (Srf)(ufe gemad)t
uürb, fommt ber Unterfc^ieb jum Söorfdjciu. ^ie <öc^rift
mint bor bem Urteilen, bem S^ic^ten, unb fügt ^in^n: ,,anf
ba^ i^t nid^ nrieber geriil^et toerbet". Ski fte^t ei» and, a\»
ttnnte man man(l^a( -ri«]|ten, o^ne bog man ivieber geriet
mfirbe. S5a8 ift aber ntd^t bcr Sali, ©obalb bn einen),
anbern rid)teft ober beurteilft, rid)teft bu bic^ fclbft; benn
einen anbern rid)teu l)ei6t im legten ©runbe nur felbft
neigten ober ftc^ {clbft offenbaren, ^u merfft eS oielleici^t
nv^t, ed entgel^t betner 9Cufmer{f amieit, nne emft bad S)afetn
ifi Snbem t% biefe btelen aRenfd^en tmr bi<i^ ^tnfteQt, toer«
ontafit e« bicf) jum Urteilen, fo bafe bu bi(^ fogar glücflic^
Vieifcft, unter jenen — otine 5Scrbicnft glüdlidj ©egünftigtcn
5U fein, bie n{d)t§ finb unb barum in nUer ©orgtofigfeit
bie bequeme ^^lufgabe t)aben, anbere 5U beurteilen: unb bann
tft aber fo ^flic^ ober fo ftreng unb fie^t bi^ ntd^t fftr
nt^tS an, nein, bnr^ bid^ rietet e9 bid|. SBie gierig lann
nt^t ein S^enfd^ auf baS 9Hd|(en ertrfd^t fein; — nrfifjte er,
UHi^ e§ mit bem 9?id)ten auf fid) l)at: mie bebäd)tig ttJÜrbe
er Uierben! Sßic begierig fann er jebc 5!teinig!eit auffangen,
um eine belegen Ijeit ^um Stickten ju I)aben — b. l). eine
Megen^t, um ft^ felbft fangenl ^nr^'i» SB^ffen !ommft
btt (gerobe, loenn c0 ein t>oatonimene8 Siffen lotrb) nnr
Smn (SIei<^geiind)t; ber €c^Iug aber ttenbet fid^ surücf 5U
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— 38 —
I
bem $Ricf)tciiben anb mocf)t fein 2öefen offenbar — baß er
bcr ßiebcnbc ift, bcan er fd^licfet: ergo glaube id^ oücö.
^od ^hgtrauen bagegen (natätlid^ ni6)t burc^ fein
SBiffen, bod trie itnenM^ gerechte ®Id(3^gö(tlgleit ift, fmtbent
burc^ fic^, burd^ feinen Ungtauben) eine ^otHebe für bod
S3i))c. C^5ar nid^tö glauben ift gerobc bie ©ren^e, tvo baö
glauben an ba^ iööfe beginnt; baä (^ute ift näm(id) ber
©egenftanb beö ©laubenö, unb barum ift, njer gor nichts
glaubt, bereite im begriff, bad lQ3bfe }u glauben. Tlit bm,
hai man . gar nic^ glaubt, ift man imlSegtiff, bOfe
fein, benn ed geigt ft^, bo| man nit^ (BuM in fiel) ^at
ba ber Glaube gerabe baö (^ute im SD^cnfc^en ift, ba^> nid^t
mit bem ^^Niclmiffen fommt, aber aud^ nidjt n^egen be5 geringen
SöiffenS fet)len mufe. 2)a§ ^[Rigtranen fann bad SBiffcn nic^t
im ^(letd^etDid^t ^Iten, ed beßecft fein SSBiffen inib nüH^
fid^ barum bem M^h, ber ©c^benfreube, ber Ütiebertrftd^tig«
. feit, bie aüed l^öfe unb ©d^Ied^te glaubt, ffienn nun aber
ber 2)?enfd) fo eifrig im 9^id)ten n^ar unb mit ßuft feinen
3orn, feinen mäd)tigen ober unmäc^tigcu (^rimm über einen
anbern au^:^goB, oi)m tiare i^clenntnii^, tuarum er fo urteilte
unb richtete: nne, totm er nun in ber (^igfeit entbecft unb
lu bem 8efentntiS gendtigt mirb, ba^ ber ^Verurteilte ntc^
allein ju entfc^ntbigen, fonbem ber ebetfte, ber uncigen*
nü^igftc, ber Ijodjljerjigfte 3)?cnfd} mx\ 9}?an l)at gefagt,
tüir merben gemij? einmal in ber ©luigfcit (ad), in ber $off^
nung, hai toix nict|t felbft au^efc||loffen mcrben) mit %er»
munberung ben einen unb anbern üermiffen, ben tntr bort
beftimmt ^u finben erwarteten; aUetn koerben nur nid^ auc^
ben einen unb anbern p unfrer 9krmunberung treffen, ben
mau friid)Uiog an^gefd)loffcn hatte, unb tuerbcu mir ni^t fet)en,
baB er um fouiel bcffev mar bcnu mir felbft, unb ^tvar nic^t
um bad, toa^ er ecft \^äUx mxht, {onberu eben um bad.
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— 39 -
tiM ben S^etbonimeitben fetner ^tit befttmnrte, t^n audju«
fc^Uefeen? ©0(^ ber Ötcbcnbe glaubt alle«. 3Tiit bcr feligcn
J?reube bcr 53ertt>unberuiu3 tüirb er einmal fc^en, bafe er rcc^t
^atte; lutb kpenn er bamit, bag er juüiel Q^uteS glaubte, fic^
trete — fo ift bad QöiUmbm bed (&utv^ an fic^ felbft ®tl\%*
tett. 3n Siebe ®nted ^ ^uben ift benn tooifi lein gfe^,
bann Begebt man aber a(fo QU(j^ feinen genfer bamtt.
9)?t6trniiiid) ßar nirf)t^ 5U glauben (ttjaö ettua« ganj
anbere« ift alö baö Sßijfen um ba« (SJleic^genjid^t bcr ent*
gegengefe^ten äJ^ögHd^feiten) unb in Siebe alle« 5U glauben
ift olf 0 nici^t ein iirfennen, au^ nic^t ein @(^tt| and einer
(Srfenntnid, fonbem eine 9Sa^(, bie gerobe eintritt, menn bod
SBtffcn bie etnnnber entgegengcfe^ten ^Röglid^fetten inS ^eic^«
geiiiidjt gefegt I)at; unb in biefer 2Bal)I, bie attcrbingö in
gorm eine« Urteil« über anbere öor fic^ ge^t, mirb bcr
Urteilenbc offenbar. SSenn einer in fieid^tfinn, Unerfahren*
^ SCrglofigfeit aUed glaubt, fo ift btefed (fillauben eine (ir«
fenntnid, eine t^d^ (Erfenntnid; Menn einer (iebetootC
atleÄ glaubt, fo ift e« eine SBal)t, ju ber i^n bie ßiebe be*
ftimmt. SBa^rcnb ba« SD^ifetrauen aU feinen ©cJ)arffinn jur
Öeftärfung im 9^id)t«glauben annjcnbet, brandet bie Siebe
i^ren ganzen ©d^rffinn, um ba«felbe ju entbedEen, baft
nftmli^ %ai\djl^t unb SBa^r^ nnbebtngt gtdd^it retfl^,
nnb f^Iiegt nun — in ftraft bed (Staubend, ben fie in fid^
felbft ^at: ergo gtoube \^ oIIeÄ.
5)ie ßiebe glaubt alle« — unb njirb bod^ nie be*
trogen, ^ermunberlic^! ®ar nic^t« ju glauben, um nie
betrogen ju koerben, bad tä|t fid^ l)ören; n?ie joHte man boc^
ben betrögen fOnnen, ber gar n^td glaubt! tCber alM fß
glauben nnb ft(| bamit gleid^forn att eine Beute für jjeben
©etrug unb alle ©ctrligcr mcgjumerfcn unb boc^ eben bamit
gegen jeben betrug fic^ unenblic^ fieser ^u fteüen: ba« ift
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— 40 —
imxntd^ fonberBat. tlnb bixi^, toentt matt gar tttc^tS Qlmbt,
Jotrb man bann njof)! nidit betrogen? ^on anbern fann
man ja in biefcm gaUe nid)t betrogen rcerben; niirb man
über bann ni^t boc^ betrogen, nämlü^ t>s>n \x(S) \dh\t, unb
f d^cedlu^ um bad «Ikc^fte bettogen, itnt bte ^x^lvi bet
Eingebung, bei £tebe? fftda, ed gtebt ttttr eineit SBcg, ber
gegen jeben Setrug fid^ert: ba^ moii in Skle oQci
glaubt.
©teilen n?ir bie grage fo: fann ein Dcenfc^ ®ott be-
trügen? 3iein, ®ott gegenüber fann ein 2Jienjc^ nur fi^
felbft Betrflgen; benn bad (S^ottedDer^ältnid ift fo fe()r bad
^4fie (»itt, bol «Ott an betrügen ber fd^veifa^fte @elbfi*
betnig ift. Ober neunten tm ein IBerl^Itnid att^ifc^en a^enfd^
unb STOcnfd^. Jhttin ein SHnb feine @(tem betrügen? 9^ein,
baö 5^tnb betrügt fic^ felbft; c8 ift nur ein ©tf)ein (fomit
ein 53etrug), eine betrüqerifd)e Sluräfidjtigfeit beö Äinbe^ unb
eine^ ^nberberftanbe^?, bafe e§ bie (Sttern betrüge, h)äf)renb
leibet bod t^dric^te jHnb ttiefenili(^ ftd^ {elbfi betrögt »er«
nünftigemeife nutg man annehmen, bie (SÜetn feien bem
SKnbe mit feiner t^Oric^en @t(bfttiebe in flktd^it unb <Sin«
fic^t unb barum an tt)al)rer Siebe fo fet)r überlegen, bafe
baS größte Unglüd für baö 5tinb märe, menn eö feine ©ttcrn
betrügen mürbe — bag größte Unglüd, »enn nicE)t feine
eigene ©d^ulb märe. @o finb ja aber — in SBa^r^eit —
ntf^ bie SItem betrogen, fonbem hta Stmb, unb ei» ift nur
ein @d^ein (ein Oetrug), bag bad iHnb bie (Htem betrog;
für ben finbifc^en unb t^örid^ten SSerftonb ift e« fo,
bafe baö .^inb bie Altern betrog, fomit ift eg ja aber ni^t
toa^r, ba ed nur für ben finbifd^en unb tljoridjten ^^erftanb
fo ift. SBäre eS anbererfeit^ nidjt ein Häglic^er, ein Unbet»
Itc^ «nblid, menn SBoter ober äH^utter bem iltnbe gegenftber
ni^ bie Vfo^, emft^fte, beforgte IBorfteOung tm Über*
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— 41 —
Iegent)eit i)äUcr\, inbem fic mit emigec ^4>erautn)ortung in
S33a^r()cit beö ^inbeö 2Bül)t im ^(uge 6cf)ieltcn — toäre
Tiic^t ein f(äglid)er unb irtberHd^er Hnblid» tocnn ^I^ater ober
äHtutter bed^l6 mit bem 5linbe in einen un^iemUd^n @treit
geraten unb tliretttegen gereift unb erBtttert werben fdnnten,
tocil ftc, iBotcr ober 9}?utter, finbifc^ n)ät)ntcn, bog ^inb ^a6c
fie betrogen! @in fotd^e^ ^^er()ältni^ Smifcfien Sltern unb 5linb
ijt ja bod) unjiemUc^, ja faft un[innnig; bog tpäre ja, roie
tomn bie Altern nid^t fotoo^l bad ^inb fd)lQgen, als fid^
Dielme^ mit il^m ^etumfc^ta^^en loürben, fo bajl i^te ©c^I&ge
btttfi^ud m^t 9Bitrbe, (St^aBeni^t unb dbertegene
5(utorität, fonbern (ebiglic^ i^re größere forderliche ©tär!c
beloeifen luürben.
5Öic ttJQ^re Ü6erlegenl)eit fann aljo nie betrogen njerben,
koenn fie fic^ (elbft treu bleibt, ^te toa^re Siebe ift aber
allem, tooB nid^t IBtebe ift, a^o jebem 8etrug unbebingt über*
legen: fo(glid) fann fte nie Betrogen )9erben, toienn fie fid^
f elbft treu bleibt, inbem fie aUeö glaubt ober fortfährt, bie
jDü^re Siebe fein.
ift getüi^ fel)r (eic^t einjujetien. 2)ie ©c^toierigfeit
ift barum eine anbere, ba| ed nämUd^ einen niebrigeren $or«
fteHungi^treid giebt, ber aud^ m^t eine Stauung Don ber
nxi^n Siebe, ))on ber Siebe an unb ffir ftc^ unb t)on t^rer
©eligfeit in fic^ felbft l)at; bie ©c^njierigfeit ift bie, baB allerlei
©inneötäufc^ung ben 9D?enfcf)en in bcm niebrigeren ^^or-
ftellnng^3freife feftl)alten »ill, wonad) S3etrügen unb öetrogen*
koerben bad gerabe (S^egenteit uon bem bebeutet, toad uad^
ber unenblic^en Sorftettung Don Siebe barunter }u
üerftel)en ift. f^ier nfimüd^ bebeutet betrogen %u
Serben einjig unb allein, bafe man nid)t mel)r liebt,
bafe mon fic^ baju ^inreifeen läfet, bie Siebe an unb
fftr fi(^ aufzugeben unb bamit bie ©eligfeit, bie fie
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— 42 ~
in fic^ fctbft trfigt, ücritcrcn. 5)€nn in unenb(t(j|e«
(Sinn i)"t nur ein 53etrug niögHc^, ber ®eI6ft6ctrug; in un*
enblid)cm Sinne brandjt man bie nirf)t fürchten, bie ben
ßcib töten fijnnen; getötet kpecbea ift in uncnblicfjem Sinn
ietne au^ ine ^tt 8etntg, mm ber mdt tebd,
ift feine €lefa(r. Unb bod nriebet nk^ ff|lDec
ft6f)en. 6(|t9iertge ift, bie ^tn^be ^ erffiOen, bo^
man bie mal)re SSorftellung üon ber Siebe gctotnne, ober
ridjtiger, baft man bcr mal)re fiiebenbe tperbe; benn mit bem,
bag er oüed glaubt, me^rt er fic^ gerabe gegen bie ^ioned»
taufc^ung unb fömpft bafftr, fic^ in ber n^a^ren Siebe §tt er«
^(ten. 5Die @tnne#tftnf(^mig ober tM fki^ beft&nbio «cf«
brfingen, ungeffi^r nne bie ®innei»tfiufdiung, bie meint, bie
©onne bctoege ftd^, obtool^t man tt>ct6, bafe bic @rbe ba§ t^ut.
®§ giebt eine niebrigere ^luffaffung ber Siebe, alfo eine
niebrigere Siebe, bie feine 3>orfteüung üon ber Siebe an unb
für ftd) ^at. Sie betrad^tet ba^ Sieben al§ eine gorberung
(bie (Skgenliebe nnrb geforbert) unb tM (Mtebtmerben (bie
^entiebe) ate ein irbif^ed i&nt, aH s^i^ — ac^ imb
bodl M ^öc^fte ^fftdfeltgfett. So, ttmin t» fo ift, fo mn|
allerbing^ bcr 33etrug l)icr ganj mie in ber SBelt beö öJefbe^
ben 9}ki)ter fpielen fonncn. 9}?an giebt fein (^3elb auö, um
bofür bie eine ober anbere ^equcmlid)feit ju erfaufcn; man
^ bad Qkit> Eingegeben, befam aber bie ÜBequemlic^feit
nic^; unb fo ift man für IKorren gd^alten. €o l^onbelt
man bann and^ Siebe ein; man giebt feine Siebe fjm, um
wiebcr geliebt gn fein; mon befommt ober bie Gegenliebe
nid)t bariir: unb fo i]t man betrogen, ^cr iöetrug foU affo
barin befteljen, bafe ber iöetrüger be§ 53etrogenen Siebe ge*
njann, fo bag biefer eS metteic^t nic^t laffcn fonntc, i^n ^
lieben, tteU er fe(bft in bem <S^rabe ein Stebenber loar —
ba| er nur einen SRenfc^en lieben tonnte, vaaSb biefer (Ksk
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- 43 —
lüar nun ber 53ctrÜ9er. Unfrc ^nuägung in biefem 5lb)d}niit
hJiH nic^t bcftreiten, bafe ber Öicbenbe betrogen tuiirbe,
auc^ nid^t, bafe ber Ssöetrüger oUerbing^ ein elenber 53ctrüger
)oat; ahtt bod mid fie beftreiten, bog btefer ßiebenbe ber
mfftt Siebenbe gekoefen fei. ^tttt toer fo — aufietorbent«
Hd^ IteBetooV tft, ba^ er nur einen 9Renfc^en lieben fornr,
ift nicljt ber n)a()re Sicbcnbc, fonbern ein SBerliebter, unb ein
SSerliebter liebt fid) felbft, trie fd)ün irüt)er beriefen lt)urbe.
Siüfe man aber einen joldjen betrügen fann, foHte toon un§
nie beftritten toerben. & liegt l^iex inte itberoQ ttmä fe^r
^tefftnntgd^ im ^fein. Won l^btt mitunter bie laute
fttage, man fei in ber Siebe betrogen ttwrben. ^er fttöger
mifl beUjeifen, Wat-> für ein fetten liebeöoUcr SD^enfd) er fclbft
ift, unb bamit tinebcrum, iraS für ein nngenjijljnlic^ elenber
SRenfd) ber 33etrüger mar unb ift, unb bie« betoeift er mit
feiner SSerfid^ng, baf} er nur einen SRenfc^en lieben Idnne
unb tonnte. (Sr mer!t ntc^t, ba| biefe ftloge, je heftiger fie
ttjirb, um fo mel^r jur ©elBftonHage hjirb, bie i^n felbft ber
Eigenliebe be^idjtigt, meldte gan^ richtig nnr ©inen lieben
fonntc (benn bie toatjte ßiebe üebt aUe unb jmar ot)ne ^n-
\ptn^ auf (Gegenliebe) unb barum aHerbingd betrogen. n>erben
bunte, tocA mit ber nml^ren Siebe nic^ gefd^en fann. SDod
tonH fagen: jeber, ber mefentlic^ unb entfd^eben geftel)t, er
fei in ber ßiebe fo betrogen morben, bafe er bog S3eftc, mo
ntd}t alleö ücrior, üerrot bamit feine eigene (Eigenliebe; benn
bod Öefte ift bie ßiebe an unb für fic^, unb bie fann man
immer bellten, u^nn man bie ma^re ^icbe ^aben u^tll.
SBiQ ba^r einer nur bie ntebrigere ^orfteUung Hon ber
fiiebe ^ben, fo fel)e er ja ju, bag er nü^ betrogen merbe,
er lerne oon ben ®cl bleuten ober öon ben Mauffeuten, meiere
S?orfic^t man gegen Betrüger braud)en muf?. 5td) unb trot^
aller ä^orfic^tdmagregeln, ja auc^ n)enn ed i^m gelänge, fic^
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_ 44 —
burd^ biefe gegen jcbcn 93etriig fidler 5U fteüen, ift er mit
oflen ®fcid)gefinnten bod) mefentlic^ betrogen, wcii fie i^r
Ücbcn in biefer betrügerifc^en Söclt ^aben, in bcr SlBcIt, ttjo
oQe mefetitlicl betrogen finb, mag nun ber eine befeuf^n, bag
er betrogen umrbe, ober ber anbere fid^ rühmen, bol er fid^
md^t I)aBe betrügen (äffen. 5{)er ünterfd^ieb ift nid^t größer,
alä ttienn in einer SrrcnanftaU ber eine ©eifte^franfe [id^
etnja^ barauf cinbilben tuütlte, er fei nic^t in berfelben SSeife
frant tote bie onbern, n7äl)renb fie boc^ ^ufatnmen, einer mie
ber onbere geiftedfronf finb.
^ie niebrigere tBorftetlung unb bie ©innedt&nfd^ung, bte
bie 9^enfc^en im 5Dienft unb 9(uftrag jener befud^t, ift Me
^^er^ucf)ung; bie ©rf)tt)ierigfeit liegt barin, ^onbetnb fidj i^rcr
jn ermef)ren; benn in einer füllen ©tniibe ein<^ufet)en , baf^
bie ma^re Siebe, bie oKeg gfanbt, nic^t betrogen toerben fann,
bod ift ein iBeic^tei^ ,,9Iber ed ift fo eine HBkmage, betrogen
^u tt^erben." ffiärft bn felbft ber ma^re Siebenbe, ber aHed
glaubt, fo ȟrbeft bu boi$ koo^t (eici^t etnfe^en, bag baS eine
Hnmögnd)feit ift, einfef)en, bafe bu nid)t betrogen inurbeft.
3ft e^3 benn aber eine ©lamage, bei fid) felbft n)iffen, bat5
man nid;t betrogen ift? S^ein. „9(ber eö ift boc^ fo eine
S(amage, ba| ed anbem fo t)orfommt." @ie^, l^ier ftedt bie
@innedtftuf(l|ung. Sei ft^ fetbft unb in Sßa^r^it au loiffen,
bag man ntd^t betrogen ift unb gletd^tuol^)! eine Blamage
barin ^11 fetjen, bafe eS au§fte{)t al^ fei man betrogen —
loie nennt man bag? ^aS nennt man (Sitelfeit, ober toa^
()ier badfclbe ift, man ift bo^ nic^t gan^ ber tt)al)re ßiebenbe.
^6), »eutt bie (Sitelfeit über ben uial^ren Siebenben bie ^rr*
fd^aft geumtnen !6nnte, fo Mxt er freißc^ betrogen; benn
bann jöge fic i()n oon ber ßiebe tt»eg in bie niebere fletnltd^
gönfifdje Süett ^erab, mo man narrt nnb genarrt njirb, eitel
barauf, bafe »«0« narren fonn, blamiert, ioenn man genarrt
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— 45 —
toitb, unb barum dtcl, tocnn mon bcm glüdlit^ entgeht. —
Söenn toix e§ erleben, bafe ber tua^re ßiebenbe üon bem
ßiftigen, bcm SRänfeöoEen, bem 5eud)(er betrogen njirb, fo
finb toix tmp&xt unb ixoax mitunter bacob, bag toir äugerlic^
itid^tö bon Strafe unb SSergeltung getoal^ren, b. ^. loeil toir
ein bte ©inne befriebigenbed unb ber UnDoflfommenl^tt unb
SufeerH^feit entfprc^enbc« ©d^aufpiet öerlangcn, loo toix bic
S8erge(tung ^anbgreifüc^ öor 5Iugcn Ijaben, b. t). mii toix
in ben niebrtgeien iBorfteUung^freiS l^inabgleiten, b. l). tiieil
nur gcift» unb gcbanfenloi^ oergcffcn, bafe mon bcn magren
Stebenben nid^t betrügen fann. SBir rufen mit afted^t Sßel^
Aber ben, ber einen OKnben irre (eitet; e$ ift ganj in feiner
Drbnung, menn mir t)ier bie ©träfe äu^erlic^ ju fel)en öcr*
langen; benn einen iBIinben fann man betrügen, 53(inb{)eit
fiebert nic^t gegen jebcn ^Betrug; ben magren iiiebenben aber,
ber aHed glaubt, fann man nid^t betrügen. äBiffen fann
nämUc^ getmffermagen ber £iebenbe fe^r gut, ob einer i^n
betrügt; tnbem er ed aber nid^t glauben toiQ, ober inbem er
afleö glaubt, bemat)rt er fic^ in feiner ßiebe unb ift fo nicl)t
betrogen — fo ba^ man olfo hieran ein 33ei)piel ^at, mie
tt)ürid)t, mie unöcrftänbig man bafür eifert, bafe baö SBiffen
^d^er fei, benn bad @^lauben; benn mad ben Stebenben, ber
boc^ getpifferma^eu loeig, baft er betrogen koirb, gegen ben
SBetrug fieser fteQt, bad ift fein d^lanbe, mit bem er aHei^
glaubt
^)en mal)rcn IMcbenbcn, toclt^er allein glaubt, fauu man
nic^t betrügen, benn mer \l)xi betrügt, betrügt fic^ felbft.
SBad ift nömlic^ bad ^dc^fte <^ut unb bie grdgte ©eligfeit?
^od^ too^I bad, bo| man in SBa^^t liebt, unb bann baft
man in %Ba^rl)eit geliebt mirb. 5Dami ift ed aber unmög»
lic^, ben Siebenbeu betrügen, ber eben baburc^, bafe er
allein glaubt, in ber £iebe bleibt. (S^efegt, man f()nnte in
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— 46 -
©elbjoc^en bcrart betrügen, bafe bcv fogenannte betrogene
fein ®clb behielte: tuäre er bann betrogen? ift ober eben
^tcr ber gaH. ^er S3ctrüger lotrb bur^ feinen S^erfuc^ ei»
netäc^id^ SD^cnfc^, uttb ber Stebeitbe bmaffct fid^ in feiner
Sie6e, b(et6t in ber Siebe, dfo im Seflt bd» ^d^ten <8ttt»
nnb ber größten ©eligfeit, nnttbe olfo borf) m6)t 6e*
trogen! !5)er ©etrüger bagegen betrügt fid) fclbft. (£r Hebt
nic^t nnb ^ot bamit bereite firf) fe(bft um baö t)öcf)fte ®ut
nnb bie größte (öeligfeit betrogen, ©obonn baö anbere Q^iüd,
baft mon iMm bem getie^ tvtrb, ber in SQ^r^ liebt — -
f onft !0nnte ja geliebt }n koerben ein grogeiK ttngtöcf fein.
5(ud^ um biefe« brof^t ber SBctrügcr fid^ felbft betrügen,
er bringt fiel) fclbft um ben lualjren (^iJeminn ber ßiebe be^
anbern, ober tonnte er (menn fein betrug öermeintlic^ ent*
bedt n)ürbe) bie Siebe beÄ onbcrn ucrfc^crjen unb biefen felbft
snm $lbfaU bim ber nm^ren Siebe bringen mtb babnrd^ un«
gObflid^ mad^ — fioit ba| biefer in ber Siebe bliebe, inbent
er oBeg glaubte, unb fo gegen ben SBetrug fidler gefteHt todre.
SBir wollen un« einen gaH öor klugen führen, bamit
e^ rec^t bcutlid) irirb, mie drmlic^ baä 3>er^alten beö öetrugerg
gegenflber bent mat)ren Siebenben fid^ aufnimmt — benn fo
i»iel man toon SBerffil^m nnb fl^rfft^ntngen, bon üSetrug
nnb Qetrügem rebet, fo feiten ift ed, bag man bom loa^ren
Siebenben rebet ober il^n barftellt. Sc^ benfe mir alfo einen
liftigen, tücfif^en, ^eu^Ierif^en ?}(enfd}en; id^ madE)e mir ein
^^crgnügen barau^, it)n in alle (^kljeimniffe be^ Söetrugö ein*
gumei^en, mit aQen üerfüfpcerifd^en <§)aben aud^uftotten. SSBai»
rntU er nnn? (5r mitt ben Siebenben betrögen, er miU (benn
trog feiner ^led^tigfeit l^at er fo bid t^krffanb, ba| er
einfiel)!, loeldE) grof^c^ ®ut eö ift, geliebt ^u fein) burc^ feine
ßift fidj ben (53eiuiB uerfdjaffen, ba^ er geliebt mirb. SSBo^u
aber aU biefe umftanblic^en WSai\k, biefer garia überflüffige
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— 47
5Iufiuanb Don ^ift unb $Ränfen? ^5)cn tt)o!)ren ßiebeiibeit
loitl er Betlügen; QÜein ein folc^er liebt ja alle, fo bafe ber
SdttxÜQtt cd öie( cinfod)er erretd^en fönnte, geliebt »erben.
So, Mte ed ein IBcttiebtec (ein @et6ftif(|ec), um ben ed fid^
'^nbdte, fo l^ätte ber Setrug toenigftend einen @tnn; benn
ber ^^erliebte fann nnt einen @tnj\igen Itcben, unb nun
gälte eg alfo, menn ntöglid) burc^ bie betrügeri|d}c Slunft ber
^ift unb %üdt bicfer @ine tocrben. ®em tpoljren iiieben^^
ben gegenüber ober ift ber öctrug Don Einfang an finnloi^
unb ber Seträger in ber j&mmetUd^ften liBeleud^tnng. Sfhin
meiter. ^tatfirlid} glüdt eS i^m otfo, geliebt gu loerben,
natürlid^ — ja ber S3ctrüger meint unb mufe natürlid^ meinen,
ba# t)abe er feiner Sift, feinen 9Mnfen unb Mnften ö€r=
banfen; ber arme betrogene, er merft nidjt, baft er e^
mit bem n)al)ren Stcbcnben tfjim ^at, ber \i)n liebt, nml
ber roafjitt Siebenbe aQefamt (ieBt. 3n todä^m Unftnn ift
nnn bet erbormnngi^ihrbige Setrüger befangen, m^t
mißlänge ber betrug (biefe ©traje ift üiet ju gering!), nein,
ber S3etrug gelingt unb ber Söetrüger ift ftotj auf feinen
©etrug! SS^orin liegt benn aber ber SSetrug? üon mag für
etnem S3etmg rebet er? ^flütüxl^(^^ fod ber )Q3etntg barin tiegen,
bol er falt nnb ftsüi f))ottenb bie Oefriebigung ^t, fetbft
ntd^t ttriebet ixtfm, wSifyKnh ber St^nbe l^n liebt, o^ne
biefen ©enufe ber ©egenliebe ju ^aben. (£ö entgel)t bem
S3etrüger natürlitf) ganj (benn mie foüte ein 53etrügcr baranf
mfaUcn, bafe bie toa^re iiiebe ejiftiert!), ba^ er mit bem
»a^en i^iebenben t^m f^t, bet Uebt, o^ne ikgentiebe |u
Dertangen, bet getobc bie Siebe nnb t^re @e(igfeit batein
fc^t, ba6 er feine ®cgcnttebe beanf^)rucf)t. 5)er IBettfiger
alfo liftig ben fiiebenben bat)in gebrad)t, boB er il)n liebt
— bad toiü ja aber eben ber Siebenbe felbft fo unenbtic^
gerne; bet Sdettfiget, bet benfelben nic^t miebet liebt, ^t
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t^n bomtt ijcrmctntltd^ genarrt — ber too^rc Sicbcnbc ober
fief)t qcrobe ben ^Infpruc^ auf Gegenliebe für eine öeflecfung,
für eine ©ntn)ürbi9un9 an unb bie jelbftlofe Siebe, ber feine
(S^egenliebe gum iBo^n koirb, für bie ^d^fte ^eligfeit. ^er
ift fo ber iSetrogene? Don mi ffir einem $3etm9 ift bie
^ebe? ber Setrüger rebet in ben %ttQ hinein unb toeig felbft
md)t, er fagt, lüie jener Wann, über ben hjir alle lachen,
jener 9J?ann, ber im ©rabcn lai] unb hod) meinte, er reite.
3ft ein berartiger betrug nid^i, luie n^enn man ba§ ^iebfta^l
nennen tooüit, bag man einem ^etb in bie %a\d)t ftedt:
ber koa^re Stebenbe ift ret(|er getoorben; benn |e mel^r ed
finb, benen er feine Betoetfen (onn, unb \t öfter er
feine Siebe mit 93er5id)t auf Vergeltung t^ingiebt, befto
reicher mirb er. Ober ift ber ttia^re Siebenbe betrogen,
töenn eö gel)eim bleibt, ma^ für ein unWürbiger Qiegenftnnb
feiner )i^iebe ber i^etrüger ift? hieben ift ja bad ^dd^fte
(S^ut; bann fänn aber nur bie Siebe, bie (Skgentiebe forbert,
alfo bie untt)a^re Siebe, babur^ betrogen nierben, bag fie nic^t
tDeife, bafe ber ©eliebte ber Siebe unn^crt ift. Ober ift ber
tvatjxt Siebenbe betrogen, njcnn e§ on ben STag fommt, toa^
für ein unmürbiger Okgcnftanb feiner Siebe ber 23etrüger ift
unb Uiar? JBieben ift ja bad ^d^fte (Bnt unb bie größte @e(tg»
feit. ®itf), mx in ©elbfad^en, um felbft (Selb ju befommen,
fid^ an einen tt>enbcte, auf ben er fieser gererfinet unb bem
er ©elbbefilj zugetraut ptte: er ift genarrt, lüenn ber Tlann
ja^UtngSunfäljig ift unb fein ®clb l)at. Sföer aber fein (§>elb
n)eg geben n^itl unb entfernt nid}t n)ünfd^t ober oerlangt, ed
n^ieber ^u belommen, ift bod^ koo^l nid^t genarrt — tt»eil ber
^mt)fänger ffcin (Sklb ^t. ^er (iftige IBeträger aber, er 6e«
toegt fld^ in ben gefd^meibigften unb einfd^mcid^elnbftcn Süd»
lingen feiner §interlift, er merft ni(f)t, tt)ie ftüm|)erl)aft ein^
faltig er fic^ benimmt, ^r bünft fic^ atö ben Überlegenen,
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— 49 —
er löc^lt felbft^ufrieben in fic^ hinein {a^, tote toenn bu
bed 0eiftei8fratifen fe(6ftaufriebened Säbeln {le^ft, bad au
laä^n unb 6ctocmcn ift!); er o^itt mdjt, boB bcr ßicbcitbc
i^m iinciiblid) überleben ift. ^cr 93etrüc]cr ift ücrMenbct,
er mcrft aud^ feine fdjvedlidje Df)nmad)t nic^t: fein S3etrug
glücft — unb er t^erübt eine §Bof)U^at; fein betrug glüdt
— unb er maäfi, ben mil^ren Stebenben no^ tetd^er; fein
betrug g^lixdt, er gfiicft i^m — unb bod^ ift er fetbft gcrabc
betrogen. !5)er arme ^Betrogene, felBft bicfer 9Beg ^nx ^Rettung
ift i^m abgefc^nitten, bofe fein betrug mifsglürft! SSenn ein
©eiftcSfronfer einen Sßerntinftigen öon ber Dii^tigleit feinet
nätrifd^en ©ebanfen übena^ugen miU unb ed i^m gennffer»
ma^en gelingt, ift bod ni^t gerabe bad SOlerfd^edaid^? ift
^ m6)t faft tote eine ünBatml^craigfctt be« 55afeinÄ? S)enn
im gaü be§ SQ^i^ingenä I)ätte ber ^icifte^f raufe boc^ ineHcid)!
Quf feinen franfen ßufi^^^'^ aufmerffam werben fönncn; nun
aber ift it)m biefer Verborgen unb (eine Äranfl^eit n)ol}l un*
^ilbar. @o bei bem ÜBetrüger; ^iet aber ift'd feine ttnbacm«
^erjigteit nein ed ift bie geredete ©träfe übet i^, bag fein
33ctrug glürft — unb eben bamit fein ißerberbcn.
Um njQg ^anbelt eö fic^ in 2Bat)rt)eit bei bem ©treit
aloifc^en bem S3etrüger unb bem Siebenben? S)er S3etrüger
toiU biefem feine Siebe n^egnatren. 2>ad lägt fid^ nid^t
bet tool^re Siebenbe fotbett unbebtngt nid^t bie
mtnbefte ©egenliebe unb l^at bomtt eine nneinnel^mbate
©teKung; bu fannft il)m feine Siebe ebenfomenig tt)egnct)men,
ttiie einem 9J?Qnne ba^ ®etb, bad er fetbft fd^on für bid^
bereit t)ält, um eö bir 5U f dienten. (£g ^anbelt fid^ ba^er
bei bem ©treit eigentlid^ um bod anbere, ob nic^t ber Oe*
ttOget (toietoo^t et bad letnedtoegd bcabfid^tigt, au<^ nid^t
baran benft) ein Slntafe jum Satt be« Siebenben toerben
fönnte, fo bafe biefer öon ber Siebe abfiele unb in bie SGßelt
ftiettcgaoxb, itBaUcn bec Siebe. II. 4
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bcr Stnnedtfiuf^ung, in beit finbifc^en Streit mit bem ^«
trügei; ^tnabf&nle, tovt et bie toaste Siebe aufgegeben ffitU,
bte o^ne t^orberung t)on Gegenliebe liebt i^iegegen tt^tt
fid^ nun aber bcr lüal)rc fiiebenbc baburd), bafe er qHcÖ
glaubt, aljü baburd), bafe er ben 33etriu]er liebt, konnte biefer
bag Derfte^en, fo müfete er ben i^Nerjtanb öerlieren. (Sin ^-l>er*
liebtet (bet aU fold^t fid^ felbft Uebt) glaubt fic^ fteUtc^
bettogen, »enn bet Settüget fic^ feine Siebe etfc^tic^en ^t,
o^nc i^n tmeber lieben — unb bet toaste fiiebenbc glaubt
fi(^ eben gerettet, mcnn e§ t^m glücft (babnrc^, bog er alle»
glaubt), ben öetrüger Heben; ber ^^erliebte fie^t eä für
bad Unglüd an, bajs er fortful)r, ben S^eträger ju lieben,
bet ma^te Siebenbe abet fftt ben @ieg, menn ^ i^m gelingt,
ben SSettfiget auc^ f^tner p lieben. iBettounbetlid^! 5Det
©etrüger muß niet)r unb mel^r auf feine Sßeife eingebilbct
fein, bafe i^m ber S3etrug fo oufeerorbentlid) gelang; fc^tieB=
lic^ fie^ er ben ßiebenben für einen befc^ränften armen
%xf^\ an. Unb bod^ bleibt eben babutc^ bet nni^te Siebenbe
cmig unb unenblid^ gegen Settug gefd^ü^t! Jtennft bu, mein
ßiebcr, einen ftdrfetenftn^btttdtffit bteÜbetlegenl)eit, afdmenn
ber Überlegene nod) baju ber ^t^toßdjere ju fein fd)eint?
®enn bte Überlegen Ijcit beö ©tärferen, bcr bieg offenfunbig
ift, läfet fid) audmcffen; tüer aber tro^ feiner Überlegenheit
bet ©d^u^&d^te ju fein fd^eint, lä^t feine Übetlegen^t nid^t
toetgletc^en unb abmeffcn, b. {). er ift unenbltc^ übetlegen.
^ft bu nie im ßcbcn ba§ öene^nien uncnbnd)er Überlegen*
f)eit gefet)cn, bie freilief) nie fc^lecf)tn»eg geict)en mirb, ba
ja bag Unenblic^e nie offen für ba^ ^2Uige ju Xage liegt?
9^2imm ben an SBetftanb anbern unenblic^ Überlegenen, unb
bu ttntfi fe^n, et fielet mie ein einfältiget ©d^tnad^fopf aud;
nut met ttm9 me^t iSSetftanb aU anbete ju ^aben meint,
bcffcn aber boc^ nic^t fo gan^ fieser ober bcjc^ranft unb
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— 51 —
tl)öTic^t genug ift, bafe er fi^ feiner öergleic^^tneifen Über*
Icgenl)eit rü^mt, nur er beftrebt fid^, auc^ öu^rlic^ (id^ bad
Sinfe^en Don SBerftanbedüberlegen^ett geben.
@o ifi mit bem iBtebenbot, bet atted glattftt. @cin
Sene^men gletd^t bem bec 8efd^rdn(t^eit ^mn %ectüed)fe(n, mtb
boc^ ift tiefe SGBeiö^eit in biefer (Sinfolt; e§ fie^t ber (Sc^ttiat^
^ett jum 33ertoec^feIn ät)nlt(^, unb bodj finb (5tt)igfeit§fräftc
in biefer Otj^ma&jt; er fie^t einem elenbiglic^ preisgegebenen
S^enfd^n ^um ^ettoed^feln ö^nltt^, ben jeber betrügen famt,
uvSb boc^ ift et bet etugige, bet enrig mib itnenbliiil 0^8^ Settitg
gefidjert ift. 5)tefe Übettegen^ Kegt ober nt(J|t fo auf bcr
Oberfläche fiditbar Xage; menfdjlidj gerebet liegt bic '^ver*
tt)ed)felung jiemlid) nal}e, äumol in biefen fingen 3^^^^"»
ju fing gen)orben finb, um an 2Bei8t)eit §u glauben,
^e Siknoed^elmtg liegt na^ genug; benn ber diebenbe, ber
oIM glattbt, ift tti«^ ol^e loettereiK eifetmbar, er iffc jenen
* ^flanjen gleici^, beien gortpflonjung fid^ bem Änge ent^ie^t:
er atmet in ®ott, er ^ieljt bic ^Jca^rung für feine Siebe auS
®ott, er !)olt feine @tärfe bei ®ott. ^afe er mcnf(^lic^
gerebet betrogen mirb, fiel)t er gemifferma^en felbft; er tocife
ober, bol bod golfd^ unb bod SBo||ire gUk^ mett reid^ nnb
bo| ei^ fomit ntdglid^ mftre, bog ber Setrftger fein 8e*
trüger fei, unb barum glaubt er olIe<J. ^cju ^ot biefer
£iebcnbc Wlut, ben SQcut, alle§ gu glauben (lualjrlidh ber
l)öc^fte aj^ut!), ben SJ^ut, ber Söelt ^'erac^tung unbS3erl;ül)nung
ju bulben (mal^rltc^ ber gröfete ©ieg, größer benn einer, ber
in ber SSSett geloonnen totrb, bo er bie SSeft ftbertmbetl),
ben SDhtt, ei» ertragen, bag bie VMi fetticn dMonben fo
unbefc^reiblid^ t^öric^t finbet. inbem fie öortrefflid^ öerfte^en
fann, loorauS er fdilie^t, nid)t ober feinen (Sd)luf5; gcrabe
koie bie mtgtrauifc^e ^elt bie <^elig!eit nid^t Derfte^n
!ann, bie ber toafyDt i^iebenbe in fic^ felbft trügt
4*
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^oci^ ^ ^< Stmgleit einmal ^«
ani^ftfQeit, ba^ ber Siebenbe in bet %f^ai Betrognt morbeit
war! SBie, follten wir bicfc @qc^c lüirfüd^ nod§ etnmol
n)icbcrt)olen niüffenV 953enn baS Sieben bog t)öcf)fte ®ut
unb bic größte ©eligfeit ift; iüenn ber ßiebenbe gcrabe ba?
butd^r ba|s er oUed glaubt, in ber ^ligleit ber Siebe bleibt:
nrie foOte er ba in 3^t rnib Cioigfeit betrogen fein! 9letn,
nein, t& giebt in ßett nnb (Skoigf^it nur einen Qetrug, ber
gegenüber ber n)at)ren Siebe möglid) ift, unb bag ift ber
©elbftbetrug ober bafe man bie Siebe aufgiebt. 2)er ipa^rc
Siebenbe niirb ba^er bie ^inkoenbung auc^ nic^t einmal tKx*
fte^n fOnnen. Sdir anbem aber fdnnen hcA leiber nur
aQ%väidäj/t; benn ed ^ftlt fo fd^toer, mon beut niebrigeren Sor«
ftcCiung^fretiJ unb öon bcn trbtfd^n ßcibenfc^aften, bic mit
ben ©inne^täufd^ungen üerbunben finb, fic^ logjurei^en.
@ben »enn man bag ©abre am aUerbeften öerftanben l)at,
tt>irb man t)om ^Iten plüglic^ tpieber überfallen, ^ad Un« *
enblid^, bai» (Smige, alfo ba0 SBa^re ift bem natMid^
WUn^^n fo fremb, bag eiS biefem tme bem $ttnbe gel)t; er
fonn eö too^l fo tüeit bringen, bafe er einen ^lugenbltcf auf*
recf)t ftet)t, gIcid)iüol)( aber oerlangt eö it)n immerfort njieber,
auf bcn Spieren ju gelten. 9J?an fann bem Kenten eincS
SD^enfd^n faft bad (^ftönbnid abnötigen, ba^ (loeil bad
Salfd^ unbebingt ebenfottieit reid^t tote bad SBa^re) ber eine
ben anbern ni^ nnrHid^ benrteken fann, fonbem ber Ur«
teilenbe nur fic^ felbft offenbart — etloa trie menn einer
mit oder äJ^ad^t auf einen ^aftmcffer (ogfd)(ägt, o^ne ju
hjiffen, ba^ eS ein 5haftmeffer ift, alfo meint, er fdfelagc in
$Bir{lid|{eit, mö^renb boc^ eigentlid^ nur feine ftraft gelwäft
mirb. Unb koenn man bie9 Derftanben fyii, fo fann man
boc^ noc^ eine §(uSflud^t fud^cn, man fann fid^ neugierig jur
Sn^igfcit oer^alten unb barauf rechnen, fic n^crbe c^ an bcn
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Xag bringen, ob eS nun in ber Xf)at ein öctrüger »at.
SBod bekoeift bad aber? @d betoeift, bag man meber ber
toäfyct SieBenbe ber bte ©ettgfeit ber £ie(e in fic^ fdbft
^t, nod^ au(^ bte liSorftellung tioit ber (£tt)ig!eit {)at, tone fie
bem n)irflid)en ©rnfte eigen ift. ®iebt ein 3J?enfcf) biefcr ©in-
ftüfterung nad^, fo jiel)! fie if)n fofort f)inab inä niebere
®ebiet ber Äleinltd^feit, too ber 3ön! ber Sf^e^t^aberei ba«
IS^^te mtb ^dd^fte ift, nic^t aber bie ^ligfeit ber )Biebe in
fi(| feCbfi — 5Der toNt^re Stebenbe aber glaubt oHeft — mtb
tonrb bod^ nie betrogen.
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UL
1. ßor. 18, 7. ^ie melic liofftt alU«.
^^^nter mancherlei SBitbern unb burc^ manrf)edei ^^or*
fteÜintgen fud^t bie ^)eilige ©c^rift auf bie eine obcc
anbete äBeife biefem unferem ttbifc^n tafeln geftUd^feit unb
93ei^ |ti geBettr Suft utib ^(uiSfid^t f(|affen, inbem fle vm»
in ein Serl^ftttnid jnm (Smigen t>erfc^t. Unb bad t^nt n»o^(
not. ^cnn tücnn bie SBeÜItdjfeit beg irbifdjen Sebent, gott-
öerlaffen, ftc^ üoH (Selbfi^ufrieben^eit mit fic^ felbft einfd^Iietlt,
fo enttoicfelt biefe eingefperrte ßuft ^ift in unb au& fic^.
Unb tt»enn in ber Qtidi(!^tnt bie ©tunben getDtffenna^en fo
tangfam unb bod^ fo tfidifd^ fd^neU bol^tnfd^tetd^, ba|
man i^red SBerfd^inbend nie mit gefomntelter ttnfmertfQnifeit
gen)at)r mirb; ober ttJenn ber ^lugenblicf ficf) feftfe^t unb
fte^en bleibt, n)enn aüeg, alleö aufgeboten njtrb, um @inn
unb Slräfte auf ben $lugenbUd l^tn^ukoenbcn; fo get)t bie
Sludfid^t ivertoren, unb biefer loSgeriffene, gotü)erIaffene$(ngen«
Blid bet QMx^hit, et tofi^te nun fftt^ obet (finget, toritb
ein Abfall üom Smigen. @iet) barum regt fic^ fo oft }U
terfc^iebcncn Qcikn ein ©ebürfniö nad^ einem erfrifd^cnben,
belebenben Suft^ug, einem mä^tigen SBinbftofe, ber bie Suft
teinige nnb bie giftigen fünfte k>ettretbe, ein löebütfnid nad^
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bev befteienben 9e)vegung etned grogett (StetgittffeS, Me eben
IwTd^ öctücgung be« @ttIIftcJ)cnbcn befreienb toirft, ein SBc*
bürfniö nad) ber betebenben 5tugfid)t einer grofeen ©rlnartung
— bamit man nid^t üon ber SBcItIi(^feit erftidt ober öom
Slugenbltcf erbrüdt tcerbe!
toeifs bad (S^nfientitm nur einen 8Beg nnb einen
^iuütoeq, toei| oSet nic^t^beftotDcniger immer SEBeg unb Kud*
tt)eg; mit ^ilfe beg (Steigen Wafft e§ jebcn ^tugenbHcf Suft
unb ?(u§ft(f)t. 5öenn bie ©efdjäftigfcit gunimmt, gerabe m\l
ftc^ ber 2lugenblicf breit ma^t; trenn fie unftät im klugen«
b(id fid^ umtreibt, ber etmg k)erftanben nid^t k>on ber ^teUe
!ommt; »enn bie SD2enf(|en in i^rer ®efd^&ftig!eit fäen nnb
ernten unb ttrfeber fäen unb toieber ernten (htm bie ®e*
fd)äftigfeit erntet mc^x benn einmal); trenn fie haften unb
©cJjeunen mit bemöcirinn füllen unb an il)rem (Sriuerb l)ängen
— ad], tüäl)renb ber loatjre greunb beg ®uten im fiauf berfelben
3eit nod^ nid^t ben minbefien (Erfolg t)on feiner Arbeit fie^
unb jum ®pott toirb, nrie einer, ber nid^t fäen oerftel^t, ttne
einer, ber rergebenS arbeitet unb blofe in ber Öuft fic^t: fo
fdiafft bae^ ß()riftentnm ?(n§fid§t, inbem e§ bilblic^ bat)on
rebet, bafe biefeö irbifdje ;^cben bie ©aatjeit, bie ©loigfeit bie
(Smteseit fei. 9Bie ber ^ugenbltd eben mit feinem ^tilleftel^n
Snm SBirbet nnrb (benn ein SBirbe( betnegt fid^ nic^t t>otttiörtd);
toenn gelänH)ft, geftcgt unb tjerloren nnb toieber gefiegt tpirb,
balb t)ier balb bort — träljrenb ber mat)rc greunb beg ®utcn
jeber^eit allein ber ^Serlierenbe ift, ber fd)einbar alleö t)ernert:
fo fdjafft bne^ (E!)riftentum ?tuefid)t, inbem eg bilblid^ baüon
rebet, bai biefed Skben S)rangfal unb ^avnpi, bie (Skoigfeit
aber ber @ieg fei. Sßenn ber 9CugenbIid( in ben firmlii^en
SSeüüidtungen ber ^Ieinticf)feit I)ängen bleibt, in bicfcr Häg«
lidi f(einlid)cn ^arifatur beS ^eiügftcn, beö ®utcn unb
S^a^ren; menn gar ernftlid^ \ittlx6^t SSBeltorbnung gef))ielt,
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(5[)rc unb 3d]anbe aufgeteilt totrb; mm alle» in bo^ ®fBtet
biefeö jämmerlichen ^urd)einanber§ tjcrabgejogen unb in
(Sitetfcit enttt)ertet toirb: fo jc^nfft ba§ ßf)nj'tentum 2vi\t unb
»ndfi^t, fc^fft bem £eben »iebec geftttc^fett unb mi^,
htbem ci^ tnMid) oon beut fetetlic^en Wte in bet (£kotgfett
rcbct, bcr ctotg entfd^ciben fott, »er bcn ^anj bcr (S^rc
erraiu] unb mx ^u (Sd^anben tt)urbe. — SSel^ feiertid^
crnfte 9!BeiI}e! SBa^ilic^, tva^ \\i aud) S()re unb ©c^anbc,
tocnn bic Umgebung, bie ber @I)re unb <Sc^be unenbric^e
8ebetttttng giebt, nid^t gefüllt ift? ^bft ttenn ein äJ^enfd^
l^et in bev fßkXt mit ate^t @^re netbient l^tte, tveld^e SBei^
\)at bie SBelt, um biefer ©l)re öebcutung ju geben! Sa^ ben
©d^ütern gan^ nad) ^^erbienft i()re Diüge ober i§re ^Tuö^eid^-
nung ^ufornmen — »enn ber feierüdjc ?tft auf bem Xreppen*
gong t)oi ft^ ginge; h^nn ber £e^rer, ber ©c^onbe unb (Sfytt
kietteitt ein elenber fDttn\^ to&re; ttienn babei niemonb ober
fo gut nne niemonb Don jenen ^^firbtgen eingetaben Mttf
bie burd^ i^re ©cgcmuart bie gcicr ujirfüd) beef)ren, loenn
bofür ein um fo gröfjercr §aufe lofer SJfenjc^cn mit fogor
gtueibcutigem $Rufe fic^ babei etnfönbe: \va^ ift bann S^re
unb @c^anbe? ^ber bie (Ekoigfeit! ^nft bu einen geftbau,
ber fo i)od) mie bie d^gfeit gekodlbt ift? SBeigt bu ein $qu9,
unb tuäfiS ein ®ottc8^au«, too biefc ^eilige ©title ift mic
in ber ©tüigfeit? Sßeiftt bn einen ^ei^ (fei e§ aud^ ber aug-
geiüiil;Uefte Ärei^ ber ej^rtoürbigften 9}?änner), ber fo geuji^
leinen einbringen licfee, gegen bcffen (£t)re ber minbefte 3^^f^l
t>orgebra(i^t toerben !5nnte, ber fo gettri^ nur fotd^e aufnd^,
beren ?tntoefenl)eit i^m tonrHtd^ @t)re mad^t, ber fo ft^er ftd^
gegen jebc (Sntttieit)nng fdiüljte, ttjie bie ©niigfeit? SBeifjt bu
einen geftfaal, beffen ©piegclnninbe fo unenbtid) unb fo auö^
augfd)üeg(id^ bie gorberung ber @I)re loiebergeben, fo unenb«
Ii(| unb fo unentrinnbar aud^ ben geringften Anflug oon
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— 57 —
llnel^te nemiten, tote btc @toigfcit? — Unb loeitn bu ba an
i)cn grätiger ftct)en fämeft!
<&o fc^offt baS Sl)riftentum, toa^ @C)rc itnb ©d^anbe
ibetiifft, jcbcn ^Tugenbtid §IuSfid)t mit feiner ©»igfeit,
tomn bu felbft bie $onb baju ^giebft, inbem bu l^offen
toiHft. ^ad (£f)n[tentuin fü()rt bic^ nid^t auf einen ()öt)eren
©tanbort empor, üon rao bu bod) nur einen etföa^ weiteren
Umfreiö überf(jE)auen fönnteft: bas märe boc^ nur eine irbifdje
^Öffnung unb eine meltlic^e SluSfi^t ^^ein, be§ (^^riftentum^
Hoffnung ift bie ®nng!eit; unb bavuni ftnbet fid^i auf beut
^emölbe, bad bom ^afetn ^et^et, Sti^t unb Ratten,
@d)önt)ett unb Sßotjrl^eit unb t)or allem bie ti^tige, unenb«
lic^c ^^erfpeftiDe. ^Die Hoffnung beg (5t)riftentumg ift bie
^toigfcit, unb Stjriftuö ift ber SSeg, feine ©ntiebriguug ift
ber SOSeg, ahti au(^ mit feiner lluffa^rt ^um Gimmel nxii
er bet SBeg.
2)ie BieBe ober, bie gröger benn WaväK unb Hoffnung
ift übernimmt oud^ bie Slrbcit ber ^)offnung, ober fie nimmt
aud) bie Hoffnung, bofe fie für anbcre Ijofft, alö i^re 5lrbeit
auf {ic^. ©ie felbft erbaut unb nöl)rt fic^ bur^ biefe $off*
uung, unb in i^r ^anbelt fie u^iebetum liebeuoQ gegen anbce.
@i> etko&gen tm je^t:
baB bie Siebe alled ^of f t — unb boc^ nie ^u (Berauben
totrb;
benn ma^rUdj, nic^t jeber, ber aüeS t)offt, ift barum ber
£iebenbe, oud^ ift nid^t jeber, bec oUei^ ^offt, barum fidler,
nie 5u @d^anben ^u toerben; aber in Siebe oCled ju t)offen,
ift hai (Skgentett toon ber ISSerjn^eiftung, bie gar nid^td t)offt,
meber für fic^ nod) für anbcre.
Miltes 5U t)offeu, ober, maö baöfetbe ift, olle^eit
^u l^offen. Wit^ ju l^offen fc^eint n&mlic^ auf ben erften
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©lief etiüQö fein, baö man mit einem ^Olal für immer
obmoc^cn fönntc, ba „atled" ja ba^ 93^annigfaltige in ©inein
Begreift, fo baft biefed $offen in einem gletd^fam etoiigen
^(ugcnMtcf DoQBrad^t tofitbe, ald ttifire bie Hoffnung ettva^
5l?ertt)ci(enbe^, 9^u!)enbc§. ^)cm ift ober bod^ ni(^t fo. ^aö
^offcn ift näm(irf) am bem ©tnigen unb bcm 3*-'i^^i<^^^'"
jufammengefeft, baljer e§ auc^ fommt, bafe bie Hoffnung
aii etioQd d^mige^ „alled'' l^offen, atd ettoad 3eitli(^d abev
„aDejeit" ^offen mug. ^ eine Vudbnu! ift ntd^t magrer
ate ber onbere, tnetme^r ttnrb jcbcr ber Beiben nntoof^r, fobalb
er bem anbern entgcc|ciu]cfc^t lüerbcn njoHte, mogegcn fic
miteinanber ba^felbe bcfagen, bafe nämlic^ bie ^iebc in jebem
^ugcnblicf aÜegeit aUeö ^offt.
^ad i^offen be^ie^ fid^ auf bad gu^^nftige, auf bie
9Rdg(i^!ett, bie toieber, anberd al9 bie Sßirüic^fett, immer
ein ©oppelteg ift, bie 9}?ög(ic^fcit bc^ gortgangS unb be^
iRücfgong§, ber 55?iebert)erfteÜung unb bc§ Untergang^, be^
®uten unb be^ ©öfen. ®aS (Swige „ijt"; iubem ober bad
(^mige mit bem geitlic^en in ÜBerü^rung fommt ober im
ßeitlid^en e^iftiert, treffen bie beiben einanber ni(^t in bem
„©cgcntoörtigen", benn fonft toftre ba« ®egenttdrtigc fetbft
baö (£n)ige. ©egenmärtige, ber 5(ugenHicf, ift fo ra)c^
vorüber, ba§ e§ eigentlid) nidjt ift: e§ ift nur bie ©renje
unb alfo öorbei gegangen, uiäl)renb baö iüergangene ift, tva^
gegenwärtig toar. fßkm olfp bad (Mge im Qititixä^n fein
^afein f)at, fo f)at biefeS 5Dafein in bem 3ufönfttgen
(benn ba« (SJegenlDärtige ift nid^t im ftanbc, e« feftju^alten,
unb bag ^l^ergangenc ift ja üorbci) ober in ber 5D?Ögtid)feit.
!5)a§ Söergangene ift baö SSirfli^c, ba^ 3"ffi"f^*9c ba«
M&Qlicf^v, al« ba« @h)ige ift ba« @ioige in ber (Stütgteit, in
ber Seit ift e« ba« ä^öglic^, ba« gufanftige. SBir nennen
ba^r ben morgenben ^ag bad 3"^"f^d^' nennen aber and^
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bad etoige ^btn ba^ Buffinftigc 2)ad äffdgUd^ ift oU*
fold^ed itmmet ein ^ot)))ette9, nnb \M (Slotge fonn ate ao^ög«-
lic^feit gleid^mäftiö We boppcite STOögtidifeit fein. SBemt ber
^O^enfd), bcn ba§ 9}^öglid)c ange()t, feinerfeit!? baS eine tok
ba^ anbete für gteid) mi)qlic^ f)ä(t, fo fagen lüir: er ift in
(Srlpartung. 2)qS (Srnjartcu fc^Iie^t eben biefe boppeltc
aRdglif^feit in fi<i^, unb emorten ^i^t bad S^dgUd^ rein
unb nur o(d aÖ^dgü^ei^ ju ftd^ in ein Qeri^altnid fegen.
$icrQuf ober fonn fid^ ber ertoartcnbe SWenfd^ auf smci*
crlei SBcife gegen ba^ SOiögtidje uerl^alten, je nad)bem er
to&\)lt SBenn fic^ bie ^rtoortung auf bie 5^üg(ic^feit beS(5Jutcn
richtet, fo ift fie ein ^ offen (unb bie^ foim eben barum
nie irgenb eine jeittid^ie (SmxiTtung fein, fonbem mu^ bad
®tt)ige Tjoff en) ; rietet fie fid) auf bie SJ^öglidifeit be« »Öfen,
fo ift fie ein gürd}ten. 5(6er foirot)!, toer t)offt, aU wcx
fürd^tet, ift in ©rttjartung. ©obalb jcbod^ bie SBal)! getroffen
ift, ift ba§ SJiöglic^e oeränbert; betin bie 9J?ögUd)feit bc^
(Stuten ift bad iSmige. 9^ur im tlugenbUd ber Oerfi^rung
(|ä(t fid^ bie S^ßgttd^hit bed einen unb anbern bie Sßage;
fomntt t% bol)er fonjeit, bafe mein bie Hoffnung tt)ö[)lt, fo
entfd)eibet man nnenblid^ met)r, aU e§ ben ^Tnfc^cin t)Qt; man
trifft eine eioige (Sntfd^eibung. 9kr in ber reinen 9D?ögUdö*
feit, olfo für ben, ber in reiner, glcicf)gültiger ©rnjartung ftc^t,
bie SKöglic^feit bed ®uten unb bed «Öfen fid^ bad
^(eic^getoic^t; merben fie tnitnif^ unb leBenbig unterfd^ieben
(nwÄ ja in ber S5ßot)I gefdE)el)en muft), fo ift bie 9J?ögIid)feit
beS ©Uten fojort met)r aU 9D^öglid;fcit, benn fie ift ba§
©»ige. ^Q^cr fommt eä, bafe ber, njeld^er Ijofft, nie betrogen
toerben !ann; benn l^offen ^eigt bie äiRdglic^feit bed @uten
ermarten; biefe ift aber bad (Smige.
So mu^ mon genauer beftimmen, m9 l)offen ^eif^t.
3m geioöl^nlic^en Sprachgebrauch nennt man oft ctioü^ ^off^
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ttutiQ, tocA fdnedtoegS Hoffnung ift, fonbectt ffiunfc^, Set«
langen, bie feljnfüc^tigc Srtüartung öon bcm unb jenem, furg,
baB man feine (Srtrartung auf bie 2)?öglid^feit beS ©injclnen
unb aj^anniflfaltigen rietet. Bo öerftanben (lucnn bic
l^offnung eigentlich bloged (^toarten ift) fällt ed bem 3üng«
Itng itnb bem JKnbe leidet )u hoffen, ba Sftngling unb fttnb
fetbft nod^ erft eine SWöglid^feit finb. Unb ottbtetfei» tft
eS bann aud) in feiner Drbnung, bafe mit ben Saljren gar oft
ba§ SJiöglic^e unb bie Hoffnung ober ber @inn für bie §I}?ög*
lic^feit in ben 9J?enfcf|en obnimmt. §ieraud iäiX e^ fid) tüieberum
erildren, baft bie i&j^afjitiim^ a&toeifenb t>on ber Hoffnung
Tebet, M to&xt fie Möge SugenMid^fett (m^ freiließ haü
^offen ber ^inbt)eit unb Sugenb aucf) ift) ober (ungefähr
tüie ba^ 'Sanken) eine jugenbtidje ©eluftigung, ju ber bie
älteren fic^ nic^t aufgelegt unb auc^ nic^t leicht genug mc^r
füllen. 9^un ja, toev ^fft, mad^t fic^ feine @ocl^ tottüt^
aud^ leidet, nämlidl mit ^tlfe bei» (Smigen, babutd^ baft i^m
baS ®ute immer möglich ift. Unb ift baS ©»ige oud^ feine«*
UJegö blof^e 3ugenb(id}teit, fo l)at ed boc^ mit ber Sugenb^
lid^feit ttjeit me^r gemein aU mit ber ^erbroffentieit, bie oft
für (Srnft gefc^&^t n)irb, mit ber ©tumpfljeit be« ^tterd, bie
in einigermaien günftigen Sßer^altniffen fo leibUci^ aufrieben
nnb beruhigt ift, bor ollem oSer fic^ mit ber Hoffnung nid^t
eintäfjt unb unter unglüdtidjen ^erljältniffen ef)er mürrifd^
auftritt al^i l)offt. 3n ber Sugenb ijat ein 3}^en)c^ (SrUjartung
unb SJ^ogüd^feit genug; fie entfaltet fic^ im Süngling Don
felbft mie bie foftbare iO^^rr^e, bie aud Arabien« Säumen
niebertr&ufeli 3ft ein Sl^enfc^ aber filter gemorben, fo
bleibt fein ßeben gar oft, traö e§ nun einmal gemorben ift,
eine geiftlofe 2Bieberl)o(ung unb Um)d)rei[ning beöfelben
©inerlei^; feine äKöglic^feit fc^redt unb medt it)n auf, feine
^ögUd^feit erfrifc^t unb tjerjüngt i^n; bie Hoffnung toirb
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ein frember ®aft unb bie 9J?ögIid^feit ttma^ ebenfo (SettencS^
lüie bag @rün im Söintcr. Tlan lebt ol)ne ba^ (Smige unb
belauft fi(^ mit (Skmo|ii]^t» Stiugfydt, S^a^ffetct, (fofa|nttt0^
ttttb 8ta»^ tUib ttml^vli^f trintm oQ \M, Imtimt
ed jufammen, betette e9 nttt bem Setter bev etCofci^enett ober
btog irbifd) flammenbcn ßetbettfd^öften ^u, unb bu njirft feften,
bu fannft allerlei barau^ bebmmen, einen fo ober )o jurec^t
gemachten ^äl^ti @^leim, ben man SebenSÜug^eit nennt; aber
ttix^ nie gettKimi einet ^ecbun^ bieäftdglid^feit, biefedSBunber*^
bare, IM fo mtenblid^ ft)r5be iß (ber fetnfte ©d^og bei» %tü^*
jal)r§ ift nicf)t fo fpröbe!); fo unenblid^ jart (baS feinft öer»
arbeitete Sinnen ift nid)t fo gartl) unb bo^ gerabe auö bem
(^tDigen gebtlbet, unb bod^ ftäcfer benn alled, totm bie
äKö0li(^!eit bed &viUn ift.
d^rfo^rene Senie teilen bod SKenfd^nteben in getoiffe
Kbfd^nttte ttttb Sebenfttlier ein nnb nennen bonn ben erfien'
bie 3eit ber §offmmg ober ber 9)?ögtirf)feit. 2öie tprid^t!
9J?an rebet alfo üon ber |)offnung unb läfjt ba§ (Steige ganj
au& unb rebet bod^ öon ber Hoffnung. ^Itlein niie ift bai»
möglich, ba ja bie Hoffnung auf bie ^D^^Ud^it bed fluten
nnb bantit auf bod (EnHge fid^ besiel^! tUib anbererfeits^
tone fann man fo oon ber Hoffnung reben, bag man fte einem
getoiffen Hilter juteilt; bag (Stuige erftrccft fid) bod§ tüol)l auf
baö gflnje fiebcn, fo ba^ alfo bie §offnung bi§ ;^um (Snbe
bleiben, fo bafe alfo fein Lebensalter allein, oielme^r bie
gan^e Skbend^ bie 3cit ber Hoffnung fein foUl fEHon glaubt
alfo erfal^ bon ber Hoffnung §n reben, loenn man
— baiS (lioige abfd^afft. ®te man anf ber Oü!^ bntd^
^Ibfürjung ber 3^^* hniö) 3"ff^^^^^ä^^()i^"9
gebcnt)eiten im Sauf lueniger ©tunben ben Sn^alt einer
ganzen SRei^e Don Sauren ju fe^en befommt: fo toill man^
fi(^ in ber ^citlid^ einrid^ten, ai» koäre man auf ber
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fl3üf)nc. Wan uerlüitft ®otteÄ i^lan mit bem ^afein, tt)p*
itac^ bte QtiHväfUit gon} mb %at (^nttoidluitg, Senoidduig
— bte (Skoigfett aber bte Sbifttfintd ift; titan nerlegi \M
©an^c tit bie 3^itnd)feit, fe^t eine 9leit)c üon Sauren für bte
(Snttüicflung an, bann ein Siiljr^cljnt für bie ^enoidlung, jo
ba| man ben knoten in einige Sat)re fiinein^toängt unb bann
bie ^uflöfung folgen lägt. Unleugbar, bec %oh ift ja aud^
eine Kttfidfung, nnb bann tft ed t)orbet, ntan kinrb begtaben
— nidjt beöor bte fCuflöfung ber Skrtocfung eingetreten
ift. ^Jl6er tt)a§r(ic^, mer nic^t öcrfteljen njill, bafe be§ 9}?enfd)en
ganje ßebens^eit bie Qnt ber |)offnnng fein foH, ift üer=
5tt)eife(t, ganj einerlei ob er bauon mi^ ober nic^t, ob er
fid^ in fetner DermeintUd^n SOSo||Ifal^rt glüdlid^ pm\t ober
ob er fi^ burc^ 2angtoei(e unb WHüijUal bur^tnbet. SSer
bie ajJögüd^feit, ba6 fein S)afein im näd^ften ^ugcnblicf Der-
fdjeij^t fein fönnte, anfgicbt — e§ fei benn, ba^ er biefc
SJ^öglic^teit barum aufgiebt, njeit er ba^ (§Jntc ^offt, alfo
jeber« ber o^ne SO^ögtid^feit ba^inlebt, ift Der^koeifelt, er
brid^t mit bem Slotgen, er fc^neibet toiHfürtid^ bte äRdgKc^»
fett ab, mad^t ol)ne ß^ftintmung ber (SiDigfeit ben @c^(ng,
m hüd) ber ©djlufe nid)t ift, ftatt lüie beim 2)iftiertfd)reibeii
beftünbig bie gebcr für ba§ näc^fte SBort bereit ju tjalten
unb nieber uermeffen ein finnlofed ^^unttum fegen, no(^
anfrü^rerifc^ bie geber toegattkoerfen, e^ ber au& ifi
SBie greift man ei^ an, nenn man einem ftinbe bei
einer fe^r großen 5(nfgabc tjelfcn mitt? 3J?an legt it)m nic^t
bie ganje 5(ufga6e jumal üor (fo üer^n?eife(t bag Siinb unb
giebt bie |)offnung auf); man giebt i^m je auf einmal ein
f leined ©tüd baoon, aber boc^ aUemal fo mi, bag ha» ^nb
feinen 9[ugenb(td! 92u]^ befommt, ald toare.ed jegt fertig,
unb aud^ nic^t fo ütel, bafe bo8 Äinb e8 nid^t bctoältigcn
fönnte. S)a^ ift bie fromme ber ^r^ietjung; fie Oer*
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fdjtüeigt etgcntüc!^ ettuaä; tüixh ba^ Slinh betrogen, )o fommt
eö bal)er, bafe bet (St^ie^ev ein SOicnfc^ i)t, bcr nid)t für bcn
näfiften $lugenblid einfte^n faiitt. 9tittt ober bie (toigfeit;
fie ift bo4 too^I bie grdjste XufgaBe, bte etttem iD?enf^
gefteOt ift, unb fonn ottbercrfctti^ boc^ root)! für bcn näd^ften
flltgenblicE cinfte()en; unb ba§ ^inb ber 3^^^ (ber DJ^enfdj)
ift ja bod^ ber uncnbUd;en Slufgabe gegenübet nur ein fleine^
Stinhl SS3o0te bie ^toigleit auf einmal unb in i^rer ^pxa^,
o^ne aiUtrffid^t auf bei» iKenfc^en gaffimgdiKttndgen utib
fd^n)ad^e Sltaft, btefem bte 9(iifgabe ftdlen: fo mü§te ber
SQ^enfd) üer^iueifeln. 3)a gefdjieljt aber ba3 SBunberbare, ba&
biefe größte Wlad)t, bie Stnigfeit, fidj )d Hein madjen fann;
bafe fie, bie boc^ etoig (Sine^ ift, fic^ jcrteilt unb bie gorm
bed 3tt^nftigen, bed äl^dgUd^ttr onninimt, mit ^itfe ber
Hoffnung baS fttnb ber 3^^^^^^^^ SD^enfd^en) erjie^t
unb ilju ^offcn le^rt (bcnn er lernt, ift ba§ ^offen, ift
bag ^-^er^alten ^um (Stuigein, fall^ er nic^t njiUfürlid) fid)
lieber burc^ bie gurc^t einjc^üct)tern lä^t ober lieber tro^ig
fre^ Der^tfelt, b. ^. bem ergie^enben (Sinfiu^ ber ^^öglid^»
!eit ftc^ entstellt. 3n ber SRöglid^feit fe(t bad (Etotge, ric^g
üerftonben, bem SIRenjc^en immer nur eilt ffetned ®tüd auf
einmal öor. (Stuigfeit ift aU ba§ äJJoglidje beftänbig
na^e genug, um bei ber ^anh ju fein, unb bod^ ferne
genug, um ben i0^enfc^en in ber ^orU)ärtdbeU)egung auf baS
(Skoige tjin im IS^ang, im gfortfd^ritt }u erl^Iten. @o (odt
unb ^te^t bie (Stmgfeit in ^eftalt ber a^öglic^leit einen
äJ^enfc^cn uon ber SBiege biö jum ®rabe, tuenn er bie Hoffnung
crn)ät)It. ^cnn bie 9J?öglidjfeit ift mic gefagt ein ■£)oppeIteö
unb eben barum bie njat)re (Sr^ieljung; bte 9}?ögUdj{eit ift
ebenfo ftreug atö milbe, ober !anu bod^ ebenfo ftreng fein.
5Die Hoffnung liegt ni^t o^ne iveiterei» in ber 2Kl^l\dltüt,
bcnn in ber 3J2ügli(^!eit fann aud^ bie gurd^t liegen. Sßer
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aber We ipoffnung \oSi\)U, ttnrb xnm bet SWögtid^fctt mit $iffe
bcr Hoffnung jum ^offen erlogen, ^od) bleibt bie 3Jcög*
lic^tcit ber gurc^t, bic ©trenne, aU Möo^Mjkit tjcimlic^ gur
©teile, foll^ fie jum ^^^ccf ber (Sr^ie^ung, um 5U toecfen,
iti^tig fein foUte; aber fie bleibt nerbotgen, tv&^renb hal^
(StDtge fraft ber ^offnmig lodi £ienn toaiK lodt, ift 6e»
ftänbtg ebenfo nol^e toic ferne, ^bnr^ ttnrb ber |)offcnbc
oHejeit ()üffcnb, allcö l)offenb erf)aUen, b. f). in ber Hoffnung
auf baS (^mige erhalten, bas^ in ber ^^ttUd^Ceit ha^ WHöq»
Ii(^e ift
@i> ber^&U ed ftc|| mit bem, baft mon oSed l^offe.
er aber in ßtebe oEe« t)offt, bejeid^net bc8 Stebenben ®er*
l)a(ten jn anbern 2)?enfcf)en, tüonacf) er, Doli |)offnung für
fie, mit unenblic^er, unermüblid^er 35orliebe für bie SDiög«
lid^feit be-3 (SJuten, bei il)ncn beftänbig bie iKögUd^feit offen
^It. (Sc l^offt a(fo in Siebe, ba| jeben ^Ingenblid no^
a^ögli^fett Dor^nben fei, bie 9)?ögli^!eit bed ®uten ffir ben
anbern 3}?enfd)en, biefelbe bebeute nun einen immer I)errli^eren
J^ortfc^ritt im ®uten toon 33olIfommeiiJ)eit gu 33ollfommen*
^eit, ober bie äBteberaufric^tung \)on einem %aSi, ober bie
Errettung bom 8$erberben n. f. f.
ber Stebenbe mit Siedet in jebem 9btgenbU<f eine
aj?ögtt(^fett onntmmt, fie^t man tet^t ein. Setber toürbc
baö aber mancfjer öielleidit tpeit Ieicf)ter Derftel)en, menn tüir
bagfelbe burc^ bie ^er^meiflung fagen tiefen, — benn biefc
fagt gettjiffcrmojcn baSfelbc S)er ^erjtoeifclte »etß QU(^,
toa» in ber äRöglid^feit liegt, unb giebt ho^ bie ä»dg(i(j^feit
auf (benn bei^tt^eifetn Reifet eben bie aWögltc^fctt oufgeben);
ober noc^ rid^tiger, er erfredjt fid), bie Unmöglic^feit be^
©Uten an^u nehmen, .^ier jcigt e§ fid} trieber, bafe bie 9J?ög*
li^feit beö @utcn met)r aU blofec aj^öglic^feit ift; benn toenn
einer fic^ erbreiftet, bie UnmögUd^feit bed ^uten an^U'
— 66 —
■
ne()men, fo geJ)t ü6erI)Qu^t bic 5[}?ög(ic^feit für Wjn au^.
Sßcr fic^ fürd^tet, nimmt nid)t ba^ ®utc ald unmöglich an;
et färc^tet bie Sa2ö9li{|!ett bti» IBdfen, attetii et ttnidt nvSfi
bett @^ttt, Me Unmligliil^t bcd i^ntett ott^ime^mett.
„(88 ift mögtirf)", fagt We iBeratociflung, „c8 ift mög*
bo6 fetbft bie aufric^tigfte 93egeiftcrung boc^ einmal
mübe toürbe, i^r ©treben aufgäbe uiib in ben S)ienft bcr
©c^Iedjtigfeit öcrficle; felbft ber ^erjlidjfte ©laubc !antt Imx|
einmot fic| oufgebett imb in Utiglaukn umfc|(ageR; ani|
bk bteitnenbfle S{e6e famt einmot etfoUen imb <Sn8
loetben; fogot ber te^tfc^affenfte 9^enfd^ foim bo<!^ eimnol
auf einen ^bnjeg geraten unb öerloren gefjen; audf) ber bcfte
^reunb fann firf) in einen geinb iimtuanbefn, felbft bie treufte
Gattin treulos n^erben: bad aQeS ift mi^Uc^, batum t)er«
ffmfU, gieb bie ^offimng anf, ^ffe uot anem tttd^t auf
ehieit 9Kenf(j§en, obet fftt dtteti SRenf^!'' — 9a^ fteilic^
ift bad möglich, eS ift ja abet oitd^ baft ©egenteit mdglic^.
„®ieb bat)er nie lieblos einen 9J2enfc^en ober bie ig)offnung
für i^n auf, bcnn eö toäre möglich, baß felbft ber üerlorenfte
©ol^n bod) nod) gerettet mürbe; bafe ber erbittertfte geinb,
ad^ bein ftö^eiet gteunb, bixi^ totebet bein gr^utib toütbe;
ber am tiefften fan(, XM et fo l^oc^ fiattb, et tttmte
bo^ mtebet etnt^otfmnmen; bte etftittete Siebe I5nnte bod^
toieber entbrennen: barum gieb niemolö einen 2Jkn|d)en auf,
aud) nici^t im Ie|ten ^ugenblid; t^er^n^eifie nic^t, nein, ^offe
aOei»."
M ift v^li^*', fmoeit finb alfo beibe einig, bet I6et«
IlKifelte imb bet Stebenbe; ^et abet fd^dben fie flc^ eotg;
bemt bte SBer^iuciftung t)offt gar nichts füt anbete, bie Siebe
l)offt aHeCv 2)ie ^erämeiftung bricht ä"f^^i"i"en unb braucht
nun bie 3}^öglici^fcit mandjmal tok ein ergü^Udjcö D^eiärnittcf,
nienn man anberS an bem unftöten, eitlen, gef))enftijc^n
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— 66 —
HttfCobem ber Wtb^lväßat fu^ ecgdten fanti. SKerfivftrlttger'
»eifc, aber aiic^ jum S^ici^ctt, toic tief bie Hoffnung tn einem
aj^enfdjen ipur^elt, fonn man gerabc bei fo(cf)en, bie in 5ßer*
jweiflung erfoltet finb, eine öort)errfd)enbe Steigung jum
Xänbcln unb Spielen mit ber äJ^öglid^feit, einen mt)U
Iftftigen aßi^Btauc^ bet (i^nbttbimg^haft finben. StaÜ unb
tro^ig ttriQ bet Seratoeifette für einen anbem nif|t ^offen,
nod} mcnigcr für bie 9J?ögIic^feit beS ®utcn in i^m arbeiten;
aber cö ift iijm eine Suft, bie möglid^en <Sc^irffa(e beS anbem,
bie ge^offten ober gefürd^teten, öor fic^ ^in unb ^er gaufeln
j|tt (äffen; ift i^m ein i^enu^ mit bem ©d^tdfal bed anbem
5U f)>ie(en, bolb bie eine balb bie onbere 9Rdg(i(^leit %n benlen,
t^n gteic^fam in ber ßnft baumeln ju laffen, toä^renb et
\db\i ftol^ unb liebloö baS ©anje üerac^tet.
^oc^ mit tt)e(d)em 9?ec^t nennen rtir ben üerjnjeifelt,
ber einen anbem 9J2enfd)en aufgiebt? (£d ift ia ffomxki, ob
man felbft tieijtoäfeU pber fiber einen anbem neijumfelt
ja, tuenn e9 aber bo(i| ma^r ift, mad ber Siebenbe t)er«
fte{)t, unb loenn man njirflic^ alö ber ßiebenbe (iebeDoH Der*
fte^t, baft nämli^ für ben anbem 9J?enfc^en ba^ ®ute jeben
^ugenblid möglich i)t: fo fann man einen anbem nur bann
ate ^offnungdlod tierloren aufgeben, »enn man nic^t felbft
ber Siebenbe ift» unb bann ift man ja bei^meifeft unb giebt
bie 9^^ögtic^!eit auf. 9{iemanb fann hoffen, ot^ne bag er
jugicid) (iebt; er fann auc§ nidjt für fic^ felbft ^offen,
o^ne äug(cid) ju lieben, ^enn baö ®utc fte^t in unenblid^em
3ufammen^ang; liebt er aber, fo Ijofft er jngleid) für anbcrc.
Unb ^mar ^offt er gan^ im felben &xüU für anbere, atd er
fftr fic^ felbft ^offt; benn gan^ in bemfelben ^rabe, a\» et
für fic^ felbft ^offt, Hebt er oud^. Unb er ^offt auc^ ganj
in bemfelben ®rabe für fidj, alö er für anbere Ijofft; benn
bod ift bie uneublic^ genaue etoige (Si)egenfettigteit unb ®e»
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red^ttgtett, bte itt allem (Steigen ^errfc^t. D, ed ift üBetaQ,
too c« fic^ um Sie6e ^anbelt, ettoa« fo unenbttc^ Xief finniges!
^er h)Q{)re fiiebcnbe fagt: „^offe alleg, gieb !einen ?Q?cnf(^en
auf; benn i^n aufgeben Reifet beine Siebe i^m aufgeben
— loenn bu fie nämltd^ nic^t aufgiebfi, fo ^offft bu; gtebft
bit aber beine IBiebe ^n i^m auf, fo liebft bu eben ni^t me^r."
@ie]^, fo teben tm getoö^nlid^ ni^t; toir reben anberi»,
^errfd^füd^tig unb liebloö üon unferm 3]erljäUniö ^iir Siebe
in uns, als fönnte man als @eI6ftt)err unb ©etbftljerrfdier
über feine Siebe öerfügen toie über fein (^elb. @agt einer:
„i(| ^be meine Siebe §u biefem äßenfd^n aufgegeben", fo
beult er, ber Serlierenbe fei eben biefer Sli^enfd^, ber ^egen«*
ftanb feiner Siebe; er felbft meint feine Siebe ju behalten.
SÖBcr einen anbem mit (^elb unterftügt l^at unb nun fagt:
„ic^ gebe i^m bie Unterftüfeung ferner nid^t me^r", htS^ält
ja au(^ fein ©elb nun felber, baS juDor ber anbere empfing,
unb nur biefer, nid^t aber er felbft mttert baburti^, ba^ er
fein ^!b anberi^ Dertoenbet. @o ift e8 aber Bei ber Siebe
nid^t; üielleidjt öertiert ber, njeld)er ©egenftanb ber Siebe
mar, mer aber fieser öerliert, ift jener, „ber feine Siebe ^u
biefem SD^enfc^en aufgab". Sr merft eS öielleid^t fetber nid^t;
er merft oieUeic^t aud^ nid^t, ba| bie @))racl^ i^u )9erf)iottet,
inbem er \a fagt: „i^ l^be meine Siebe aufgegeben". $at
er aber feine Siebe aufgegeben, fo liebt er ja nid^t me^r.
OTerbingS fügt er \)m^u „meine Siebe ju biefem 2J?enfc^en",
aber baS t)i(ft nidjtS; fo, otjue eigenen ^^erluft, iä^t fic^ eine
©elbunterftügung äurüdf^ie^cn, nic^t aber bie Siebe. 2)ai8
^&bifat f^liebeooU" fommt mir nid^ gu, ttienn i(^ meine
Siebe ju „biefem SRcnfd^en" aufgegeben ^abe, obmo:^! ic^ mir
inellei^t boc^ einbilbete, nur er t)abe Derloren. Unb fo ift'd
aud) mit bem ^^er^^meifeln über einen anbem 9J?enfc^en, eS
^ei^ fo oiel aU felbft oeijmeifelt fein. 2)ad ift aUerbingd
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fd^tiettet gefügt ofö burd^boc^t. & mad^t ftc^ (etbcr fo
(cicJ)t unb bequem, über einen anbern 9D?enfd^en §u üer^tueifetn
— toä^renbbem man üermeintlicf) fo fidler über ficf) fetbft,
öoU ^Öffnung für fid^ felber ift; unb gerabc bie, meiere
felbftgefäUig i^cer ^eiifoit fo gar fid^ec fiitb, Dec^koetfetn am
elften übtx anbete; @o letii^ ed a6et aiu| ge^, e9 (dgt
fid^ bod^ hntüti!^ ntc^t ntad^ett — auger in i^banMoftgfett,
bic freilid} üielen am Ieirf)teften iuirb. 9lein, l)ier jeigt fic^
jene ©cgenfeitigfeit ber ©ttjigfeit aU öergettenbe ©erec^tigfeit
loieber, ba|, tott übet einen anbent tjei^ttieifeU, felbft \>tt^
Skoeifett ift.
^enn bet Siebenbe ^offt alled. Unb ed ift toal^r, koad
ber Siebenbe fagt: fo öiel er t)erftet)e, fönne nod^ im legten
^lugenblicf felbft für ben ^erlorenften baö ®ute möglidf),
olfo no^ ^Öffnung üorl^anben fein. S)ad ift toa^^x, unb jeber
toirb ed in feinem f&ttffiUm» %u anbetn äRenfd^ koal^t
Befinben, koenn et feine SinbiOmngdltaft jügeln miÖ mtb, o^e
fi^ k)on Itebtofen Seibenfd^aften ftören unb umnebeln
laffen, unöerhjanbt ben S3(icf auf ba§ 9}?öglicf)e gerid^tet l)ä(t,
in bem ba§ ^mige fid^ fpiegelt Äann ba^er ein SJ^enfd^
nic^t k)erfte]^en, toa^ ber Siebenbe k)erfte^t, fo mng e§ bQ()et
bmmen, bag et nid|t liebt; ed ^inbett i^n etkoaS bie Wl^*
(id^lföt atd tetne Sl'^öglic^feit feftau^olten (benn gefc^ie^t
bic^, fo ift alleg möglich) unb fobann üebenb bie 9J?ögIid^(eit
be§ ©Uten ju tüä^ten, ober für ben anbern 3D?enfc^en §u
hoffen; ed brüdtt i^n titoa^ unb giebt it)m eine ^kigung,
bei» anbetn d^tmntignng, Untergang, üBetbetben ^ etn^atten.
SBad fo bef diniert, ba9 finb bie ttbtfd^ Seibenf duften
be9 mettlid^en nnb a(fo (ieblofen €^ne9; benn toettli^eS
Sßefen ift an fidj fi^ftjer, ftunipf, träge, üerbroffen, mißmutig,
öerftimmt unb fann fic^ toeber fic^ no(^ einem anbern
5uUeb mit bem iD^ögüd^n/ am tt»enigften mit ber äßöglic^feit
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be§ ©Uten einlaffett. — ®§ giebt eine ÄIugl)eit, bie fid^
foft auf bie 97?einung cttoag gut tt)ut, fte l^obe eine öor*
§figltd^ gtllnMtd^ ^ntttnid t>on bet S^^ac^tfette bei» ^feind,
ba^ bod| auf 9&iitiiier(t(l^!ett l^itdtaitfe: ttne follte
fie tt(^ im fo^iett SugetiBtid! ßdenb fftr etnett oirbent
9}^enfd)en Ijoffen fönnett, auf beffen Untergang fte bereit«
frii^ am Xage gefaxt ift unb njartet! — (£ö gtebt einen
30 rn unb ©rimrn, ber ben ^erf)a6ten l^offnungiSlo« auf*
gtebt, alfo bie äRöglid^feit enl^te^t; ^gt bad ober tiid^t
ben SRfiifd^ geifttg totj^^eit, getftig in ben frbgrnnb
ftfirjen, fo toett gom nnb #nmm e« in iJ)rer 9^(id)t Ijoben,
wenn man aud) feinen 9J?orb auf fein ©etniffcn läbt! — ®ö
giebt ein böfeö $luge; tnie foHtc nber ein büfe^ eilige im
ftanbe fein, einen liebenben ^lid für bie 9J2öglic^feit be«
(inten §tt i^ben! — 5Do ift bet Siletb; et ift fc^neU babet,
dnen SZenfi^en anzugeben, nnb bod^ gtebt et tl^n jja eigent*
itä) nid^t auf, aft Iie|e er ifjßx erft faflcn, nein er ift jeitig
babei, an ieinem Untergang mitgu^effen. Unb ift biefer erft
getüifj, fo eilt bor D^eib ^eim in feinen büftern Sßinfel unb
bietet feine noc^ abfd^eulic^re liBafe, bie ©c^abenfreube,
anf, um ft^ mit t^t su freuen — §tt intern eigenen @c^ben.
— & gtebt eine feige, f ntd^tfame ftleinlic^f eit, bie
Ttnt gelobt !)at, ettoa« für fic^ fclbft §u f)offen, irie foÜfe
fie bei einem anberen baö QJute für möglid) l)alten; bngu ift
fie ju flcinUc^ nnb mit bem DJeib ju nalK uertranbt! — (5§
giebt einen »eltlic^en, eitlen @inn, ber Dor ©c^am fterben
mO^te, menn er ed erlebte, bog er fic^ irre, bo| er genarrt,
bog er Va^iä^ tt»irb (bad ift ia ber fd^recßiillfte ber ©d^reden!),
toeil er für einen onbern aj^cnfi^cn — tergebtid^ fic^offt
^ottc. @o fteüt fic^ biefer meltlid^e eitle Sinn baburd) fidjcr,
ba6 er beizeiten gar nid^t« ^offt, unb finbet eö fo uncnblic^
t^drid^ nnb nnenbti(^ läc^erlid^, in ßicbe aQed hoffen.
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mm ^tcnit int Im^ Iric d^itclfett bcc ffiett, bam bod
Z^Oru^ iß ntonad mmtUt^; f ftr ben, bct leiddcii» Mi
ber ^or^tt ber fßtU genug feUieit ^tte, toKtr es ja eben
ein Iroft, bofe er bcftänbig fagcn fonnte: uncnbUc^ i]t fic
nidjt, nein, ®ott 2ob unb ^anf, fie t)at ein @nbe. Äuc^
^at bie (Srfa^rung m^t tec^t mit i^rer TlcmmQ, ed fei boi^
' ittfigfie, fftt ettieii anbent äKenfd^ ittt|t aUcd §» ^ffen
— boc^ baft Detfie^t ftd^, bte (Irfäl^nmg ^ t«^, fonft
müfete fie ftc^ eineS ©efferen Belet)ren (offen unb fernen,
lüie t^örid)t ift, onbere um eigenen ^IsortetlS n^illen
lieben; unb nur \o toeit man txx^ t^ut, ift ed unUug aUed
ju hoffen.
saSemi mm aa bo«, biefe St\n%t^, btefec 3oni unb
Ochmn, btefer 9tAh, biefe ©d^benftotbe, biefe feige, fwc^*
fome Äfeinlid^feit, btefer loeltli^e, eitle @inn, toenn unb fo
tüdt all ba§ ober ettuaS baüon in einem 9}?enf^en ift, fo
ift in ganj gerobem ^erl)ältniö ^ieju bie Siebe toeniger ober
nid^t in i^m. 3e toeniget ober Siebe, befto tDentger (totged
ift in i^, ttttb je loenigct Sttngci» in i^ ift, befto toentget
fD^ögtidjfett, bffio sueniger @inn ffir bte S^>td^!eit (benn
bie äj^öglic^fett entfte^t baburd^, büB ba^^ ©luige im SO^enfc^en
in ber ^t'it üom ©neigen berü()rt njirb; ift ni^t« ©tüigcÄ
in biefem 3J?enfd§en, fo ift bie 93erü^rung be« (Steigen öer*
gebeniS, unb eiS fommt ju feiner ä^ögtid^feit); mit ber (^ig!eit
fi^hmtbet aber auil^ bie ^offnmig, loeil eben aud^ bie iSiebe
fe^tt bte (tebclyoll bad ^nte otd mögli^ hoffen fbmtte. 2)er
ßicbcnbe bagegen ^offt otleS; feine gciftlofe ®emot)n^eit, Ceine
fteinlid^e 58erftänbigfeit, feine fpit5finbige 5?fugtieit, feine burd^
grofee imponierenbe ©tatijtif, feine ^2(bftum<)fung burc^
bte Sa^re, feine bösartige Uibenfd^aftlic^e Verbitterung, ntd^ät
netberbt i^m feine Öffnung ober tjecfälfd^t i^m bie äMg«
lid^feit; jeben SD^orgen, ja jeben ffngenbtifl enteuert er fein
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$of{hi mib ftif^ 9{dglt<||Bett ottf, inbem bte Siebe blOd
mtb et ht i^.
@elbft lücnn bcr SieBenbe fonft nidjt bai8 ®cringftc für
onbere ju tJ)un, i^nen fonft gar feine ©abe Bringen im
ftanbc to&rc: fo bringt er boc^ bie befte QJabe, er bringt bie
$off mmg. fflenn bad Seben k»ie( Devftnm^b itiib l^offnung^
tM tm bcnt Hnge beS astfblii^beit Sfttigltngft {!c!| oud*
breitet, fo bringt ho6) bie Siebe bie bepe (SJobe, bic |)offnung;
toenn aber aud^ bie aj^cnfc^eit Bereite längft biö ^um Su^erften
auijgef)alten 5U {)aben glauben, fo !)offt bie Siebe bis gum
^ugerften, ja bi§ jum jtingften Xag, benn erft bann ift bic
^offmtitg bocbei ^ft bu fd^it einett 9{i;5t bei ben kaufen
gefehlt, fo l^ft bn loo^ au^ beoba^tet, bag et att befte 0abe
We Hoffnung bringt; beim beffer M oHe Är^nei, bcffer an^
als alle gürforge troftet eö, bafe ,,ber 5{r§t l)offt". $)oci^
ein ^Ir^t l)at nur mit bem geitlidjcn ju tt)un, baljer fann
^in unb n)ieber ber ^genblid eintreten, roo eS üon t^m m*
100^ iD&te, loenn et (engtten kooHte, bal et bett ^nfeit
aufgegeben f^t, bafi bie fttant^t töbßd^ ifi ^et Siebenbe
übet — loetd^e ^enbe für xlfn, bo| er itnmet ^offcn borf;
h)eld)e grenbe für il)n, bafj bie (Smigfeit if)m bofür einftctjt, eö
gebe immer nod) .^^offnung. S)cnn nid^t I)offt ber Siebenbe, ber
tool)rc Siebenbe, tocil bie (Smigfeit i!)m bafür einfielt, fonbern
et ^fft, »eil et bet Siebenbe ift, nnb et banft bet ÜMgfeit,
ba§ er ^offen batf. Unb fo btingt et innnet bie befte ikibe,
beffet ote ben ©lürftounf^ gum l^öd^ften ®IM, beffer benn
aOc menjdjUc^e .<pi(fe für baS größte Unglücf; benn bie §off*
nung, bie SD^öglic^feit beä ©utcn, ift bie ^ilfe ber (Sn^igfeit.
aUei» Unglüä über bod äJ^enfd^engef^lec^t lom, blieb
bod^ bie i^offnung übrig. 2>Qtin finb^eibentnm nnb (Soften«
tum einig; nnt l^t Sl^riftentttm (nnb bai ift ein nn«
enblic^er Unterf(]^teb) eine unenblic^ geringere ^orfteHung
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toon atl biefem Ungtücf unb eine unenblid) feiigere ^orftellung
t>on ber Hoffnung. 5)ie Hoffnung aber, bie jurücfSItcb, blieb
nur bei bem £iebenben. äBenn bie Siebe nv^t toätt, fo gaSe
ed QU(^ feine Hoffnung. SBie ein Srief, ber auf üb^otung
toortet, tDürbe btefe liegen StetBen; tme ein gfild^ngenbet
©rief, für ben fic^ fein S3ote fänbe, fönnte fie niemanben
befeligen, loenn nic^t bie Siebe, obqteic^ größer benn bie §off*
nung, aU i^ren ^ienft unb i^c ^efc^äft auf fic^ nö^me, bie
Hoffnung 5n bringen.
Sft aber l^ier ni(^t ein bunHer $unft, eine Unflarl^t
in biefer ganzen ©rmägung, fo bafe ntan nid^t red^t f(ug
baraug tüerbcu fann, tuorum eg fidj l}anbelt; benn bafe bie
Siebe aUed ^offt, fann bebeuten, bajs ber Siebenbe für fid^,
!ann aber auc^ bebeuten, bag er in Siebe aUed für anbete
^offt? tmetn bad ift ya ein nnb badfetbe; unb koenn einer
gan^ üerfte^t, bog ^ burc^ud ein nnb bai^fetbe ift, fo ift
biefe 'I)unfen)eit gerabe bie illarljeit be§ ©toigen. SSenn allein
bie Siebe alle^ I)offt (nnb ^anlug fagt nidjt, bie Hoffnung,
fonbern bie Siebe l)offe oÜeg, iüeil eben, loie er fagt, bie Siebe
größer benn bie Hoffnung ift), fo folgt boraud (aud bem 5Dafein
unb Sßefen ber Siebe), bag ber Siebenbe aüed für anbere
l^offt, ba ja öon feiner Siebe feine §offnung für i^n felbft
abhängig ift. 9hir irbifdljer ^erftanb (unb beffen ÄtarJ^eit
ift bodj öjo^l nidjt 5U rühmen), nur irbifc^er 93erftanb, ber
fid^ koeber auf Siebe nod^ auf Hoffnung k)erfte^t, meint, e8
feien ^Uiei gan§ Derfd^iebene S)inge, für ftd^ felbft unb für
anbere 5U Ijoffen, unb bie Siebe fei toieber ein 5)rttte8 für
fid) felbft. ®er irbifdje i^erftanb meint, man fönne fe^r
gut für fid^ felbft l)offen oljne für anbere ju l)offen; unb
man brauche teine Siebe, um für fid) felbft ^u ^offen, too*
gegen man, um für anbere, für bie &d\tbttn, 5U l^offen mo^l
Siebe braud^e, — unb »ieber für anbere, au^r biefen natür»
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lic^, gar md)t ju l^offcn braudjc. ^er irbifd^e ^erftanb mcrft
nid^t, ba6 bie ßiebe feineöinegö ein 5)rittc§ für fidt) felbft,
fonbern bie 3^^W^i^H^^"^^"""9 ^f^* atfo bcr 3)?cn{c6
ol^ne £te6e Um ^offttimg für ftd^ fel^ mit Biebe Öffnung
fftc olle cmbent boft mon im fdbeti (SmU lote fftr ftd^
üu6) fttt tttibere t)offt, metC mott im fetBeit tHmbe tttbt.
@clig ber ßiebenbe, er ^offt aUeö; nod^ im legten
Hugcnbücf ^offt er für ben 53er(orenften bie 9J?üglid)feit be^
&uttn\ ^ad lernte et uon ber (^toigfeit; aber nur toeU er
ber SHebenbe mx, fonitte er Don ber (Smtgfeit, itnb trnr koeil
er ber Siebcnbe Mir, toimte er boi^ i»im ber (Sungfeit (erneit.
SBcl^c bem, bcr gegenüber einem onbem SWcnfd^cn bie §off*
nung, bie 9J?ögIid^!ett aufgab, toe^e i^m, benn er t^erlor bamit
feine ßiebe felbft!
2)ie Siebe ^offt alleS — unb mirb bod^ nie
©d^anbeit f&it rcben ja heüom, ba| man mit feinem
^offen mtb (SrmaTten gn @d^nbc» merbe; \m meinen, bie9
fei ber ^H, loenn bog ^)offcn nnb ©rtoorten nic^t in (£r*
füHung gel)t. 2Borin foU nun bie ©c^anbe liegen? SBot)l
barin, bag bie berec^nenbe j^tug^eit nid^t richtig gerechnet
1^, ba| ed (snr @^nbe be^ ^etreffenben) an ben Xog
iommt, mie miDerftättbig er fiil^ Derred^net 1^ Xber mein
^ott, mit ber @<^nbe ftet)t ed ni^t fo gefä^rlid); ^ö^fien«
in ben klugen ber Söelt, beren 93egriff öon (St)re unb ©djanbe
man ]\d) ober faum feiner eigenen (Sf)re aneignet, ^cnn
toa^ üon ber äBelt am meiftcn betounbcrt unb aEein gcctirt
ttirb, ift bie Älugl)eit, bo« fluge §onbetn; fing ju ()anbeln
tfi ober gerobe ba« 9iaert)er&d^tlic^fte. Skift ein SRenfc^ tlng
ift, bofür fann er gemiffermafeen felbft nid^t«; bog er feine
Ätugl)cit entfaltet, beffen foU ci fidj audj nid)t fdjämcn, m{)l
aber um fo met)r feinet f(ni]en .^anbcln^. Unb tüal)rlid),
bod ionn in biefen (lugen ^iten nic^t genug betont »»erben
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()D0 bte Klugheit etgentlid^ bad gdootbot ifl, ttNtf bitt^ ba^
ß^riftentum, tote cinft Wc ^ol^t witb SBUb^t, übertüunben
tüerben foU): tücnn bie 9}?cn]d)cn ba§ Älug()anbcln nic^t
ebenfo tief öerad^ten lernen, toie man S)icbfta^l unb falfc^c^
ßeugmd toerac^tet, fo fc^fft tnon bo^ (San%t unb bomtt
aße^^, txM l^lig unb e^nttieTt ift, sitlctt gati) ab — bentt
toer ftug ^aiibdt, legt bitrd^ fem gonget Sebeit falfc^
3eugnig gegen baS (Stt)igc ob, er ftict)It ®ott fein ^afein.
StluQ ju f)anbeln ift nämlicft $)atbl)eit, njomit man unleug-
bar in ber S33elt am njeiteften fommt, meltlic^e Qöüttx unb
Vorteile, koeltUd^e (^^re gewinnt, tceil bie SS^elt unb toeltlid^t
emrtdl im Sic^t ber (Sungfett ^Ib^ ift SM QMgt ober
bie ^eiüge ^d^rift ^at ober quc^ nietnati^ einen 9?enfd^
gelef)rt, er foQe in ber Söelt meit ober am metteften ju
fommcH ftrebcn, Dielmet)r marnt fie il)n baüor, bamit er fic^
öor ber öeflecfung ber S33elt möglic^ft rein betoa^re. Söcnn
ed fic^ aber fo t)er]^U, fo fd^eint ed nt# em))fe^lendh)ect,
ba| man in ber fBdt am loeitefien ober toeit §n lommen fnd^
@on man burc^ ^offen unb (Sttoarien in ffiQ{)r()eit ^u
Gdjaiibcii lüerben, fo mu^ bie Sdjanbe tiefer (iegen, nömlic^
in bcm liegen, n)a§ man l)offt, fo bafe man tüci'entlid) gleid^*
fe^r 5U ©c^anben toirb, ob bic Hoffnung in (^füÜung gc^t
ober ni^t; ber Unterfc^teb toirb nur bann befte^, bafa einer
eüoa im gaO ber SHd^terffiHung feiner ipoffnung burd^ feine
^bitterung unb ^er^tvetftung tierrftt, nHe feft er on bem
t)ing, iraö er ^u feiner 8d)anbe {)offte; njö^renb bieg im
gatle ber (Srfüüuiig berfelben oieHeidit nid)t fo offenbar gc=
koorben, bie^c^nbe aber toefentlid^ boc^ biefelbe gen)e)en n)äre.
Sbo^ loenn man eüoad ^offt, koad )tt l^ffen eine &^nht
ift (gleid^üief ob bie (^rfftOnng etntriti ober nic^), fo ^
man etgenttt^ uic^t. SWtt fo cttooÄ bo8 cble ©ort „§off=
nung'' in ^erbinbung 5U bringen, ift ein äJ^igbrauc^; bcnn
üiyiii^ed by
— 75 —
beim $offen ^anbelt fidj tcefentlic^ unb etüig um ba^
(^ute — unb fo fcinn eS alfo autf) nie ©d^anbcn merben.
SRan iantt (um einen ^[ngenblid ben nnUKil^ten ^pxad^*
^thcand) 5U Bennien) babnrd) 5U ^c^onben toetben, bag
man ben einen ober anbem irbifd^en 58orteiI ^offte unb —
biefer augbleibt. !Die ^d^anbe ht\itt}t ober eigentlid) nid)t
barin, ba^ ber Vorteil ni^t !am, bog bie Hoffnung nid^t in
ChifftOung ging; nein bie @(^anbe ift, bag nmt infolge bet
getfittfd^n (Sttvartung an ben Ummt, tm nrid^tig i^m
ein foldier irbifd^er Ißorfett loor. 5Da8 ift bo^ aviä^ hin
^offen, nein bog Ijtx'^t n)üufd)en, bege()ren, criDartcn; unb
barum fann man 5U 8c^anben werben. — 9J^an fann ba*
burrf} ju ©d^anben tocrben, ba^ mon bie Hoffnung für einen
äßenfd^en aufgießt — unb fic^ nun ^anSfteQt, bai et boti^
gerettet toirb, ober irieHeid^t fogar, bofe fein Untergang unfre
blo^e ©inbilbung mar. ^ier Ujirb man n)irfli^ ju @d)anben,
ipeil e§ an fid^ eine Unel^re ift, einen SWenfd^en aufzugeben,
ed mag im übrigen ge^en tote U)ifl. — 3Äan fann baburc^
)tt ©(^anben n^rben, ba| nton Söfed übev einen SO^^enf^en
erl^offt — nnb fic^ l^audftellt, ba| ft$ oOed für i^n gum
®uten loenbet. ^er nad^ffi^ttge fegt mitunter, er l^offe ju
©Ott, ba^ bie Diüdje ben (SJetjafeten nocf) ereilen tuerbc.
^ber n)a!)rlid}, baS ift feine §offnung, ba§ ift §a6, unb eine
iJrec^^eit ift ed, baS Hoffnung nennen, unb ^ottedf&fter»
ttug, i^ott 5um ^ferd^tfer bed i^ffei» machen )u u^oKen.
^ 9liod§füd^tige Urirb benn nid^jt gu (Sd^anben, Uieil nic^t
gefd)iet)t, toa^ er ermartete, üielmetir ift unb mar er in ber
©c^anbc, e§ mag nun gefd)ef)en, toa^ ba miü.
®er Siebenbe bagegen I)offt oüe^ unb koirb bod^ nie
©d^anben. S)ie @d^rift rebet Don einer Hoffnung, bie nid^t %n
Sd^Quben n)erben foU. $ieBei benft fie ^unöd^ft an bie ^off«
nung, bie ben ^offenben felbft angebt, feine Hoffnung auf 3Ser*
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— 76 —
gcBung ber @ftitben, anf bte dtifÜ^e @digfett, fehte ipoffnung
ouf bic fcHgc ^Bereinigung mit bem, toot)Oit ber ^ob ober ba§
Scben i^n fdjieb. Unb nur bei biefer Hoffnung, njetd^e bie
„Hoffnung" ift, fönnte eö fic^ um ein ßufc^anbentoerbcn
^anbeln, benn koa^lid^ biefe ^offimtig l^t man nie p feinet
©d^onbc, fonbeni ttitt 3« fein« (Sifyct, unb alfo mv% bie
@d^anbe tiitr eintreten Iftnnen, toenn fic ftd§ nid^t erfüllte.
©0 Döllig ftimmt ber (Spra^gebrauc^ ber Ijciligen @c^rift
mit firf) felbft überein; fic nennt nid^t aUertei ©rnjartungen,
bie (Srtüartung beä DJiannigjaltigen, Hoffnung, fic fennt (ebig*
(Sine ^Öffnung, bie Hoffnung fd^led^ttoeg, bie ^bQlxd^Uit
bed (Butm, nnb kwn biefer ^offnnng, ber ein^tgen, bie §u
©c^onben koerben fdnnte, toeti fie ju ^ben eine (Sfjitt \%
t)on biefer fagt bie 6c^rift, bQ| fic lüc^t <Sc^anbcn
iceiben joÜ.
^enn tuenn fid^ bie Hoffnung beg Siebenben auf einen
anbem äKenfc^ begiel^t, märe eft ba nid^ ntdglid^, bag er
5u @c^ben loerben flennte — memt n&wl^ b^e $»off *
nung fid^ nic^t erfüllte? 3ft ^ mä^ möglid^, bog ein
9J?enfcf) auf emig fann üerloren get)cn? SBenn nun ober
ber Sicbenbe olleg, bie SJ^öglidjfeit bc§ (Stuten für biefen
ä){enfd}en gehofft l^tit, \o mürbe er jia mit feiner Hoffnung
gtt ^c^nben.
Sie! Senn ber terlome in feinen Sftnben ge»
ftorben mor nnb olfo mit ®d^nben im iStaht laq — nnb
ber 58ater, ber nod) im legten ^(ugenbtid aQeiJ gel)offt I)atte,
ftanb babei: mufete er bann befdjämt boftetien? 3d) qtaubte,
ber ©o^n t)ätte fic^ fc^men, ber <Bot)n, ber bem !:8ater
^anbe bereitete — bann mar aber onf feiten bed SSaterd
bie (Bfyct, benn c9 tft nnrnflglid^, bafe ber @(^be Bereite,
ber 5u @(^Qnben gemotben tft. 9^, ber beHlmmerte Itoter
benft m\)l am menigjten an bie ^^re; aber ma^rlic^, er
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^ 11 —
ftölibe büc^ in (S^ren ba! SBenn jenfeit^ be§ ©rabcS
feine 9fiettung für ben üerfornen ©ot)n gab, toenn er etüig
öcrloren toar — unb ber ^ater, ber fein Seben (ang immer«
fort oHed gehofft ^tte, ttod^ in {einer ^bedftunbe aUe9
hoffte: ^Qtte er jtd^ beffen in ber (Emigfeit f^ämen? Sn
ber ®nngfett! SRein, bie (Stpigfeit l^t ja bic iBorfteUung ber
©iütgfeit Don @f)re unb (Sd^anbe, btc ©migfeit üerftel)t aurf)
bie Ätugtieit nic^t, bie nur baöon reben UjiÜ, toie toeit eineä
ä)i^en{4en (Srloortung in d^Uung ging, of)ne 9^üdt|id^t
borottf, ttKii» ed fflr eine dgmKtrtmtg toar; fie fd^etbet biefetbe
MBKäjft bai^ (Snte^ienbe toim ft(^ ani». 3n ber (Sioig:^
fett ttrirb jeber SWenfc^ toerftcl)en müffen, bafe nic^t ber 5lu8*
gang über (£()re ober (Sc^anbe entfrf)eibet, fonbem bie 5Irt
ber ©rtportung. 3n ber (Stoigfeit toirb ba^er gcrabe ber
£ie6Iofe in ©d^nben ftel^en, ber DieHeicfit bod^-SUc^ befam
mit bem, ttxiiS er fktntiid^r itetbtfc^ g^l^fftg Mi einem anbem
SD^enf^en ertoartete — er mtrb in Sil^ben ftel^en, obgteid^
feine ©rtpartung in (Erfüllung ging, ^ie @^re aber toirb
bem ßiebenben geljören. Unb e§ ftjirb in ber (Slrigfeit fein
mü^iged ©efc^n^ä^ bauon gehört toerben, bag er boc^ fe^I
griff — ff) ko&re ^ uieOeic^t au^ ein S^l^Igrtff^ bag er feltg
mnrbe; nein in ber (Sioigfeit giebt eft nnr einen gel^igriff : ba|
man mttfamt feinen erfüllten fletnliti^en, mifegünftigen, gel)affigen
(Sriuartungen Don ber ©eligfeit au^ße jcI)Ioffen tt)irbl Unb in
ber Smigfeit fofl fein 8pütt ben ^iebenbcu beriefen, bafe er
fo tl)öric^t toar, fid) bomit läc^erlic^ machen, bofe er aUciJ
^ffte; benn in ber (Sttigfeit ^rt man, nod) n^eniger otd im
esoBe, ben 8hif eined 6))0tter9, loeil in ber (Smigfeit nur felige
Stimmen gehört nierben! Unb in ber Smigfeit borf (dn 92db
an ben ©firenfran^ vü{)ren, ben ber ßiebcnbe mit @E)ren trägt;
nein, jo tueit rcidjt ber i)t'eib nic^t [T, 238 uutcnj, tuie njeit er a\x6)
fmift reiche, er reicht nic(^ k)on ber $dUe bid in bad $arabie^l
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IV.
•
Sie £teke fai^t iiu|t 3I|»«
1. ^or. 13, 5. %it Kniete fu(^t tiii^t m 3^te.
»ein, bie Siebe fud^t nic^t bad 3^re; benn bod ©eilte
au fud^ ift )a gerabe @el6filiebe, (Eigenliebe, @e(bfi«
\u(i)t, obet tt>el^6 Flamen ber (teBIofe @inn fonft no(^ trogen
mag. Unb bodj, ift &ott nid^t bie Siebe? SSenn er aber bcn
iKenfc^en ju feinem S3ilbe j^uf, ba^ er 5t)m gteid^ fei, bafe er
üoüfommen iüerbe, tok (Sr öoUfommen ift, alfo bie S>ollfommen*
^eit gekoinne^ bie Q^ott eigen ift, bemSübe ä^nlic^ fei, bai$ (Sott
eigen ift: fud^t er fo nid^t ba9 @etne? Sa, et fuc^t bad Seine,
b. ^. Siebe, er fud^t eS baburd), ba^ er aUcg giebt; benn
®ott ift gut, unb e§ ift nur (Siner, ber gut ift, ®ott, tuetc^er
aüeÄ giebt. Dber mar (£^riftu§ nic^t bie Siebe? ©r tarn
|a ober in bie SQSelt, um bad ^orbilb luerben, um bie
äRenfc^en {td^ ^u ^ie^n, ba| fte i^m gleid^, in fBkfyt^t
fein eigen toütben; fuc^te (St ba ntd^t baiK ^eine? So, er
fud^te bog ©eine, babur^, bafe er fid^ für aÜe t)ingab, bomit
fie nun in bem i^m (Eigenen, in ber aufoj^fernben Eingebung
ii)m gleid) tDürben. 3n biefem ^inn bod ^ine fuc^en
ift ober etkoad gon} anbeced, an bad nnr gar nid|t benfen,
toenn nrir boDon reben, ed fud^e jemanb bad Seine ober fud^e
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— 79 —
cS nic^t. ©ie Siebe ift gerabe Eingebung; bo^ fie Siebe fuc^t,
ift ipieber Siebe unb ^voax bie \)öd))k Siebe. 2)Qg toiH fagcn,
fo Derljält eS fid^ jtüifi^en ®ott unb 9}?enfdE). ^cnn ttiemt
ein SKenf<i| tindi attbent Biebe fud^t, felbft geliebt toerbett
fliegt, fo ift ha» nic^t l^ingeBittig; biefe koürbe knelme^t borttt
beftcl)en, bem anbern baju öer^elfen, bo^ er ®ott fuc^e.
$Rur ©Ott ift e§ üorbeljalten, bafe er Siebe fud)en unb felbft
ber Q^egenftanb ber Siebe toerben £ann otjne bo^ bamit bo^
@cinc fu^cn. Äcin SJ^cnfc^ aber ift bie Siebe. @u^t
ba^ ein Wttn\^ bev ^enftanb ber Siebe etnei» anbern
toerben, fo fu^t er nnffentlid^ unb fatfd^Ii^ bad Seine; benn
ber einjigc tt)at)re (SJegenftanb für eineg 93?enfci^en Siebe ift
„bic Siebe", b. t). ®ott, nje(d)er be^^olb im tieferen ©inne
bo^ fein ©cgenftanb ift, ba er felbft bie Siebe ifi
@o ttJoUcn toir benn, bie X^at aufo))fember ipin»
gebnng im @inne unb tior Sngen bel^Itenb (bid» ober j[ened
nid^t iVL t^un ift aber etgentltd^ fein %i)im), babon reben:
baft bie Siebe nic^t bad 3^re fud^t
S)ie Siebe fudjt nic^t ba« 3^re; benn in ber Siebe
giebt ed fein Wltin unb 2)etn. 9[ber bon äJ^ein unb
IDetn ift nur bie Stebe, roo t9 fid^ um „(Sigeneft"
^anbett; giebt ed atfo feinSD^ein unb ^etn, fo giebt
aiic^ fein ©igeneö; giebt e^ aber fein (Sigeneö,
fo ift eö ja unmöglich, bag man ba§ ©eine, fein
(«Eigenes fudje. S)ie ©ered^tig^it ift baran fenntlic^, bag
fie jebem bad @etne giebt, tote fie auc^ »ieber bad S^re
fmcbect, b. bie fctei^ieit redetet um bad (Sigene, teilt
nnb fc^(id)tet, beftimmt tood jeber mit fted^t fein eigen nennen
fonn, üer urteilt uub ftraft, menn einer §n)ifc^en SJ^ein unb
S)cin nicf)t unterfc^cibcn mü. W\t biefem ftrittigen imb boc^
tec^ic^ iufommenben SD^ein fyd bei ^in^ünt bad iüec^t
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— 80 —
anzufangen, toa^ er njitl; unb menn er nid)t auf eine bcr
®credjttgfeit tt)iber)trcitenbc 'üxt baö ©eine fu^t, fo \)at bic
dkrec^tigfeit ifpai ntc^td noi^utoerfen imb fein 9iec^t, i^m
etkoad botautoierfeii. 9eber be^It fo baS Seitie; fpbalb einem
bag ®cinc entrocnbct wirb, ober fobafb er einem onbem ba*
©eine nimmt, greift bie ^eredjtigfcit ein; benn fie toaljxt bie
allgemeine ©ic^er^eit, in ber jeber boS ©eine l)at, bo^ toa^
er mit Siecht ^at — ^ tritt aber manchmal eine ^tx*
Anbemng ein, eine Umtoftf^nng, ein Arieg, ein dtbbeben ober
ein filinlic^e^ fc^reiüid^ Ungtücf, unb aOed gerftt in SBer«
toirrung. SSergebenö fud)t bie ®ered^tig!eit jebem ba^3 ©eine
fiebern, ben Unterfc^ieb jttjifc^en 3)?ein unb ^ein geltenb
}tt moc^fcn; fie ift e§ nicf)t imftanbe, fie fann in ber 58er*
mirrung bad (i^leic^gettnd^t nid^t bewahren, jte linrft bal^
bie SSage Weg: fie fommt in Ser^meiflung!
©d^recflid^e« ©d^ufptel! Unb boc^, richtet nid^t bic
£iebe getuiff ermaßen, miemot)t auf bie l)oIbefte Slrt, biefelbe
Sßerminung an? '^k Siebe ift aber aud) ein (Sreigntg, baS
grdgte bon allen unb babei baS erfreulic^fte; bie £iebe ift
eine Ser&nbemng, bie mertmftrbigfie oon allen nnb bie er«
Wünf^tefte — toir fagen in augge^eid^netem Sinn bon einem,
ber öon Siebe ergriffen wirb, er fei ober werbe öeränbcrt;
bie Siebe ift eine Umwälzung, bie tieffte Don allen unb bic
feligftel ©0 fteüt fic^ benn aud^ mit ber Siebe bie 83er«
Wirmng ein; in biefer ^olbfeligen IBerwirmng giebt ed fftr
bie Siebenben feinen Unterfd^ieb ^mifc^en SRein nnb ^tn.
SBunbertid^! ed befielt ein ^n nnb Sd^, unb ed giebt bod^
fein 2J?ein unb ^ein! ^Denn o^ne 5)u unb Sd) feine Siebe,
unb mit 9D?ein unb !5)ein wieber feine Siebe! ÜJ^ein unb 2)ein
aber (biefe befiganjeigenbcn gürwörter) finb j[a oon jE)u unb
9c^ gebilbet unb fc^inen alfo überaU fein p müffen, tto
ein unb Sc^ ift ift aud^ überall ber goE, nur
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— 81 —
irid^t itt bet 2kht; benn fie ifi eine Umtofitsuitg t)tm ©runb
ani». Se tiefer bie Umtodt^ung ift, je üoüftänbigcr ber Unter*
fc^icb öon 9)iein unb ^ein üerfdjlDinbct, bcfto uonfommener
ift bie Siebe; il)re ^IsoÜfünimeiüjeit Deriifjt inefentlid) barauf,
bafe nid^t im ©runbc boc^ ein Untcrfc^icb jiDif^en 9J?ein unb
^etn nerborgen liege unb gelegentli^ }u Xoge trete; fie
bent^ alfo »efentti^ auf bem (Stah ber Ummätaung. 3e
tiefer biefc ift, bcfto mct)r fc^oubert bic @iered^tigfeit; unb je
tiefer fie ift, befto DoUfümmener ift bie Siebe.
SBirb nun in ber natürüc^en Siebe unb greunbfc^oft
ber Unterfd^ieb üon 3)iein unb ^ein gang aufgehoben?
ge^ bei ßiebe unb gh^unbfd^ft mit ber ©elbftliebe eine
Um)vör§ung t>or ftd^; ed toirb mt btefer unb t^rem ftreitigen
9J?ein unb S)ein gerüttelt. ®er ^ßerliebte mit fiel) bot)er
außer fic^, feinet (Sirenen entäuBert, t)in9criffen in bie Ijolb*
felige ^erttjirrung, fo bafe für it)n unb bie ©eüebtc, für
t^n unb ben greunb fein Unterf^ieb t>i>n ^tin unb ^ein
befte^; /,benn", fagt ber £iebenbe, „o0ed, toait mein ift, boS
ift fein ... unb loa« fein ift . . . bo« tft mein!" «Bie? Sft fo
ber Unterfc^ieb üon SQ(cin unb ^cin aufgc()oben? Söeini ba^
3}?eine ba§ !5)eine geiuorben ift unb ba§ Tcine bog 3J?einc, fo
giebt eS ja boc^ noc^ ein äRein unb ^ciji, nur be^eic^net unb
tierbärgt ber tiorgenommene Xauf^, ba6 ed fi^ fortan nic^t
mef|r um bad äRein ber erften, unmittelbaren @e(6ft(iebe ^nbelt,
boS bem ©ein ftreitig gegenüber ftanb. ©urc^ ben %an\di ift
bog ftrcitige 9}?cin unb ®ein jum gemeinfdjaftlicfien Thin
unb S>ein gerrorben. (S§ beftet)t alfo eine ©emcinidjajt, eine
oollfommenc ^emeinfc^ft im äKcin unb 2)cin. 3nbem baö
SRein unb ©ein auSgetaufc^t Unrb, entfielt ha» „Unfer'', in
totiä^m Siebe unb ^euubfc^aft it)te ©tdrfe l^ben, ober
njcnit^ftcnei ftarf finb. ^a« „Unfer" ift aber für bie ®emein^
jdiaft gan^ ba^felbe, für ben (^in^eCnen baS „SOiein"
fticrieeaarb, halten t>ti SUtte. II. 6
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82
tft, unb ,,unfer" ift ja ^toax ntt^t auÄ bem ftrcitigcn SWctn
unb 2^cin gcbitbet (an^ bem fid) ja feine ^sereinigung bi(bcn
läjit), üielmet)r auö bem ncrcinigten, bem auögetau|cf]ten Güttin
unb S)ein. <Sic^, barum ift Siebe unb J^reunbjc^aft als
fold^e bod^ nur t)erebelte unb emeiterte <^(bft(iebe, koa^tenb
unleugbar bte ttotfitltc^ £tebe bad fci^önfte Sebeni^tfid unb
greunbfc^aft baö größte seitliche ®ut ift! ^ie UmtDärjung,
bie in ber Siebe unb greunb)d)aft mit ber (Selbftliebe üor
fic^ get)t, ift !eine^U)egS rabtfal, bal)er auc^ nic^t tief genug;
eben bal^ fc^Iummert in i^nen boci^ mie eine bco^enbe
SRöglid^fett bet urf))rüngltd^e rec^t^abertfd^ Unterfd^ieb
jroifc^cn Wltxn unb ^etn, ber ber @cl6ftlie6c wefcnttitfi ift.
@3 gilt ja al^ ein gan^ bcjeidjnenbeö ©innbilb für bic
Siebe, bafe bie Biebenben bie Üiinge toec^feln; tt?a^rlic^, e^
ift aud^ gans be^etclnenb, aber ed ift ein bürfttged @innbilb
für bie Siebe — ed ift |a ein Xaufd§. Unb ein %avi\di
^ebt ben Unterfd^ieb t»on 9^ein unb ^etn bürdend nic^t
auf, benn tva^ id^ eintaufd)e, tt)irb bann iDicber mein. 2Benn
greunbe i^r 93Iut gegen jeitig nermifc^en, get)t freiließ eine
©runbucränberung uor fid^, benn burd) bie ^isermifc^ung ent*
fte^ ja eine Senoirrung: ed ift nic^t mein 83lttt, ha» in
meinen Wfttn lauft, nein, eS ift beS greunbeS Slut; aber
bann ift tt)icber mein 33 (ut, ba§ in beS greunbe^ Albern
fliegt. 2)a^ unü jagen, ba^ 5d) ift nid)t mel)r fid) felbft
baS (Srfte, fonbern bad ^u, boc^ ba^jelbe ift auc^ bei bem
anbem ber %aü.
93ie mtrb nun aber ber Unterf^ieb toon SRein unb 2)eiu
ganj aufgel)oben? STOein unb ^cin fteljen in einem fotd^en
gegen jäi3tidjen 'lkrt)ä(tni§, bafe fie nnr miteinanber auftreten
uub befteljen fönnen unb mit bem einen (^lieb aud) baS
anbere aufgehoben koirb. Sßir nioQen uerf uc^en, in bem SSkc^fel«
oer^&Itnid bon ä^ein unb ^in ein (SlUeb, bad ^ein, ganj
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lucg^wneljuieii; voa^ f^abtn tvix bamiV bcfommcn tvxx ein
^erbrec^en, eine 9J?iffeti}at; benn ber 2)ieb, ber S^äuber, bet
©ctrügcr, fic atte »oUen ijar fein S)ein anerfcnnen, bo3 i^rcm
anetn etUft^ted^ koficbe. 9(6et getabe barum fäOt für fie
aii(9 bad anbete (Stieb he» eer^tniffeS, bai» »iD^etn", ganj
ba^in. ?(uc^ »enn ftc c« nid^t öcrftcl)en, auc^ wenn fie fi^
gegen baS SBerftäiibnig fträuben, bie ©credjtigfeit Uerftel)t,
baß ein ^erbred^cr eigentücCj fein „Slifein" \)at, er fte^jt ald
SBerbre^r au6erf)aI6 biefeiS SBerf)äUniffe§; unb in onberer
SBeife: je reu^er ber Serbred^ bttrd| bad erftol^(ene „tDetn'*
kvhrb, befiotaieniger „SRetn'' er. — 9Hmm nun in bem
93er^äftni^ beö SJZein unb 2)ein ba§ „9J?ein" gan^ tüeg, iüüö
befominen luir bann? SBir Ijaben ben aujopfcrnben, ben fid^
felbft in QÜem üerleugnenben, ben toasten ßiebenben. @o
fdUt aber toieber bod „^in" gan) toeg, too» fi(^ beim iRac^«*
benfen iMx\ttfjm lAftt, ob eiS aud^ angenbliätid^ ein
fottberbarer ^banfe au fein f^eint. (Sd ift ber ^nd^ über
ben ißer6red)er, baft er um fein 9J?ein fommt, tt)eil ci ba^
S)ein ganj Qbfd)affeu iüill; unb eö ift ber ©egen über bem
n)at)r^aft Siebcnbcn, ba^ aücg „^ein" aufhört, fo bafe bem
SUebenben ofled ^vL^ä^M, nne ^nivA fogt: „qSLH^ ift euer",
unb uHe ber toa^re Si^be in einem geunffen göttßd^n
©inne fagt: olle« ift mein. Unb bod) gefd)ief)t ha% einzig .
unb allein baburc^, baft er gar fein DJ^ein l)at, alfo: „alle^
ift mein, geljört mir, mir, ber id) bod) gar fein WWin f)abe."
S)aB ober aUt^ fein ift, ift ein göttlidjeg ©cljeimni^; benn
menfc^tic^ gerebet ift ber ttu^re i^iebenbe, ber aufopfembe,
ber fi^ opfembe unb in aQem ftd^ gan^ Derteugnenbe Siebenbe,
menfd)lid) gerebet ift er ber ^^erfütjte, ber ttftffig um fein
9led)t fommt, obgleich er burc^ feine ftätc 5(uf Opferung fid)
felbft baö äufügt. Sr ift fo gan^ genau ba^ ©egenftürf jum
IBerbced^r, ber anbere um i^r Siecht nerfüi^t. (S^in liBerliebter
6*
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— 84 —
ift m6)t ber bircftc (SJcgenfo^ juin S^Hffftl^ter, fo öcrfcftieben
er and) üon iljm ift; beim ein ^l^erüeSter fuc^t bod), oft un*
betüii^t, in feiner SBeije ba^ <5einc unb ^ot fo ein 3Jiein.
9kt {üt bie felbftDerlengnenbe Siebe i)ört bad SD^ein gan)
auf, tancb ber Unterfci^eb t)on SKein imb 5Deiit gatt^ aufge«
^6en. SBenn ic^ n&m(t(^ nid^iS iDet^r bad meiii tfi, toenit
gat itt^tS mein ift, fo ift ja alles^ „3)cin", maö e^ au^ ge^
toiffermafecn ift, unb fo meint e§ bie aufopfernbe Siebe; boc^
alleg, unbebingt aUeö fonn nid^t „^tin" fein, ba „S)ein"
einen (^genfoft i»imutilfe|t nnb «alled" jeben &e%tn\a^ aui^
f daliegt. S)a gef c|ie|t bad Smiber^au, beS ^tnnneli» eegen
IinniRt il6er bie felbftoerfengnenbe Siebe, bag in bem rfitfet«
haften ©inn ber 8eligfcit bem alleg j^teir mirb, ber gar
fein SJiein l)atte, ber in Selbftüerlengnung all ba^ (Seine
jum ^ein macf)te. %oii ift nämlid^ aüed, unb gecabe inbem
fie gor fein ä^etn f^ttt, geloonn bie felbftoerteugnenbe 2vtU
(^tt unb genHinn aUa. Denn toer feine @eele Detliert,
foll fie gewinnen; in ber Unterfd^eibnng be« 2)Wn imb
aber, ober in bem 9J?ein unb ®ein ber Siebe unb greunb:»
fd^aft toirb ba^ ©eelifd^e feftge^olten. ^flm bie geiftige Siebe
ben ^ßlut, gor fein äJ^ein ^ben $u moHen, UKigt ben
Unterfc^eb Don ä^ein unb ^ein gan^ auf^nl^bett, bantm
gewinnt fie — inbem fie bie @eele tierliett. ^er fiet)t
man mieber, iraö bie bitten bamit meinten, bo^ bie Xugenbeu
ber Reiben bod) nur glänzen be Safter feien.
S)er n^a^re Siebenbe fudjt nidjt baö ©eine. (£r uerftel^t
fi(^ nii^t barauf, m» er burc^ 9U^t unb (^ered^feit ober
anc^ bnrd^ bie )B3iUtgfeit at» fein beonfpntd^n famt; er tier«
fiet)t ftd^ ond) nid^t auf einen ^nfÄ, tnie bie notfirlic!^
Siebe xi)n imd)i, bie guglcid} baraiij 511 adjtcn meife, ba6 fie
nid)t betrogen mirb (alfo auf ba§ 5()re 5U fe()en tt)eife), er
Uerftet^t fic^ aud^ nicf^t auf Qi)emeinfam!eit, tt^ie bie greunb«
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— 85 —
fc^aft fic mad^t, bie äugteid^ cm ?(uge bofür ^at, oB bic
^ienfte gcgenfcitig finb, fo bafe bic greunbfd^aft befte^eit
fann (alfo auf ba§> 3t)re fe^en tpeife). 9^ein, ber toa\)xc
fiiebenbe öerftef)t fic^ nur auf @inc8: fic^ narren, betrügen
$u laffen, oQei^ l^in^itgeBen, o^ne bad minbefte koiebet p Be«
fommett — unb fte^, fo fud^t er ittc^t bad Seilte. O, bet
orme ST^or, tote er bod^ fo lä^erücf) fid^ mod^ — m ben
5Iugen ber SBelt! ^er ml)xt ßiebenbe fommt unbebingt
furj — maö er geiüiffermafeen burc^ i^elbitüerleugnung fetbft*
öerf^utbct. ®odt) bomit i)at bie Umtoäljung Don iKctn unb
S>ein i^ren ^bi^mH erreicht, ba^ auc^ bie Siebe t^re
{)ö^fte ©ctigfett in fic^ fetbft ^at «ein Unbonl, feine «er-
fcnnung, fein üerfannte^ Opfer, nic^t bafe er ©pott ^um
^aiif befommt, nicf)t§, Ujeber bog (SJegenmärtige noc^ bag
3ufünftige fann früher ober fpäter i^n §ur (Srfenntni^ bringen,
hai er ein Wltin ^he, ober ^ offenbar mac^n, bog er boc^
nur einen 9(ugenbli(f ben Unterf(i|ieb y>on fD^etn unb ^in
tiergeffen t)atte; benn er fyjd btefen Unterfd)ieb emig ber*
geffen unb eujig fid) bann uerftanben, mit Slujopferung ^u
lieben, fic^ ju opfern.
^ic Siebe fud^t ntd^t bog S^re. S)enn ber toatire
Siebenbe liebt nid^t feine (Sigentümlic^ieit, (iebt
Die(mel)r jeben SD^enf^en nac^ feiner ^igentfimlid^«
fett; aber „feine ©igentümlic^feit" ift ja gerabe ba§
il)in (Sigene, atfo fucl)t ber ßiebenbe nic^t baö Seine,
fein ^igened; im geraben Gegenteil liebt er bad
(Eigene bed anbern.
Oetrad^ten toir einen tCugenbßd bie 9latwc, Wt \od^
unenbtid^ ßteBe umfafet bie 9^?otnr ober ®ott in ber S'Jatnr
ad ba§ 35erf(l)iebene, baö Seben unb ^ajcin ^at! ^enf ein-
mal baran, luaö bu ja fo oft mit Suft betrad)tet l)aft, benfe
an bie Steblic^feit ber ijlur! S)te Siebe toaltet o^ne Unter«
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— 86 —
fd^td) — aber unter beit 8(umen, toaS für ein ttnterfc^ieb,
miä^ ÜRonitigfotttgfdtl @elbft ha^ fCeinfte, ba« unBe«
beutenbfte, bog unanfc^nlidjfte, fogar öon feiner unmittel*
barften Umgebung ü6erfei)ene -iPflauälein, baö bu foum ent-
bedft, tuenn bu nic^t genau ^infie^ft, ^ ift, atö l^ätte aucl^
^ )itr Biebe gefagt: (a^ mi^ ttm9 für mic^ fetbft loerben,
ettooS (Stgentümttc^. Unb ha l^t bie' Siebe feiner
iÖefonbcrt)cit t)erl}olfcn, aber gu einer Weit fd^öneren alö bog
fleine ^ing je l^otte Ijoffen föimen. SBeld^e SieBe! Do^
erfte ift, bajj fie feinen Untcrjd^ieb mac^t, fd^IecJ)t^in feinen j
bad onbere, bad bem erften gleich ift, befte^t barin, boft fie
eine nnenbliil^ SRannigfaltigteit entf aüet, um bai^ Serf(!^iebene
5u Heben. SBnnberbate fitebe! ^enn toa^ ift hoä) fo fc^nier
Xük bog, im Sieben gar feinen Unterfc^ieb ju mad)cn; unb
toenn man gar feinen Unter)d)ieb mad^t, toog ift bann fo
fcfjmierig mie bad, bo^ einen Unterfc^ieb ju ntad^en! ^n{
bir, bie iflatur to&re, gteid^ und ä^enfc^en, ftreng, ^errfc^'
) i füdjtig, fatt, l)orteiifd§, f(einlid^, lounifcf) — unb benf bir,
M,!l&*U«V» ja benf bir bann, ma§ auö ber (ieblic^en %lux Ujerben müfete!
^.^iv■'C;^:tU ^ ©0 ift'g aucf) mit ber Siebe jtoifdjen 9J?enfcfi unb 2}ccn)d];
. : -r i • ■ itur bie mo^re Siebe Uebt jcben 2Rcnf(^cn nac^ feiner öe^
W.i' fonber^eit. ^er ©trenge, ber ^errfd^füd^tige emiangeh
ber Siegfamteit unb ®ef<|meibigfeit, anbere anf^ufaffen; er
forbert bon jebem fein (Sigeneg, mill, foH jeber in fein
S3ilb umgefd)affen, nad^ feinem @d)mtt jugeftu^t merben.
Dber er mad^t (unb baö ^ält er für einen feltenen ®rab
Don ßicbc) audft einmal eine %n^mi)mt, er fud^t, mie er fagt,
einen einsetnen äli^enfd^en aufjufaffen, b. ^. er benft fic^ auf
eine gan^ befiintntte unb befonbere — unb toillfftrlid^e Seife
ctmag 53eftimmte§ unter biefem 9}?enfd)en unb forbert nun,
ber nnbere foße biefen ©ebanfen üernjirfli^en. Db bamit
gerabe biefed onbern ^Dlcn\^n (^igentümlic^leit getroffen totrb
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ober ntii^t, tl^ut nid^tö 3ur @ad^e; bad l^t fic^ ber ^errfd^«
füd^ttge tiitn eiimial unter ifyn gebadjt. ®(|affen fatin bet
®eftrenge unb ^rrfd^fücJ^ttgc nun einmal tt^t, fo toiU er
menigften^ umfd£)affen, b. i. er fudjt baä ©eine, ba^ er über=
oll, too er ^inbeutet, fagen fann: fiel), ba^ ift mein S3ilb,
mein ©cbonfe, mein SBiUe. SWag bem ©eftrengen unb
^errfc^ffid^gen etit gro^r ober ein Keiner tiBirlnngdfretd
angetüiefen fein, mag er ber ^^nn in einem Stotferretd^
ober ber §au^t^rann in einer fleinen SBofiniing auf bem
^a(^6oben fein, bn§ mad^t feinen n^efentficljen Unterf^ieb, bie
©ad^e ift biefetbe: l)errf(^füd^tig rcitl er nii^t non fiel) ab*
ge|en, l^errfd^füij^tig toitt er bei^ anbern äRenfd^en d^entüm«
Hc^feit erfüdkn ober it)n qufiten auf ben Xob. Sefent»
lic^ ift bie @arf)e immer biefelbe — ber größte ^tirann, ber
lebte unD eine Söett tijrannifieren t)atte, tt)urbe beffen fatt
unb enbete bamit, bag er fliegen t^tannifierte; abec toa^r«
lic^ er blieb berfelbe!
Unb niie ber Strenge unb ^errfd^füc^ttge nur baS @eine
fttc^t, fo au^ bie Äteinlid^feit, bie neibif(J)==l)errfd^fü^tige,
bie feig^furdjtfame 5ircinltd)feit. Sßaö ift ^teinlic^feit? 3ft
i^(cinlid)feit eine anerfcl)affene ©igentümlidjfeit, b. \). ift ein
fDltn]^ urf^)rtingnd), fo mt er au« ©otteg ^nb ^eröor*
ging, fleinlic^? ^ein! ^ie «leinliclfeU ift bed (Slef^dpfed
eigene jämmerliche ^rftnbung, toenn e« toeber ttKi^rl)aft ftolj
nod) njol)rt)aft bemütig (benn ^cmut öor (SJott ift ber )t)al)re
(Sto(ä) fic^ felbft l'djaffen miß unb gugleid^ au§ @ott eine
H'arifatur mod^t, als toäre (Sr ebenfo fleinlidj, aU fönnte
feine <Stgentüm(i^!eit ertragen — ber liebenb aUed
giebt, nnb bod^, bod^ allen feine CHgentümlid^feit giebt. S^Iein«
lid^fdt borf borum ntd^t mit geringer ^Begabung öeriuedifelt
merben ober mit bem, n)a§ mir 3J?enfdhen fleinlii^ fi^nug
Unbebeutenb^ett nennen. S^imm einen folc^en Unbebeutenben
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— tomn er SRut gel)abt l^ot, m« tm ®ott et felbft ju fciit,
fo f)at er Sigentümlic^feit; aber tualjrnd) ein foldjer Unbe?
beutenber, boc^ foge ic^, nein, ein fotc^cr ©bler ift gar
nic^t fleinltc^. ^^an ^te [i^ tPO^( doi biefer ^erme^felung;
imb fo )iertD(d^ matt and^ iii(^t eine fttn)>(e, ebfo (Stttfali,
bie <^o^ titlet Derftef)t, mit ettier ÜetiiKd^ eef<|ffttih^eit,
bic feige unb tro^ig nur i^r (SigeneS uerftel)cn ioill. 5)er
5!icinlic^e l)Qt nie bcn 9}^ut ^n bcm güttgcfäUii]cn 2Bagcftticf
gehabt, „in S)cmut unb ©tolj üor ®ott et jelbft ju fein"
— benn ber i)?Qc^brud liegt auf bem „t>ot (^oW, ba bied
bie OueUe itnb bet Urf(»ntng oOer (Eigentfimlicl^ ift SBer
baiS getuagt fyit, f)at @igentfimß(^!eit, et f)at totffen be»
lümmeit, loaS ®ott bereite i()m gegeben I)atte; unb gan^ im
felben @inn glaubt er an bie (Sigentnmlid)fcit eineö jebcn.
SSBet fetbjt (SigentümUc^feit ijat, glaubt an jebed anbern
CHgentftmlic^feit; benn bie (Sigentämlic^it ift nid^t badSKeine,
fonbern eine (SotteiSgabe, butil bie (Ihr mit ^ fein geftaitet,
mtb (St gtebt ja aHeir, unb giebt äffen i^r ^en. 9)ad ift
eben ber unergrünb(id}e Cnell ber ®üte in (SJottc^ ®üte, ba^
@r, ber ^Ulmödjtige, bod) \o giebt, bafe ber (Smpfänget
@igentümlid)feit bcfommt, baft Sr, ber au§ nid)tö )c^afft, bod^
je (^gentftmlici^ f c^fft» f o ba^ bad getabe 3^m gegen«
übet (obf c^on ed t)i>n nid^ genommen ift unb nic^td ift) ni(^
gu nid^t« loirb, fonbctn etttw« ©igentümlic^eg toirb. 5)icÄ(cin*
lid)feit bagegen ift ein angenommencg SSefen, l)at feine
©igentümlic^feit, b. l}. fie ^at feinen ©tauben an i^te eigene,
ba^t fann fte aud^ nid^t an bie bon fonft jemanben glauben.
S)er ftUinlic^ ^t fic^ an eiue gqna beftimmte gorm unb (ie»
ftalt feftgeffammett, bie et fein (Sigeneil, bad @eine nennt; nur
bie fuc^t er, nur fic fann er lieben, ginbet ber Äleinlid^e
biefe, fo (iebt er fte. ©o fdjlägt fid), fo UJäc^ft bic iUein*
I li^feit iujammeu mit bet Uleinlic^feit, tpad geiftig »etftanben
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^crabe fo üerberbüc^ ift, ipie mnn ein S^agel in^ 3fcifd^
tüQd^[t. !Dtefe§ !(ein(id^e ^orteituefen toxxb bann ald bie ^öc^fte
Siv^, ali» bie M^ie giombf^ft, aU bie koa^, ^ubedäffige,
oufrid^tige (Sintrac^t ange))nefen. 9)9an ttriE nid^t betfte{)en,
bafe man bur^ biefcS innige ©ünbniS fic^ öon ber luatjren
Siebe immer met)r entfernt, bafe bie Untüa^rfieit be§ ffeinüc^cn
^efenö immer größer mirb — unb um fo üerberblidjer, njenn
ed obenbtein &ott für fi^ in Sefd^Iag nimmt, fo bag bie
^leittUd^fcit benneiiittidl ber einzige (^enfianb für ®otM
SHeSe fein foQ, ber einzige, an bem er SBo^tgef allen fykt
^ine foIcf)c f(cinlid)e 9?er6inbnng ift bann g(eid) f(ciulid)
mä) beiben 9{irf)tun9en: feftenljaft f (einlief t)Grg.öttert fie einen
ganj einzelnen 33?enfc^en, ber ju ben „eigenen idcuten" get)ört,
fei etUKi ber Urheber ber Ißerbinbung, ober fei er fftr bie
fleinlii^ie ung ald getreuer Stac^ffer ber jHeinliil^fett
•in ©eMrbcn, iWiencn, ©timme, ©ebonlengang, Süebelnetfe nnb
^er^üdjEcit ein 5lbbi(b ber ^leinlidjfeit; unb ebenfo f(einlid)
toirb alleö anbete üerbrängt. Sben meil bie Slleintic^fcit an*
genommeued, affeftierted ^efen nnb alfo Unmal)rl)eit ift,
gerabe toeU fie nid^t emfitic^ unb nie freimfltig fi(^ mit
(Mt etngetaffen, fonbem eng^erjig fic^ fetbft ber))fufci^t unb
©Ott öcrfätfd^t 1)0 1, eben bamm ^ot ftc ein böfe« ©emiffen.
gür ben, ber (SigentümUd)fcit l)üt, ift feine frembe lSigen==
tfimlidjfeit ein (^egcnbetoei^, fie ift c^r ein ü)iitbeiüeiö ober
<in ^emetd me^r; benn ed fann i^n nic^t irre ma^en, toenn
m ben Xag fommt, toa» er jia glaubt, baf$ ein jieber feine
<^gentftm(i(l|feit ^t. ^üx bie Meinlic^feH aber ift jebe
(SigcntümUc^feit ein (^ciieiibemci«; überfommt fie baffer
eine unbeftimmtc, unbel)at](id)c ?lngft, ujenn fie eine frembe
(^igentümlidjfeit 5U fel;en betommt, unb nic^td ift i^r bann
nnd^tiger, oSA biefe koeg^ubringen; bie 5((etnlid^feit mad^t
glei^fam an 9ott ben Wn^pta^, H mftffe jebe fotd^ Su«
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bttoibualität ®runbe gcljen, bamit offenBar trcrbe, ba^ bic
Äleinlic^feit rec^t ^ot unb (SiJott ein eiferfüc^ttger (§Jott ift —
etfecfüd^ttg auf bic Äleintidjfeit. g^m ©ntfd^ulbigung faim
ed mttutttet btetien, bo^ bie ftIettiU(^!ett koitflici^ felbft ftd^
eittbitbet, if)te Armtid^e (Srftnbung fei boS SBo^te, fo bog ei^
olfo gar aufriditige greunbfc^aft unb ed^te STeihtatjme ift,
ttjenn fie jeben in bie ©Ieid)l)eit mit firf) tjinein^trängcn unb
öerpfufc^cn ttjiH. 3n folc^em gaü ift bie fileinli^feit oft
an \^tif\6^n Sflebendarten unb ^erfid^entiigett. (&\%tnU
Itd^ aber ift ed bod^, tuad metft Dertufc^t toitb, fHotto^f Ux
©etbfter^altungötricb, bafe bie ^Icinlid)feit fo eifrig om SBerf
ift, QÜcö anbere aufeer bem 5!)ren njegjufdiaffen. 5t)re ©ng*
btüftigteit fdjnappt nac^ Sinberung, treit fie umfommen müftte,
Vmn fie biefed Unbe^oglici^, ^gfienbe nid^t koegbnngt;
i^eit 9Ii(f fi^tägt fie utifid^er Aber fid^ felbft niebet, unb
louetnb «itb juglcid) raubgierig toottet fie ouf bie SSeute;
tt)enn man fie nur Ijört inib fiet)t, iiuife einem Hat Ujerben,
ba| bie St(einli(i)feit boc^ rec^t ^at unb trium^)f)iert. 2öie
einer, ber in SebcnSgefa^r fd^tocbt, ftd^ alled geftattet, todi
ed fi(i^ um lieben unb %o\> ^nbett, fo nto^t ei^ bie ftlein»
tid^f^it ou^; nur finb notörli«^ olle i^re IDHttel, bad eigene
Seben ^u üerteibigen unb jebe ©igentümüd^feit ju ertöten,
äu^erft fleinlid)e; benn miemot)( fie )id) alle^ erlaubt, fo fonn
man boc^ fidler barauf rec^^nen, bag aUed, fie fic^ er»
kubt, gans fleinltti^ ift.
„flber £iebe unb ^nnbfd^af t Hebt bod^ mtf, ben (Skliebten
imb greunb nad^ feiner ©igenart." Sa, boS ift tüQl)x, nur
ift e§ nid)t immer gan^ matjr; benn Siebe unb gT^cunbfdjaft
f)at eine ©renje; fie fann für be§ anbern ©igentümUc^Eeit
aUeiS brangeben, nid^t aber fi(^ felbft, bie Siebe unb greunb«
fd^ft felbft ®efe^t nun, bed anbem (Eigentümlid^feit tocr*
langte gerobe btefeiS D)>fer! ©efegt ber Siebenbe fä^ie, i^m
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gut Su[t unb greube, bafe er geliebt ift, fäf)e aber juglcic^,
bafe biefe ßiebe, fo erloünf d^t fie aud^ ift, für ber ©etiebten
StgentümUc^ieit fel^r Ucrberbtid^ ttJürbe unb fie berunftalteit
mftgte, fo tiermag Me mtMväj^ £tebe ald folc^ tiefed 0))fer
iiid)t §u bringen. Ober angenommen bte (SktteMe fte^t, bafe
ba§ fiiebeSDer^dttniS bem Siebenben ben Untergang bringen
unb feine (Sigentümlidjfeit ganj jerftoren mü^te: ja, ba (jat
bte £iebe old {olc|e boc^ nic^t bie ^raft, um biefed D)>fer
}tt bringen.
^ie toal^ce SieBe, bte anfopfentbe £ie(e, bie jeben nad^
feiner Snbiütbuatitot liebt, fie ift toiflig, jebcÄ Dp^tt su
bringen: fie judjt nidjt ba§ Sl)re.
^ie ßiebe fud^t nid^t bad S^xt; benn fie giebt
am liebften fo, ba^ bie (&aht ani^fie^t, aU toäxt fie
bad (Eigentum bed Qmpf&ngetd.
Slad) i^rer fo§iaren ©tellung untcrfc^eiben toir SWenfd^en,
bie il)re eigenen Herren, unb foldje, bie Don anbern ab()ängig
finb, unb UJÜnfd^en jebem, bafe er einmal fein" eigener ^err
»erbe, toic mon fagt. 5lbcr im getftigen @inn ift'S ja aud^
bai^ $d(^fte, fein eigener $err tt^ben, — nnb bie grdgte
Äo^It^at ift e«, in Siebe einem baju gu uerfjetfen, baft er
er fefbft ift, frei, unab{)ängig, fein eigener $crr, i^m baju
beljdflic^ 5u fein, baß er auf eigenen güfeen fte^t. 2öe(df)e§
ift alfo bie größte SBo^Ütiot? @ben bad^ m& toit fc^on
genannt i^ben, nat&rlid^ aber nnr bann, tt)enn ber Siebenbe
jugfeid^ fid| unbemerlt jn machen toei^, fo ba^ ber atfo
©cglädlte nic^t baburd^ öon abhängig totrb — baß er
iljm bie größte SSoljltljat üerbanft. ^a^ tt)iK fagen: bie
größte äBo^tt^at ift gerabe bie %xt unb SBeife, njie bie
einzige, toal^e SBo^Ul^at ertDtefen toirb. @ie tonn ttiefentUc^
nur auf einem XBege ertoiefen toerben, koenn au(| in anberem
®inne auf mannigfache SQSeife; toirb bie Sßoljlt^at nid^ auf
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bicfeni SBegc crtüiefen, fo ift fte burd^QU§ nidjt bie größte
SBo^lt^at, ja am @nbe nid)t einmal eine SBo{)lt^at. @o
tarn man benn nid^t fd^Iec^ttveg fagen, tod^ bie grd^
SBo^UlKkt fei, ba bie gtögte föol^^, eitlem aiibeni jitr
Settfidnbigfeit )u tiet^tfen, ntd^t \nxdk ettotefen toetben fotiit.
aCßir müffcn ba^S recfit tocrfte^en. SlBemi \6) fagc: ;,biefcr
SWenfc^ ift felbftänbitj burc^ meine ^ilfe", unb ift lüirflid)
fo: ^obe id) bann ba« §öc^fte für i^n get^an? Saft fe^cnl
mo» fage ic^ bamit? ^ fage: „et ift felbftftnbig mO)
Siixit eii^ig imb aCleiit bittd^ meine ^üft** — fo ft^t er
ja übet ntd^t auf ftc^ allein, fo ift er ja nid^t fein eigener
$crr getporben, fo fcf)ulbct er ja all bo^ meiner §ilfe —
nnb er tocife ba§. Sinem SJ^cnfdjen auf biefe ?lrt l)elfen
Reifet eigcntlid^ i^n betrügen. Unb boc^ wirb in ber SBelt
gar oft auf biefe %vt imb SBetfe bie grd^te SBo^U^t er«
tDiefen, b. ^. auf biefe ni^ mOgtic^ Beife; »nb bot^ toirb
biefe SBeife in ber Sdett befonbetf anerlannt — ganj notür«
lid), benn bie ec^te SBeife mad)t [idj unfid^tbar, mirb alfo
nid^t gefel)en unb erfpart fo ber 35?elt h)ie bem !öetreffenben
olle 5Ib^ängig!eit. Ö6cr ber alfo auf bie unred^te, finnlofe
SBeife befreite ift unerfc^j^fUc^ barin, mir fftr biefe grö^e
SBo^It^t So( unb 5Danf au fagen (bag er bnrd^ feine ftb^
l^ängtgfctt üon mir auf fid^ ftcl^e); er unb feine gamific unb
alle 3<^itgenüficn eieren unb greifen mid^ alg feinen gröf^ten
äöol)lt^äter bafür, ba^ id^ in idkbc i^n oon mir abhängig
gemacht t)a&c ober — man brücft (fonberbar genug) feine
5DanlC6ar!eit in gan^ finnlofer Steife aud, benn ftott ^n fogen,
td^ i)abt xf)n Don mir abl^ngig geniad^t, fagt man, id^ l^abe
itjm ba^u üer^olfen, auf fid) gu ftel)en.
?luf biefe SBeife olfo, bafj nämlirf} ber Empfänger ju
luiffen befommt, er öerbanfe fie mir, Id^t fic^ bie gröfete
SBo^lt^t nid^t erUieifen; benn betommt er bad au u^iffen, fo
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ift e§ gcrabe nirf)t bic größte 2öot)(tt)Qt. Sßcnn bagegcn
einer fogt: „bicfer 9)2enfcf) fte^t auf firf) — mit meiner
^ilfe", unb eiS uer^dlt fic^ {o, ja bann i)at ec bad ^ü^fte
f&r tiefen äRenfc^en ged^n, bad einer für ben anbcm tl^un
fann, er t|n frei, nna(^gtg genuiflt, ba| er er feü^t,
fein eigener $err ift, unb ^at gerobe bnnl^ SBer^imlic^ung
feiner §ilfe il)m ba^u ücrliolfen, auf fic^ ^u ftel)en. ^üfo:
allein auf fid) ^^n ftelicn — mit eineö anbern ^ilje! ©iet),
manche ©c^rijt|teUer gebraud)cn ben Ocbaufenftricö bei jebet
(Sklegen^t, and ffRan^d an (Sebanlen; nnb ed gie^ ja am^
fold^e, ine ben (Sebanfenftrid^ mit (Stnftd^t mtb ^efd^ad
antoenbcn: aber tt>at)r(icf), nie tourbc ein dJebanfenftrtd^ be«
^eic^nenber gebraucfjt, unb nie fann er be^eidinenbcr gebraucht
tt)crben alg in biefem fleinen @a^ — toenn er nämlid), XDo\)i
gemerft, t>on einem gebraud)t tptrb, ber e$ aui^gefu^rt f^t,
ttyenn einen foic^ giebt; benn in biefem @6|d^en ift ber
Unenbtid^fdtdgebanfe aufiS ftnnret(^fie entölten, ift ber
größte SGBiberfprnd) übermunben. (5r fte^t ollein auf fid^ —
bog ift baö .f^üdjftc; er ftel)t allein auf fid} — metjr fict)ft bu
nid)t; bu gett)al)rft feine ^ilfe ober Unterftü^ung, leined
ftfim))er^aften ^fufc^crd $anb, bie i^n l^ölt, fo toenig aU ed
i^ felbft einfdät, e9 fei i^m |emanb bd^ilfli^ ^efen, nein,
er ftet)t aflein auf fid^ — mit eine« anbern .'pilfe. Äber
biefc eines anbern ift uerborgen, ücrborgcn für il)n —
bem man aiifficdolfen, nein für i()n, für ba§ 'i'fufic bc^3 Un^
ab^ngigen (benn weife er, baß il)m gct)olfen luurbe, fo ift
er ja ntc^t im ttefften @inn ber Unabhängige, ber fi^ fetbft
tfiLfi unb gef)o(fen ^at), fte ift Mborgen |tnter bem (Sk«
banfenftrid).
@8 gicbt eine eble 5föciöl)cit, bic bod) äiJö^^'i»^) 9"*<^"
<Siun fo unenblic^ liftig unb ucrfdjdic^cn ift. (Sie ift \vü[)i
befannt; moQte tc^ bod frembe äBort, momit )ie bezeichnet
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nnrb, nennen, |o fliibe in bicfcr 3*^^^ ^^^^^ einen, bev fie
nid^t — bem 3Jamen md) fennete: üieÜeic^t finb bod) i^rer
nic^t fo t>kU, bie fie fennen, tt^nn man fie o^ne Nennung
bed SRamend 6efd|tetbt. 6te unb i^r fflamt mfiffett in ber
SBelt oft einen tbim ftfang l)a6en; unb bod ift erft ntc^t
fü 5u üemnnbcrn, bcnn bic 2öe(t ift ein gar öerroirrter
Genfer, ber üor lauter ÖJebanfen tceber Qcit nod) ©ebulb
^at, um einen ©ebanfen benfen. Sencr cble Einfältige
bed Itttertumd mx ber Sl^eifter in biefec SBetd^tt, unb n^a^r«
lid^ jener (Eb(e nmr bennoc!^ nid^t gerabe ein fd^Iec^ter ober
ein böfcr 3Wenfc^, er mar jugleitf), mcnn id^ mid^ ein mcnig
fd)alfl)aft anöbrüden fotl, er tuar, ba^ fann man itjm eigent*
lic^ nic^t ab);)red)en, eine ^rt Genfer, ioenn au^ nic^t \o
tieffinnig mie bie [Lebensarten ber neueren S)enhoeife, menn
aud^ ntd^t fo fertig im (ErÜären kbie btefe — benn er brad^te
e8 nie fo loett, bag er nte^r üÜ er berftanb, ertlftren
fonnte.
tiefer eble ©d^alf tjatte tiejfinnig üerftanben, ba^ baiS
^ödjfte, mag ein äRenfc^ für ben anbern t^un !ann, barin
befielt, ti^n frei machen, i^m ba^u l^elfen, baft er alletn
ouf fidt) fte^t — «nb ^ottc jugteid) fid) fe(6ft in blefer ®t*
fcnntni^ tjerftanben, b. l). er l)atte erfannt, menn ba^ gc*
fdjctjcn jullc, fo inüffc ber ^ci]cx fid) felbft uerbergen fönnen,
inbem er Ijodjljer^ig [ic^ jelbft uernid^tet. (^r mar nac^ feinem
eigenen ^udbrud im geiftigen ©inn ein ^eburtd^Ifer, unb
er arbeitete in btefem 8eruf mit aQer Aufopferung nnetgen«
nüfeig — benn ba§ Uncigennü^ige (ag gerabe barin, bafe bem
ÜÜctrcffcnben, bem er l)alf, entging, baß unb mie il)m gct)ü(fcn
mürbe; baS Uneigennü^ige lag barin, bag bie ^elt feine
Unetgennü^igfeit nic^t oerfte^n, alfo aud^ nic^t anerfennen
fonnte; natürlid^ nic^t benn fie fann gerabe nid^t begreifen,
marum einer nic^t eigcnnü^ig fein toill, bagegen fc^r mo^I,
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— 95 —
ba| ein Stgennft|iger üi feinet @eI6ftfttd|t qax koünfd^n
fann, für nnetgennü^ig Qngefe()en ttierben.
^a§> ^^erftänbniö bafür, einem anbcrn 5)?en)c^cn
l)elfen, ^oben ber tvaijxt Üiebenbe unb jener eble Sd)a(t mit
cinanbev gemein. ®er (entere luei^ ki fic^ felbft, mie
tDttflic^ auc^ ber gaH ift, ba^ er bem anbem äRenfd^n bie
grögte Sot)tt(}at erliefen ^at; er ift ftc^ belDu|t, knie er ba«
für gearbeitet, tva§ für 3^^^ "^^^ S^^ife ^"^ Hunft eö tt)n
gefoftct tjat, ben anbern in bie S[öal}rl)eit l)inein betrügen,
tote fe^r er fid) l}at öon biefem müffen üerfennen (äffen, bem
er feine X^or^iten abnahm unb bad SSal^re mit Sift bei»
Brad^te. 5Denn bie ^nfi, einem feine X^or^eiten ab^nnel^men,
ift gefä^rtic^ ou^juüben; jener (5ble fagt felbft, „ba^ bie
£eute gar böfe, ja mirflid} bijfig gegen it)n iperben fonnten,
\o o\t er i^nen eine ^umml)eit abnahm"; — benn tüenn
man fie in i^rer X^or^ett beftörft, bad nennen fte 2itbc;
toa^ SBnnber bann, bag fte ^ornig finb, toenn i^nen einer
biefelbe, t^rcn KeBften ©d^Q^, netjmcn »nfl! @o arbeitete er;
unb menn bann bie 5trbeit fertig war, fagtc er gan^ leifc
fic^ felbft: nun fte^t biefer 3}2en)dj allein auf fic^. Xa^
mit aber fommen nnr ^um (^ebanfenftrid^; unb mit bem
ükbanfenftrifl fommt bad 2&6^ln auf bie Qjpptn beiS eMen
^djaiU, unb er fagt: „nun ftet)t biefer fD^enfc^ afletn auf
fid) — mit meiner ^ilfe". 2)aö (^eljeimniS biefcö unbe*
fc^reiblidjen Sädielnö beljält er aber für fid}. 2öal}v(id), eö
ift nid^t eine @pur öon S3oßtjeit in biefcm Äiäc^eln, er ift
fic^l bemüht, bag mffi, gemeint ift, n^ai^ er get^n ^at, er
n^ei^ bei fic^ felbft, bog er in SBa^rl^eit eine SBo[)(t^at unb
in SBot)r^eit auf bie einzige 5(rt eriütefcn ^at, auf bie fte
fic^ erlueifen lögt; ba§ ßäc^eln über ift boc^ ba^ 6e(bftbc*
wufetfein be^ ®eifte^.
^nberi^ bei bem i^iebeuben. (&x fagt auc|: nun fte^t
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biefet SD^enfd^ afletn auf fic^. ^Dataitf fommt ber (Sebotifdt*
ftrid). D, aber btcfer ©ebanfenftrid^ bebeutet für ben Sieben*
ben ctiDQ^ anbereö olö ein £üd)c(n; benn lüie ebel unb tjody
^1519 unb uneigennü^ig jener ©c^alf au^ mar, er liebte
ben, beut er l^lfen tooüU, bo^ nid^t im @inne bei Sdt*
fümmerung. iBft^renb benn jenet &(fydt getabe mit bem (ifttgen
(Skbanfenftridj fic^ unenbftd^ (etc^ mad|t, unb getobe baft
bie ^tunft ift, bafe er aücö für ben anbcrn SJ^cnfdjen in ber
Sföeije Ijatte t^un fönnen, aliS Ijätte er gar nidjtö get^an: i)t
ber ©ebonfenftric^ für ben ßiebenben, n)enn aud^ für bai^
^nfen ber ^udbrud unenMic^r iSeid^tigfeit, bod^ in einem
anbem @tnn (bai^ barf man aber, mo^I gemedt, nid^t merfen)
njie ein fc^njerer 5Itemäug, faft mic ein tiefer ©eufjer. '^^enn
in bicfem (^banfenftrid) üerbirgt fid^ bie fdjiaflofe 5lngft,
bic näc^tlic^e Arbeit, eine faft üer^njeifelte ^(nftrengung; in
biefem ^banlenftrid^ verbirgt fid^ eine Quxd^t unb ein
gittern, bad um fo f^redHic^er ift, toeit eS nie einen fln^
brucf gefunben ^at. ®er Siebcnbe t)at öerftanben, e§ fei in
2Baf)rl)eit bic größte, bie einzige 2ßot)Ul)at, bie ein SD^enfc^
bem anbem ernietfen fann, ba^ er it^m baju Der^tlft, allein
auf fic^ 5U fte^n, er felbft, fein ebener ^err ^u toerben;
allein er l^at aud| bie (Sefal^r unb baiS Seiben unter ber
ftrbett unb öor allem bie fdjrcdlidie ^eranttvortung öer*
ftanben. 9J^it ®anf gegen ®ott fagt er barum: nun )tcl)t
biejer 3Jienfd) allein auf fid) ~ burc^ meine ^ilfe. §lber
in bicfem lejtercn liegt feine ©elbfi^ufricben^eit; benn ber
Siebenbe l^t Derftanben, bajs bod^ ieber 99^enf(^ tt^efentUc^
— mit (S^otteiS ;g)ilfe allein auf fid) ftet)t, unb baft burc^ bed
ßicbenbcii Selbftücrnidjtigung mir bev aiibcrc ÜJtcnjd) in feinem
(iiotteöuerljältniö nidjt geljinbevt tuerbcn foü, fo bafe alle 4^ilf^
leiftung bcö fiiebenbcn non bem Q^otte^uer^ltnüS unenblid)
aufgefogen tmxh. arbeitet o^ne So^n; benn er mad^t fic^
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«
- 07 —
fetbft 5U nid^tc, unb fobalb bie DRebe barauf fommen fönntc,
bafe er bocf) ben 2of)n ftotjen ©elbitberoufetjein^ ()abe, eben
in bem tlugenblid tritt @ott ^in^u, unb er i[t lieber
]itc|tö g^a^, tpod i^m boc^ feine ^igiett i^ @ie^, ein
i^ofmatin fyd' ed ja in feinet BRad^t, ftc^ bem toi(^tig p
mod^en, bem eine SCubtcng bei bcr aj^ajeftät eine toertDoHe
SBergünfttgung ift. SBenn eiä fid) nun aber benfen liefec, baß
ein ^ofmonn gerabe baburc^ bem SBetreffcnben jeberjeit
tritt beimftAnig berfc^ffen fönnle» bog er felbft gän^ltc^ in
ben ^ntetontnb tritt: loßtbe bann nic^ bet 0egfinftt0te in
ber gfrenbe fiber feinen nmt freien 3"tntt ^ut Sffojeftfit ben
armen §ofmann gang öergcffcn; ben armen ^'^ofmann, ber
e§ bocf) in feiner 9J?ad^t gef)abt t)ätte, liebt bann unb
loann bem 9^ac^fud)enben ßutritt ^m S^önig üerfc^affen
«nb i^n bamit fic^ oufd innigfte }K Mcbtnben unb Don
^enfiebe fftc bicfdt Sie6e9bienft |tt ernten; ben atmen
^ofmann, bet flott beffen (tebei^oK in ben ^intergnmb ju
treten fid) cntfc^lo^ unb eben Ijicrburdj bem öittftetler jeber?
jeitigen ungel)inberten 3^*^^^** 8"^ Äönig üerfdiafjte unb fo
5u ber llnabt)ängigfeit k)er^If, jeben SUigenblid <Sk^t bei bet
äXaieß&t ftnben %u Unnen!
®o ift aHe 9f6ett beS Siebenben. Kafjidiäi, et fuc^t
nid^t bad ©eine, benn er giebt ja gerabe fo, bag ed au^>
fie^t, toäxc bie ®abe ba« Eigentum bed (£mpfänger§.
©otocit bcr Sicbciibe öermag, fuc^t er einem iüienjc^en
ba^u Detlefen, bag er er felbft, fein eigenet ttntb.
€o mttb abet genriffetmagen im S)afein gat ni#l tjetAnbcst
nnb mn ber Siebenbe, ber toerftetfte BSot)(t^ter, b^naudgf^
ftofeen, ba jeber SJ^enfc^ ben Seruf Ijot, frei, unablf|jät^öi|,
er fclbft 5U werben. Sft ber Siebcnbe in biefepii^pfifi^t
&otU^ äÄitarbciter gemefen, jo ift boc^ aUeö cgcorjjrb^no^
toie ed in feiner Seftimmung hg. SBirb ej» l^tit^nki^
•Uttcittf I» fBotttn Icr Sldc. IL 7
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— 98 —
ber Siebeiibe gel)o(fen t)at, fo ijt bte (Sac^e toerborben, ober
f^at ber ^Ifei nid^t in 2kbt, ber ^iebenbe ni^t rid^tig
gel^olfen.
SSunbetlid^ Srnbenfen, baS ber Siebenbe )itm
für aQ feine KrMt imb Tl^t fid^ ertontlt! (St fonn eigent«
lic^ fein ganje^ Seben in einen (5Jebanfenftric^ gufammen^
faffen. @r fonn fogen: ic^ t)abe tro^ einem gearbeitet, frü^
unb fpftt, toad l^abe ic^ aber audgerid^tet? — ^eban!enftn(^!
(Mtinte man nftmtid^ btteft fel^, koaiS er andgertdltet 1^,
fo toftre mit toeniger ßtebc gcfd^e^en.) 3^ i)cibe geütten
fo fc^lüer lüie je ein 9}?enfc^, innerlid) lüie nur bie Siebe
leiben fann; n^aö Ijabe id^ aber geftjonnen? — ©ebanfcn*
ftrid)! ^6) fyiht äBal)re üerfünbet, Itar unb gut burd^«
bac^t, tro( einem; koec aber ed ftd^ atigeeignet? —
banfenftrid^! SSftre et n&mtii!^ nid^t ber SteBenbe getoefen,
fo l^ätte er ba§ 2[öat)re, njentger gut burc^bac^t, bireft au§*
t)ofQunt, unb bann Ijätte er fofort 5lnl)änger gef}Qbt, bic [idj
bad äBa^re angeeignet — unb i^n ald SJleifter gefeiert
^dtten.
3ft M SieBenben Seben a(fo bergeubet? ^at et gan^
umfonft gelebt, ba ntd^t«, gar rnd^t« t)on feinem SQSirfen
unb (Streben S^wgniS giebt? ^Inttüort: (jeigt e^ benn fein
Seben oergeuben, njenn man nic^t baS ©eine fud^t? ^ein,
roa^rlid^ biefed Seben ift nid^t k)ergeubet, bad toti^ ber
SieBenbe in feiiget gtenbe Bei fid^ nnb mit (Bott Sein
ßeBen ift gemiffermafeen gonj an ba« 3)afe{n, an ba« ^fetn
anberer Deridjlncnbet; ol)ne Qät ober Straft auf fic^ felbft
ju t»ertt)enben, um fid) geltenb j^u machen, um ettoa^ für
fic^ felBft 5U fein, ift ex felöftlo« ba^u toiHig, ju ©runbe
3tt gelten, b. ^. et ift gan^ nnb gat einem SEBet^eng in
^otte« i^b loetUNinbeli ^^tt fommt eS, bag feine fKtf*
famfeit ni^t fid^tbar »erben fann. ©ie beftanb ja eben
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barin, einem ober mehreren onbern $D?enfd^en baju ju Oer*
^fen, hai jeber fein eigener ^ti koerbe, fie getotffec«
ma^ im tmaud toaven. 3ft a6et koirflic^ einet mit
^fe eines anbent er fe(6fi, fein eigener $err gekvorben,
fo ift ^ gonj unmöglid^ fe^en, bag mit etneS nnbetn
§i(fc gefc^Q^; bcnn getüat)re id) besSi onbern ^ilfe, fo fel^c
ic^ ja, ba^ ber 8etreffenbe nic^t fein eigener $err n^nrbe.
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Die £iebe itx Jüniett JUnge*
1. fcfirt 4, 8. Saw Stelle tedt imdl le? eftnbcit SRenoe.
3^^^^^^^ W ^ B^^^ett itnb tfl bantm etgeitili^
nie ganj bo, ober ganj tit einer berfelSen. ©ttrige
ift. (Sin jeitlic^er ©egenftanb fann eine $Rei^e üon Oer*
fd^iebenen ©igenfc^aften t)aben; man fann in getuiffem ©innc
fageti, et ^abe fie %vimd, fofent biefe beftimmten (^genfc^ftcn
tl^n 5U bem mad^eti, koad et tfi Sber Secbo]})ie(iing tn ftd^
fetbft f)at ein jeitlid^er ©egenftoitb nie [öergl. @ctte I, 247];
tüie baS 3^^*^^^^ 3^^t t)er)d)n)inbet, fo ift auc^
nur in ben (Sigenfdjajten. Sft bagegcn baS (Steige in einem
SWenfc^en, fo t)erbo))t)elt e8 fidl fo in i^m, ba^ jcbcn*
Hngenbtid, ba ei» in i^m ift, auf bo))))eIte SBeife in t^m
ift: in ber Sid^tung nad^ oufecn nnb, in fid^ felbft fic^ ju=
rüdtoenbenb, in ber 9^id^tung nad^ innen, aber fo, baft bic^5
ein unb baöfelbc ift; benn fonft ift e§ feine 3?erbo|)pclung.
^aS ©mige ift nicfit nur in feinen ^igenfd^aften, fonbern ift
in fic^ felbft in feinen (Sigenfc^aften; ed (ot nid^t bloft
@igenfcf)aften, fonbem ift in fic^ felbft, inbem cd Sigen*
fc^aften ^at.
6o ift nun mit ber £iebe. äBaS bie £iebe t^ut, ba^
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— 101 —
ift fte; ttad fie ift, ha^ i^nt fte ~ unb in ein mib bemfcKcit
^ugenbltcf: im ^lugenbticf ba fte au§ ficf) Jierauöge^t (bte
3iid^tung imd) aufeen nimmt), ift fie auc^ in fi(^ (nimmt bic
Sflic^tung einloörtö); unb im klugen blid ba fie in fic^ felbft ift,
gf^ fie ^gleif^ axa m ^ttaiA, {o iNi| )»tefed ^tnouSfie^
imb ®ii||ttcfidlDeitben, biefeft (StnMttS* mtb biefed SbtMirtft«
ge^en ein nnb betfelbe gleid^^eittge IBorgang ift. — @agen
toir „bte ßiebe giebt gretmütigfeit", fo fagen mir bamit, ber
Sicbenbc mac^t burc^ fein äBefen anbere freimütig; überall
too bie £iebe zugegen ift, t^ecbreitet fie ^^reimütigfeit; man
tt&^ fid^ bem Biebenben gerne, benn et tmbt bte ^ßn^
axA; htt aUKItrasifd^ bogegen fd^redt aSe Mt ftd^ )oeg, ber
ßiftige unb ^ürfifdje bereitet §(ngft unb pcinlid^e Unrul)e
um fid| au^, bic ®egenmart bcg §errfc^füd)tigen laftet mie
bumpfe Q^emitterluft auf ben anbem, bie £iebe aber giebt
Sreimütigfeit. SQSenn toiv aber fagen: „bie Siebe gebe
gteimfitigidt'', fo fagen nnv eben bamii tto4 m anberti^,
ba| nlbadid^ ber Si^be f^reimütigfeit l^at; fo koenn ed l)tx%t
„bte Siebe giebt ^reimütigfeit [greubigfeit 1. 3o^. 4, 17j am
Xage beö ®ericf)t^" b. ^. mad)t ben Siebenben freimütig im
(Steric^t. — Sßenn mir fagen: „bie Siebe errettet öom Xobe",
fo nimmt ber Ükbanfe fofort eine boM^elte S^nbnng: bjer
SteBenbe errettet einen onbem tmt Xobe, nnb errettet (gan$
im gleid^en ober bo^ in einem onbern @inne) ftd^ fetbft
öom Xobc; er tliut ba^ gugteic^, benn e§ ift ein unb baö)elbc;
er errettet nic^t in einem 3lugenb(icf einen anbern unb in
euient anbern fi^ felbft, t)ie(mef)r in bemfelben ^ugenbUd,
ba er einen anbern, anc^ pc^ fe(bft bom ^be. 9htr benit
bte Siebe nie an bad (entere, an bie eigene (Srrettung,
baran, felbft greimüttgfett ju geminnen; ber Sicbcnbe benft
in Siebe nur beffen, baft er einem anbern greimütigfeit gebe,
i^n Dom Xobe errette. S)oc^ ift ber Siebenbe barum nic^t
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— 102 —
t)ergeffen. Stent, tm in 8t€(e fii^ tjergigt, ttier fein
Selben, fein (SIenb, feinen S[?erluft öergifet, um liebenb an
anberer Seiben, @(cnb, ^l^erlufte bcnfcn, xon feinen isBorteit
oergtgt, um liebenb auf ben bed anbecn 5U benfen: toa^irlic^,
em folc^ ift ni^t iiergeffen. (&xntx benit an (Stott
im Gimmel; ober Me 2ie6e ben!t an i|tt. %M ifl trie
Siebe, nnb »enn ein 9?enf^ aud Siebe fic^ felbft Dergigl,
mt foHtc ©Ott fein Dergeffen! ^Jietn, tt)ät)renb ber Siebenbc
fid) felbft öergifet unb an ben anbcrn benft, benft @ott an
ben Siebenben. 3)er ©el5ftifcf)e t)at äJiü^e unb ^fiot, er
f(j^rett unb Iftmit nnb ift auf fein ffM^t ttpväjit, bamit er
ja nid^t bergeffen nierbe — nnb ift bod^ t»ergeffen; ber
Siebenbc ober, ber ftci^ felbft bcrgifet — er fte^t bet ber
Siebe in gutem ^nbenfen. (Sin er benft an il)n, unb ba^er
tommt ed, bog ber Siebenbe befommt, mo^ er giebt.
@ie^ ^ier bie liBerbotKpelung: m& ber Siebenbe tfjiai,
bad ift er ober loirb er; loa9 er giebt, bad er ober ric^er
hai bebmntt er — lwlonnber(t(!| toie bad, @))eife tarn
üon bem greffer". ^od) jagt oieüeic^t einer: „e^ ift m6)t^
fo ^öefonbeie^, bafe ber Siebenbe ^at, toa^ er giebt, baö ift
ja immer fo; mo^ man nic^t fyit, giebt man freilief) nic^t/*
Stnn ia, ift ed aber and^ immer fo, ba| man be^, toa»
man ^ergiebt, ober ba| man f elbft gekoinnt, ttKA mon einem
onbem giebt, bag man eben bnni^ ®eben em))föngt unb jwar
eben ba§, mag man giebt, fo bafe biefeg ©eben unb biefe^
Empfangen ein unb baöfelbe ift? @onft ift bog bo^ nic^t
ber gaU; im Gegenteil, mag id^ gebe, bad befommt ber
anbere, o^ne baft i<^ felbft bad befomme, tM ic^ einem
onbem gebe.
©0 ift beim bie Siebe allezeit in fid) uerboppclt.
^ieg gilt alfo aud), menn man üon i^r fagt, bog bie Siebe
ber <&ünben Spenge bede.
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— 103 —
Sic Ufat in bet @4^ft (ed füib „btx f^At** eigene
Sorte), Mi bem titele Cftnben tietgeben werben, bet Dtet
geliebt ^at" — toeil bie Siebe in it)m bcr (günbcn 3)?enge
becft. ®oc^ tDoHen tüir bicSmal md)t \)k\)on reben. SBir
^anbeln in btcfcm 8üc^lein beftänbig t)on bem halten bec
Siebe, mit bettac^tcn atfo bie Siebe in i^tet Siid^titng natS^
ottgen. 3tt biefec IBeji^ung tooDen nnt nnn botton tebot,
hai bie Siebe bet ©ünben ä^enge bedi
j£)te Siebe bedt ber ©ünben Ü}?eitge. ^5)eitn fie
entbecft bie ©ünben nic^t; loet abet nid^t entbedtt,
toad bof^ ba fein mni, fofetn ei^ fid^ entbeden i&it,
bet bebedt ed.
S)cr ©cgriff „SJienge", „ai^annigfoltigfeit" ift an fic^
etttja^ UnbeftimmteS. @o reben irir alle Don ber SJJannigfattig
feit ber ©efc^öpfe; boc^ bebeutet biefeg felbe etmaö feljr ^-ßet*
fc^iebened, je nad^bem einet boüon tebet. &tt Wltn\(l^, bet
fein gan^ Seben in bet (ünfonifeit ^ingebto^t nnb babet
Inenig Snteteffe bofut gelabt \)cit, bie 92aint fennen ^n Temen:
ttne n?enig ift bod) beffen, baS er toeig, unb boc^ rebct aud)
er üon ber 9}?anni9faltigfcit ber ®efc^ö^)fe. ^er 9^?aturforfrf)er
hingegen, ber bie SBelt beteift t)at unb überaE getuejen ift,
ottf bet (i^be nnb nntet i^ nnb all bod üBieU gefe^n i^,
bod et gcfe^ ^i, ja mit bekoaffnetem 9nge ba(b in bie
gerne fcf)auenb fonft unfic^tbote @teme, batb in immittet*
barfter 9?äl}e bag fünft unfidjtbare (^eiuürm entbecft ijat: ttjie
erftauntic^ ^icleö fennt er nic^t, unb boc^ gebraucf)t er ben*
fetben 2ludbruc! ber „3)^QnnigfaItig!eit bed Qkfd^ffenen".
jKBft^tenb fetnet bet iRatntfotf(|iet fic^ beffen ftent, mi ^
fet)en i^in üergonnt toat^ tAnmt et bmj^ gerne ein, ba| eS
feine (JJrenje für bie ©ntbedtung giebt, ba ci^ ja nic^t einma'
eine (bxtn^t in ber i^ntbedung neuer SBerf^euge für bai:>
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Cntbeden ^ie^ fo ba| o(f o bie SKamtigfaltigfett, j|e tioc^beiit
fie fottfc^rettenb entberft imb neue tterfjeuge ber (SnU
bctfung erfunbcn tuerben, immer größer iinb größer toirb unb
ftctiS noc^ gröfeer werben fonn — tüä^renb bod^ afleS in
aOem in bem ^udbrud ber „äJ^onnigfaUigfeit be^ ^efc^offenen''
etttbegttffeii ifi — S)Qi»felbe gilt \>m bec äV^atinigfaltigfett bec
®ftnbett; b. ^. baS Sott bebeittet ettood fe^ 8erf(|tebeitc0^
je nac^bem einer banon rebet.
Tlan entbedt alfo bic immer größere unb gröBerc
!D?annigfaltigfeit ber <Sünben, b. f). bur^ bie (Sntbecfung ftellt
fie fic^ beftönbig otö grd^er utib grdget ^nd, toobei natfit«
ii($ au(^ mithilft, ba^ man immer beffer eiitbecft, mie liftig
unb mifetrauifd^ mon fid^ aufteilen mfiffe, um ©ntberfungen
ju mad)en. 2Ser nxd^t entbecft, bcbedt folglich bic SJ^annig*
faltigfeit, benn für i^n ift fie geringer.
d^tit dintbecier loirb ia aber ftetd gerühmt unb betoimbext,
ob aud^ btefe IBelounberung mitunter auf eine fonberbare
SBeife genötigt mirb, Ungteid^artigeiJ in (^efeüf^aft ju bringen;
benn berounbert man ben 9^oturforfd)er, ber einen 5ßogct
entbedt, fo behjunbcrt man tDo\)i auc^ ben $unb, ber ben
$ur))ur entbedte. SDod^ moUen toix bad für je^t in feiner
4kbmig befte^n laffen; gettng aber ift, baj$ btA Sntbecfen
in ber 9Be(t gepriefen nnb bettmnbert nnrb. SBer l^ingegen
etroa^ nid)t ober nidjtö entbedt, trirb feljr nieber gef teilt.
S^on einem, ben man at§ einen ©onberling bejeic^nen toill,
ber {o in feinen eigenen @)ebanfen ba^inget)t, fogt man
gerne: «ber entbedt iiKi^rlul^ nie ettood". Unb miß man
|emanb atö befonberd bef^r&nft unb bumm l^infteQen, fo fagt
man: „ber ^at gertJiB baö ^ulocr aud) nid)t erfunben" —
toa^ ja tjcutjutage aud) nidjt nötig ift, ba e8 bereite erfunben
ift, fo ba^ c^ bod} nod) mijilidjer märe, n?enn einer l)eutc
meinte, er l^tte baS $nlt>er erfunben. Uber freiUc^ baft
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— 105 —
(Jntbecfen ift fo kirunbcrt in ber SBcIt, bafe man boS 6c*
netb^n^toerte £od, boi^ ^uluer ei^unben ^hm, tit(|t k)er«
geffett fatitt!
@o iDeif ift tdd^t etttjufel^en, bog ber SteBenbe, ber
tttd^tö cntbccft, in ben ?tugcn ber SBelt fidf) gar ärmlicf) ouS*
nimmt. 3)cnn bie SBcIt red^net fogar ba§ fe^r ^oc^ an, bafe
man bad IBöfc, bie @ünbe unb ber ©ünben 3Äcngc cntbedt,
ba| man anf btefem (Siebtet fc^loit, lif% bincd^trteben, tiieUeid^t
aud^ in gemeiner SSeife 6eobad)ten nnb (Snibedbtngen
madjen ttieife. ©etSft ber Süngling möd)te beim erftmaügen
ipinau^treten inö fieben (nur bamit il)m bie Slamaqe er=
flKirt tDürbe, in ben ^ugen ber ^elt aU einfaltig bajufte^en)
gerne berraten, bag er boi^ ©«^led^te fennt unb entbedt l^.
©elbft hau äRöbd^en in feinen jungen Sauren m0<|te (nnr
nm ber ©d^anbc cntgcJ)en, bafe bie SBett für ein (^än§*
d)tn, für eine 2anbpomeran§e anfielt) fo gerne, fo eitel öer^
raten, bafe eS bie äWenfc^en fennt, b. l). natürlicf) ba^ ©d^Ied^te
on i^nen. 3a ei^ ift unglanblid^, fo ^at fid^ bie SBeU feit
jenen alten Qdim Deränbert: bomafö tnaren eS i^ nnr
tocnige, bie ftc^ felbft fannten, l^cute finb alle SWenft^n
2)?enf(^en!enner. ^abei ift bog ©onberbare boS: hjenn einer
entbedt l)at, toie gutmütig boc^ im (3runb faft jeber 9J?enfc^
ift, fo tDirb er feine dhitbedung faum merfen laffen, er mürbe
ffird^ten Idd^ic|| fiu merben, üieQeid^ gar fünften, bie
SRenff^n fdnnten fic^ babnr«^ Meibtgt füllen; menn einer
t)ingcgen tt)ut, als l)ättc er c8 herausgebracht, \vk ärmlid) im
®runbe jeber 9}?cnfch ift, Ujie neibijch, trie eigenliebig, tuie
falfd^, loelc^e ^bfcl^id^teit in bem %einften fteden tann,
b. ^. in bcm, ber bon Einfältigen nnb (Mvä^ unb
Sanb)iomeran5cn für ben 9{etnften gehalten mirb: fo weijs er
Doli ©itelfeit, bafe er njillfommen ift, bafe bie Söelt begierig
3u£|ört, iDenn er {eine 93eobac^tungen, {eine äBeltfenntniS unb
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— 106 —
feine @rja{)(ungcn jum beften gtcbt. ©o ^at bie ©ünbc
unb baö iöü)e nod) in anberer SBelfe, al§ man gen)öt)n(id}
benft, eine Tlad^t über ben SJienJd^cn: eS ift fo ärmlid), gut
5U fein, fo (efc^ttft, bai^ (S^te glauben, fo tUuiftfibttfc^,
Untmffen^ p t^erroiat, ober ba^ mmt fein (Singeloet^ ift
— itk^t etiigeioei^t tti bte ttmecftoi Ü^eimniffe bet @fiiibe.
9Ran fie^t ^ier re^t beut(id), tüit baS SBöfe unb ©ünbige
ju einem ]o großen %cii in ber eitlen ^l^ergleidjung mit ber
fUSkit, mit anbeten, feine 6tär!e t)at. ^enn bie 2eute machen
ftc^ gecobe aitd ettlec ^vad^ bor bem Urteil ber fBkU ein
Scrpilgeit imb einen (Sknug baraud, i^re tmqß^ßiil^ Set*
traut^ nttt bem ^led)ten aui^pframen; man barf a6er
ganj überzeugt ftin, ba^ eben biejelben, menn fic aüein finb
in if)rem ftillen (Sinn unb fic^ be^ ©uten nid)t ju fd)ämen
brauchen, alleiS gan^ anberd auffaffen. ^ber im ßufantmen»
fein mit anberen, in ber (§kfettfc^, m Ariele ober bo(^
mehrere gugegen finb unb ei^ ftd^ alfo na^e legt, mit ber
®efeUidjaft fic^ ju Dergleichen, unb ber ©itelfeit baä unmög*
116) entgegen fann: ba rei^t einer ben anbern, toa& er entbedt
^ 5U uerraten unb jum beften gu geben.
^od^ mad^en felbft gong iDeltltd^ gefinnte äJ^enfc^ ju*
toetten eine ^(udnal^me unb urteilen etkoaS mtlber baoon, ba|
einer nic^d entbedc. 9{e^men nrir jtnei fd^foue ®efellen, bie
ettoQ^ miteinanber Quöäufül)ren ijabcn, mobei fie nid)t eben
geugen braud)en fonnen, e§ fönnte aber nun einmal nic^t
onberd fein, fie müßten bie ©ac^e in einem ß^n^i^^^
ma^, roo ein S)rttter gugegen m&re unb btefer Stritte
toftre, ttne fie tt>ftBten, in l^o^ <ihtibe oerliebt, gifidfettg in
ber erften ßiebe: nic^t mi)x, ba toürbe too^t ber eine jum
anbern fagen: „O, ber fann ma^rlidj ganj mo^l ba bleiben,
ber merft nidjtd". S)a^ jagen fie mit einem ßäc^etn, mel^e!^
i^ eigene Alug^it belobt; gIeid^»o^l ^aben fie eine ^&xt
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— 107 —
S^rfurc^t öor bem SSerliebten, ber nirf)tg entbccft. — Unb
nun ber ßicbenbc! D6 man über i()m iad)t, ob man feiner
ipottü, ob man i^n bemitleibet unb toa^ auc^ bie S[Belt oott
^ fa0t, getoig t>on ber äRenge ber ^ftnbui entbedt er
itU^td, aud^ m(|t l»iefed 8a(|eit, @)N»tten^ Oemttleibett; er
etttbedt ittd^ unb ftef)t nur gar tomq. (Sr entbedt ntd^td;
ttnr untcrfc^eiben ja boc^ öon bem ©ntbetfen aU bem be*
toufeten üorfä^üc^en ©treben, etwaS finben, baö @et)en
ober ^ören, baS untutQfüclu^ etn^ai^ inne mirb. @r entbecft
tttd^. Unb bp^, ob man titm itter ^ii lac^t ober nid^ (af|t,
[einer f^ottet ober nic^t fpottet: matt im ttttierften dhEitiib
eine ©^rfurc^t üor i^m, ba^ er öerloren unb uerfunfen in
feine ßiebe nid^t^ entberft.
S)er Siebenbe entbedt nic^td, fomit bebecft er ber ©ünben
9Renge, bie burc^ (Sntbecten )tt finben toare. Sbtt SBanbel
bed Stebettbeit etttf^nk^t bec Socf(|rift be8 flM^^r «tt
fthtb an 8od^ fein. 8^9 bie »ett eigentlich att
0ugt)eit belounbert, bog ift 53erftänbnig für bag 33öfe —
SGÖeiöt)eit ift nämli^ 58erftdnbni^^ für bag (SJute. ^^erftänbni)^,
©inn unb ^luge für baS 93öfe t)at ber ßiebenbe nic^t unb
nnft er nid^t f^ftm; er ift unb bleibt in biefer ^ftd^ ein
JHnb unb miE ei tatä^ fein nnb bleiben. Setbring ein
SKnb in eine Sf^äubcrfiöfiie — nur barf fein ^tufent^alt nic^t
fo lange bauern, bafe e^ felbft öerberbt luürbe; Ia§ eg alfo
nur eine ganj furje Qzit ba fein, bann Ijeim fommen unb
alles erjagten, eS erlebt bu foUft fe^n, bad ^inb,
bai boc^ (ote jebed fttnb) ein guter 0eo6ad^ ift unb ein
trefflid^ed (Sebftc^tnii l^at, mirb aHei anfi nmftAnblid^te eri>
^äijku, büd) fü, ba6 eigentüd^ baö Sicf)tigfte au^^gelaffen ift
unb bie, ttjclc^e nid^t njiffen, bafe baö ^inb unter Räubern
toor, burc^ bie (Sr^ä^Iung be§ ÄinbcS nie barauf fämen, mo
mi. SBai i&it bod fttnb aud, mad ^ ed ntd^ entbedt?
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— 108 —
2)ag 33öfc. (SJtcid^too^l ift bie ©rää^lung beö tinbeg, toag
ed gefe^en unb gefrört t)aBe, ganj genau. iBad fe^It nun
beut ftuibe? Stod mad^ l>te (fe^äJ^dnig etned fttttbe« fo oft
^ tteffbmtgeit etMrtt auf W fOttn? ift bec SRaii0eC
an SBerftanbntiS für baft S3öfc; ben ebxn fftr biefe« ^
ba« ^nb nid)t unb l]nt and) gar fein belüfte, fid^ auf bag
S3öfe 5U öerfte^en. ^ierin gleicht ber Siebenbe bem Äinbe.
Willem er fielen aber liegt bor allem ein ^erftönbntd
$tt iSmah, ein getmffeS (Stntierftiliibitid ^toifd^ bem, bec bie
@ad^ t)erfte^en foll, mib ber €a^, Ue er tperfte^en foQ.
^arum ift aud^ ein 33erftänbnig be§ S3öfen (fo ötel man
aucf) fid^ felbft unb anbern cinbilbcn tt)in, man hmai)XQ fidj
ganj rein, eö fei ein gan^ reineS SBerftönbniö für ba^ Söfe)
boc^ ein @int)erftänbnii» mit bem ^öfen; inäre biefed
niii^t ber gaUy f^ em)>ffinbe ber SkrfUbibtge {einen 81ei|, c8
§u t>erftet)en, er ivfirbe mit ^bfd^en toon fid^ toeifen, ei^ p
Derfte^en, unb tuürbe e§ bann aud) nidjt uerftel^en. SBenn
biefe§ 5Serftel)en audj nid)t^^ anberc§ bebeutet, fo ift eö bod^
eine bösartige S^eugier nac^ bem S3ö)en; ober ift bie Oer*
fto^ene |[bfi(i^t babei, burd^ bie (Srlernitnii^ ber Sbtöbreitmtg
beS 86fen feine eigenen Sfd^Ier )tt entfd|ulbigen; ober fnd^
man burd^ bie ^rfenntnis ber SerbmrBenl^ett anberer bm
eigenen Sßert J)euc^rerifc^ liinaufjufd^rauben. ?l6er man neJ)me
fic^ mlji in a^t; giebt man bem S3öfen neugierig ben f leinen
Ringer, fo nimmt eiJ fd^nell bie gan^e §anb; einen 35orrat
iwn (Sntfd^ttlbignngen su ^ben ift &u6erft gef&^lid|, unb
ifi eine nne^id^ SBetfe, baburd^ beffer 5U merben, ba| man
mit anberer ©d^led^tigfeit fid) An ^Bertileic^ung bringt unb
fo beffer wixh ober beffer f^eint. S)oc^ tuenn fc^on burd§
biefeS ^erftänbnid ber (^ünben ^enge aufgebest koicb, toai
für ühitbedEungen müffen nic^t einem nod^ intimeren ^er»
ftftnbnig gelingen fAnnen, bad red|t eigentli^ ein IBunb ndt
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hm »Öfen ifi! »ie bet «elBffid^e alled gelb [vtffi, fo
toirb ffit einen fold^cn SWenf^cn, je tiefer er na^ tmb nat^
fetber finft, bie äJ^annigfaltigfeit ber üon i^m entbecften
©ünben um i^n i)er immer größer unb größer. @ein 5luge
fc^rft unb ben^affnet fi(| leiber nid^t für bie SBa^r^it, fo«
mit inelinel^ f fir bie Untool^^t, f o ba^ fein 81icf mef^ imb
me^r befangen totrb, fo bafe er in aUcm bo« ©öfe, felbft im
SHeinften ba^ Unreine fiet)t unb fo aHe^ befledt — unb biefer
©d^arfblicf (o entfe^lid^er ^iebanfe!) giebt i^m boc^ eine
§(rt Xroft, ba t& \t)m ein mirflic^ed ILnliegen ifi, bie äJ^annig«
fattigfeit bed Sdfen ald maglic^ft grettaenloS attfaubeiieii.
3ule^t giebt e9 für fein (SntbetbmgiSfelb gar fcine ®ren^
me^r; benn nun entbecft er bie ©ünbe oud) ba, wo fie, tüie
er felbft ttjeife, gar nid^t ift; benn tt)o fie ni^t ift, ba mu^
i^m ^latfc^, S3erleumbung unb £üge ju ipeiteren (Sntbedungen
m^lfen, tooriit et fic^ fo lange übt, bid er {eine eigenen
d^bid^tungen felbft gfou^ So ^ er bann ber 6finben
3Äenge entbecft!
5)er Siebenbe aber entbecft nid^tg. @8 liegt ettoaS fo
nnenblid^ geierli^eö unb jugleic^ etmag fo S^inbUc^eiS barin
unb gemannt und an bed Hinbed ^e(, koenn fo ber ßiebenbe
ber @fittbett SD^enge bedt, inbem er gar tdü^ entbecft —
bai^ gemannt und an bad ®pxd M ftinbed; benn fo fpieten
h)ir ja mit einem 5linbe: mir fönnen ba^ Äinb nid)t fel)en,
baS boc^ üor uns fte^t, ober bag Äinb fann unö nic^t feljen,
toa^ i^m bann eine unbefc^reibüc^e öeluftigung ift. ®a§
ftinblic^ liegt ^er barin, bafi ber £iebenbe koie im ^pki
mit offhten tlugen, toai Dor it)m gefc^tet)t, ni^t fe^ fann;
ba^ g-eiecüdje liegt barin, baB er gcrabe baö 99Öfe nic^t
fc^en fann. S9efanntüd) geniest bei ben Drientaten ein
<Sc^tDac^finniger 9iefpe!t unb H^tung; ber Siebenbe aber ift
biefer iS^re mert, er ift |a aud^ gleic^fam ein ©(^mac^finniget.
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— 110 —
8elannt(ic^ unt6rfd)ieb bo^ ^Htertum (unb n^ot)I mit 9le(^)
fe^ ^loifd^en ixm %ttm oon SBa^tifuin, ^iDifd^n bec traitrlgen
AtonÜ^t, bte man beKagte, imb bem fogenannteit qbtüül^
SBal)nfinii. SSenn tuir bcnn für bie^mal öon bem I)eibnif4et!
§JuSbrucf „göttlid)" (^cbraucJ) mad^cn tüollen, fo ift e§ eine
güttlid^e ^tt iBa^nftnn, in 2khz bad ^cig unmittel«
bar tm Vitgoi liegt, titd^t fe^ ttiraen. ^a^rlic^, in
biefen Itugen 3^^^^"^ <^ttf bad 8dfe fo gut tierfie^en,
bürftc mon ttjol^l cttoa« t^un, utn biefcn S3Ql}nfinn gu (5()rcn
5u bringen; bcnn bafür ift leibcr in unfrer ^dt l)inreid)enb
gcforgt, baf] ein Äiebenber, bcr öiel ^erftänbniS für bad
i^ute ^at unb (eined für bad iiBöfe ^ben koiU, fid^ wie ein
@f^tiKt(^fiiitttger auSnel^e.
bettle bir, um gleid^ bog §ö^fte nemten, ©^riftui»
tjor bem \)o[)cn dlat, benfe bir bie rafenbe DJ^engc, ben ^rei^
bcr SBorne^men — unb benfe bir bann, tüie monci^er ölirf
<iuf Sf^n gleite unb barauf »ortete, bog er i^m begegne, ba*
mit ber ^ngeflogte ben ©poti, bie ^erad^tmig, bod 992it(eib,
ben ^oI)n aitc!^ (ni9 tl^m ^erau^Iefe! WIetn (&c enibecfte m^tö,
t)on Siebe bcrftc (Sr ber Sünben 9J^cnge. 2)en!e bir, njie
manc^ ein (Sdjetoort, njie mand^er §ol)nruf, njie mand^er
^pottiu\ audgeftogen tourbe — unb eS toax bem ^(^reter
barum t^un, ba6 er gel^drt toerbe, bamit er getarig nt^t
^urüdjufte^en fd^eine, ba ed eine groge SBlamage lo&re, ^ier
«id^t mit5ut{)un, ttJO e« bod^ galt, in ®emeinfd)aft mit aßen,
fomit a(§ 9J?unb ber ira^rcn, ber öffentlid)en 9J?einung einen
Unjd^ulbigen gu terl^ö^nen, gu fränfen, mi^()anbehi! 5IIIcitt
<Sr tnthtdtt nic^td; in ßiebe bedte ®r ber ©ünben iD^enge,
— inbem (Er nid^td entbedtte.
Unb @r ift bo« fBorbttb, toon Sl^m l^ot c8 ber SieBenbe
gelernt, lüenn er nic^tö entbedt unb bamit ber «Sünben 9J?engc
l>ec!t, totm er, aU ein mürbiger (&d^üler, t^erlaffen, ber^a^,
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— III —
tierftiottet tmb bemüleibet, tierl^ö^ tmb befiagt »uittet bem
ftteitj" ba^ gel^t imb bod^ in Siebe ntd^ entbecft, — in
SßQl)rt)eit ein größeres SSunber al^ bic brei SJ^ättner, bte in
bem geuerofen feinen (Schaben nat)nien. ^otf), @pott unb
$o^n tl)ut eigcntlid^ (einen ©d^bcn, toenn nic^t ber S8erJ)öt)tttc
balmtf^ ©droben titmnit, ba| et bte @ad^ entbedt, b.
{u^ mbtttent beim loemt. et fU^ berbttient lä^, entbedt
er ber €fiiibett 99^eitge. SBtQft bit bir^iB ted|t t)erbeitttid§en,
tote ber Siebenbc ber ©ünben QJienge bedt, inbem er nid§t§
cntbcdt, fo laft bie Siebe r\od) in anberer 2Bei{e unter ber
©ünbe leiben. ^5)enle bir, biefcr Siebenbe ^ätte eine ©attin,
bte il^ liebte. gerobe todl fie il^ (iebte, tofirbe fie
^dtönU imb wä SÜterleit in ber Getfe jeben fpottenbcn
©Krf entbedcn, §errtffenen ^)cr5en8 bic ^o^nreben fflmt —
n)äl}renb er, ber Siebenbe, nicf)t«^ entbecfte. Unb rtenn bann
ber ßiebcnbc, fotoeit feinem Sluge unb Dt)r nic^t aUeö entgc^n
fonnte, bix^ für bte ^greifenben bie ^ntfc^ulbigung in bereit«
^tte, baft er too^ fclber feine ^el^Ier ^be: fo fdnnie
bte (SatHtt Bei i^m gar feinen geliler entbeden, um fo me^r
ober, mie mannigfad^ man gegen \\)n ficf) Derfünbigte. Qtxqt
bir nun bie (Sntbecfung, bie rid)tige ©ntbccfnng, n)elc!)e bic
&üttm machte, nid^t, ba^ ber Siebenbe, ber nidjtö entbecfte,
linrUi<j^ ber ©önben SO^enge bedt? 2)en(e bir bad auf aUe
Bebenlbei^Utniffe angelwmbt, nnb bn ttrtrft augeben, ba^ ber
SteBenbe loiiilid^ ber ^ünben Spenge bedt!
2)ie Siebe becft ber ©ünben 50^enge; benn njaä
fie feljen ober t)üren mufe, baö becft fieju, inbem fie
cd oerfc^meigt, mit milbernbcr d^rfldrnng aUed }um
8eften ie^rt nnb alted Dergiebi
5Dnt(^ Serf4»eigen bedt fie ber Sfinben IRenge. '
fommt man^mal öor, bafe ein Sicbedpaar fein SBcr*
^ältnid geheim ^Itcn müc^te. ^flimm nun an, cd märe in
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— 112 —
bem flugenMuf , ba ftc ehtanber t^ce 2kt>t gefiatiben unb
fil^ioetgcn gelobten, gait^ suföHig ein S)ritter, Unbetetfigter,
jugegen, biefer n?äre aber ein rebli^er unb (iebcöDÜer, ^u-
Dcriäfftger SWeiifd) unb uerfpräc^e iJ)nen ©tiüf^njcigcn: Mre
bann nidjt bod) baS ^et)eimnid i^cec ^isbt getoa^ct? tiefem
^Dtitten gleicht abn bec fiiebenbe, kDenn er uneftoartet, gaiQ
zufällig mtb ftetft mtgefuci^t t^oit euied SRenfd^en Sünbe er«
fö^rt, tote er gefehlt, toa^ er öcrbrorfien ^ot, tüte er öon einer
©(^tr»od)()cit übereilt tüurbe: ber iiiebenbc öerjc^weigt bie ©ae^
unb bedi bamit ber ^ünben ST^enge.
Soge ttic^t, „ber ©iUiben Spenge bleibe {i^ goo) gleid^,
ob fie iierfc^tmegeR ober ec|ä^(t loecbe, ba Serfc^ttttegeti^
boc^ n)o()( nic^tö boDon tl^ue, meti man nur bad Strütc^
Derfc^meitjen !önne;" onttuorte lieber auf bie grage, ob nic^t
ber, tüelc^er bcÄ ^^iä6)]kn ©ünben unb geiler toeiter erjätiCt,
bie ©finbeiraienge noti^ größer mac^t? SÖ2ag ed aud^ {ein, ba|
bie 9)9enge gleichbleibt, ob ttmfi baoon Mfc^ioeige ober
ni(i)t, fo t()ue id^ boc^ mit meinem &i)m'\Qtn hai SReine, um
bie ©ünbe becfen. Unb bonn, fagen toii nic^t, ba^ (SJcrüd^t
mac^e bie ©ad)e gerne nod^ ärger? S33ir meinen bamit, baß
bad ©erüd^t bie (&c^ulb leicht gröger mac^t, ald fie mirflic^
tfi ^oc^ hieran benfe ic^ ie|t nic^t 3ti einem noch gan)
anberen @nne tiergrbgert bad Verficht, bai» beS 9^&d^fien
gel)(er erjät)U, ber ©ünben 9D?enge. SJ^an net)me eö mit
biefem SBiffen um beö 9^adf)ften gel)(tritt ind)t ju leicht, alö
ttwrc alles in [einet Drbnung, menn nur bie SBat)r!)cit bed
(tt^tßtn feftfte^. m^tixdi, n^t jebei» »ohre iC&tffen ber
geiler bed 9{&(hfien ift ald tcaljred an^ fc^ttlblod, trielme^r
fann man boburd), bag man jum 9Witmiffer gemacht toirb,
(eicfit felbft fd)utbig merben. <So öergröfeert ba« ©erüd^t, ober
mer be^ SRäc^ften ge^ftritt n^ätjlt, ber ©ünben iD^enge. S)ie
Seute »erben burv^ bad (Skrficht, burc^ ben ftlatfc^ baran
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— 113 —
gcn)ö{)nt, neugierig, (ci^tfertig, miggünftig unb boS^aft um
bcö Sfiäc^ften get)(er fic^ ju fümmetn, unb werben babut^
Decbotben. Wlan !dnnte babei freUid^ aitd^ )oieber fci^topetgot
lemen; foU a6ec geHatfd^t koerben, alfo neugierig imb leidet»
fertig gc!Iatfcf)t toerben, fo f(f)n)a^c man bo^ öon ©d^cr^ unb
Xanb — bc§ 9Zä(^ften gel)(er foüten bafür gu ernft fein;
neugierig, leichtfertig unb mifegünftig barüber ju fc^toagen ift
bal^ ein 3^^^^ @d)Iec]^tig!eit. 3Ber aber burc^ $btd«
piyfaunen frember geiler boau l^lft, bie äßenf f (lled^t
machen, üergrögert ber @ünben SOi^enge.
9^ur aCtjugetDife bereitet e§ teiber jebem 9J?enf(^en grofee
ßuft, be§ 9^ä^ften get)ler ju fe^en; öielleid^t no(ü) größere,
fie ju erää{)(en. Sft eS nichts anbere^, fo ift e§ mitbeft ge*
rebet dne SCrt 9^{erDenf c^to&d^, ba| ed ffir ben ättenfd^ einen
fo ftarfen Kei§ fyit, eümid 9dfe9 xmt 9tdc!^fien ^u er^ätilen
unb fic^ burd^ ein untert)altenbeg ®erebe öon biefer 5lrt einen
5lugenbncf ge()orfameg @et)ör ju üerfd^affen. Sßaö aber fcfjon
ald neruöfer £i^el ju reben DerberbUc^ genug ift, fann in
einem äl^enfc^en mitunter ^ur fc^edlid^, teuflifd^en iBeiben*
f(^ft merben, tpenn ed fid^ im fd^recfiid^ften ®rabe entnndelt
Äaum ift ein Siäuber, ein 5)ieb, furj irgenb ein i8crbred^cr
fo im tiefften ®runbe öerberbt luic fo(cf) ein 3)?en)cf), ber eö
fic^ 5ur Aufgabe, jum öeräc^ttid^en, aber feinen äJ^ann näftren^
ben ^anbmerf gemacht ^ot, im grö|ten ä^^agftab, fo laut,
nrie ft(^ bie SBq||r^eit nie ^dren l&ilt, fo »eii ü6er M gon^
£anb ^in, toie etmod ®viM fetten reid^t, in jeben SSinM
fid) einfc^Ieic^enb, in ben ©otteg Sßort faum 3"9^^"9 finbet,
bc^ Sf^äc^ftcn gel)ler, be^ S^idc^ften ©c^mödien, be§ 9^äd)ftcn
@ünben ju üerfünben unb jebem, felbft ber unbef eftigten
Sngenb, biefe befledenbe @r&nntnid ou^undtigen — faum
ift ein SerBre^er fo im tieffteit ®mnbe berberBt, toie fo(d^
ein Wl^n\6), auc^ menn bad Don i^m ^eric^tete nia^r loärel
fttetlegaatl), KBolten ber Siebe. IL 8
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— lU —
§lud^ tüenn toal^x tt)ärc; e§ tft ober boc^ unbenfbar, bü§
einer mit bcm ©rnfte ber ©njigfcit ftreng unb 9ettJtffenf)aft
tatauf Oebac^t n&^me, bei ber Qt^^btitg ftember geilet
imbebtitgt toa^r bletbeii, ititb baitn in btefem — eCel^ften
Söa^r^eitöbienft, im 3lu§pofaunen beg ©cf)lec^ten fein Seben
aufopfern tDoüte. SBtr bitten im 93aterunfer, ®ott möge unö
nic^t in ^erfuc^ung fül}ren; follte eS aber gefc^e^en, unb
foQte ic^ in bec ^erfuc^ung faQen — (ann^er^tgei; ®oit, fo
Bitte i(i^ bodi um bie eine (Snabe, bag bie ffiett meine @ünbe
unb meine <Sc^uIb re^t ald abfc^ltd^ unb em))drenb anfeilen
müfete! ©djtedti^fte öon allem mu^ bod) fein, fic^
eine ©c^ulb, eine ^immelfc^reienbe @d^u(b gu^ujie^en, eine
@<j^ttlb um bie anbete t>on ju Xag auf fic^ ju (aben
— nnb bo^ gar ni^t batauf onfmecffam ^n toecben, n)et(
bie ganje Umgebung, toeit ba9 Sktfein felbft ftd^ in eine
©inneötäufdjung üeriüanbelt f)at, bie bann beftär!t, eä fei
aUc^ nichts, eg fei nic^t hlo% feine ©c^ulb, fonbern faft ein
IBerbienft. O, c§ giebt ^erbred^en, bie bie SBelt nic^t SScr«
bte<!^en nennt, bie fie gar lo^nt nnb faft e^rt — nnb boc^,
hü^ xooVitt id^ lieber, nxiS ®0tt toet^te, abev id^ tooffte bot^
lieber mit brei bereuten 9J?orbtf)aten auf meinem ©eiuiffen
in ber ©migfeit anfommen — lieber, benn al^ im 2)ienft
ergrauter 5?erteumber mit biefer fc^recflic^en, unüberfe^boren
Saft Don Setbred^n, bie fü^ non 3a^t ^n 3a^T ange^nft,
bieilet(!bt einen faft unbenifbaten @(^ben ongetid^tet tiaben,
9J?enfd)en inS ®rab gebrod^t, bie innerften 3Serf)äItniffe ücr*
bittert, unfd^ulbig SJ^tleibenbe gefränft, Unmünbige befledt,
öerfü^rt, alt unb jung üerberbt, fur^ in einem Wla^t gcfc^abet
l^aben, bon bem felbft bie (eb^ftefte d^nbilbungdfcaft fic^
feine Sorftellung mad^n fonn — mit biefer fc^recflic^en Soft
bon iBcrbred^cn, bie \^ bod) nie ^ätte bereuen fönnen, toeit
ja bie Qtit ^u immer neuen ^erbrec^en Dertoenbet n^erben
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— 115 —
mugte, toeil ja biefe Un^al^t tm SBeiBred^en mir (Sktb, ü^iti»
fitti fofi Vnfe^ett unb t)or allem ein luftiged Sebeit t)erf(|afft
Ratten ! & erfd^niert bie @d^ulb eiiteS Sranbftifterd; meitit
er iDufite, bo^ baö $qu§ öon üielen beirof)nt rvax: tüenn
aber einer burcfi bösartigen Älatfc^ gleic^fam eine ganjc
(5>efcnfcf)aft in öranb ftcdt, bai^ fie{)t man nid)t einmol für
ein SSerbreci^n an! Wfian ergreift bo^ äRa^regeln, nm
bie $cft abgufperren nnb einpbftmnten — aber ber fßeft,
bie ärger ift aU bie afiatifc^e 6()otera, ber bösartigen
Ä(at}c^fucf)t, bie ©ee(e unb ®eift üerberbt, öffnet man
a0e ^äufer, man ^ai^lt noc^ Q^elb bafür, bag man fid) an«
ftetfen t>, man ^ei|t ben niK^ tinttfommen, ber bie %n^
füedmtg bringt!
©age nun, ob e« ntd^t toabr ift, ba^ ber fiiebenbe, ber
be§ 9?äc^ften get)(er öerfd)tt)ei9t, ber ©ünben 5IJ2enge berft, toenn
bu bebenfft, tok man fie burd) baS ^uSfd^tt)a(en Dergrögert
2)er Siebenbe bedt ber 6ünben ä^tenge bnr^
feine milbernbe Srflfttnng.
^ ift immer bie ^{)eutnng einer €a^e, bie fie bem
niodjt, ttJoS fie toirb. $)er jrt)atbeftanb liegt 5U ©runbe, bie
5luS(egung aber giebt ben Sluefd^Iag. 3ebe§ Ereignis, jebeg
SBort, jebe ^l^at, !urs alles lägt mehrere (SrfCftrungen 5U;
n»enn man nnnwl^r fagt, baft ft(eiber ben SD^ann mad^en, fo
fann man mit SBo^rtieit jagen, man mod^e bur^ bie Knd«
tegung, bie man einer ©ac^e giebt, biefe erft gu bem, maS
fie toirb. Über eines anbern 2J?enjd)en Söort, %\)at, ©efinnung
giebt eS feine DoUe ©etvig^eit; „ne^me ic^ an", fie t)aben
bied ober jened }tt bebenten, fo n>ä^(e ic^ eben biefe „9ln«
nal^me". IHe tluffaffung, bie ÄnSlegung ift alfo, eben »eil
fie fo ober fo fein fann, eine SBat)t. S)ann liegt eS aber
immer in meiner 3)?a^t, faUS id) nur ber iüebcnbe bin, bie
milbefte ^ludlegung loä^len. ^enn nun biefe milbere,
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qUcS jum 93eften fe^rcnbe ^luölegung ba^ anber^ erflärt, toa^
onbere Teic^tfinniö, übereilt, ftreng, tiart^ergig, mi^ttcbig, bod*
l^ft, iax^ lieblos, o^ne toetterd ald ^ulb aitiSgelegt Soften,
fo nhnntt fte \a eine @d^ulb mib bann ttriebec eine tncg, fte
mod^t ber ©ünbcn iD^eitgc üetncr ober Uhtdt fte. D, toemi
bie 9J?cnfd§en rec^t üerfte^en lüoliten, ml6) fd^öncn ©ebraud^
man öon ber (Sinbitbunggfraft, bcm ©d^arffinn, ber ©rfin^
bungdgabe, ha Stombimüon^aht machen !dnnte, toenn man
buxd^ fte nNrniögtui^ bie mttbefte Stfiftmng ftnben molUe:
fo tofitben fte mel^r nnb ®ef<|ma<! an einet ber ebelflen
greuben be§ Sebent getüinnen, müBte t()nen eine toofjre
glüdlid^e 2eibenfcf)aft tuerben, ob ber fie atfeg anbere üergeffen
fiJnnten. Anbere SBer^dltniffe fönnen unö ha§> oerfte^en leljren.
SQ^irb nid^ ein Säger mit jiebem 3a^i ber Sagb letbenfc^ft**
lt<|er ergeben? Wix mUm füß ntd|t loben, ba^ er gerabe
btefer 2etbenfd§aft fic^ t)ingab; bat>on reben ttitr aber md^
nicf)t, fonbern nur baüon, ba^ er mit jebem ^al)x fiel) biejer
©ejdjäftigung mit me^r 2eibenf(^aft f)ingieBt. SSarum t^ut
er boö? 2öei( er mit jebem Sci^r erfaJ)rener unb erfinbcrifd^er
iDtrb, eine ^d^ioierigteit nm bie anbere überniinbet nnb enbltd^
ald alter erfoJ^ener S&ger StniSioege ttKt^, m feiner einen
m\% boS SSKIb auffpürt, too feinem anbem gelingt, Bpnren
ju benü^en meife, bie fein anbrer üerftef)t, feine gaUen fo
liftig fteüen !ann, bag er ^iemlic^ fieser auf eine gute Sagb
rechnen barf, nienn auc^ allen anbern ber gang nti^lüdt
9m ^ienfte ber ®ere(^fett ^nlb nnb l^erbred^ ^n ent<*
beden, tialten mir ffir einen mfi^oEen unb bod^ am!^ miebet
für einen befriebigenben , locfenben S3eruf. SBir bemunbern
bie ^enntuiö be§ menfdjlidjen ^erjenö, bie fic^ auf alle,
fetbft bie fpi^^finbigften 3(uöflü(^te unb Slu^reben üerfte^t;
bie ftraft bed (Skbäc^tniffed, todi^ oon 3a|r $u So^r aud^
bo^ Unbebentenbfle fef^^^^ um ftd^ mombglic^ eine @pox
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f^crn; bcn fd^arfcn f8M, ber bic Umftänbc nur flüchtig
lü überfdjauen braucht, um fie g(eid)fam befc^lodren fönnett,
büß fie toiber bcn ©d^ulbigen jeugen müffen; bie tofmerf*
famfeit, ber nic^tg ju geringfügig ift, baS irgettbioie für bie
Suffaffitng bed S3ecbtei3^eitd in l^etcad^ bmmen fumt; \m
l^Beii für ben dienet ber OBrtgfett Oeloitnbenmg, bem elK
gffirft, einem rec^t t)eri)ärtclen unb burcf)trie6enen ^euc^Ier
gegenüber ftanb l^altcn, 5i§ er il)m bie ©cf)ulb enttocft
. unb fie an^ 2iä^t bringt, ^dnnte nic^t ebenfo befriebigenb,
ebenfo Derlodenb fein, gegen ein angenfc^einltd^ gan) gemeinde
Benehmen fo lange fbmb |n galten, US man i|m eine gan)
onbre, gute &tte oBgeiotnnt?- IkBevtag eg bem Dom ®iaat
BeftcIIten ^td]ter, überlaB e^ bem Liener ber ®ered)tigfeit,
on ber (Sntberfmtg öon ©d^ulb unb ^evbrec^en ju arbeiten:
tuir anbern finb ja n^eber berufene 9ticl^tec nod^ Liener ber
(^ec^tigfeit, fonbem im (ikgenteil toon 0ott ^nc Siebe be^
tnfen, foSen alfo ber Sünben fßttn^t Mm, tnbem nnr dXltü
\mxä^ milbere ©rflörung jum Seften fe^ren. 5)cnfe bir einen
ßiebenben, tjon ber ^atur mit ©oben auSgcruftet, um bic
i^n jcber Üiic^tcr bcneiben müfetc, bie er aber mit bem @ifer
unb ber Slnftrcngung bcS gcnjiffent)aften 9flic^terS lebiglic^ in
ben SDienfi ber Stnnft butd^ liebetwOe, ntUbembe fixO*
(egung ber Gfinben Sli^enge ju bebeden! 5Duni^ ente reu!^,
im ebelften @inn gefegnete Srfa^rung fennt er baä äJ^enfc^en«
I)erä; er nicif^ Don öielen merfmürbigen unb babci fo er«
greifenben gdUen er^ö^n, in bcnen c3 it)m tro^ aUer
fd^etnbaren Serkvirrnng gelang, bad (S^ute ober bo^ bod
Seffere )tt entbetfen, loeil er lange, lange fein Urteil in ber
^loebe ^elt, bis enblid^, gan^ rid^ttg, ein ffetner ttmftanb
anö ßic^t fam, ber auf bie ©pur l)alf; burrf) eine rafc^c
nnb fü^nc 5lnfpannung feiner Döllen 5lufmerfjam!eit gewinnt
er oft ber eine gan} neue Sluffaffnng ab, bnrc^ bic
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er QlMiid) cntbcdt, toal^ et fud^te; butd^ redete Sttltefung
in bic Sebenöuer^ältniffe cineS 3J?enfc^en, burc^ bic ein*
ge^enbfte S3c(cud)tung feiner Öage gelingt e§ i^m oft, feine
^[uffaffung bed gaUd fiegceid^ burc^jufül^ren. ^Ifo er fommt
«ttf bie ©pur, „er entbecft glüdlic^ bai» (^ud^", „et fft^st
feine Snffaffimg fiegteicl bnn^" ad^, tft ni^ fmtber»
hat, tmm man btefe flBorte an|er bem gufammenl^ang lieft,
fo n^irb faft jebcr HWenftf) unnjitltürlic^ auf ben ©ebanfen
fommen, e^ t)anble fic^ um bie ©ntbecfung eine^ SBerbre^eniS:
fo Diel nä^er liegt un^ ber ©ebanfe an bie ©ntbedung be^
eafen ald bei: ^bait!e ati bie |[uf bedung bed (S^utm. &^
ber @taat BefieQt ait«|tet «nb SHenet ber (Sered^tigfett aut
(Stttbedhmg unb SBefttttfung bed ^öfen; in^kDifd^ gtüttbet
man in löblicher SSeife SBereine unb Slnftaiten jur Sinbet:»
ung ber 'äxmui, jur ^rjieljung ber SQ3aifen, jur ^Rettung
©efaUener: nur p biefem fd^önen Wkd, kiermittelft milbectibet
iSrC(ftnmg bie Spenge ber ^fknhm etn toeidg, loemt an^ um
ein nyenig ^urüd^ubftmmen — boju ^at fid^ nod^ fein Serein
gebilbet!
SSie jebo^ ber Siebenbe burc^ milbcrnbe ©rtlärung ber
©ünbeniKcnge htdt, bag tooUen »ir l^ier nid^t toeiter auö*
ffi^ren, nad^bem loir in fioA frtt^ren ilbld^nitten bebaut
]^6en, bai bie Ste6e aHeiS glontt nnb alleiS ^offt %t
fiiebe qIM glauben unb in fitebe oQed gu t)offen ftnb
aber bie beiben §au^)tmitte(, mit §ilfe beren bie Siebe
i^re milbere (irflärung burc^fü^rt, um ber ^ünhm ä^^enge
^ bedfen.
S)ie Siebe t>ergtebt unb bedt babnrd^ berSflnbenSKettge.
Ibaü S^erfd^meigen nimmt eigentlid^ tion ber tDienge
ber offenbar uorl^anbenen ©ünben nic^tg toeg; bie milbernbe
(Srflörung verringert bie 9}?enge etmoö burd^ ben 9^ad)iDei^,
ba^ bad unb bod bod^ !eine ^itnbe toax', bie iBergebung
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nimmt baS toeg, toa& unleugbar @ünbe i{i ftreitet btc
Siebe auf alle Htt, um itt ^ftnben Wenge ^u beden; bte
IBerge6nn9 a6et ift He methofirblgfte STtt.
2öir erinnerten im SSorfierge^enben an ben ^TuSbrucf
,,9KannigfaUigfeit ber ©efd^öpfe"; ?\ur 93eteud§tung toollen
toir normal« (^ebrauc^ öon i^m mad^en. Sßenn toir fagen,
bec Stoturfocfd^t entbede biefelbe, lo&^tenb bec Unfunbtge
fteüt^ au^ Don i^r tebe, im Sergleid§ mit i^m fie aber
fel^T toenig fenne, fo toei^ alfo ber Unmiffenbe nic^t, ba^
bag unb bag ba ift, o^ne baß e§ be§t)aI5 nid^t ba wäre;
feine Unttjiffen^eit ftreic^t eö nid)t auö ber Statur, nur für
fie ift ed nid^t ba. Slnberd tKt^oU fid^ bie IBergebung |ttr
aXenge bec @finben; bie Setgebnng nimmt tnt tietgebene
@ünbe toeg.
^ag ift ein rtunberbarer (5)ebanfe, barum aber aud§
ein ^laubeniSgebanfe; benn ber Glaube l^at eS immer mit
bem SU tl^un, toad man nid^ fie^t 3ctl glaube, bag bad
@t(|tbare aud bem entftanben ift, koad man mäj(t fte^t; id^
fe^ bte SS^eft, baiS Unftd^tbate aber fe^e xd) nic^t, ba§ glaube
ic^. ©0 beftet)t auc^ jnjifdjen „^Sergebung" — unb ,,(Sünbe"
ein ©laubeneöer^ältni^, auf ujag man bod^ feltener a(^tet.
SBad ift nämltd^ l^er bad Unfic^tbare? S)ai» Unfid^tbare ift,
bag bte Vergebung megnimmt, mad bod^ ba ift, hai nid|t
gefet)en tmtb, load boc^ gefe^en toirb; koenn man eS nftmlid^
fie^t, fo gefc^ie^t baö, bafe man e§ nid£)t fiel)t, offenbar auf
unfic^tbare SBeife. ^er Siebenbe fiel)t bie ©ünbe, bie er
üergiebt, er glaubt ober, baj bie SSergebung fie tocgncf^me. jDieS
lann n&mltc^ nid^t gefe^n i^ben, ba man ja bie @änbe
fiet)t, unb anbererfeit^, toenn bie ©finbe nid^t 5U fe(|en
»öre, fönnte fie ja aud§ m6)t vergeben tuerben. 28ie
man a(fo burd^ ben Glauben ba§ Unfic^tbare eigent*
lic^ Derfid^tbart unb fo gerbet glaubt, fo glaubt ber
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Siebenbe bnrci^ bie SBergebintg ha^ ^i^itbate loe^ S3eib€d
ift iSiUmht. ^lig ber ®(aubenbe, ber glauM, ttxii^ cc
ntc^t, fe^en fann; feiig ber Siefoibe, bec m^qjLmbt, moS
er boc^ fefien fann!
SSer fann baö glauben? S)a§ fann berßiebenbe. SBorum
ift tooifi aber bie Sßergebung fo feiten? nic^t, »eil ber Olaube
Ott bie Wlo^t bec SSetgebimg fo fc^mi^ itnb fo fetten ift?
©ogar einen befferen ä^enfc^en, bec Idnedtt^d 9^eib obec
®roÜ f)egen toill unb burd^au^ nic^t unöer|üf)nlic^ ift, tjört
man nirf)t fetten fagen: „id^ wollte t^m gerne vergeben, allein
\6) fet)e nidjt, toaä Ralfen foll." D, baS fie{)t man aud^
nic^tl %>skl^ tomt bn felbft jte SSecgebmig bcaiid^tefty fo todüt
\m, vxa S^i^e&mtg toecmag: iDacnni tviOft bn olfo fo unec«
fal^cen obec fo (tebtod bom SSergeben ceben? ^cnn e« ift
eigentlid^ eine Siebloftgfeit fagen: id^ fef)e nid^t, toa^ mein
^Beigeben t^m Reifen fann. JlBir meinen bamit nic^t, atö
foUte ein äJ^enfc^ bucc^ bie Wtcuäjit, einem onbecn oecgeben
)n fönnen, fid^ felbft toid^tig toecben, bnc(|and nic|t bad ift
totebec 8tebfoffgfett; nm^rlic^, eiS gtebt eine Kct %n ijecgeben,
bie unüerfennbar bie 8d)ulb nod^ größer \tatt fleiner macfjt.
9^ur bie Siebe l)ot — eS lautet freiließ fc^erjenb, toir moÜen
aber bod) fo fagen, nur fie ^t bie cec^te ^e^enbigfett, um
bncd^ SBecgeben bie @ünbe koeg^nne^men. 9« bec fd^niec«
fälligen SBergebung (ju bec mon genötigt )oecben mnfe obec
in ber man fic^ felbft toi^tig madjeii ttjifl) 9e]cf)iel}t (ein
SCBunber. SSergiebt aber bie Siebe, fo gefc^ie^t beö ©laubenS
SBunber (unb jebeiS SBunber ift ©ad^e beS ®laubcn§, mag
ißunbec bann, ba| mit bem (Glauben and^ bie SBunbec ab»
gefd^afft finbl): bag infolge bec Secgebnng ntc^t gefe^en lotcb,
öjaä man boc§ fief)t.
@g ift auggelüfd)t, üergeben unb üergeffen, ober (mie bie
<&^cift üon (&ott^ iBecgeben fagt) ed ift t^intec feinem Mden
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— 121 —
betborgen. &x)a^ t^ergefjen l^eigl' ja nic^t \>on ber @ac^e
tiid^tö iviffeit; fo fdtinen nnt nur t^m ^tigen icben, bie mit
ttte gemußt ^(eit mib otfo aitd^ tit(|t ttnffeit; toQ& man aber
))ergeffen ^at, iiat man genm^t. 5Dai$ ^ergeffen in Mefem
l^ö^ften ©tnn ift baf)er nid^t fotoo^I ber (Erinnerung üU
öiclmel)r ber Hoffnung entgegengefe^t; benn ^offen tjeifet bur^
fein ^enfen einem ^ing S)afein geben, Detgeffen ^ei^t burc^
fein 2)en£en bemjenigen bad ^fetn nehmen, bad ho^ ha ift,
cd audlöfc^en. ^te Sd^rift le^rt, ba^ bet ^(anbe auf bad
Unfic^tbore get)e, fagt aber jugleid), bet ©laube fei eine 3"*
öerfid)t übet bem, baö man §offt; {)ierin liegt, bafe baö Q5e*
^offtc gleid^ bem Unfic^tbaren, gteid) bem ift, ttjaS nic^t ba
ift, bem inelmel^r erft bie Öffnung in (i^ebanfen S)afein
gtebt. SSenn ®ott bie €ünbe betgigt, fo ift bad ber ®egen«
fa^ gu feinem ©c^affen; benn fc^affenb bringt er au§> nid)t§
etnjaö t)ett)ot, üergeffenb nimmt er eö in^ ^Hd)t§ jurüd.
SBaS für mein 2luge oetborgen ift, ba^ ^abe ic^ nie gefe^;
mad aber hinter meinem Wkdm Verborgen ift, l^be id^ ge>
fe^en. Unb gerabe fo bergiebt ber Stebenbe: er bergiebt, er
bctgifet, er löfd^t bie @ünbe auS, Itebenb tocnbct et fid^ ju
bem, bem er üergiebt; locnn et fid} it)m abet jufe^rt, fo fann
et ja nic^t fe^en, maS leintet feinem Oiüden liegt, er
bad nic^t me^r fann, ift ja $u berfte^n, tt»ie and^, ba| btefer
Sttdbatä bon ber Siebe gut erfuid)en ift; nmgeä^rt aber ift
eS bieDeid^t gat fdC)mietig, ber SteBenbe ^n loerben, ber bd^
anbern 6^ulb buri^ SSergebung t)inter feinen Slüdfen legt.
@g fäUt ben SKcnfd^en im allgemeinen leidet, eine ©c^ulb,
unb möre ed aud^ ein ^^!flox'b, auf einei^ anbetn (S^emiffen p
legen; fd^mer aber f&Qt ed, bun^ Vergebung bie S^ulb ^nter
feinen Stödten §u legen. KM bermag ber Siebenbe; benn er
bedt bet ©ünben äJienge.
©age nic^t: „ber ©ünben äJ^enge bleibt fidE) kbitflic^
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gleid^, bie <&unbe möge hergeben tuerben ober nid^t, ba ba^
Sergeben toeiier ettoad batjon nod^ ba^ t^;" antkoorte liebet
auf hie gfroge: ob nid^ Semetgenmg bet Sergebung bie
9)?enge bet ©ftnbeit t)ergrögett — itic^t nur babitt^, ba|
biefe Unüerfi)l)ntt(i^!rit eine ©ünbe iüeitet ift, toa§ fic^ ja
boc^ fo öer^ält unb atfo in §lnfc^Iag bringen ift? SDoc^
kooCien toir bad je^t nic^t betonen. ^fUm, ober befte^t nic^t
})oif(^n @ünbe unb Vergebung ein gel^etmed liBet^ltntd?
(Sine nntiergebene @finbe forbett Strafe, fie fd^rett bei
SWenfd^en ober (SJott noc^ ©träfe; fd^reit aber eine ©ünbe
nod^ ©träfe, fo fieljt fie gan-^ anberö au§, tueit größer, aU
toenn biefelbe ©ünbe »ergeben ift. 3ft bag nur eine ©inned»
töufd^g? 9tein, ei^ ift toitfli^ fo. (Sd ift io, nm ein m*
ooDfontmeneted Qtlb )tt benn^en, aud^ hine blo^ ^nned«
täufd^ung, bafe bie SBunbc, bie fo fd^recfUd^ auSfal^, im
näd^ften ^lugenblidf, nac^bem ber ^tr^t fie genjafd^en unb
be^anbelt !^at, üiel njeniger fc^redlid^ au^fie^t, toietoo^l eg
nod^ biefelbe SSi^unbe ift SBod t^ut alfo bet, todä^n bie
Sergebnng Mtoeigett? St k)etgv5|ett bie @ünbe, er ntod^
bofe fie größer önÄfte^t. Unb oufeerbem gilt, bog bie tßer^
gebung ber ©ünbe bag Seben nimmt, bie 3Sermeigerung ber^
felben 9Za^rung giebt. SQSenn ba^er auc^ feine neue
©ünbe l^tnjufommt unb nur bie eine unb fetbe @unbe
babteibt, fo ttritb bet ©ftnben äRenge oetgtdgett ^nt^
bie ^ortbanet bet @ünbe fommt eigentlid^ eine neue @ünbe
t)in5u, benn ©ünbe roädjft burc^ ©ünbe; bafe eine ©ünbe
anhält, ift eine neue ©ünbe. Unb biefe neue ©ünbe
!önnteft bu üer^inbett ^bta, totm bu bie alte ©ünbe burc^
Setgebung in iSiebe Weggenommen b&tteft, nne ei^ bet £iebenbe
mod^t, ber ber @ünben Tttn^t htdt,
$Die Siebe bedEt ber @ünben9J?enge; bennbieSiebe
lägtbie^ünbenic^tentfte^en, erftidtfie inberQ^eburt
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— 128 —
©clbft ttjcnn mon für bog eine ober onbere Unternehmen,
für m SBeri, bad ntan aufführen toiU, aües in Sereitfc^ft
l^i, mttl man auf (ünd, anf ben Slnlag loarteit. @o
tft'd aud^ mit bet @fttibe; mentt fie in einem SRenf^en ift,
toartet fie bod^ auf ben ^Intafe.
^er Slnlofe fann fe^r öerfd)iebener %it fein, ^ie ©c^rift
fagt, bag bie @ünbe am (^ebot ober SSerbot Slnlag ne^me.
(^n hai etUNid geboten ober «verboten toirb, koirb alfo bet •
7btla%; nid^t att M^te- ber 1Ma% bie @ünbe ^or, benn
ber Mo|e ^Tnlo^ bringt nie ttm^ t)eröor. jDer 5(nla6 ift
tok ein 9J?itteIgmann, ein 99^af(er, ber beim SSarenumfa^
blofe be^ilfac^ ift, bloj ber ^Inlafe ift, bafe ba« ®efc^)äft
ftanb iommt, bad in anbecer Se^ie^nng, aU SKdgti^feit, be«
tettd ba toox. S)a8 Qkbot, bai^ Setbot tei^t gerabe babottd^,
bafe e§ baS ©öfe bejttjingen njill; unb nun nimmt bie @ünbe
ben 5lnla6, fie ergreift if)n, benn ba§ 3Serbot ift ber ?(n=
lafe. ©0 ift ber 2lnla6 glei^fam ein S^iid^tg, ein flüd^tiged
Stmad, bet Übergang jmifc^en ©änbe nnb Setbot, gennffet«
magen beiben angel^dttg, loö^tenb eS in anbetem @inne gat
nic!^ ba gu fein fd^eint, tDten^o^t bod^ lieber nic^S toit&ic^
©cloorbeneg o()ne einen 51nla6 genjorben ift.
2)af5 ©ebot, baö Verbot ift ber ^nlafe. 3n nod^ trauri*
gerer SSBeife toirb bie @ünbe in anbeten bet $(n(a^ füt ben,
bet mit i^nen in Setfil^tung Ifommt. O, mie oft l^t ein
unbebac^amed, ein let^tfinntg ^ingeniorfened SBort f)inge»
reidf)t, ber @ünbe 'änia^ ju geben! SBie oft ift ein leicht*
fertiger ölid ber 2ln(a6 geworben, bafe ber (Sünben SO^enge
gtö|et n^nrbe! SoUenbd gat toenn ein Ü)?enfch in täglid^t
Umgebung (ebt, mo et nur @ünbe nnb (S^ottlofigieit fe^n
unb ^IHren fann: todd^ teic^er ttniag jur @finbe in il^m,
ttjic leicht bog gcgcnfcitige ^tnla^geben uub 5(nlafenct)men!
SQi^enn bie ^ünbe in einem ^^enjc^en oon <^ünbe umgeben
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— 124 —
ift, fo ift ftc Wie in it)rcm ©Icment (äk^gt öom ftättgcn
Wüüi gebet^ imb )oä(|ft fie (toenn man anbeti^ 6eim 8öfoi
Don (^bet^en reben fann); fie ttntb mel^r unb mel^t bdSartig;
fie gctüinnt meJ)r unb ntc^r ©eftolt (toenn ba§ Söfe ü6er^
^aupt (SJeftalt gewinnen fann, ba eg eigentlt^ £ug unb (Schein,
alfo o^ne ® eftalt ift); fie toerfeftigt fic^ me^r unb me^r,
toenn auc^ i^c Seben übet bem Xbgmnb f (|kDebenb, alf o o^ne
feften Ü^runb ifi
^oc^ jeber fLnlai, fowett er ^um 9!lnlQ% bcr ©finbe
genommen n^irb, trögt ba^u bei, ber 6ünben Menge Der«
grögern.
@d giebt aber eine Umgebung, bte unbebhtgt feinen
9nla^ )ur @finbe giebt no$ ein fotii^er ifi, bie Siebe. Senn
bte @ünbe in einem ä^enfd^en t>on Siebe umgeben ift, fo ift
fie aufeertjalb tt)reö Clements, fie ift lx)ie eine belagerte ©tabt,
bie öon aUer 55erbinbung mit ben S^rigen abgefc^nitten ift,
fie ift tak ein bec bem ^tunfe Detfiel unb nun !na)i|)
geilten Don fitöften fommi mtb DevgeBeni^ anf eine belegen«
]^ märtet, fid^ burc| geiftiged ^rfinfe au^n^tfen. SCUer«
btngö fann (benn Ujaö fann ein öerberbter äJceiifd^ nidjt alle^
ftc^ felbft jum SSerberben machen) bie ©ünbe ^Inlafe an ber
Siebe nehmen, fann über fie »erbittert njerben unb toiber fie
rafen. ^t eS bie @ünbe auf bie S&nge mit bec
Siebe nic^t aui^; fold^e Auftritte fommen bal^ fel^t oft nur
im 5(nfang t)or, tüie tuenn ber Xrinfer eben in ben crftcn
Xagen, et)e alfo bie ärgtlid^e S3et)anblung genügenb Qc'xt
^aitt, i^ren (Hinflug geltenb 5U mad^en, feine gefd^mäc^te
kcaft bid %ux Kafevei fteigett. Unb bann, mü|te ant^
felbft bie Siebe einen aufgeben — bod^ nein, bad t^ut bte
Siebe nie, alfo melme!)r: mollte einer aud^, unüerbefferlic^,
an ber Siebe fortgefe^t 5lnla6 jur ©ünbe nehmen, fo folgt
baraud nic^t, bag nict)t Diele anbere gel^eilt mecben fönnen.
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— 125 —
Snfo *6(etBt ed bcnnod^ m^i, bog bie 2te6e ber @ünben
SRenge bedt
^)ie Dbrigfeit mufe oft ju fel)r fünftlidjen SJiagregeln
greifen, um einen ^erbred^er gefangen galten, unb ber
Xtgt mnft oft ffinftiic^ 8&nbtgung eines
Sßa^nfinntgen fd^affen: ber @ünber ober totrb bnrc^ feine
Umgebung fo eingc^möngt unb gugleic^ burd^ feine Um?
gebung fo befreit, tok burc^ bie ber Siebe. SBie oft njurbe
nid^t ber Qotn, ber im inneren glimmte unb nur auf
einen 9nla| martete, erftidt, tteil bie Siebe feinen Stnlag
bot! S3ie oft erftarb nid^t bie bdfe Suft, bie in ber
toollüftigcn ^Ingft ber S^eugier auf ber Sauer fafe unb nad^
einer (^elegenl)eit au§}päl}te, tüie oft erftarb fie in ber erften
^Regung, meit bie Siebe gar feinen ^ntafe gab unb in Siebe
barüber koad^, ba^ gat ^e (Sklegen^tt geboten »firbe!
SBie oft ioi(^ nid^ bie ßerbttterung ber @ee(e, bie fo
toerfid^tlid^, fo ttjol^j gerüftet, ja fo begierig ouf nenen ftnla^
»artete, fid^ über bie SSelt, über 9J?enfc6en, über ®ott, über
aßeg ju ärgern, toie oft loid^ fie nid^t einer milbern ^Stimmung,
meil bie Siebe gar feinen Hnlag gum ärger gab! SBie oft
t)eQOg er fid^ jnid^t loteber, biefer eingebilbete unb tro^ige
@inn, ber fidj beleibigt unb tyerfonnt meinte unb baraud
?lnla6 nat)m, me^r unb met)r fid) bag cinjubilbcn, n?äl)renb
er nur neuen ^Intag fuc^tc, um fid) alö bie gefränfte Unfc^ulb
bai5utl)un, mie oft oerjog er fid) n^teber, meit bie Siebe fo
linbemb, fo milb ^erteitenb gar feine (Sklegen^t für biefe
fconf^fte (Hinbilbung gab! Sie oft ftef nid^ ber fertige
böfc ^lan, ber nur in irgcnb einem §lnlag eine brauchbare
^uSrebe Ijatte finben moüen, in fid^ jufammen, meil bie Siebe
burd^auS feinen Slnlafe gab, ber bem S3öfen eine 2lu§rcbc
barbot! O, tm oiele f&tüjvtdj/ta finb fc^on abgen>e^rt, niie
mand^e böfen^orfö^e oereitelt, loie oiele DerjioeifelteSefc^Iüffe
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— 126 —
in 3.^crgeffen{)eit gcbrod)!, tüie üicte fünbige ©ebanfcn f^on
untermcgö anget^atten lüorben, bafe fie nid)t 5ur %f)at trurbcn;
toie manc^eg unbcfonnene SBort tuuibe nod^ zeitig uiUetbrüdtr
toett bie Siebe bie d^eUgen^ ntd^t gab!
XBe^ bem SRenfd^en, but^ ben bad Ärgernis fommt;
felig ber fiiebenbe, bcr butc^ ^ectoeigcrung jcbcÄ $(nlaffeg
ber @ünben ä}^enge bedt!
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VL
Hie £telie bUiU*
a, @ott 2oh, bie £iebe bleibt! SßaiS beim aud^ bie SBelt
bis ithnmt, toteaeic^ tM Xeuevfte, )oa9 btc auc^ im
SeBen begegnet, ob bit au^ fftt bettt Stieben, für ha» i&iiltt,
baS bu toiflft, 5U leiben bcfommcn fotlft, ob ouc^ bie 3J?enf(^cn
gleichgültig fic^ öon bir ab ober al^ geinbe gegen bic^ festen,
ob aud^ niemanb fid^ §u bir befennen unb bem befennen
tooQte, toad er bir fd^itlbet, ob felbft bein befter greunb bid^
tietleugtiete — loemt btt tiitr in beinern Streben, in beinern
^^un, in beinern SSort in 8BQf)r()eit bte SSIeBe jum S^W^
gel)abt ^aft: fo tröfte bid), benn bie Siebe bleibt; ttjorin fie
bein 9J?itn)iffer ift, bog bleibt ju beinern Slroft in (Srinnerang,
unb feliger aU jebe ^elbent^t irgenb eine« äKenfc^en, feiiger
aU menn (Skifter bir bienen, feiiger ift ed, baft bie ;giebe
betner gebenft! SBorin fte bein SRitnnffer tft ba« bleibt
beinern Xroft in (Srinnenntg, toeber ba8 (Slegenn^ftrtige nod§
bQ§ künftige, lüeber (Saget nod^ Xeufel unb gottlob and)
nid)t beineiS eigenen unruhigen ©innö bange ©ebanfen, au^
nic^t betned Sebent ungeftümfte unb fc^mierigfte ^ugenblide,
fo menig nne beined )6ebeni( (e^te Siugenblide bermbgen eft
bir 5u nehmen; benn bie Siebe bleibtl — - mtb tottm ber
1
— 128 —
9J?i6mut bic^ juerft fc^load) machen w'xü, fo baß bu bie fiuft,
rcc^t ju tüollcn, ücrlierft, unb er bann bic^ »icber ftarf maä^t
(ad), fo tok ber SJ^ifemut t^ut), ftarf im ^roj bcr 53ers
^agt^cit; toenn ber SWifemut bir allcä entleeren, ba^ ganjc
Sebcn 5U einer einförmigen unb nid^t^fagenben Sßicbcr*
^olung machen lüiÜ, fo bafe bu Ujo^I alleg ficM^r ober fo
gteidjgültig fiet)ft, ttjie gelb unb SBalb ujieber grünt, toie
ba^ bunte fieben in Suft unb SBaffer ujiebcr fic^ regt,
toic bcr SSögel @ang njiebcr ertönt, wie ber 9J?enfc^en (5)e-
fc^äftigfeit miebcr unb toieber fic^ mit allerlei ju t^un mac^t
— ba6 bu njol}l au6) toci^t, bog ®ott ift, eS bir aber ju
2J?ut ift, als t)ätte @r fic^ in fic^ fetbft äurücfgejogen, aU
toäre ®r in ^immelöfcrnc, fo unenblic^ ergaben über biefer
iRic^tigfeit, um berentoitlen fic^'g faum ju leben oerlo^nt;
toenn bcr 2J?i6mut bir baS gange Scben entfeelen toill, fo
bafe bu n)ol)l locißt, aber nur fo ft^njac^, bafe ß^riftuS ba
toar, bagegen mit beängftigenber ^eutlic^feit bir öor ber
(©cele fte^t, cS feien feitl)er fd^on 1800 3a^rc öerfloffen,
unb bir beöt)alb auc^ (Sr fo unenblic^ ferne f(^eint öon
biefer 9?id^tigfeit, um berentoillen fid^'ö faum ju leben
toerlof)nt — 0 fo bebenfe, bafe bie Siebe bleibt! 5)enn bleibt
bie Siebe, fo ift e5 jo glcid) geujife, bafe fic in ber 3w^"ft
ift, njcnn bu biefcS Xrofted bebarfft, unb baft fie in ber
©egeniDart ift, ttjenn bu biefeS XrofteS bebarfft. ^ücn
8c^recfniffen bcr 3"^""f^ ^^^^^ biefen Xroft entgegen: bie
Siebe bleibt; unb aller ©eflemmung unb 9)?attigfeit ber
OfJcgennjart l)alte biefen ^roft entgegen: bie Siebe bleibt. D,
irenn cß für ben 2öüftenbett)ot)ner ein Xroft ift, bafe er bc*
ftimmt njeig, eS giebt eine CueHe unb allemal toiebcr eine
Duelle, fo toeit er auc^ reift: ttielcf)e OueHe toäre bod^
fdjmerglidjer Dcrmifet, gäbe e§ ein fc^mcrjlic^ereS 2>erfd^mac^ten,
aU toenn bie Siebe nid^t toäre, nic^t etoig ba toäre!
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— 129 —
@ic^, bog ift ein fe^r erbaulicher ©cbanfe, bafe bie
£^iebe bleibt SBir teben ^ter Dott ber £tebe, bte bad gan^e
2)afetn trftgt, ttoii ber Siebe ®otled. SBenn fie beit einen
^[iigenHiä, einen einsigen Kugenblicf, andBItebe, fo mfi^
aücg fic^ öertpirren. Mein fie bleibt nic^t auö, unb barum
— ob Qud§ alles fic^ für bid) öertoirrte — bleibt bie Siebe,
^ir meinen alfo &otU& ^iebe, toma toxi fagen, bag fie
6lei6t.
50od^ {)anbe(n loit in biefent Süd^Ietn beft&nbig nnt
Dom hieben unb SBolten ber Siebe, unb bot)er nic^t öon
©ottcg Siebe, fonbern öon menfd^lid^er Siebe, ^latürlic^ fein
SWenf^ ift bie Siebe; loenn er in ber Siebe ift, fo ift er ein
ISiebenbet. änbed ift bie Siebe iÜbtiaVi ^ngegot, too ein
Siebenbec fi(^ finbet SRan fottte glauben unb ift fe^t oft
biefer iDZeinung, bte Siebe ^niifd^en iD'^enfc^ mtb Wtn'id) fei
ein SBert)altniS ätüifc^en jtoeien. ^5)ag ift oHerbingS fo, ift
über infofern unrichtig, olS bicfcS ^ßer^dltniö jugleid^ ein
^er^&ItniS jrtifc^en breicn ift. ©rftenS ift ein Siebenber ba,
fobann folc^je, bie geliebt finb, enbliti^ aU 5Dcitted bie Siebe
felbft. SBoIIen nnt benn bte menfc^Hd^e Siebe a(8 eine
„bleibenbe" be^eidjnen, fo meinen xvix hamxt eine Xl)ätigfeit;
baö iöleiben ift nic^t eine rut)enbe, fonbern eine in jebem
^ugenblid erioorbene (l^genfc^ft bet Siebe, bie fofort in
bem 9(ugenblid, ba fie emorben toirb, augleid^ in X^tigfeit
übergebt. 5Der Stebenbe bleibt, er bleibt in ber Siebe, betoa^rt
fic^ felbft in ber Siebe; eben baburc^ bewirft er, bafe feine
Siebe ben SJknfc^en gegenüber bleibt. (Sr bleibt ber Siebenbe
baburc^, bafe er in ber Siebe bleibt, burc^ fein ^üerbleiben in
ber Siebe bleibt feine Siebe; fie bleibt, unb bod ift'd twA
tm nunmehr erkoftgen looDen,
ba^ bie Siebe bleibt.
itiexletttfttb, nalten bec Siebe. IL 9
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— 130 —
„^te Siebe föltt nie baf)in" — fie bleibt.
SBenn boS ben ganzen Xog über brauBen bei
gfcembat gdKfeii tft itnb tacan bcnlt, baft j^cnny^ feO,
bot ttcQ obfx dOdit |it iiwM ^ f i i tooQt, imb fo
gerne möglic^ft lange Kei^ mdd^te, fo fogt es 5U feincni
älteren Begleiter, ber öieKei^t jrüljer gel)en tüoHte: „martc
auf mi^", unb fo t^ut biefer, toa^ baö Äinb erbittet. SBenn
Don jtoei Sleifegefä^cten bereute bem anbem etivad Doratt x% fo
fa0t bec pudere (itm mncl>ei(it: „UN^ imb fiot|nt
oct uOTDete, wie et gcoeieit lOutDe. xsemt Swet eine gc»
nteinfamc S^ieife bcfc^Ioffen ^aben unb fic^ barauf freuen^
ber eine aber franf Ujirb, fo fagt biefer: „ttjarte auf mic^";
unb ber anbere tl)ut nac^ jetner iBitte, äBcnn einer einem
anbem (^elb fc^lbtg tft unb nic^t be^^Ien Sonn, fo fagt er:
i^nxicte ein ttenig"^ nnb fo loUIffi^ bet anbete feniec Wttt»
SSenn bo9 tjerß^te 9Rftb<j|en fte^t, e9 toeibe fir bie 99et*
cinigung mit bem beliebten gro^e unb üielleicfit langnjierige
©c^toierigfeiten geben, fo fagt fie ju i^m: „marte auf mic^";
unb ber beliebte loartet \t)xcx 53itte gemäfe. Unb bad ift
ja fe^ fc^n nnb idbln^ fo auf einen anbent SKenfd^ ^
mtten; 06 aBet gecabe Siebe tft, bte bad t^ni, ^bm nmr
nod^ ntd^t gefe^. SBteHeidbt tft bie 3cttr bic gcttrartct »erben
foll, 5U furj, al§ bafe rec^t offenbar njerben fönnte, ob man eS
toirflic^ Siebe Reißen barf, bafe einer hjartet. Sl^, unb oiel*
leidet nnrb bie SBartejeit fo lang, baB bec ältere jum ^^tnbe
fagt: „nein, mm fann t^ itic^ (dnger anf btc( ANttten'*;
-trieffetc^t ging ber Songfamete fo fongfam ba^in, bag ber
5^orbere fagte: „nein, nun fann id^ nid)t länger auf bic^
toarten, fonft trerbe icf) fclbft 511 lange aufgcl)a(tcn"; t)ieüeicl)t
50g fic^ bie ^anf^eit fo in bie £äuge, bag ber greunb fagte:
,,netn, nun faitn tc^ ni(|t I&nger onf btc^ nmrten, id^ ntnft
je^t bie Weife aOetn machen"; tnelleid^ fonnte ber eine feine
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— 131 —
©d^iilb {o lange ni^t beäa^Ien, bafe ber anbere fagte: „nein,
je^t fanit td^ ntd^t länger njorten, mu| j[e|l mein (SIelb
^aBen''; tAtM^ rftdte bte ^niSf^t fftt tie ISevbinbnng mit
bcm SWäbd^en fotoett l^nouS, ba^ ber iSlelte^e fagte: „nein,
nun fann id^ nicf)t länger auf bid) lüorten, id) bin'^ mir
felbft unb meinem £eben fd^ulbig, bafe id^ nic^t fo auf§
Ungetüiffe Sa^t um 3a^r ^inge^n (äffe". ^te £iebe
a6er bleibt .
S)a8 We SJieBe Bleibt, ütefletd^t tttfjtiger, ob fie nutt
toirftid) in bem unb bem bleibt, ober ob fie aiifijört,
ift eine (Sac^e, bie ber 9}^en]d)en ©ebanfen aufö mannigfac^fte
befd)äftigt unb oft ben ©egenftanb it)rer ®efpräd)e, fe^r öft
ben ^u))tm^t in ben (Stgä^lungen bet ^vi^Ux BUbet. &
toirb bann aU (dBIid^ t)ingefteüt, bag bte SteBe BteiBe, t)tn«
gegen alg unmürbig, bafe fie nid^t bleibe, ba^ fie aufhöre,
ba6 fie fid) Oeränbere. 9^ur im erften gaU ift Siebe, im
anbern fteQt fic^ burc^ bie ^eränberung ^eraud, bag feine
Siebe ba ift — unb alfo and^ ni(|t bageloefen tfi ^ie
&aäjt ift bte: man lann nid^t anf^dren, Siebe jn l^aBen; ^at
man fie in 9Bof)r^ett, fo bleibt fie aud^; t)ört fie auf, fo
toax fie gar nie tt)irfli(^ ba. ^a§ 5luft)ören ber Siebe ^at
alfo für it)re ^Beurteilung rüdu}irfenbe £raft. Sa, ic^ fann
ed nid^t oft genug fagen unb nad^meifen: überall, too bte
Siebe babei ift, ift fo etmad unenblic^ ^ieffinniged. @ie^,
ein SRonn fann einmol ®etb gebabt ^aben, unb toenn bad
nun aufhört, fo bafe er fortan feineö meljr t)at, fo bleibt e^
bod^ gleich gewife unb tt)al)r, bafe er ®etb gehabt ^at.
SBcnn einer aber gu lieben aufhört, fo t)at er auc^ nie gc«
liebt. SBad ift boc^ fo milb koie bie Siebe, unb ttiad fo
ftrenge, fo eiferfüdf)tig auf fid^ felbft, fo genau toie We Siebe!
i)tun n^eiter. $ört olfo bie Siebe auf, fommt in ber
3unetgnug, in ber ^reunbfc^aft, fur^ in bem liBer^altnid ber
9*
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— 132 —
Siebe jioifd^en bciben ettoo^ bajtntfdften, fo ba^ bic öteSc
aufl^ört: fo tommt ed, iDte man fagt, 5U einem ^ruti^. ^ie
Siebe berbanb fie, fie brache fie itt guted (StiiDecft&ttbiiiS;
fommt nun ettoad bo^tDifd^en, fo ift bte Siebe tocrbtfingt fte
^ört auf, bie ^crbinbung tüirb abgebrochen, unb ber 93rudj
trennt bie beiben. Sä fommt otfo p einem 93ru^. liefen
<öj)rad^öcbrauc]^ fennt inbcffen baö St)riftentum nic^t, ed öer*
ftel^ t^n nitfft unb untt i^n nid^t tKvfte^. SBenn man
jagt, e9 fomme §u einem Qtm^, fo (legt ^iev bie 9Retnmtg p
®runbe, el befte{)e in ber ßiebe nur eine S^ejic^ung ättiifc^en
jnjeien, mä^renb eä fid^ trie gezeigt um ein 55erf)a(tni§
jloif^en breicn ^anbelt. 2)ie(e äfiebe oon einem öruc^ smifc^en
ben beiben ift tnd )tt leic^innig; ed entfielt ^ieburc^ ber
&^n, old Mte bod Siebei^Der^&Ünid eine @ac^e fioi]^
biefen Beiben, unb att tu&re gar Idn ^tter ba, ben bie
(Sac^e anginge. SBenn benn bie gtoei unter fic!^ einö mürben,
miteinanber ju brechen, fo märe alfo l^iegegen gar nic^tö
ein^uteenben. ^rec^en biefe beiben bad $erf)ö(tnig etm
anbex, fo ivütbe fecner bataud nid^t folgen, bag biefe beiben
gegenübet anbeten äRenfc^n nid^t C5nnten (tebetioll fein; fte
finb alfo Qud) ferner „liebcöoüe 3)ienfchen", nur mirb i!)re
öiebe je^t bloß ben anbern gegenüber angebracht, gerner
hätte ber, melcher al§ ber fc^ulbige "ileil ben 83tu(^ öcran*
lajjte, bie Übetmad^t, unb ber Unfc^ulbige to&te loe^IoS.
^od^ m&te ed j|a niebetttöd^tig, toenn ein Unfd^ulbiger bet
©cEimächere fein foHte; fo ift e§ aflerbingS in biefer 2ScU,
aber im Sid^t ber (Smigfeit fann ba§ nie rid^tig fein. Sßaö
tf)ut baher ba§ (Stjriftentum? ©ein (Srnft heftet ftrad^ bic
^ufmerf(am!eit bet (Stoigfeit auf ben ®in^nen, auf jeben
einiieltten ton ben beiben. Snbem n&mlid^ bie beiben in
einem SieBedt>er^(tni^ ju einonbet ftehen, ift jeber Don ihnen
in ft(^ in einem ^erhältni^ ^ur „iBiebe". ^un macht ed
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— 133 —
fU^ mit bem Scini^ ]tu|t gaii) fo leid^ Qcbor $1011
8ntd§ fmmt, bdoüt Ue 6etben fo toett bmnteit, bog fte t()r
SicbcSücr^äÜniS ju cinonber abbredjen, mu^ jeber juerft üon
„Derßiebe" abfallen, ^ag ift baö SSic^tige; barum rebet
ba^ (S^riftentwn ni(^t bakwtir bafc bie beiben miteinanbei:
bsec^tt, fonbem. t>im bcm, ukiA {mmev mtr bet (Sltii§e(tie
bim, bog flc «uon ber Siebe** abfalleii. Chi IBtit^ simf^eit
, ^ien f^medt i^m on^ttfe^r mdj bem (S^etrtebe ber B^itfid^«'
feit, aU iDÖrc bann bie ^Badje nid^t fo gefäljrlic^; aber t)on
„ber ^iebe" abzufallen, biefe Siebe ^at toigfeü^mfi.
@ie(), nun ift aUed in feiner Dtbniuig, nun fann bie @n)tg«
ieit j^tt^ mh Ocbmmg ^cäkn, nm fott ber butd^ ben
IBxntS) unfd)ulbig Seibenbe nod^ bet ^tfcte toerben, »eiiit
er nid^t auc^ öon ber „Siebe" abfööt. Sßäre bie Siebe
einjig nnb allein ein ^serljäüni^ älpifc^en gtoeien, fo loäre
ber eine Xeü beftänbig in ber (SJewatt be^ anbern, »enn
biefet anbere niebrig bad S^er^ltnid btec^n looUte. SBenn
in bem SSer^ttnii^ nnr sioet finb, fo fyd bet eine befiftnbig
boi^ 8ec^(tm9 in feiner 9(mXt, ba er eil anflöfen fomt;
benn fobatb ber eine gebrorf)en l)at, ift bag IBerpItniö
auö. (Sinb e^ aber brei, fo fann ber eine ba§ nic^t mactien.
S)et 2)ritte ift ttjie gefagt bie „Siebe" felbft; unb an fic
fum ber im fßmtfy unfc^uUng Seibenbe fic^ ^ten, fo-bafs ber
8ntf^ feine IRac^t über i^n ^ai Unb ber e^nlbige foQ
fid^ nur nid^t rühmen, er fei tion ber @a^e leidsten ^aufd
Weggefommen; benn öon ber „Siebe" abäufallcn, ja baö ift
ber teuerfte ^reiö, baö ^at einen anbern ©ruft al^, toa^ fo
fci^neü gefd^et)en ift, mit einem einzelnen S)*{enf(|en ju brechen
— nnb im ftbrigen in oQer Seife ein guter nnb UebeooQer
SRenfc^ 5U fein.
Mein ber ttja^re Siebenbe fällt nie Don ber „Siebe"
ab, barum tann ^ für i^n nie einem 83ruc^ fommei:;
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— 134 —
beim bie Siebe btettt ftomt fM^ in einem Set^&ttni»
jtuifc^cTt ^toeien ber eine ben Onn!^ tei^tnbecnr nienn bec
anbere bri^t? 9J?an foHtc ja freilid) bcnfcn, einer öon
gtüeien fei genügenb baö ^l^erljältnic^ 5U brcd)en, uiib tüenn
baS ^er^dltnid gebrochen ift, fei ja bei Sbxuä) ha. ge«
toiffem @inne nec^ ed ftc^ au{l^ fo; toenn aj^ bec Stcknbe
ho^ tum bec «Siebe" nid^ ttbfftUi, tum et ben Qcn^ net»
l^betn, tonn er bie9 SB^intber t^un; bentt menn ec bleibt,
fo fatin bcr Sruc^ nie rcc^t ftanbe fommen. ^urc^ [ein
S3(eiben (iinb in biefem S3Ieiben i)t ber Siebenbe im 33unbc
mit bem ^igen) be^cUt ec bie ^Diad}t über baiS Vergangene,
f 0 ba|^ ttNid in bec SSecgongenleit nnb bncd^ biefe ein ^cnd^
ifl. Hon i§m 5U einem in bec gnlnnft ntdgU^ Oec^ttniil
nrngennrnbett toirb. iBeim iBIicf rfidtoftctö ouf bie Vet«
gangen ^eit njirb ber S3ruc^ mit jebem ^ag unb 3a^r beut*
lic^c unb beutlic^er; ber Siebenbe aber, ber bleibt, gehört
ja, eben inbem ec Uabt, ber ^u^unft, bem (Stoigen an, unb
fftc ben mi boctoiictS in bie 3nfnnft ift bec »cnd^ nid^
ein 8md^, inelme^r eine SRdg(tc^fdt Vbtt l^ie^u geböten
(Sloigfeitöfräfte, unb barum mu\] ber Siebenbe, njelc^er bleibt,
in ber „Siebe" bleiben, fonft ßctuinnt bic 5>ergangcn^eit nad)
unb nac^ bodj äJ^ad^t, unb bann lommt nad^ unb nac^ ber
Scud^ ium IBocfd^n. 3a fceiltc^, um fofoct im entfc^eibenben
HngenbCid bie Seegängen)^ in bie guCnnft nn^ufd^affen,
l^ieju get)5ren (Stütglettdtrdfte! $Dod^ beft^t bad Stetben in
bcr Siebe biefe 9)^ad)t.
9Bie foU id^ nun baö Seben biefer Siebe befd^reiben?
D bag id^ unerfd^d))fli^ befd^reiben fönnte, toai fo unbe^
fd^ceiblid^ ecfcenlid^ unb fo ecbanlid^ jnm 5Denfien ift!
@o fam ed benn ^n einem 8md^ 5it)ifd)en ben Betben;
eg tüar ein SWifeöerftänbniö, bod^ bra^ ber eine ba§ '^er«
^ältni^ ab. 2)er Siebenbe aber fagt ,;ic^ bleibe'' — fo ba|
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— 135 —
cd bix]| feinen 8rn(i^ gieM. ^enfe Mr ein ^ufammengefe^teiS
SBort, baS te^te SSort foH fehlen, fo baß toxi nur baö erfte
Söort unb bcn 33inbeftrid^ l}Q6en (benn luer baö 55erl)ältnid
f)ricf)t, fonn boc^ ben ©inbeftrid) nicf)t mit fid^ nehmen, il}n
be^It natürlich bev fiiebenbe auf feinet ©eile); benle btr
otfo t>ott einem ^ufammengefegten SBort bod erfie Sort nnb
bcn ©inbcftrid^ unb bcnfc bir nun, bu toiffcft fonft meiter
nic^tg: toa^ ttjirft bu bann barüber fagen? ^u njtrft fagcn,
baS ^ort fei nic^t fertig, fe^le ctmad. @o bei bcm
Siebenbeii. cd einem Srncl lam, fann man ttic^t
nnmitteUav fe^, fann man nur Don bec Secgangcn^cit fjix
tpiffcn. SDer SicBcnbe aber toitt ba« JBergangene nid^t luiffcn,
benn er bleibt; luer ober „bleibt", x'idjkt ben 53licf auf bic
3u!unft. 5Ufo brüdt ber £iebenbe quö, bas il>er^ältmö, baö
ber anbete gebtodien ^eigt, fei ein $ert)ä(tnid, bad nod^ nid^t
fertig gemorben. Iföeil aber ettood fel^tt, barum ifi ^ nod^
nid^t gebrod^en. tommt alfo nnr barauf an, lote man
bie (gad^e anfielet; unb ber Siebenbe, er bleibt. — @o fom
eö alfo ju einem S3ruc^, ein SSortftreit trennte bic beiben,
bod^ brad^ ber eine, er fagte: jtoifc^en unö ift cö aud. 3)er
£iebenbe aber bleibt, er fagt: ^Uiifd^en nniS ift cd nid^t and,
mir ftnb noc^ mitten im @a|; ber @a^ ift blog no(^ ni(!^t
aus. 3ft eg nid)t fo? SSoö ift für ein Unterf^ieb gttjifd^en
einem Örud)ftüd unb einem @q§, ber nod) nic^t an^ ift?
Um etnjQ^ ein öruc^ftüd ^ei|en, mufe man miffen, bajj
nid}t me^r Eommt; mei^ man barüber nid^td, fo fagt man,
ber @a| ift nod^ nid^t and. Son ber Sergangen^ and,
nod^bem e« entfc^iebcn ift, bafe nidjt mct)r fommt, fogcn wir:
„eg ift ein 53ruc^ftüdt"; ber 3"^""!^ äugciuenbet unb auf ba^
SBeitere martenb fagen mir: ber (^a|^ ift nic^t fertig, ed
fet^It noc^ etmod. — @o fam ed benn )tt einem fdtü^, ed
mar Serftimmt^t, ftfilte, ®(ei(^filtigleit, mad fie trennte;
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— 186 —
l>o4 teiMl| €t]ie, tt fogtc: «^id^ tebe md^ nc^ nttt bem
8Renf(!^eii, fe^ t^n nid^t mel^r. an.'' 5Der SH^be oBcc
fogt: 6(ei6c, fo Tcben nnt bo(^ initcinanbcr, bcnn im
ÖJejpräc^ tritt ja auc^ manc^mQl eine $aufe ein." Sft e^
itid^t fjo? (^fe^t nun fie Rotten feit brei Sohren nic^t me^r
mitetnanbet gerebet. @ie^, Ijßitc ^eigt ei» fic^ koiebet.
€0 biet fiitb, ioim nmn nur tH>n ber SBetgoiigeiil^
and )Dif[en; thn ben Stebmben aber, ber jeben Xog fid^
bnrd^ baö Swige üerjünjit unb bleibt, t)at bie ^l^ergangeiüjcit
gar feine 9D?acf)t. SBenn bu jlüei 9}?enfc^en ftiUfd)tt)eigcnb
ttebeneinanber fi^en fe^en toürbeft unb bu njit^teft fonft
nu^tör iDftrbeft bn barond fc^liegen, ba| fk feit brei Sa^rm
nU^ mileinanber rd>eten? Aonn jentonb befttnunen^ ttrit
lange bie 8idie|)aufe banem fo0, M man fagen fonn, nun
tft ba^ ©efpräc^ ju (Snbe; unb fann man'g beftimnten, )o
fann man bod§ nid^t im einzelnen gatle nur beim ^&iid auf
bie SSergaußen^eit miffcn, ob eg fo ift, benn bie $tit muß
|a Hergängen fein. S)er £tebenbe aber, ber bleibt, rei^ fti|
beft&nbtg t)on feinem XBiffen nm bie Sergangen^ et
toei^ ni^tg SSergangeneÄ, er toartet nur auf ba§, noc^
fommt. 3ft ber ^anj abgebrochen, njeil ber eine Xanjet
toeggegangen ift? ©emiffermagen. SOSenn ober bei onbere
in ber Stellung fte^n bleibt, ald looUte er eben tan^, unb
bn toeilt nif^tS bom SorgefaUenen, fo nnrfi bn fagen: „nun
nnrb ber ^n^ beginnen, i'obalb nur ber anbere fommt, auf
ben man njortet." ©djaff baö Vergangene toeg, üerfenfe e§
im tt)irflid} enjigen 3?ergeffen, inbem bu liebenb bleibft, )o
ift ha^ @nbe eben luieber ber 5Infang, unb e^ giebt feinen
IBruc^I SSBenn ber Xreulofe bai» SK&bc^ bertieg, fte aber
in ber 5DAmmemng {eben flbenb am genfier ft|t nnb ttnirtet,
fo bag fie jeben flbenb audbrfid^t: nun !ommt et, jegt eben
lommt er, fo fie^t c& aUabenblic^ au&, ald t)ätte ed feinen
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S3rud) gegeben; benn fie bleibt. 2)a6 fie bret Sat)re lang
jcben 5(benb fo ba gejeffen ift, brücft fie ja md)t an jebem
einzelnen Hbenb aud; baS entbecft barunt auc| ein fSoxuhu
gel^enber ttid^t, fo toeitig aU fie felbft banoti toetg, metm fie
n&mfid^ kmrht^ KeBenb Bkttt. SDoc^ tnettetfi^t Ue6te baS
9}?äbc^cn eigentlid^ ftd) felbft. @ie ttJünf^te bie SSerbinbung
mit bem beliebten um it)retn)iaen ; biefe mx \l)x einziger
SSunfd^, i^rc ©ee(e ging ganj auf in biefem SßSunfd^. ^üm
^bant für bie ü^rfMung mtkt fie oUed aufbieten, um bad
Seben bed (Beliebten fo \^bn mdgltd^ ju geftolten; oOet»
btng^; aber hoä), boc^ loünfc^te fie bie SJerbinbmtg um i^rer
felbft lüillen. Sft bem fo, fo mirb fie xvoiji müht, fie ad)tet
auf baS, toa& hinter i^r Hegt, bie lange Qüt — nun figt
fie nic^t länger am ^enfter, fie brüdt aul^, bog ber 83ru^
etng^tieten ifi; bie £iebe aber bleibt — @o !am ei$ benn
§tt einem 9vn^; toai^ aniä^ ber %nta% getoefen fei, ber eine
hiad) baä 5Ser^äItni^, eö mx fd)rccflicf), ^afe, elüiger, un*
oerfö^nlid^cr ^afe foÜte für fünftig feine ©eele füllen, „ic^
toiU bicfen äÄcnfc^en nie me^r fet)en, unfere SBege finb etoig
gefc^ben, bed ^ffed gö^nenber tibgmnb ift snnfd^en und."
Ost rftumt tDoffi, ein, fie feien auf bem SBeg gufammen, fo»
fern baö fieben bod^ ein SSeg ift, in einem anbern ©inn
aber auc^ nic^t; er üermcibet forgfam, bafe fein ^^^jab ben beä
Sßerljafeten Ereuje; bic SBelt bietet it)m faft ju ttjenig
Siaum für fie beibe; ift i^m eine Oual mit bem f&tu
jagten in berfelben Seit %u atmen; ed f^nbert il^n faft,
bafe eg nur ©ine ©toigfeit für fie beibe geben foH. 3)er
ßiebcnbe aber bleibt. „3c^ bleibe", fagt er, „fo finb njir boc^
auf einem SBege miteinaiü)er." Sft e^ nic^t auc^ fo? SBcnn
fion ftttgeln {tocA ia jeber oerfuc^n fann) fo jufammen«
ftogen, bog bie eine gerabe bnn^ ben 6to^ bie anbcre in
i^rem Sauf mit fic^ nimmt, finb fie bann nid^t auf einem
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aSege miteutanbev? S)a6 ba9 buvd^ ben 3»f<^inin<nftog fo
fam, fiet)t man nt<l^, \Ht9 ift eht iBergangened, tDoS moit
toiffcn muB- "Der Siebcnbe aber mU bog S^ergangene nic^t
iDtffen, er bleibt, er bleibt auf bem Sßege mit bem, bcr
fyiit, fo bafe cÄ alfo bo^ feinen S3rud^ gicbt.
fSkl^ nmnberbate ftraft bix| nic^ bie £te6e! ^DoS
allmäd^tigfte ffioct, bad je gefpro^cn toittbe, ja bad ift ^otted
©d)öpferuiort : „toerbe!" 2)a^ mäc^tigfte SBort au§ bem
!D?unbc cineö 9Kenfd)en aber ift ba§ SSort bcö Siebenben: id^
bleibe. S^crfö^nt mit fic^ unb feinem ©emiffen, ®otte^ grcunb,
im Sunb mit aUen guten (Ingeln ge^t ber Biebenbe me^rtod
in ben gefäJ^rlic^ftcn Stam\^, er fagt nnt: „id^ Mcibe". Unb
fo lDat)r er ber Siebenbe ift, er tt)irb bod^ fiegen, fiegen burd^
fein ©(eiben, noc^ l}crrlid)er fiegen benn jener ^^ömer burc^
fein ßonbern; benn ber Siebe bleiben ift an fid) üiel l)errli^er.
@o tixi^r er ber Siebenbe ift: ed giebt lein ä^^Derft&nbnid,
baS nid^t früher ober \p&ttc bnrd^ fein SIeiben übertonnben
toürbe; gicbt feinen ^a%, bcr nic^t julc^t fid^ aufgeben unb
feinem bleiben fic^ ergeben müßte — trenn nid^t früljer, fo
bod^ in ber (Smigfeit. <Sie^, mer fic^ eineg anbern Siebe er*
fc^Iid^ unb alfo im S3efi( berfelben ift, mug aUe Slugenblicte
fürchten, fie ttiieber ^n oerßeren. SBer aber für feine Siebe
getiofet n»ntbe, ift ciüig fieser, bte ßicbe ju genminen. ftann'd
nid^t bie ^t\t, fo mirb bod) bie Gmigfeit bem anbern ben
ipag enttt)inben, fein ^uge für bie „Siebe" öffnen unb bamit
auc^ für bie Siebe, bie baS ganje Seben btieb unb nun in
®kmgfeit bleibt. — ©o fällt benn bie Siebe nie bal^ —
fie bleibt.
"^^ie Siebe bleibt — fie mirb nie t)infäIHg.
(Siner gemiffen natürlid^en ©utmütigfeit, einer geroiffen
moI)ImoIIenben Xeilnaf)me unb 2)ienftferti9feit geben mir mit
l^ergnügen bad S^ugnti^, bag fie fid^ eine getoiffe j^it ^in*
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fyüitn laffcn foiitt iiitb bod^ licBcuoII Bleibt — ba^ fic aber
mit bei* Sänge ber Qcit ermattet, luenn [ie lange t)tn*
gebogen toirb, ift nur ofljugetoife. Sänge, Sänge ber ^dt
ift ttio^t bie gotbenmg, bte bte mdften ^um SBanfen bnngt.
9n bet ^anbefötoeft gefd^ie^ e9 (duftget, ba^ ein su
gott fommt, toeil ptö|üd^ eine grofee gorberung auf ein»
mal an ba^felbe gemad)t njirb; in ber SSelt beg ©eiftcö aber
ift eö bie Sänge, bie fo mand^en §u gatt bringt, ^ie 3)?enf^en
finb für einen ^ugenMidE ftar! genug, auf bie Sänge aber
Derfagen i^nen bie Jtt&fie. %>o^ bie Siebe bleibt D, koie
toiffen m^t ^(!^ter nnb Kebner bte allgemeine iBerfinbetlid^«
feit ju fd^ilbern, bie Wad^t ber ^txt über atleg, toaö in ber
3eit entftanb, ju jeigen, über bie größten, bte getoaltigften,
bie tierrlic^ften SSerfc, über bie SBunbcrtoerfe ber 2Be(t, bie
mit ber Qat ^u faft unlenntlic^ Ruinen toerben, ftbcr bie
unftecbltci^ften Spanien, bie mit ber Qtxt m ber Stebel^aftig»
feit ber ®age fic^ üerKeren!
ilann nun aber ber Siebe, ttJÖ^renb fie bleibt, nid^t ettt)oS
begegnen, infolge bcffen fie jmar bleibt, aber bod^ in ber Qtit
fid^ M&nbert, nur ba| bad nid^t i^re @d^ulb, fonbem ein
Seiben tti&re? ^e @ad^ Mre a(fo bte: bie Siebe bleibt,
fein Umfianb üeränbcrt fie ober bringt fie baju, fid^ felbft
aufzugeben, boc^ gct)t eine Umnjonbtung mit xijx t>or; fie iuirb
^tnfäÜig, o^ne bag tpir bod^ t)on i^r fagen bürften, fie faUe
ba^in.
SBir koollen einen Ibigenblid bon bem reben, toad bie
Sente fo fet)r befd^öftigt, Don ber Siebe ju einem S^Sbci^en
unb baüon, ba^ biefeg, mie bie ^icf)ter fo gerne bef einreiben,
in ber 2)ämmerung allabenblid^ am genfter fi^t unb bcö
(deliebten koartet, qc^, niä^renb bie ^tit fommt unb bie 3eit
ge^. 9tun ift eS (ftngft Dorbei, benn ed gefd^^, fagt bec
Vii^tt, „in löngft entfd^mnnbenen 3eiten". 2)a9 SVfftb^
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— 140 —
mecite nic^t, mit bie tarn unb bie 3^^^ ging, lo&^tenb
fte koattete — unb to&^eitb bod^ boi» ^ ber Qnt an
% felBft fic^tbor nmtbc. »ir fagen fonft blofe, „bie 3eit
get)e", o fic gel)t fo rafdj für bcn ©lüdlic^en, fo unbefdjrciblic^
langfam für ben betrübten. Dbcr toir fagen, „bie ^di
Ummt'\ 0 fie !ommt fo langfam füt ben ^offenben, nuc
aH^utafd^ für ben gfin^tenben. $ter ober fagt ber Sbidfim
bortrefflid^: „bie 3eit fomntt itnb bte 3^t ge^t", bennermiO
ba§ Minuten befc^reiben; unb für ben SBartenben ge^t fte
nid)t bloB nnb fommt fie n{d)t blofe, fie fommt unb gc^t.
Slud Xeilna^me für bad nxirtenbe Tlähdi^tn na^m e§ bie 3eit
gleid^fam anf fic^ }u t^nn, toad eigentUti^ ber %xmio\t ^fitte
t^un foQen. ffienn fo bie Q6t tarn, ha „Qpt** ^tte fommen
foQen, tarn bie 3^^^ ®^ ^^^^^^ ^^m nicftt; unb fo ging bie
3eit lieber, biö bie ^c\t tarn, ba e§ an ber Qdt mar, bafe
„@r" fommen foüte, er ber nic^t fam. Unb fo micgte bie
3eit mit i^rem llommeit nnb (^e|en bod toartenbe SD^abd^,
M fte, in biefem $tn unb $er eingetoiegt, in ber Snoartnng
9iu!)e fanb. i8erwunberlid^ ! 9Won foEtc glauben , bie (5r*
loartung muffe einen 3)^enfd)en am meiftcn md) erf)alten;
boc^ ift bie (Snoartung, toenn man ftc^ i^r gon^ Ijingiebt, fo
einfd^lafernb, unb bad ift nic^t fo oertounbertic^ 2)enn loenn
btt bid^ f(|(ofen gelegt ^ft, unb man mürbe bann pVilfixd^,
M^renb bu fd^Iiefeft, eine SGßafferfäuIe in ntä^tigem @tra^
emporfteigen (offen, fo ttjürbcft bu erfd)rerft auö beinern
©djlafe auffaljren. SÜBiflft bu bic^ aber an einem (Spring*
brunnen 5ur 9lu^e nieberlegen: nie l)aft bu füger, nie fü^Ier,
nie angenehmer gefci^Iafen Äld bei biefem einfc^Idfemben, pläU
fd^entben, fpringenben SBafferl SCtfo bie 3^t lam unb bie
3eit ging; baS 3}?äbc^en fiel toa()r(id) üon i^rer Siebe nic^t
ab, aber bod) fd)tt)anb fie ba^in — benn nid^t bie Qt'it fcf)tt)anb
bal^in, nein, fie fam unb fie ging, aber bad ä^dbc^en fc^mattb
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— 141 —
ba^in. @t)rc biefer treuen @eele ! @ic Ijat ja qu^ bie @f)rc,
bie gröfete meufc^tic^e (St)re: ba^ ein 2)ic^ter fie befungen ^at,
itid)t n^ie eS ein ©elegen^eitöbid^ter um @e(b t^ut ober koetl
. tHA äR6b(|ett tricilet^ Dome^mcc ^tiiuift toat, ober loetl
fie ber ^Ul^tet trielleicl^t gefoimt ^fitte. fRan, i^ffen Kitmeii
fennt man nid^t, nur it)rc fd^önc il^at, bie bcn ei^eit ^<if^
bcgeifterte. SBir tt)oIIen nie üergeffen, bafe e^ eine eblc iDeiblidje
^l)at ift, eine grofee unb ^errlid)e X^at ift, fic^ fo. in feiner
£tebe treu bleiben, totrb auc^ ^od^ in @^ren geilten
tiitXbm ttiib foU bitn^ bie ^ofa bd» Sebciti» nie üUtimä^n
loetben, fo lange eft einen 1^<^ in ber Seit giebt; nnb
ift bie SBelt einmal fo armfetig getoorben, ba§ fein 2)ic^tcr
me!)r ba ift, fo n)irb ba§ ®ef(^Ied)t barob Dcr^tücifeln, bafe
ed leinen jDid^ter met)r giebt, unb bann toirb mieber ein iS)ic^er
bmmen, bec eine foh^ in dfe^ren ^äit
&t f «IttNuib bo^ — ein Df^ ber Siebe. Unb bo4
ift eben ba8 boiB $iM§fte, nnid man t)on einem Sl^enfd^en fagen
fann: er njurbe ein Dpfer. 9^ur ift bie ^rage, ob er ein
Dpfer für bog 4)öd)fte lourbe? SDoc^ ein £)p\a ju »erben
ift unb bleibt, fo lange bie SS^elt mit bleibt, im Sic^ ber
<£loigfeit eine »eit grO|ere 5üjßt o(d einen @ieg batoon jn
tragen; bemi fo oo&iommen ift bie Seit loa^rli^ ntd^t, ba^
ein ©ieg in ber 3Belt nic^t einen bebenflic^en S3eigefc^macf
nad) ber ^Irmfetigfeit ber 2BcÜ bcljielte, meil er bodft eine
gemiffe ii^ermanbtf^aft mit ber SBelt oorouöfe^t. ^amit bafe
man in ber fBkit fiege, oer^lt fic^ ät)nli^ n^ie mit bem,
ba| man etmaft ttrogeiS in i^ ttierbe; biefe« (e|tere ift in
ber Sieget eine bebenffi^e €ac^e, ba bie Seit nid^t fo oor«
trefflid) ift, bafj eö etmaö (^rofeeS ju bebeuten l)ätte, lucnn
fie jemanben für etnwd ©roßed erllärt — außer aU unbc*
toufete ^In^üglid^fcit.
lUfo tM SK&bd^n lourbe ein 0)ifer feiner Siebe. Seiber
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ober ifi bie naiMxä^ Siebe m<^ bte Siebe int ^öd^ften ©imt
uttb nicf)t ba§ §üd)ftc: fic^, barum fd)lDanb fie baljin —
liebenäiüürbig im ^obe, tpie fie e§ im 2eben geloefen loar,
ober mit ber SluiS^etc^nung, bag bie notärlid^e Siebe boc^ i^r
^dc^fted getoefen toat. ttnb biefe Siebe ift ein föutifc^ für
biefed Sebeit; barum l^tte bie 3^tt äRoc^t fiber fie, bantm
fc^tüanb fic bQ()in in ber Siebe; bis^ aud) biefe bal)infdirt)anb,
toä^renb fie bocf) iruf^te, bafe fie über bic Qtxt 2Wac^t ^atte,
benn fie fiel nic^t ab Don i^rcr Siebe.
Sbit Siebe aber Metbt — fie koirb nie ^nfäUig. Sbtnn
eben in ber ®eifted(iebe ift ber OueE, ber jum etotgen Beben
oufftcigt. 2)q6 öuc^ bicfer Siebenbe mit ben 3Qf)ren aUcrt,
einmal in ber Qdt ftirbt, beiueift nid^tS; benn feine 2iebe
bleibt bix^ ekoig jung. @d ge^t i^m mit feiner Siebe nid^t,
tt>ie ed ber natörlic^n Siebe ge^t, bte ein fiinb ber Qntlitl^*
feit ab^öngig Don ber 3ett(id|(eit ift; fftr feine Siebe ift bte
(Stoigfeit bic rechte 3al)re§3cit. ©tirbt er, fo ift er gerobe
am giel; ftirbt er, fo fteüt fic^ gerabe t)eraug, bafe er nic^t
t)eigeblic^ n^artete; ac^, ali^ baS junge 3}?äbc^en ftarb, jagten
tm gerabe: leiber geigte ed ficb, bag fie t>ergebli€^ ttKirtete.
SBie fottte qu^ bie Siebe, bie bleibt, ^inföUig ttcrben? Sann
benn Unfterblic^feit hinfällig toerben? 9Sk9 giebt aber einem
SD^enjdjen Un]tcibücf)feit, luag anbere^ olö bie Siebe, bie
bleibt? ^enn notürli^e Siebe öerbanft tt)r ^afein ber
3citlict)feit, ift baä fc^önfte, aber bod^ jartefte £inb ber
geitlid^Ceit. Sßir begegnen ba^r l^ier einem tieferen Sßiber«
fpru(^. 9n bem fD^&bc^en l^aftete fein SD^ofet, fte ttMir nnb
blieb \[)ux Siebe treu, ^oä) öeränbertc fid) it)re Siebe mit
ben Sohren etmaS. 2)aö liegt an biefer Siebe felbft. 2)er
SBiberfpruc^ ift benn ber: bafe man mit bem reblic^ftcn
SBillen, fic^ toidig p opfern, bod^ in tieferem @inn nic^
nnbebingt treu fein ober in bem bleiben fann, ttMii^ felbft
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nic^t etüig bleibt — unb bog tf)ut biefe Siebe nid^t. 2)a^
äJiäbdjen ^)at t)ie[Ieid)t felbft nidjt Deiftonben, toic bied ju*
fantmen^g; aber biefer innere S£Biberf{>mcl^ in i^r towr ba^
SBe^ntfitige an t^m %oU. Sba^ fte ein D)>fer toirb, fyii
nidf)t bie SBeit)c unb botjcr aiic^ nic^t bog ©egeifternbe unb
(£rl)ebenbe beö ©tüigen, bagegen ^Qt eö bie äBe^mut ber
3eitlid)£eit unb begeiftert barum ben 2)tc^ter.
^ad jjunge äJi^äbd^en fc^ttninb ba^in. ©elbft menn „Sr"
getommen inäre, alfo getommen el^e ber Xob fant, ed märe
boc^ §u fpät getocfen. @ie Mtel&; «to bte geit ^tte i^ren
SSunfcf) entfräftet, burdj ben fie lebte, U)dl)renb boc^ berfelbe
äBunfd) fie öerjefirte. SßBcr hingegen im tiefften ©inne liebt
nnb babei bleibt, er toixh nid^t t)infQnig; feine IBiebe 5ef)rt
nt<^t SSenn ber, loelc^er tl^n mi^Derftanb, nyenn ber, tod^
fall gegen if)n Blieb, toenn ber, totlfyx t^n {)agte, fic^ 5urfl(f«
ttjcnbet, er finbet i^n unüeranbcrt, unüeränbert mit berfclben
©et)nfud)t na^ bem ^tüigcn unb mit berjelben ftiüen ^e*
ru^iguug in bem geitlid^cn. (Seine Siebe ift ctoig, bejie^t
ftc^ auf bie (Stoigfeit, ru^t im d^toigen; barmn ertoartet er
jeben Hugenbliä baiSfelbe, toad er etoig ertoartet, unb ba»
§er o\)nt llnrut)e, bcnn in ber ©toigfeit giebt eS geit genug.
©od bie (Smartung ber Siebe einen 9)?cnfd)en ttjcfentlid)
^infäüig madjen, fo mug feine (^rttjartung in einem 3(6»
^ngigfeitdoert^Ctnid snr Q^xt ftet^n, fo baB bei ber 3^it
bie (Sntf (Reibung fte^t, ob bie Chtoartnng erfüllt toirb ober
ni(^t. toiti fogen, in bicfem ift bie ©rtoartung
UjefentHd) eine jeittidje ©martung; eine fold^e ^egt ober
bie Siebe, bie bleibt, nid)t. S)q6 eine (Srtoartung teef entließ
nur seitlid^ ift, bringt Unru^ in fie. O^e Unruhe giebt
t» eigentlich feine geit; fte ift für bad Zier m(|t ba, ba«
gan5 o()nc Unru()e ift, unb bte fann bie 8«* ^^^^ ^n*
geigen, toenn bie Uncut^e ftiUfte^t SQ3eun aber bie Un«
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rul)c, tüeld^c bcr b(of^ ^eitlidjen ©rtoartung eignet, fo jtüifd^cn
erfüHuitg unb Dlic^terfüIIunp l)in* unb (}erfc^tT)ingt, bafe bie
Öetoegung fid^ in ber ßeit befc^Ieunigt; toenn baS S)a^in*
fc^ittben bei Qtit bie Unrul^e onftoc^U, ba ja bie (i^Qung
itid^t etntteteit fann, loeim fte nic^t in ber fomnit —
tpcnn bie« ber %aU ift, fo je^rt bie ©rtoartuttg. ©d^liefelic^
ge^t bann bie llnrut)e fc^einbar öorüber, leiber gerabe bann,
trenn bie Slranll^eit einer $lu§äe^rung getoorben ift. Söa«
übte ber in feiner 2iebe Bleibenbe erwartet, bad ift ein
(SiDtged; ^er ift tooffi anc^ eine Unnil^, bie in ber 3^
jmifd^en (Srffidnng nnb SWd^terfüflung f)in* nnb t^erfc^tüingt,
aber bieieö ümige giebt ber Unrul)e eine ®leicf)mä6igfcit unb
ma^t fie bon ber Qtit unabhängig; auc^ ift bie (Erfüllung
bed Srtoarteten nicbt mit bent Ablauf ber Q/tit unmöglich
gemad^t — eben bamm ^el^rt bie (i^artung an biefent
Siebenben md^t
ffiel^e Xrcue in ber J^iebe, bie bleibt! @g ift burti^oug
nic^t unfre 9D?einung, baö liebenbe 3J?äb(^en t)erab5ufc^en,
atö kDäre ed bod^ eine ^rt Untreue üon it)r (at^ eine Un«
treue — gegen einen Xrenlofen!), ba^ fie mit ben Solaren
tion fträften fam nnb bQhinfd^n)anb, bag bie Serftnbemng,
bie mit ben Sat)ren fommt, auc^ i^re ßicbe alterte. Unb
bodi, büd) — e^3 ift eine fonberbare Sheujung innerer Söiber=
fprüdje, allein ed !ann au^ bei bei ^öc^ften Xreue in biejer
fiiebe nid^t anberd fein, atö bog fie faft nrie Untreue onB*
fte^t, tt)ei( nömtic^ biefe Siebe ntc^t felbft bad (Etoige ift S)er
SSiberfprud) Hegt nic^t im 9Wäbd^cn, fie Blieb fi(!§ treu; bcr
Söiberfprud), unter bem ba« aj?äbci^en felbft litt, liegt barin,
bafe biefe Siebe nic^t bog (Smige ift, unb alfo in ber Unmög«
lic^feit etned etoig treuen geft^IteniS an bem, tOQ& an fic^
felbft nic^t bad (Endige ift SBeld^ Xrene bagegen ift in
ber Siebe, UPeld^e gan^ unberfinbert, o^ne bie geringfte ^in«
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— 145 —
fälligfeit, in jebem ^lugenbücf biefelbe bleibt — and) bann,
toann enblid^ beliebiger ßeit unb (Stunbe ber anbere öon
feinem a9h6k)erftänbnid, feiner geinbfd^ft, feinem ^js miebet
einlenkt mib biefem Siebenben fid^ pmenbet! 5Da| er, ber
MeiK bod^ felbft nie ^infättig »irb, ift tooffi für i^n fctbft
ein emiger ®en)tnn, ift aber pgteii^, unb fo betrachten mx
€Si ^ier, unb jo betrachtet er eö felbft, bicjeS ©leiben ift aud^
eine %t)ai treuer Siebe gegen ben, ben er liebt
fBkA to&xt an(^ f o trofUod, ja f o faft ^nm S3ei|tt^fetn,
att toenn im gegebenen 9Cugenb(id^ ba ber Sieblofe Don feinem
2)?i^t)erftänbnig auö toieber SSerftänbni^, öon ber ©leitf)-
gültigfeit au§ toieber greunbfd^aft, öon bem ^afe au§ bie
5Uidfö^uung 5U gettiinnen fud^te — toaS loäre fo troftlog,
als tDcnn ber Siebenbe bann l^infättig geworben n^are, fo bog
hau neue SerftftnbniiR ober bte nene 3fremtbf<|cift ober bie
9(ttdf5hnung bte Siebe nic^ niirffid^ emenern, i^r nid^ nKeber
bie feiige greube ber ©toigfeit geben fönnte! Unb boc^, wer
fönnte baö S3efte tl)un, um ben Slugenblid ber SBergebung .
unb ben Übergang ^um friebli^en ^u^gleic^ rec^t natürlid^,
red^t leicht ma^, tott anberd ber Siebenbe^ ber na^
ber obigen fEnilfft^mng burd^ fein {Jefibleibett bod IBergangene
bcftänbig »eggcfc^afft fyxt; benn fo ift ja ber fluSglet^ feiner*
feitö ftet^ im Oieinen, aU l)ätte e§ nie eine ©torung gegeben.
$aben beibe Steile eine 3?orfteUung oon bcm ^Vergangenen
ober Don ber langen 2)aucr ber (Sntfrcmbung, fo ocrantaftt
bie IBergebnng oft einen fc^ierigen gufammenftoft unb bai^
Skr^Attnid fommt DteHetd^ bod^ nie toieber gan^ ind olte
®eleife; ber Siebenbc aber tt)cifi nid^t^ üom ^Vergangenen,
ba^er tt)ut er noc^ biefc^ Segte in feiner Siebe, er nimmt ben
@tog fo ^in, bag ed gar feinen 3^1 ^^^^{^6 d^^^n i^^'*
Uväjfixx tarn ber Übergang in ber ^Vergebung nic^t gemacht
loesben. ffiie oft gef^^ t», hai ein Vndglleicl a^4<l^ ben
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Bdb^ faft 5tt ftonbc g^^men toäte, tKX eine o6et boBcv
lofe matt*d i^eigt, kiQr ben ftopf gefiogm tomdoe? Sinin tai^
l>er gatt x\i, fo mufe gegen bic Siebe cttoa« t)om iBergongc*
ncn lüieber aufgefrifc^t loorben fein; benn an ber Siebe fann
man fid^ bod^ unmöglich ftofeen, ba fte ja tt)eid)er al« bai^
SBet#e SBaf)r(i(i^ ein ^ac^en, ber in i^eroöffec
ü6ec bnt toeul^ @4iiib6pbcit fanft bo^is gleitet,
bie Sinfen inm bringen imb fi^ itm i^n fd^liegen,
er fann nidjt fo ficf)er t)or bem ^Inftoßen fein ai^ ber, n)elcf)er
mit ber Siebe, bie bleibt, lieber ^ucüdfe^rt unb einen %u&'
glei^ fuc^t!
@o ber Sicbenbe, Söai bad Raufte )Hm allein» ber
fttgenlUtcE ber SBtebeKberesnigttng, md^ etn frud^Iiofer 9tx*
fn^, ein ijergebltc^er ®ang tperbc, »eil er fetter in^ftifdicn ein
anberer genjorben n)äre, baö öerl)inbert ber Siebenbe; benn
er bleibt unb njirb nie ^infdüig. Unb bafe ficf) ber Über*»
gang bei ber SBergebung fo leicht boH^ietit, aU l)ätte man
fid^ erft ^ot. etner @tiiiibe Qe(e^; ba& boi^ <Seft»rä(i^ ber
Siebe fo natfirti^ in ®ang fommt, att toi&re man mitten im
(SJefprad) begriffen; baB man fo im Zalt ^rm in 3[rm gel^n
fann, roie äiuei, bic ben erften ©d)ritt in einem neuen Seben
machen — furj bafe e^ feinen, gemife feinen ^ufentf)alt gicbt,
b^ $nm ^nftpg »erben !dnnte, nic^ eine ©efunbe lang unb
nüd^ in, etni» Itleinigfeit: bojS 6e»ir!t ber Siebenbe, ber
bidi^t unb ni^t ^infdnig toirb.
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vn.
Sie ßam^eQigbett, eine a^liat itt £iebe, fell)^ mtnn fit
tti4)ts sebeii kaitit itnb ni^its ju tl)UE mmas*
^waEo^(iut{)un imb ntttguteitnr t)crgeffet tiid^t," toergeffct
««SlQ^ aber aud^ nid)t, bafe biefeö etoige ©erebc bcr Sßelt^
li^feit oon 2öot)(tt)ätigfeit, ©utt^ätigfeit, 9J2ilbtl)ätigfeit unb
milben ®a6en, öon 8cf)enfen unb ©c^enfcn faft jur Unbann*
lKt}tgfeit mirb. Hc^, laftt bte 3^itungdfc^ibet uitb ©teuer«
tommtfföre nnb Krmeitpfleger xmn ber 9jH(bt()attgfett reben,
5ä^(en unb 5äf)Ien; toix aber motten nie übert)ören, bafe ba^
S^riftentum roef entließ t)on 53arml)er5igfeit rebet, bafe ba^
ß^riftentum am allerlejtcn fic^ ber unbarmtier^igen SKeinung
{(|ulbtg mad^en tmSi, otö Mre bie ilrmut «unb bad (Slenb
tii(!^t blog (Sielbei^ bebfltfttg, fonbent sugletc^ t^om ^öc^ften
auÄgefc^loffen, wm bem IBennögcn, 8arm()erjigfeit üben,
ftjeil i^r bie Übung ber 3D?i(btt)ätigfeit, 2Bof){tf)ätigfeit unb
©utt^ätigfeit nic^t oergönnt ift. 3lber man ^rebigt unb prebigt
geift(ic^n)eCtlic^ unb loeltUc^geiftlici^ Don ber ^ilbt^ätigfeit,
bet ^o^a^tigfeh — man Dergt^t, felbft in ber $rebtgt bie
8orml)er5igfeit. 5)o« ift, d)rift(ic^ genommen, eine ^ioWofig*
feit, ^er 5lrme, ber in bcr ^irct)e fi^t, mu& feuf^en, unb
lüorüber mufe er feufjen? ®el)t ber ©euf^er barauf, bafe ciJ
i^m im ^rein mit ber ^rebigt bed (ä^eiftlic^en boc^ gelingen
10*
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möchte, ben S5cutel bc8 ^t\6)zn aufäufd)tie6en? D nein, er
mu^ feufjen, er mufe im bibUfc^en Söerftanb „loiber ben
^tebigec feu^", bog man eben mit bem @tfec, ben man
5U fetner ^tlfe entfaltet, t^m am metften Untec^t ant^nt.
SBel)e benen, bie ber 2Bitnjcn unb SBoifen @r6e toer^e^ren,
Xot{)t aber auc^ bem ^^rebiger, ber ob ber 9}ülbtl)ätigfeit, Don
ber er rebet, bie S^armtier^igfeit oerfc^toeigt ! & toäre gut,
man ))xebigte einzig unb allein t»on ber l^^arml^etjigfeit ^i|t
btt bation red^t yx reben, fo mirb bie älälbtl^fttigfett t)on
felBft fommen nnb fic^ einftettcn je nad^ SScmiögen be« (Sin*
gelnen. Sebenfe aber, loenn ein 9}?enfcf) mit feiner Stiebe oon
ber SKilbt^ätigfeit @elb, ®etb unb öJelber ^erbei)(^affte, ba*
bei aber t)on ber IBarml^erjigfeit fc^iDiege, fo toürbe er gegen
ben ^rrnen nnb (Elenben, bem er bod^ anf ftoften ber retd^
9)iHlbt]^ter Sinberung fd^uf, unbarmherzig ^anbeln. Sebenfe,
ttjenn 5Irmut unb (SIenb un3 mit itjren S5itten beftürmen, fo
fönnen toir jtoar biefe 9^ot mit §ilfe ber mitben ®aben ab^
gefteUt fe^en; bebenfe aber, baß eö meit fc^redüc^er loäre,
toenn loir ^rmut unb (Elenb ndtigten, burd^ i^r ©eufaen bot
(Sott nriber und, mie bie ©d^rift fagt, „unfere lebete ju
^inbern" (1. ^etri 3, 7), njeil toir an ben Trinen unb ©lenben
ein himmelfdjreienbeg Unred)t begeben mürben, inbem toir ba*
üott fc^iüiegen, baj fie ©arm^er^igfeit üben fönnen.
S)ad motten mir in biefer ^ebe oon ber Skrm^iig^it
feft^alten nnb alfo ja nid^ bie Sarm^er^igtett mit bem ber»
me^feln, maiS an äußere ©ebingungen gefnüpft ift, über ba«
alfo bie Siebe al^ fotc^e nid^t oerfügt, »wogegen fie n)at)rlich
über bie ^arml^er^igfeit uerfügt, fo getoig aU gerabe bie Siebe
ein in i^em 8ufen ^at SQSetl man ein $er§ im üBufen
l^t, fo ^t nmn barum nod| fein (Selb im Seutel; bod erfte
ift aber bod^ nod^ baiS SBit^ttgfte unb bod^ n^o^t ^infic^tlic^
ber ^arm^er^igteit bad (Sntf^eibenbe. Unb n^enn einer fein
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(Mb l^&tter t)erfiüitbe ahtt butc^ bie Sftebe t>on ber 800110
i^rjtgfett ben Vxmm itnb bett (Hcnbeti xt^ ait^itmimlent
imb p (egetftem, tm^^xlx^, ^&tte er bann ntd^t e6en[o t>xd
getrau tpie einer, ber bem Wrmen ctticfie ©elbftüde t)intDtrft
ober bem ^etd)en milbe (^abtn aud feinem Beutel ))rebigt!
SBic tt)oIIen benn Bettod^ten:
S)ie Satml^ersigleit, eine X^at ber Siebe, felbffc
toenn fie ni^td geben l^at nnb ntd^tS ^^^i^
öermag.
SBir tüollen eg nacf) att unfrem SSermögen mÖgticf)ft ein*
im6)Unt>, mdglid^ft üerlodenb machen unb t& bem ^rmen fo
na^ ate m0glid^ and $ei^ (egen, to<a für einen Xrpft er
barin ^at, ba| er (orml^ig fein tann. (Eben ^i^ mftffen
mir juDor einen Raufen koettCtd^ @inne«täufd^ung meg*
räumen. DIebenbci abec f)aben tuir'ö mit unfrer SfJebe ju-
gleic^, fo tueit e^ not t[)ut unb möglich ift, auf ben Q6gefet)en,
bem eS Vergönnt tft, Müh» unb SBol^(tt)ättg!ett ju üben: er
foU fo befd^&nU uierben, mie ed ®0tt gefditt, fo in l^tger
@(^m errdtenb, toie eS fid^ für einen (Sl^riften ^iemt, fo
nrfnig gum ©eben unb bod^ fo unttjiKig ju bem ©eftänbniS,
boB feine ©abe ein §(Imofen fei, gan§ tuie einer, ber fein 5ln*
. gefielt abkoenbet, bamit er ni^t ftd^ fc^ämen müffe, tpenn
anberc eS fc^cn, toie t^m @^rc bofür totrb; ober toie einer,
beffen linfe ^b loirfti^ inc^ toti^ koad bie rechte
^te Sarml^erjigfeit ^at nid^tft ju geben. Qs» ifl
fcTbfttJcrftänblid), bag ber ©arm^erjige mel)r aU gerne giebt,
njenn er etmaö ju geben l)at. hierauf toollen mir aber je^t
bie §lufmerffamfeit ni^t lenfeu, joubem barauf, bafe man
barm^ig fein fann, an^ tmn man nid^t bad minbefte p
geben ^t. Unb ho» tft t»on großer SBi^tigfeit, ba fa bo(|
barmficrjig fein 5U fbnnen eine \M größere CoHfommenl^t
ift, al^ Öielb unb bamit bie ^^öglid^feit beS (Gebens 5U I^aben.
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2)en!en mir an jenen fett ac^tje^n Sal^d^ttberteit fttß
lotisteit Sftann, ben tetm^igen ©amanier, ne^iHen Ivix
an, er maä^/U ntc^ rettenb, fonbern gug ben SBeg tMm
Seridjo nad^ Serufolem unb fticfe ba auf ben Unglüdüd^en,
trug aber nidjtö bei fid), tüüinit er tt)m beffen Sßunben Der^
binben fonnte; er ^ub bo^er ben ^rmen auf, lub il)n auf
feine @c^ltem unb trug jut u&d^ften Verberge, \do ber
jOSirt fibrigeniS loeber ifyx nodl ben Unglftitttd^ oufne^meii
tnonte, toeti ber ©amariter fdnen ^eQer befag, fo bag er ben
^art^er^igen nur bitten unb befdjmören fonnte, er mi)ge boc^
barm^er^ig fein, ba ein 9Jknfd)en(eben gelte: t)ätte biefer
ü^ble nic^t . . . boc^ nein, bie ©rjä^Iung ift noc^ nic^t
avA — olfo menn nun ber ©amariter, ber fic^ tro|bem ntc^t
aus ber Raffung bringen Ite^, mit bem UnglücÜici^en fid|
toieber weiter gefd^teppt l^ötte, bis er ein metd^ereS Soger für
ben ^-l^erttjunbcten fanb, m er fid; neben i()n fegte unb alleö
oufbot, um ben S3tutüerluft ju ftiüen — ber Ungtüdlic^e
t^m ober unter ben $^ben ftarb: n^äre er barum nic^t ebenfo
barm^vaig gttoefen, gan$ ebenfo barml^ersig nne unfer be«
idnnter barmljer^iger Samariter, ober ift etkoad bagegcn ein«
guroenben, baj? tüir bic (Sr^äljlung Dom barm^erjigen ©omariter
olfo umbidjtcn? — l)?imm bie (Sr^aljUmg üon jenem SCBeibc,
baS Itoü Pfennige in ben (^otteSfaften legte« bringen toxi aber
an ber dkfd^td^te eine fleine ^nberung an. 2)te itotx Pfennige
mochten f ftr fie eine f^0ne @nmnie aa», §u ber fte ni(i^t fo
auf einmal gefommen War. @ic ^tte langer gefpart, bi«
fie biefelben beifammcn Ijatte, unb bann I)atte fie ba^5 (^elb
in einem (Stüddjen Qm^ eingctuidclt unb aufgehoben, um eS
bei i^rem näd)ften @ang (linauf jum Xempel alö Opfer mit=
)ttne^men. ^oc^ ein @(^ur{e UKir ba^nter gefommen, ba^
fie biefei» (8k(b befag, er l^atte ei» i^r entwntbet unb an
feine ©teile ein anberei» gan^ g(et(|ed ©tüdd^en 3^ug gct^gtr
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- IM -
in bem nt(^t9 toat, — o^ne bag*bie SStüoe mevfte. @t€ ging
bcnn l)inauf jum Xempct, legte, roie fie meinte, bie jlDei
Pfennige, b. I). nid)t^ in ben ®otte§fnften: (jätte nun (SJ)riftuS
nid}t gleic^n)ol;I baSfelbe Don t^r gefagt; „fie legte me^r ein
üU aUe bie diei^en?"
^ixi^ eine Oann^eratgfeit ol^ne (Mb, toad ^at bie jn
Sebenten? Sa, om (Snbe fontntt to»o^( bte fred^e SBelt mit
il}rer 9[J?ilbtI)atigfeit unb 9Bot)ltt)ättgfeit norf) fo tüeit, bafe fie
fogar eine Sarml)er5igfeit auMad)t, bie nid)t§ befi^t! 2)enn
eö ift bereite unre(f)t unb empörenb genug, eine llnbarmf)eräig*
feit biefed irbifc^en ^feind, bajj nienn ber Sltme feinen legten
^fenttig giebt unb borauf ber 8tei(^e mit bem ^unbertt^alet«
fdjein fommt, bafe bann ofle^ auf ben X^alerfc^ein fd^aut,
b. l). ba(3 ber 9fleid)e mit feiner ®abe bie — S8Qrmt)cräigfeit
beS S^rmen ganj Dcrbuntcit. SBo§ ift aber bag für ein äBa^n*
ftnnp menn bix^ (S^iiftt S^ort tDa\)x ift, baB ber ^rme am
nteiften gab, mai^ für ein SBal^nfinn: bag ber, iDelc^er meniger
giebt (ber 9{eid|e — mit feiner grogcn @nmme), ben t)er*
bunfelt, ber me^r giebt (ben 5(rmen — mit feinem ©d)erflein),
ja fogar ben uerbunfelt, ber am meiften giebt? ^ocf) e§ uer-
fte^t fid^, bog fagt bie äBelt nic^t; fie fagt, bafe ber 9teict)e
am meiften gab, unb marum fagt bad bie SBelt? SSSeit bie
SEBett fic^ nur auf baS (SIelb k)erfte^t — unb ^^riftnd nur
ouf bie SBormljer^igfcit Unb gcrabe totxi ßf)riftug ftd^ einzig
auf bie 33arml)eräigfeit üerftanb, barum redjnet er fo genau
mit bem, ba^ eä nur jmei Pfennige toaren, ttjetdje bie 2öittt)c
gab, unb eben barum tt)oIIte er fagen, eö märe nid^t einmal
fo Diel nötig gemefen, ober ed fdnne einer nod^ meniger geben,
unb bod) !önne eben biefe fteinere ®abe bie no^ größere
fein. Sin üermunberüdje^^ 9icd)cnejempel, ober rid)tigcr eine
öermunberlid)e $Redininii]^?avt, bic in feinem 9^cdlc^blu{) an-
geführt ift! n)irb ein bemeitenStoerter ^us^biud Don btefer
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— 162 —
mtat getoait^t, ba^ fie «tooit t^ter Wmd goS". mofit
a6ec bte iM%t ber ®aBe im Ser^&ItitiiS %wc (SKrdge bec
5lrmut, olfo gan^ im ©egenfa^ jur 9}?cinung ber 2öelt (für
bte bie ©roße ber ®a6e im gernben 5]erf)öÜniö jum Dkic^tum
fte^t), fo giebt ja ein noc^ ärmerer mit (Sinem Pfennig t>on
feiner S(nnut ttoc^ me^r otö jene SBtüoe, bie boci^ gegettfiBet
aQen ndd^R am metften gab. Sa, ber Seit mul e9 ftetUc^
ato bte fototfie SHec^nuiigdatt t^orfommeit, toonaci^ (Sin Pfennig
fo bebeutenb, bie bebeutenbfte ®Qbe merbcn fann. Xie 2öe(t
unb bie 3}älbtt)ätigfeit ber SBelt miH fo gerne mit grofeen
Summen t()un ()aben, bie (Staunen erregen; unb (Sin
Pfennig fe|t freiließ nic^t in Staunen — fo ttentg ato bie
Satm^er^igteit ben glän^enben Xngenben get)ört. Snt
Sickte ber (Smigfeit bagegen ift biefe Hrt öon Üiec^nen bie
einzig toat)re, bie mir nur üon ber (Siuigfeit lernen fönnen
unb burc^ ^er^ic^t auf aUe meülic^e unb ^eitlic^e (Sinned«
töufd^ung. ^^n bie CSnrigfeit ^at bad fd^örffte ^uge unb
bad Hnf^ Serftdnbnid fftc bie 8arm]^ei;5igfeit, aber gar fein
Sßerfifinbni« ffir baS i&tih, tok bte @tpig!ett au(^ nie tn ®etb*
üerlegen^cit ift unb oud) luörtlic^ Oerftanben baS @elb nid}t
5um geringften braud}cn fann. So, man möd)te bartiber
la^en unb meinen! koäre unleugbar ein trefflicher ^in*
faU snm Sad^ toenn man fic^ bie (gn»igfeit in ^elboerlegen«
bdd^te: mir moQen aber fofort barflber koeinen, bafi bte
3citKc^feit fo gan^i bie (Snjigfctt Dergeffcn l)at unb öcrgeffen
t)at, bafe t)or ber ©migfeit baö ®e(b meniger qU nid)t§ ift!
'äd), mancher meint, ba§ ©»ige fei eine (Sinbilbung, ®etb
ba^ SBirfHcl^e: unb (^elb ift gerabe im @inn ber @mig!eit
unb bet SBal^r^it eine (Sinbilbung! ^nfe bir bte (totgfett
tote bn magft; gteb nur fo tnel )u, ba| bu bod^ Diel g^tlidbei»,
U)a^^ bu batjon in ber ßeittic^fcit fo^ft, in ber ©migfeit micber
finben möd^teft, bag bu bie )8äume, Blumen unb Sterne
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— 158 —
loiebfr fc^en, beit SSogelfang unb ber ®äd^c Sitcfeln loleber
^ören tnöd^teft: föntite bir aber einfallen, bafe eö in ber
(Sn)igfeit ®elb geben [otite? 9^ein, fonft ttjäre ja baö ^immel*
letc^ mieber einem Sanb Ü^IenbS getoorben; unb ba^c
tum btr \M tmmdgl^ etnfaHeti, ebenfo toentg aS& hm,
ber bad Mb fftr \M flKiEul^ achtet, tti beit @tmi fornnicit
faitn, eS gebe eine ©mgfeit. SSon ni^tö unter allem, ba§
bu geje^en ^aft, fannft bu fo fidler fein, bafe e^ nie in ben
^immel fommen toirb, toie öon bcm ®elbe. Unb bagegcn
giebt eS nichts, bem ber |)tmmet fo getoig ift kote ber HBctcm«
l^tgfett @o fie^t bn a(fo, ba| Sacm^igfett mtb Selb
lebiglic{) nid^tö initehiaitber gemein ^fien.
®oc^ ®elb, ®erb, ©elb! m& jener frembe prft bem
mächtigen ?ftom ben ^Würfen fet)rte, foll er aufgerufen ^aben:
^^ier liegt eine ©tobt, bie um ®elb feil ift unb nur ouf
dnett Mttfer loartet''; o, tm oft ift mim mänt i^n Derfuc^t
getoefen, Uefem ganzen Skifetn mt|inttttg-bett 8tt<fett gu fei^
mit bem «uf: „t)ier liegt eine SBett, bie für ©elb feil ift
unb btofe auf einen Käufer martet" — fofern man nid)t
ettt)a fagen miß, ber Xeufet t)abe fie bereits gefauft! — SBag
ift bed Sebent (^mft? ipaft bu btr in äBa^r^t biefe entfte
gfrage iM)rge(egt, fo beute bron, tote bu fle bir beaniioortet
f)afi; ober td^ ttnS blc^ baninf bringen, mie bu fte btr Be»
antraortet ^aft. (Smft ift eineö 9J?enfcf)en ^iser^atten ju ®ott;
all baf, toa^ ein SO^enfc^ fo t^ut, benft, fagt, bafe er babei
immer an ®ott benft, ba ift ©ruft, barin liegt ©ruft. @e(b
aber ift ber (Sott ber Sßelt, barum 1^ für fie oOei» (Stm%
tooS mit <Be(b t^uit unb eine Sejie^ung jum Oelb l^i
®k^, jener ebte einföltigc S33cife be8 Stttertum^ mocf)te für
feinen Unterricf)t fein ®c(b nel)men, unb ber 2l^)oftel ^autuS
n^oUte lieber mit eigenen ^änben arbeiten burc^ ^nna^me
einer (gklbbelo^nung bad (&Hinge(ium befteifen unb feinen
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— 154 —
ot^oftolifd^ Qentf etttttKt^ itnb He l^tünbigiuig bed SEBoiM
fötfc^n. Wa^ itftdtt bte Vklt l^etton^ Sa, )mr »oaeit ittc^t
t^öric^t fragen, tt)Q§ bie SGBelt öon jenem eblen ©infältigen unb
üon bcm t)eiligen 5(poftel urteilt, fie \)at ja eine 5lrt Sobrebe
über fie au^menbig gelernt. Wtm abtc einer tjeutjutoge in
btefem^genblid ed jenen beiben m^tfym mUtt, urteilen
ba bie ßcitgenoffen? @te utteilen, eS fei eine Sonberborteit,
eine Überfpannt^eit, fie urteilen, einem folc^n aWenfrf)en fei
„nid)t (Srnft". ^enn @elb üerbienen, ba§ ift (5rnft;
Diel ®e(b ju öerbienen, loenn and) burcf) SDknfc^enljanbel, bag
ift (Srnft; oie( ®elb burcl^ nieberträd)tigen g^itmigj^flatfc^ gu
t)erbienen, bad ift (Smfi (Stumd SSSa^eS gu toerfuoben —
menn man auglei^ t>vd ^Ib ba6ei t)erbient (benn barauf
fommt eö nic^t an, bafe eö tuafir ift, fonbcrn auf ben ®etb*
öerbienft), ba^ ift (Srnft. ©etb, (5)elb, ba§ ift ber (Srnft.
@o toerben ruir erlogen, t)on unferer frül}eften ^inb()eit an
5tt bem gottlofen SD^ammondbienft abgeri^tet. Sc^ koitt ein
Setfpiel anfül^ren, baiS erfte befte unter ben taufenben unb
obertanfenben — benn eht SBoot, boÄ fid^ burd^ eine |)ering«*
f^ar burd^iarbeitet, Ijat nid)t me^r ^^eringe Dor ficf) al^ toxt
gäHc in ber 2BirfIid)feit a«fäät)Ien lönnten, bie unö bie
^rgie^UTtg jum 9Jiammongbicnft jeigcn. S)enle bir ein ^^au^,
toa t>om t$amUienl^au))t bie SSi^eifung erging, ^ follen aQe
am nä^ften Xag Q>a» ift alfo ein (Sonntag) gemeinfam jur
5tird)c ^etjen. SSaö gefci^iet)t aber? ©onntag morgend, toenn
c§ on ber ^qH ift, finbet ftdi'ö, baß bie Xüdjtcr mit i^rem
Slnjug nidjt fertig finb. 2öa§ fagt bann ber 33atcr, bct
— emft^afte üBater, ber, bem ed fein (Smft ift, feine ^inber
aum SRammoniSbienfi lu er^iel^? 3a, er fagt natürlich
nif^td ober fo gut mie ntd)tg, benn eS ift ^ter fem fMa%
pr @rma()nung ober 5U einem 5^ermeig; er fagt tt)ot)I: „trenn
fie nic^t fertig finb, {0 mögen fie bableiben, liegt nic^td
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— 155 —
bran". ^cnfe bir ober, bctifc btr ba« ©(^rcdfltd^c, bic Xöd^tcr
Ratten tn^ Xf)eQtcr fotlen unb fie toören nic^t 5ur ^dt fertig
gctoorben — benfc bir, toie bann biefer ernftt)afte ^ßater
aufnehmen ttnth, unb toavum {o? äBeil ba bad mele ^e(b
mtoten ift — koogegen matt ja mit ber üBerfdumtitö bec
fttni^e am @onntag nod^ bad jMr(^o))fer erffratte. 3e(t aber
ttjerben bieXöc^ter einen ftrengen — emfttic^en, üätcrlic^en SScr-
njeiS erf)a(ten; nun ift'ö ein 5i>er6recf)en, eine grofte ©ünbe, bo^
fic nic^t fertig njurben — unb barum barf biefer ernft^afte
^ßattx, bem bie ii^ie^ng feiner ^ber ein d^ft ift, fo
ettoad otti» Stftdfld^t fftt ein onbeteSmal ntd^t ungeftraft f^n*
ge^en (offen, ^öenn boft e« eine llnget)örigfeit Don feiten
ber Xö^ter ift, bo^ ift baö minbefte bran — fonft xoäxt
ja am ©onntag bie (£d)ulb ebenfo grofe, nein, baö (Srnft*
^afte babet ift, ba| baS (^clb t)erIoren ift. <Bk% fo ift man
Sater, fo fyü man tiätertic^ SBfirbe, fo mac^t man einen
geloiffen^aften ©ebraud^ k)on feiner bftterlid^ Sßürbe unb
fo „erjie^t" man! Sa gen)i6, fo erjietit man, nur er3iel)t
man auf bie SSBeifc nic^t SJ^enfc^en, fonbern X^oren unb
Unmenfc^enl
Senn man aber fo bad <^b für bad SSSi^tigfte t)dlt,
toai^ fann man ba oon ber Oarm^er^igfeit ^oSiät, bie fein
^(b ^? (Sine foldje iBoTmt)erjig!eit mn^ man ffir eine
§Irt 9^arr^cit, für eine ©inbitbnng anfet)en: bocl) bann mu6
man ja ou^ bie ©migfeit unb ba§ (S;t)riftentum für eine
^arrl)eit, eine (^tnbilbung galten! @in t)etbniici^er ^aifer
foQ gefagt ^aben, man foQe am (Mbe nid^t ried^en.
S^riftentnm aber l^etgt un8 im Gegenteil red^t am <llelbe
ricd^en. fagt, baS ®elb l^abe an unb für ftd^ einen üblen
®erud}. Um feinen üblen ©crucJ) ^u üertreiben, brauc!)t man
mie immer einen ftarten ^oljlgeruc^. barm^er^ig; bann
l> ed fic^ machen, Qki\> l^r^ugeben; o^ne Oarm^rjigfeit
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M 0elb emeit iBtm ^ktin^. €te^, bo9 fonn €tit
^Ümofenpflcger aud) fngen, unb er luürbe burc^ feinen ®ptu^
ebenfo gut unfterblicf] ttjerbcn toie jener Äaifer — unb ®elb*
menfc^. S)ie öarm^eriiigfcit i^at ben ftarfften Söo{)l9erud^.
3ft ba» (8ekt bad jD|>fec ber £t)>fen intb iSott gefftatg, fo
tfi bte Oorm^tgldt te^t eigentttd^ eht 0))fer bei» ^erjeitd
unb ift, ttJte bte ©c^rift fogt, ein füfecr ®erud) für ®olt.
D, t)ergi6 eö bod) nie, n)enn bu an ©oft benfft, baß er für
bad @elb nic^t bad geringfte ^erftänbnid ^ot
SJ^etn Bieber, toenn bu ein diebner Ip&rft, für load
ivolltefi btt bic6 entfd^beit: tooOteft bu %u ben fl^d^ toon
ber fibnno ber SDHtbt^ötigfeit teben ober Heber ben «tmen
Don ber Übung ber ^arml)cr5igfeit? 3c^ rvtx% ftjot)!, \^
lieber njill, ober richtiger ic^ ^obe ja fd)on gemäljlt — fofern
id) blog Sf^ebner bin« O, ed ift ttm& fo unbefd^reiblit^
iBerfdbnenbcd bann, ^n bem Xrmen bon bet Übung ber
Oatm^igfett gn Teben I Unb tine not bai$ t^ut, ttiemt ntd^
tt^egen be§ Firmen, fo um beinettoillen, baüon fannft bu bic^
(eic^t überrennen, ^enn mad)e nur ben 5?erfud), bu ttiirft
fc^n, bic i^orfletlung hjirb fid) immer njieber für bid^ um»
fehlen, ote ob bie ^rebigt an bte Stmen öbec bte UBarm^ei^ig«
le^ nid|ti^ nn|en ttnnte, ba fle ja ntd^ts ju geben l^ben, unb
nton bomm §n ben 8letc3^ bon ber 8QrmI)er§igfeit gegen
bic ^rrmen rebcn müffe. So ift ber %xnK ratlos in feiner
5lrmut, unb bann mieberum in ben 5(ugen ber SBelt aufeer
ftanbe, ^arm()erstgfeit ju üben, alfo ge^eic^net unb ^tngefteUt
old ein bebauemdioertet (i^egenftanb bed (SrbarmeniK, ber
^öc^ftenS fic^ ftüdm unb banfen fann — tonm ber Ketd^
fo gut ift, 33arml)er5igfeit ju üben. Sarm^er^igcr @ott —
toeldje llnbarmtier.vgfeit!
©0 n)enbet fic^ benn bie $Rebe an bid^, bu 5lrmcr unb
üUnber! D, fei barmt^ecatg! 8enxi^re bied in beinern
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SSufen, bog tro^ ^Trmut unb (Slcnb bod^ Xetlnal^mc für
anberer (SIenb [)at, bieö §erg, baS öor ®ott in greimütigfett
»eife, bafe man barm^erjig fein, ja bafe man fogar im
^öd^ften &xüht, in audgegetc^netem unb tyoi^ügltc^em ©inne
fein fann, tomn man ni^d )tt ge^en l^t. „O, fei bann»
t)cr§tg!" <Ste(), t)ter ift ^ ttnebet, toet ben!t ba nic^t fofort
unmiUfürlid) an ben 5lrmen, bcn S5ettler, ber ben Dieic^en
oujpridjt „fei barml)er5ig" — toit üerte^rt audj biefer ©prac^=
gebrauch ift, ba ja bie 9[RiIbt^ätig!eit angefptod^en toitb. Unb
bamm treffen koir ben @inn bed @|rcad^ebratt(|d tid^tiget,
toiv, bie tmr 5U bem Krmen, bem Slfler&tmften fogen: o fei
borm^crjtg! Safe bid^ boc^ üon bcr mifegünfttgcn J^Ieinlid^*
feit biejeä irbifcf)en Sebent nic^t öcrbcrben, lafe bir'ö nid^t
nehmen, bafe bu barm^erjig fein fannft; lafe ntc^t gu,
bag eine falfd^e ©c^am bad iBefte in bir erfüdel @ine
fatfd^ @(^m — |a, benn bie ttw^te Commt ^neift, o ba^
fie immer ffime, jebenfaüd aber foQte fie mit bem (SIetbe
fommen; befommft bu ®e(b unb bu fannft alfo geben, ba,
erft ba l)aft bu etmaö, bei bem bu (Scf)aml)aftigteit braud)en
fannft. @ei barm^er^ig, fei barmt)er5ig gegen bcn ^Jieid)en!
^ebenfe, bad ^ft bu in beiner S92ac^, »ö^renb er bad iSklb
fyitl @o mt|brau(^ biefe fD^od^t ni(|t; fei nic^t fo unbarm«
^erjig, bafe bu bcg ^^immefÄ @trofe auf feine Unbarm^erjig^
feit l)erabruteft! 3a, niir n)iffen e^ njot)l, \va^ fümmert fidt)
bie SScIt um eine^ ^2irmcn flagenben ©eufjer ju ®ott, biefen
^ittgett)ef)ten ©eufjer gegen ben S^eic^en, mie gleid)gültig ift
tl^r foU^ ein fiber^drted SBort! Unb boc^, boc^, ic^ bin \a
mit bem Dorlauten 9lufen nid^t unbelannt — tc^ blafe auf
foId)eö, bafe aber nur mic^ fein 5lrmer mit S^ec^t im S8er*
borgeneu üor ®ott auflagen fönne! D, fei barm^ergig! SSenn
ber 3leic^c fna^p unb färglid^ ift, ober felbft menn er nicf)t
eben f&rg(id^ mit bem Qklht ift, aber boc^ mortfarg unb ab«
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ftofeenb: fo fei bu rcic^ an Sarm^crjigfeit! ^enn bie 53arms
^er^igfett tf)ut Söunber, macf)t bie ^loei ^fenniqe ju einet
große n 8umme, mm bie oxmt S^ittoe fie gidtt, nuu^t bte
iatgttt^ d^ak in eincf gwbnt ©itiiime, loaiii ber 9b«t
hamfyixm mit bcm Kct^eii iik^ ha 9m^ ge^; nui^t
ben mftrrifci^eit 9c6cr minber fc^ulbig, »om bet 9niie H
barm^er^ig jubecft. D, tcie manchen ^at nic^t ba« @e(b
unbarm{)er5ig gemadjt — )oIl bas ®elb ouc^ bie 9J?ad^t
^aben, bie unbann^^ig moc^, bie fein Mb ^aben:
fn bie äRoc^ bei (Mbed ja goss gefiegtl ^ abcs bie
8Rttd|t bed (SkOieil ganj geftegt, fo ift ant!^ btc Sutm^erjig«
feit ganj abgefc^afft.
^ie Söarm^erjigfeit üermag nidjtö tl)un.
^e ^r^ö^Iungen ber ^eiligen ^c^rift §aben untet
onberem qu(^ ba^ iDlertioöcbige, ba| fie in aCt i^^ (Sin»
fa4^ boc^ fiett oQed |nm HudbcmC bringen, lood gefagt
»ceben foS. @o ift ei» and^ mit bem (5i»ngeUinn t>om
reichen unb armen 3}^ann ber gaü. 3Sebcr be§ Sa^oruS
©lenb, no^ be^ reirf)en 9J?anne^ Up|)igteit ift toeitcr augge*
malt unb gefc^ilbert; gleic^nio^I ift ein 3ug beigefügt, bec
unfie ÜBeac^ng Mbient & ^ei|t, i6a^xM log an bcft
nttc|en Zt^üu tioQec Sd^loftfen, bie $unbe oBec fonen nnb
(edten feine &t/to&rm. SBad foK bomit an bent reic^n
SD?ann bargeftellt tüerben? ^ie Unbarmtier^igfeit ober genauer
bie unmen)c^lic^e Unbarm^eciigfeit Qux ^eCeud^tung ber
Unbarml^er^tgfeit fann man i^r einen Barm^r^igen Mtn^dßa
an bie ©ctte fieHen, toxt tnir in ber (Srs&^Inng ))om barm*
^er^igenf^moriter aligikgenftikf benSeinten unb ben ^riefter*
^aben. ^er reiche 2J?ann aber tuar unmenfc^Iid), borum
nimmt baö ©oongclium bie .'puiibe 5U .t^itie. 2öc(c^er (SJegen*
fo^l SBic kpoüen nun md)t übertreiben unb fagen, ein $4Utb
ibme barm^ig fein; gegenüber bem reic|ien äRomt ober
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fie^t hoä) fü auö, aU njören bie ^unbe 6armJ)eräig. Unb
ha^ ift bog (Smpörenbe, bafe für ben 5Ö?enfci^n, ber bie 39arm#
l^crjigfcit aufgegeben ^uttc, §unbe eintreten mußten, um barui^
^tg p fctiL — '%>od^ ed liegt in btefev S^ebenetnanbct»
ftdbtng M «eichen SRatmeil itnb bec fyvaSbt itoc| etiiiQd.
S)cr rcid^e 9J?oim ^tte fretUc^ in feiner '^ad^t, etttwd
für iia^aru^ ju t[)un, bie 4>unbe öermodjten nid^tö ju t^un,
unb bod^ ift t&, mäim bie ^unbe barm^erjig.
@ie^, baDmt reben toix eben in biefer (Srn)ägutiQ, (ES
Dexfte^t ft^ iiatürtifl^ Mt \dt^ btft ber Sorm^ige mc|r
oU genie eüMd t^ut, toemi et ettoai^ foait. ^rauf
ober toollcn tuir bie ?Iufmcrffamfeit nicljt lenfen, fonbern
borauf, baB man barmtjer^ig fein fann, aud) ttjenn man nid)t
bog SJ^inbcfte §u t^un öermag. Unb baiJ ift größerer
SStc^igfeil« ba bod^ baim^a^ fein !dntteii eine nicl
gTdgere QolUoiiiiienl^cii tft ott bie Sfi^tt etlMd au
®efc^t, toar nid^t ein SJ^enfc^, ber tmn Serid^o na^
Serufatem reifte, fonbern e§ tparen it)rer gnjei, unb fie tourben
beibe uon Räubern überfallen, ^alb totgefc^lagen, unb ei^
tarn letn Keifenbet imbei — gefegt nun^ bec eine Don i^nen
traute ni^ toetieicd ^ flö^nen wob p jamnient,
M^renb ber anbete feine eigenen ^mer^en, um fanft nnb
frcunblid) bem anbcrn ^ugufpredien , Uergafe unb übcrroanb,
ober unter ben gröjjten ©dimer^en fic^ ^u einem ficincn
SBaffer i)'m\6)U^}^U, bem ©enoffen einen 2abetcun! 5U uer«
fc^ffen; ober ongenommen, bie beiben nxivcn ber ^t^rad^
beraubt^ ber eine aber fenf|te in feinem ftiflen (Bebet gn (iett
auä) für ben anbem: nwr er bann nid^t 6a<rml)erjig?
man mir bie ^änbe abget)auen, fo fann ic^ nic^t auf
ber 3^*^^^^ fpielen; l)at man mir bie ^üfee abgcfc^Iageu, fo
tonn id^ nic^t tanken; liege ic^ l^lbtot am tt^, fo fann
nw|' ni(|t in» SKccr ftfti|aii^ nm einen onbem sit retten;
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liege ic^ felBft mit ^bto^ntn Htmen ober Oetneit ba, fo
fann id) mid) nic^t in bie fjlammen ftürjeit, um einen anbetn
5U retten: barmljcrjig fann id; gleic^njo^l fein.
©c^on oft Ijabt ic^ mir barüber ^ebanfen gemocht, ttjie
ein Mnftier bie Sann^iglett bocfteUen mftftte; ic^ t^ht
ntif^ aber ilberaeugt, ha% ftc^ ba^ ni^t (&6t @oba(b
ein Äünfttcr bog t^un foHte, lotrb jtt)eifel()aft, 06 e«
Söarm^crjigfeit fei ober etmag onbereg. ®ie SSarmljerjigfeit
offenbart jic^ am beftimmteften, toenn ber 5lrme ben leisten
Pfennig ober boc^ aU fetit d^eittum giebt, unb toenn ber
f»t(fIof e nid^td }it ifym bermog unb bod^ hamJ^xQ tfi ^
AflnfUer aber »itt am (iebfiten bie Mbe, otfo bte^Htbt^ötigfeit
barfteOen unb toiH am liebften barftetlen, malerifd^ fid^
om beften aufnimmt, bie große %i)at. 93erf ud)e einmal auf
einem Söilbe jur 5)arftenung gu bringen: toie ein arme^
ffieib bem anbem bad emsige @tficEc^ 193rot gkbt, baft fie
beft^t — imb bit fte^ft totUffl, bog bu ba» Sic^tigfie tttd^
auÄbrürfen fannft; bu fonnft ou«brücfen, ba^ e« ein f8xot
md)t aber, bag eS baö einzige ift, baö fie \)at 5)aS
bänifc^e 93oI! ift mit ben (Scfa^ren jur @ec mi^i oertraut.
& giebt ein ®em&lbe, bai^ einen fü^nen Seemann DorfteUt,
bem man ed tierbanft, ba^ bad iBotfenboot mmme^ fo oft
ein SRenfd^teben rettet, ®emft(be fteOt il^ bar, unb
untert)olb auf ber einen @eite feE)en mir ein SBracf, auf ber
anbern ein Sotfenboot. (Sief), ba§ läfet fid) malen. Unb eö
ift ja ^rrtid}, mie ein rettenber (^ngel burc^ bie Stögen 5U
ftenem nnb bad tft^n,- mutig, ttienn man fo miU auc^ mit
(^barmen au8|ufli^ren. ^t bu aber nod^ nie einen (Henben
gefe^en ober bir bod^ üorgeftellt, ber DteCleid^t in feiner
Äinbt)eit ober fpäter im ^eben fo unglürflic^ oerftümmelt,
fo übel jugerid)tet tturbe, bag er nid)t§, nic^t^ ju t^un oer^
mag, oieUetc^t nic^t einmat mit beutlid^ SBorten Xeilna^me
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äußern öermag: foHtcn tuir nun erbarmungslos feinem
©Icnb biefe neue ©raufamfeit ^inäufügen, bafe toix i^m auc^
bie ga^igfett abfpräd^en, barmfjcrjig fein? — ütoa bcd*
koett aaerbtsigj» feine «totm^esitgfeit i^ bat^täSm
lögt, fofem er felSft Mti ttt^ too^t mtbeti» beim afö ^en«
ftanb ber ©arm{)ergigfcit bargefteüt toerben fann! Unb bodj
ift eS ja gcltjife, ba§ gerabe feine ©armtierjigfeit bie fc^önfte
unb »a^rftc ift unb einen SSert me^r ^at, »eil er nic^t in
fetitem eigenen iOeiben ftnm)^ geioocben ift nnb babntc^ bie
Xeibia^ fftt anbete tietlocen 1^
<5)en!e btr eine SBtttoc in SIrmut; pe nur eine etn^tge
%oä)ttx, biefer ^oc^ter aber Ijat bie Statur ftiefmütterlic^ faft
jcbci5 SBcrmögen öerfagt, ber äJ^utter Sage ju linbern —
benfe bir biefeS unglüdlid^e iD^dbci^n, eS feufjt unter ber
ff^koeten 9&iibt, mit i^ren fd^nwi^en ftrdflen burd^ nnerK
f^öpflic^e @rftnbfamleit boS Oiid^en, \M 9lid^tS, boS fie iMt*
mag, gur Sinberung ber Sage it)rer aJJutter beijutragen. @ie^,
baS ift Sarmtierjigfeit! Äein S^eid^er njirb bie taufenb XJ)aIer
bran rücfen, um baS burd) einen Slünftler malen 5U laffen;
benn ed (ftfet ftd^ nic|^ maten. @o oft aber ber umme^
Wfwm, ber ber Shtiter Setftanb tfi, ^n bnnnt, fiel^
bod arme SRAbd^ Befd^dmt; benn „er", er tonn fo tne( t^nn
— feine ^arml}eräigfeit üerbunfelt bie beS SKäbdjen^! Sief)
ja, in ben ^ugen ber SBelt, üieüeic^t aud^ in ben ^ugen
da^ fiünftlerS unb eines ^unftfennerS.
60 menbet fi4 benn bie 8^ebe an bt^ bn (Slenber, ber
btt gar nichts §u t^un t>ermagfi: tergig ntd^t barmtier^ig jn
fein! ©ei barm^er^ig; biefer Xroft, ba§ bu eS fein fannft,
öoüenbS ber Xroft, bafe bu eS bift, ift ttjeit größer, aU menn
ic^ bir bafür bürgen fönnte, bag ber ilJ^äc^tigfte bir 3arm«
l^igfeit ernieifen tpeAt. @ei bamt^ig gegen nnd
fi^eret S)etn ttmmerltc^ Sdfen ^ nrie ein gefft^Ud^
ttctf ciftttb, WMtm tef BMc IL 11
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— 162 —
(Sintoanb gegen bie uorfeJ)enbe ^iebe, bu tjaft eS bo^er in
betner 9)?acf)t, unö onbcre ängften; fo fei barmt)er5igl
älHil)r(ic^, n)ie öicl Öarml)crjigfeit loirb ni^t bem äÄäc^tigen
unb (^((tdltd^n M)n foUl^ einem UngUidli^n ertotefenl SBoi»
ift tDo^l batmfierstgec, biirti^ fettte SKoi|t ber iRot etnei»
atibent abju^ctfcn, ober in ©title unb ©cbutb leiben unb
barm^eräig barüber tuadjen, baß man ^reube unb ®Iücf
ber anbem nic^t ftöre? SScr liebt am meiften: ber ©lüdlic^e;
bec an onberet Reiben teilnimmt, ober ber Unglücflid^e, ber
für anbetet ^eube unb too!fyct ^ieilno^me ^?
,,^ie ^auptfad^e ift aber bo^, ba^ ber 92ot auf
jebe SSeife a6gel)o(fen unb rtomöglic^ aüe^ getljan
njerbe, um aller ^ot ab^u^elfen." ©o fagt in aller
^utmutigfeit ber irbifd^e ©inn unb Eann nun einmal nic^t
anberd. ^ie (^igteit bagegen fagt: ed giebt nur ein e <9efa^,
bie, bojs ntd^t Sotml^rjigleit geübt ttnvb; fe(bft koenn alkt
fftot abgel)olfen teürbe, mügte bied ja nid^t nottoenbig bur^
SÖarmljcr^igfeit gefdje^en fein, unb bann tüäre baö Slenb, baß
teine ^arml)er5ig£eit geübt tourbe, ein gri)^eted i^enb aU
alle jeitltcfie 9^ot.
S)te ©ac^e ift bte, ba^ bie S^t bie (StoigCett nt^ tief
fte^t. S)em irbifd}en @tnn ift unb bfetbt bie ^flnt eben eine
irbifdje unb infofcrn gejdjäftlidjc Sadje, sugleid} ift i^m bie
mtlbe (^abe eine finnlid)e ©röfee, beren SSert barin beftel)t,
ba§ fie ber dlot abhelfen fann. „S)er ^rme, ber (Slenbe
flennte ja ftetben — alfo ift bad bad SBid^tigfte, ba^ ^Ufe
gebraut metbe." S^etn, fagt bie (Emigfett, bod Steifte ift,
bafe S3armt)eräigfeit geübt toerbe, ober baft bie ^ilfe eine %i^t
ber ^ürnü)eräigfeit fei. „©djaffet ©elb, fd3affet ©pitiiler, ba*
ift ba^ SSic^tigfte!" dMn, fagt bie (äroigfeit, baö SSidjtigftc
ift bie 33arm^er3igfeit. SDa^ ein 9Jienfc^ ftirbt, ift im ^iä^t
ber (i^igfeit fein Unglüc!, koo^l abet bad, baft leine IBotm«
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— 163 —
()er5igfeit geübt luurbe. SD^erftrürbigerlreife ftet)t unter jenem
QJcmälbe, ba§ auf bei einen ^eite ein ^Biüd, auf ber anbcm
ein Sotfenboot barfteUt, anä^ nod^ bad SSSort ^rmut —
unb geuKiItfamer Xob; ISo^tftanb — nnb mt&dUf^ %oh,
atfo ^ob auf Beibett leiten. Uttb bie (Stoigfeit ^filt Vit«
erfd)ütterlid) feft, büfe bie ^armt)cr5igfeit baö SBid)tigfte ift.
^ein S)enfer fann an feinen ©ebanfen fo t)artnädig feftt)alten
toie bie ©migfeit an bem irrigen; fein Genfer bleibt fo rufjig
nnb gefaxt tm bie (Sioigfeit, toenn ber Ilugen6li<{ bt&ngt
unb tteiBt itnb immer toieber atö bod ffiid)tigfte einfd^ärfen
toiü, bafs eben ^ilfe gefd)afft tocrben müffe. Unb fein Genfer
iueiö fo fieser ttJte bie ©migfeit, bafe bie 5Kenfcf)en enblic^
beigeben unb feinen ÖJebanfcn benfen muffen; benn biefe fagt
einfad^: koarte nur, nnir fprec^en uni^ in ber (&m%tät, unb ha
reben toir einzig unb allein tion ber Sarm^igleit nnb
einzig unb oOetn tmn bem Unterfcfjieb, ob barmt)er5ig ober
unbarmt)er§ig. bafe id) baö ®efid)t barftellen fönnte, bag
bie (Stüicifeit machen irtirb, njenn ber fficidjz auf bie grage,
ob er barmtjeräig geiüefen jei, antn)ortet: id) t)abe l)unbert*
taufenb ^^ler an bie Slrmen gegeben! S)enn bie (Swigfeit
nnrb oertounbert anf i^n Bliclen knie einer, ber bie Sorte
etneiS onbem nic^t faffen fann; unb bann toirb fle i^m bie
grage n^ieber toorljaüen: bift bu barnitjer^ig geirefen ? ^enfc
bir, ein SD^ann ttioÜte mit einem 33erg ober bem äöinbe über
feine ^(ngelegen^eitcn f^jrec^en: e§ U)irb ber ©migfeit ge^n
loie bem ÜBerge nnb bem )Binbe, fie loirb ebenfo koenig ber»
ftef)en, toaS ber Keid^e bon feinen i^unberttaufenben, ber
äJMdjtige üon bem rebet, maS er afleö gctt)an ^abc.
3ft e!§ ©armljer^igfeit , ben Hrmen §unberttaufenbc
ju geben? 9iein. Sft eö ^Barm^er^igfeit, ben Firmen einen
Pfennig ^n geben? S^ein. S)ie ÜBarm^er^igfeit liegt barin:
töie gegeben koirb. So mad^en aber bie ^unberttanfenbc
Ii*
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— 164 —
iinb bcr ^fenni(^ feinen Unterfdjieb, b. ^. id) fann btc SBann*
Ijerjigfcit ebenfo gut im einen ttie im anbern fe^en, b. ^ bte
IBatm^^igfeit faim in btefem ebenfo offenbor fein, toxt in
|enen. Ser^tt ft(| abet bte Sad^ auf biefe Seife, fo
lonn td^ bte Oatrm^ierjigteit eigentlid^ am Beftcn in bem
Pfennig fe()en; benn äufäUigeriueife Ijaben bie §unberttaufenbe
eine gemiffe öebeutung, bie (ei^t bie finnlic^e ^ufmerffamfcit
ouf fi(^ 5ie^t unb mid^ l)inbert, bie ^arm^et^igfeit fel^
3ft ed ÜBarmj^et^igfett, aUed für bie (glenben jn t^un, »emt
man alled für fie t^un !ann? iRein. 3ft ed Satm^er^igfett,
ein D^ic^t« für bie ©lenben t^un, »enn mon fo gut toie
nichts für fie tl)un fann? 9^ein. 2)ie 93arm()eräigfeit liegt
barin: toic bie§ 5(IIeö unb biefeg 9f?i^tö get^an toirb. 5)antt
!ann td^ ja aber bie ^arml^er^igleit in biefem ^Uem unb in biefem
Stid^tö gleid^ gnt feigen, nnb bann fann id^ fte etgenilic^ am
Befien in biefem fflxd^t^ fe^en, benn bai^ „^tSeS" ift eine
glänjenbe SuBerlic^feit, bie jufälligerttjeife eine geroiffe 33e*
beutung ^at, tuelc^e auf ba^ ©innlid)e in mir ftarf einwirft,
bie ^ufmer!fam!eit leidet auf fic^ ^ie^t unb mic^ Derl^inbert,
bie IBarm^igfeit p fe^.
Ski inid^ bad toieber nnb nrieber Belend^n. SBenn
b« bie iöetoegungen, bie Äreife beobachten möd^teft, bie ein
(Stein bilbet, ben bu inö SSaffer njirfft: toürbeft bu bann in
jenes ferne Saub reifen, too ein mächtiger äBafferfaU fi^
braufenb in bte Xiefe ftürjt, unb bort ben ©tein hinein«
merfen, ober ȟrbeft bu i^n in bad anfgeregte SReer n>erfen?
SRein, bad ttiiirbeft bn nid^ t^nn. ^enn ber @tein lofirbe
jnjar bie 33en)egungen unb Greife l^ier tüie überall machen,
aber bu fönnteft fie nid)t rerf)t feljen. lüürbeft alfo im
©egenteil ein fteineS, ftiHeiS äBaffer fuc^en (je Keiner, je
beffer), ben @tein ^neintt»erfen nnb nun burd^ nid^td geftdct»
bod nid^ 3ttr @ad^e ge^rte, bie gan§e SEnfmerffamfett auf
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— 165 —
Wc ©eoBot^tung btcfcr SSetoeguttgen tt<!^ Umtn, — ÄBa«
öerfte{)ft bu unter einem bebeutenben 9J?enfc^en? ®oc^ tDO^
einen fold)en, ber bebeutenben inneren SScrt t)at? SBenn bu
bid^ nun ernftli(| in bie ^etrad^tung etned fold^ SKetifd^n
Mrtiefeit tMft, iitöd|iefi bu il^ bann inmitten ungelösten
Wetd^tnmd, mit Stent unb Sonb gef^müdt fe^en? ober
glaubft bu ni^t, joldjc ^inge würben bid^ gerabeju ^inbem,
fein bebeutenben Snnereö beo6ad)tcn? audE) mit ber
öarm^erjigfeit. S)ie S3arml)er5igfeit ift baS ttja^r^oft S5e»
beutenbe; bie ^nnberttoufenbe ober bcA n^CUed". im )0e(t(i<i^
6tntte, balS man leiftet, ift bie Sebentenbe (Ba6e, bie 6e»
bentenbe ipilfe. Riebet ift aber jjened Sebentenbe baiS, auf
baS man fe^en foH, baö anbere baö, üon bem man abfegen
foK. Unb au§ 2J?i6trauen gegen bicf) felbft münfd^eft bu
ban n^eg, t)on bem bu biKl^ abfegen foUft — ac^, unb bie
S^t gUntbt tnd leid^ auf bie Satml^ei^gfett onfmeid^om
5u teerben, menn btefe ^nnbecttonfenbe giebt, ati^ koenn {!e
einen Pfennig giebt; fic glaubt alfo om Ici^teftcn burd^ boiS
auf bie Söarm()er§igfeit aufmerffam gu n^erben, öon bem man
bod) abfegen mug, meun man bie ^arml^r^igfeit ret^t
fe^n min.
$Do^ »oUen toir nii|t kiecgeffen, bie Sarml^igleit !ann
man in betbett göden fe()en, in bem Pfennig unb in ben
^unberttaufenben, in bem „5IIIeg", totid)Q^ ber 9JMcf)tige, unb
in bem ^Rxdji^, bt>3 ber (SIenbe Teiftet. Sft aber aud) beutlicf),
ba^ ÜBarmlier^igfeit ba ift, fo tpirft bu bid^ bod^ (eic^t über«
jeugen, ba{) bn nnv um fo fc^loieriger bei ber Sacm^jig*
feit tiedveUen lonnft, je grdger, ftaunenerregenber bie (SkiBe,
je tounbcrbarcr bic ^ilfc ift. & ttnrb t)on bem SIpoftel
^etru^ crääljlt: 5tl§ er einen XageS I)inau{ gum Tempel
ging, traf er einen Äk^men, ber i^n um ein HImofen bat.
^^etmd abet fagte $tt i^m: »®ilbec unb (Stoib l^be ic| nic^t,
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— 166 —
lOQd aber ^Be, bad gebe vä^ bir: im Shmeit 9efu (S^riftt
km 9lo8oret, ftel)e auf wnb ge^e! Unb er griff bei ber
XQd)Un ipanb unb \)ob i()n auf. ^dMialb aber tüurbcn feine
83eine unb St'nödjel ftarf, unb er fprang auf, ftanb unb ging
uml^er". Sßer bücfte be^meifeln, baß bie^ eine %l)at ber
Sarm^i^tglett tiwr, itnb bocl^ ed ift eben ein SSBunbec S)ad
XSttnbet obet jte^t fofort bie Hnfmerffamfeit auf unb
baburd^ tetttoeife öon ber SBorm^rjigfeit ah, bie nie bentU^
lüirb, at§ trenn fie gar nichts tt)un fann; benn erft bann
ift gar fein ^inbcrnid im Begc, ganj^ beftimmt unb genau
§tt fe^en, tt^ai^ ^arm^rjigfeit ift.
IDie (Smigfeit tierfte^ fi(| allein auf bie Satm^jigfeit;
toiüft btt bi(^ btt^ ouf bie öotmljeräigfeit berfte^cn lernen,
fo mufet bu cv^ t)on ber (Smigfeit lernen. SßiÜft bu bic^ aber
ouf baö ©lüige üerfte^en, fo mufe eö ftiüe um bii^ fein, beinc
ganje 5(ufmerffamfeit auf bie Snnerüd^feit gefammelt fein,
%c^, bie ^unbetttaufenbe enegen Huf feigen, fte fdnnen
»enigfien« fo lei^t |[uffe^en enegen; bn toirft tote «lectDtctt
im ^opf bei bem Gebauten, ob mm mt/i ebenfoleid^t ^unbett«
taufenbe geben fönne, al^ uier Pfennig; bein ©inn tciib
jerftreut, erfc^eint bir ein t)errlic^eö Sog, nac^ einem fold)en
ERaftftab ®ute§ t^un gu fönnen. 2>ann ift ja aber ber etoigc
O^ebonfe gefiört: bag M ^talxtS^ bad feiige, bad feligfte £od
fei, Sorm^eraigfeit gu dben. Ünb nun nnb SMrbei
2)iefe ftören U)ieberum fo (eictjt ben ©inn, ba§ Äufecrlit^e
mufe bic§ ftu^ig mac{)en. ^ann aber barfft bu fieser fein, baft
eg nid)t bie SBarml^ergigfeit ift, bu fie^ft; benn bie mad^t
ni(^ ftu|ig. )S3ad ift benn an t^r ä^etfmflrbiged, toenn felbft
bei ®lenbefte (unb ex gecabe am beftenl) Qarml^igfeit üben
lann? D, toenn bu in SBa^r^t bie )8orm!)erjigfeit fie^ft,
fo totdt fie fein (Srftaunen, nein, fie betnegt bid), fie mad)t
atö Snnerlic^leit ben innerlic^ften ®inbru(£ auf bid^. äBann
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ober ift bte 3nn€tnii|fett ittn[)er!ettn6atet aU tottm für bie
fiugeren @tnne gar md^i^ geboten tmrb, ober toetin \M
Viufeere burd^ feine S^iebrigfeit unb ^hinieligfeit ben ftnn*
lid^en '3)ltn\6^tn e^er jurüdjtöBt unb Ijinbert, bie Snner-
Tidifeit ju fef)en? SJft bieg aber bei SBamt^erjigfeit bcc
goU, fo ^ben toit jene SSarml^igfett, toon ber toir ^ier
reben loottten, fie, bie eine ber Siebe ift, felbfi toerni fie
nichts 5U geben ^)at unb nichts ^u t^un t}ermQg.
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Der <Sie0 oerfoiinUdier Ciebe, in toelc^em |te itn
jUienDimbetteit ummnt
ȀSt (@pf)efer 6, 13)! Sft ba8 ote itic^t gar leidet, fotgt
nic^t Don felbft, ba§ man ftanb^ätt, fielen bleibt, wtnn
man aücg übertounbcn l^at? ^ot man toirfüc^ aUeö über*
kDunben, )oaiS foHte einen bann noc^ umreiten lönnen? ^at
matt ttntKid^ aUed übettomtbeti, fo giebt e9 ja itic^td nte^r,
nnber bad man fianb^altett mügte? O, ber 9eprüfte ^oftet
toeife gar toot)!, woüon er rebet! @g ift felbfttierftänbüc^,
ba6, itJer feig unb furi^tfom nie in bie (3t\ai)x ge{)t, auc^
niemals einen ©ieg gen?innt, nie etmaö übertüinbet; ba^ er
Dielme^r {dbft eist Übertounbettfr ift, folgt fc^on baraud, ba^
er fic4 fetbfi aufgab. 9[ttbererfettiS aber ift ein Wtn^, oenn
er aVeiS ftbectimnben l^at, ütettei^ am ttäd^ften baran, aQei»
gu üerlieren — uerliert er in biefem ^ugenblicf etnjüö, fo
berüert er leidet aücS, njaö ja au^ btofe für ben möglich
ift, ber aUeS gettjann; gerabe ber §(ugenbücf beö ©iegeä ift
tneHeic^ ber fd^Unerigfte, fc^ioienger fogar al& irgenb einer
knä^b be9 ©trettft; ber ©tegedruf „aJla ift entfc^ieben"
fann ein bur(i)aug jnjeibeutige^ SBort fein, loenn ci8 in ber
(^elunbe {einer ^ertünbigung bie iBebeutung ^at, ed fei nun
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entfd^ieben, „ba| alied berlotm ifi". @o fatm man alfo
bo^ üon einem <Ste:^enb(ei5en rebcn, rtad^bcm aUcd über*
ipunben ift, ja eö fann eigentUd) erft tion biefem ^ugenblicf
an rec^t baöon bie Siebe fein, ^ieg tüirb fc^on liav, tomn
mit vM bie ^(^e anfd^auUci^ tjorfteUen. ^%\t hu, hai
eitler etmal^ fibcrmiitbe, fo benfft bu i^n in einer nad^ bom
ftbergeBeugten Stellung gegen bad Dorbringenb, maiK tl)m
Wiberfte^t. (Sg fqnn alfo je^t noc^ nid^t im tiefften ©inn
baüon bie SRebe fein, bafe er fte^en bleibe; benn obgleid) ber
äOßiberftanb i^m entgegen fte^t, ^ i^n biefer boc^ in ge«
miffem @inne, i||n, ber ja tiomfiber gebengt ifi aber,
nun ift aOed übetmunben. 9hin gilt t», baft er $a!t mac^
nnb fte^en bleibt, bafe er nid^t burtf) ba« SBotmärttbrängen
im ©iege ben (Sieg nerliert. 'i^erl)ä(t eö ficf) nidjt fo? ^er
<B6^toa^, ber gurc^tfame erliegt bem SBiberftanb; mcnn
aber ber äRutige fällt, ber fü^n in bie ©efa^r ^ineinge^t,
fo f&Qt er gerne »fiber feine eigenen Seine": aü mnttger
a^ann fiberminbet er ben SBiberftanb nnb fftlli bot^. (&t
fällt nic^t in ber ®efa^r, fonbern burd^ fein Söorioärt^brängen,
aljo meil er md)t „flehen blieb".
$auluS jagt anberdmo, bag niir im Glauben me^r ald
fiegen. S^ann man benn me^r ald fiegen? 3a man fann,
menn man fte^ bleibt, na^bem man geftegt ^t; menn man
ben @ieg BeUml^rt, im @iege btetBi SEBie oft ift ed nid^t
üorgefommen, bafe einer ^iDax fiegte, jugleid) aber fic^ fo
anftrcngte, baj er feinem Untergang ni^t einmal mie
jener ^(b^rr nod^ einen ^meiten @ieg brauchte — benn
ber erfte mar fftr i^n genng! Sie oft Cam e^ nic^t Dor,
bag einer ffoax bie Saft ^ben, bie gel)obehe aber ntd^t tragen
fonnte; ober bag einer jtt)ar fiegreicf) gegen ben Sturm t)or=
brang, ol)ne ju ermatten, bann aber ermattet bie äBinbftille
nic^t andren fonnte, bie mit bem ^iege eintrat; ober ba^
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— 170 —
einer a^ge^örttt alle 93itteniiig0loed^fel, ^i^e mtb Mite, er«
tragen fonntc, ntc^t aber ben frf)toierigen Suft^ug im klugen*
hixd be^ (Siegel! Unb trie oft tourbe iiid^t ein ©ieg eitel
genommen, {o bag ber Sieger ftolj, eingebilbet, übermütig,
felbfi^friebeK tmirbe mtb fomit eto lmn| feinen &e% berlorl
eoSen mir benn ben 3n^ jenes (i)N){to(tfi^ Socti
(bag man flehen btel6t, no^bem man oQeS ÄBernmnben ^at)
auf feinen begriff Iicf)cn 5(u§brucf bringen, fo muffen njir fagen:
finb geiftlid) üerftanben immer jmei ©iege unterfc^eiben,
ein erfter <8ieg unb bann bei anbere, in tod6)m ber erfte
@ieg benw^ mitb. üenaner tonn man ben Unterfc^eb beS
frommen nnb beS toeltlid^en ®vin9 gemig nic^t au9btü(fen
aU fo: ber le^terc rebct ftet§ nur oon einem ©iege, ber
fromme immer non jmeien. S)a6 fein SKenfc^ fi^ gtücfüc^
pxti\m \oü, bcoor er geftorben ift (jeber cd alfo ben hinter*
bitebenen überlaffen foft), bad Eann aiid| ber meltlic^ @inn
foffen; l^ngegen nnrb biefer nngebnibig nmcben, fobalb er
t>om anbem @teg teben l^ftri @oII ndmtid^ bie Kebe botMm
ober oom (£tanbt)altcn nad^ bem ©ieg ettoaö nu^en, fo
iommt er um bad, auf toa« natürlich ber meltlic^e @inn
om meiften SBert legt, um hoA, bem^ulieb man alle 8e»
fc^rli^ietten bcS ftam)»fd( andge^ten ^t: bann ttnrb ber
9{enfd^ beffen tierlnfttg, bag er auf feinen ®ieg ftotj fein
fönnte, eö mirb i^m ni(f)t ein 5(ugenblicf Qtxt ba^u öergönnt.
Sm ©egenteil, foba(b er gefiegt ijat itnb er nun ^tuftalt ^um
Xriump^ mac^n toiU, im felben ^ugenblicf fü^rt ber fromme
@inn i^n in einen neuen @lrett, in ben aUerfd^nnertgften,
n»ei( er in i^m, rein innerß^, mit ftdl felbft nnb mit 0ott
ftrettct. gäHt er in biefem ©trett, fo fäfft er tordl eigene
^anb; bcun leiblid) unb äuBerlid) genommen fann id^ oon
ber $)anb eincä anbem fallen, geifttid) oerftanben fann mid^
aber nur (Seiner töten, ndmli^ ic^ felbft; geiftlic^ ixrftanben
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— 171 —
fann feinen Tloxb geben (irer fönnte benn einen unfterb^
liefen ®eift morbenr), fonbern nur einen ©elbftmorb. Unb
{legt ber 3J?en{(^ üt biefem onbem Streit, fo bebeutet bad
gerabe, bo| er tm beut etfien Siege feine (S|yce benn
fiegen l)eigt f)ier ®ott bte (S^ geben. Sm etftcn &mt
tüirb qegcrt bic SEBelt um ben ©ieg gefäm|)ft, ber getronnen
tpirb; im anbern mit ©Ott um jenen ©ieg. Unb nur bann
befte^t ein SKenJc^, nac^bem er alleä übern^unben ^Qt, tuenn
er fofort im iLngenbltd bo» ©tegcd ben @teg an iS^ott ob«
tritt ffift^nb bei» Streü« Mr eS fiete l ffem m ften ber SBibei^
ftanb, i^m gum ©teilen öcrl^alf; fyit er ober ®ott bte
(5{)re be^ ©iege^ gegeben, fo ift ®ott ber Seiftanb, mit beffen
^ilfe er fielen bleibt. S)a6 e8 auc§ ©ottcs öeiftanb loar,
buxd^ ben er ftegte (obgletd^ im äußeren boc^ anc^ ol^ne
«otted a3etftttnb gefiegt »erben fann), bod ift MffL nt5glk|;
iMM eetfknb totrb aber erß bann r«^ bentliti^, menn
ber ÜJ?enfd) gefiegt ^at. D, me(^e %l)ox\)ät in ben 5(ugcn
ber SBelt: bag man @otte^ 8ei)tanb bann am meiften brauch,
tuenn man gefiegt ^at.
60(4 einen boM^eUen Streit i^r bo)ifeUen Steg moUen
nnr nsn ii%r ju« tiegenfianb nnfrer (ErtDogung mad^
Mnn loir ^nbeln:
^on bem @ieg berfb^nlic^er Siebe, in toetd^em fie
ben ftbertonnbeiten geminni
S)ie Sorondfetnng ift olfo, bn ed fi4 um einen Über»
nmnbenen ^bett, ein erfier Steg, ber gemmtnen »nrbe.
Söorin bcftet)t biefer? 3n ber Überminbung beö S3ö]cn burc^
ba^^ ©Ute. 2)«: ©treit fann (angmierig unb befd)tt)erlirf} ge*
nug gemefen fein; benn foü ber ßiebenbe bag ®öjc mit
bc» (^uten fibemnnben« fo ift bad ja nid^ anf einmal ober
mtk einem Schlag abgonad^, im Oegenteil n^b ber ftan4»f
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— 172 —
oft immer anftrengenber unb (roenn man fo tutÜ) gefät)rlid)cr
— foll^ man näm(icf) üerftef)cit tuitl, IpqS ba§ ®e{ä^rlic^e ift.
Sc mcl^r bei Äicbenbe bem iiicblojen an ©utern emiejen \)at,
je Ifinger^ut er i^m ÜBöfed mit iiiutem t)ergoIteii l^t: befto
n&^v bmmt getanffetmaien He dkfa^, ba| bo^ |n(e|t baft
8dfc ben 8ie6enben übetttriiibe, loemt tttd^t onf anbete 9{rt,
fo büc^ bomit, bafe il)n falt unb g(eid)gültig gegen einen
fo lieblofcn 9J?enfd)en mad^t. O, ba bebarf eg eineS uner«
grünblic^en 8Reirf)tum§ öon @üte, luie nur ber fiiebcnbc i^n
l^t, etned imaudldfc^Ud^, teinen, ft&ttg eooficmenbeti ^mM,
mm man ed auf bte S^nge auft^Iten foH, baS 80fe mit
Sutern gu oergelten! — S)iefer ©ieg fei alfo geloonnen, ber
ßicblofc ü6ertt)unben.
SEBte h)Qr nun jener (Streit üerteitt? ^tuf ber einen
@ette ftanb bet iBiebenbe (obet ber ber (ibk, tote mir
auc^ nennen ttnnen; benn in biefem erften Streit und»
nod^ nic^t redit offenBor, ba^ er ber Siebenbe ift), unb auf feiner
©eite ftanb aud) bo^ ®ute. 2(uf ber anbern ©eite ftanb
ber Sieblofe; er fäm^fte mit |)tlfe be§ S3öfen. @o ftritten
fie. 3)ie Stufgobe bcÄ iöiebenben mar, ftcf) felbft in bem
i^ttten 3u b&oa\jm, bomit bai» 8dfe feine äl^ad^ Aber i^n
geminne. <Sr ^tte alfo nid^t fotoo^I mit bem Sieblofen
tfinn ote mit fic^ fetbft; nic^t um bc« Sieblofen, fonbcrn
um beä ©Uten njitlen, alfo ouc^ in ebtem ©inne um feiner
felbft ioillen, ftrebte er in biejem Streite ju fiegen. ©o
ftritten alfo betbe gegenetnanber, ftanben gefonbert ba, in
gaoiffem @inn mar @treit untoerfö^nlic^, mie ber Streit
gmif^en bem (i^nten unb bem 8öfen e9 ift; ber eine ftritt
mit ^i(fe beö @uten, ber anbere im S3unbe mit bem S3öfen,
unb biefer rettete mürbe überiinmben.
Deränbert fic^ bie 8cene; öon je|t an mirb ed
re^t offenbar, ba| ber eine ben Streit in Sid^ fö^rt; benn
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— 173 —
et ffimpft md|t hUi% bafüt, bag in i|m felbft hcA (Hute Der«
Meibe, fonbetn t>erföt)n(ic^ crfämjjft er bem ©utett tu bein
fiicMofen bcn Sieg, ober er fömpft bofür, ben Übcnpunbe =
nen ju getoinnen. (So fämpfen bie beibcn atfo eigentlid)
nid^t tncfir gegcneinanber, benn bcr ÄicBenbe fQmj)ft auf feiten
bed geinbed für beffen üßorteil; er mta bie @a<^ bei» iBieb»
lojen ^um ©teg bur^fämpfen.
Sbai ift t)erföf)nHdE)e Siebe. S)enn fommt bein geinb
ober njer bir ©djaben äufügte, gu bir unb fucf)t lieber
JJrieben — unb bu bift bereit, it)m oergeben, fo ift baä
ja f^ön unb löblich unb quc^ liebettod t>on bir. Wkx todd^
)ßangfamfett! @ag nic^t, „ba^ bn fofort Dergabft, foboib
er bid^ bornnt bot" bebenfe Reber btc gan^ anbere @cf)nenig*
feit ber tua^ren ßiebe, tvdd^c ind)t nur fdjiieü uergiebt, uienn
ber anbete barum bittet, fonbern gar nid)t bnrauf Ujartet,
bid biefer, fc^neEer ober langfamer, fommt, fid^ alfo gor nic^t
t>on ber ^nettigfeit bed onbem abhängig maci^en unb ba»
burd^ tDefentlid^ langfam merben tmQ, audl n^enn ber
anbere gufäHig boib fommt. Songc, lange, et)c ber ©egner auf
grieben benft, ift ber fiiebenbe bereite mit it)m auggejötjnt,
unb nict)t nur ha&, nein er ift auf beö geinbeö ©eite über»»
getreten, lönipft für feine (^d^e, orbeitet ^ier für frieblid^en
Sludgleid^ ob er nun tierftanben ober nif|t oerftanben )oirb.
<Bte^, bad !ann man einen SiebeiSfireit nennen ober einen
@treit in ßiebe! äJ?it berSBoffebeö ©uten gegen ben geinb
§u fämpfen — ba§ ift löblid), ebet; aber für ben geinb —
unb gegen wen? gegen ftd) felbft, wenn man fo miU, ^u
föni))fen, bod ift, ja bad ift tiebeOoU, ober bad ift bie Der«
fd^id^ ßiebel Unb fo ift fie in ber ^eiligen ©ii^rift auc^
borgeftcHt. 5We 8Borte (outen: „wenn bu beine ®abc auf
ben ?I(tar opferft unb Ujirft allba eingebenf" — ja
benfft bu foUte nun loeiter folgen, bod^ m)^, ^bai bu ettood
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— 174 —
utbet jemanben l^ft"? f^iit aber ttid^t ^flnn, ba
fte^: „ . . . unb toirft allba eittgebenf, ha% bein 8rubet
ettood ttnbet bid) f)abe, fo lag aUbo t)or betn 9iltax beine
®abe (beim mit ber ®abe J)at e^, trenn fo ftc()t, feine
@i(e) unb get)e juüor ^in unb üeriöt)ne bic^ mit beinern
trüber (benn mit ber ^erjö^imng ^at ed (£ile, auc^ um ber
@^abe kDiUen, bte am |[Uare toattet), unb aföbann fomm
unb opfere beine ©aBe." 3ft aber ba9 nt^t juuiel Derlongt?
Sßer bebarf benn ba ber 3?erge6ung: ber, n)e((^cr bie 53eleibis
gung ä^f^Ö^^ ^'^^^ treldjeni fie zugefügt njurbe? ®en?iB,
ber 53eleibiger bebarf ber SSergcbung; ber Öiebenbc aber, ber
8}e(eibiQte fü^U bad Säebürfnid ^u »ergeben ober ^rieben p
mac^n, ft^ ju berfd^nen, toetc^ (e^tereiS ni^t mie bad l^r«
geben baronf Sfidfid^t nimmt, toer fdiulbig nnb uiifd)u(big
ift, [onbein liebeuoü e§ Ijinter ben Cljrcn i)at, bafe beibc
^eilc ein unb ba«fclbe brandien. (Sö ift ni^t SSerföl)nüc^*
feit in üüüeni 8inne, öergeben, tuenn um ^krgebung ge*
beten toith; nein, ber UKi^ren lißerfö^nlic^feit ift es fc^on
bann ein Sebürfnid, $n kiergeben, nienn ber anbete bielteic^t
entfernt nod^ nic^t baran benft, SScrgcbung nad^5ufud)en.
5)arum fagt bie 6c^rift: „fei beinem 2Sibcrfad)er ttjiUfäl)rig
o^ne '4^er^ug"; „toiUfä^riger" £anti man aber boc^ nid)t fein,
ald toenn man nur bem eigenen Crange ju folgen braucht;
unb „un))er$üglic^'' !ann man nid^t bergeben, alA menn
man bie iBergebung getoälirt, el)e fie t)erlangt toirb, ja bafür
töm^ft, fie gen)ät)ren ju btirfen, mäl)rcnb öom anberen noc^
SöiDerftanb cntgegenc^cfcnt U)irb — nic^t, meit er nid)t uer*
geben motlte, fonbern meil er bie Vergebung nid)t annehmen
loill. O, ac^te mo^t barauf, mie bie üBer^ältnifje liegen;
benn bad toa^r^aft S^riftlic^ ift immer baiS gerabe (Segens
teil t)on bem, roa^ ber notürtici^e SD^enfc^ am leic^teften nnb
natürlic^ften uerfteljt. „^a^ einer für bie ißergebung £äm))jt''.
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— 175 —
»er berftel^t barunter ntd^t fofott bod, ba^ et fid^ toom
anbern bie Ißergebtttig erfdmpfe — beim inenfd)Iicl} gerebet
t)ält ]rf)on bog teiber oft fc^ttjcr genug. Unb bod) rebcn tpir
gar nid)t baüon, w'w reben üun bcm OebeöDlIen ^'ampfe ba=
für, bafe ber anbere bie 3Scrgebung annetjme, fic^ ücr)öi)nen
laffe. 3ft ba$ nic^t bad ^^rtftltc^? <^ott im ^tmmel ift'»
ia, bev bntd^ bett Xfioftet fagt: «(agt eu(i^ toerfd^ne«''; iiU^t
fiitb e« bie 2Weiifd)cn, bie ®ott fpred)en: ^^üergieb unÄ".
SRetn, ©Ott liebte iin§ juerft; unb baö anbere 9J?a(, atö eS
fid^ um bie 5Öer)öl)nung Ijanbcite, loar &ott ber jenige, ber
5UDor tarn — obgleich tM>n feinem gerechten ^oxnt qu^
fc^on rmt genug ^tte entgegen!i)mmen muffen. @o auc^
5tt)tfc^en ilRenfc^ unb SRenfd); bie toa^re Serföl)nlid^!eit Be«*
fte^t barin, bafe man felbft bie ^Serfö^nung anbietet, m\)U
gemerft, ot)ne bafe man ber ^HT^eitjung bebarf.
®o fämpft ber £iebenbe in ^er)ö^nlid)!eit bafür, ben
Übertounbenen getDtnnen. — (Sinen Übextounbenen
getoinnen! SBelc^ fc^öne üBetmenbung bedSBortd „getoinnen''!
^öre einmal jn! SBenn mir fagen, mon ,,gennnne" einen
6icg, )o Ijorft bu fofort bie ^eftigfcit bcö ©treiteö; fagen
mir aber, man gcminnc einen, man gciuinne iljn für fic^,
»elc^e unenblidje 3Jtilbe liegt nid)t barin I iföaö lautet ein»
ff^metd^lnbei: atö biefet Gebaute unb btefed SSßort „einen
geminnen''? mer fönnte bo an einen Streit benfenl Qu jebem
©treit gct)ören ja ^mei, unb je^t ift nur @incr auf bcm ^iai^:
ber 2iebIofc; benn ber öiebenbc ift in feiner ^l^erfüt)nlid)feit
fein befter greunb, ber ben Übermunbenen gemuinen miü.
^en Übermunbenen geminnen. äBe(d) tDunberüc^e liBerle^rt*
^eit liegt ni^t in bem @an^en! HKan foOte glauben, einen
^u geminnen m&re meniger a(d i^n ^u überminben, benn
ber Überminber „geminnt" e§ ja „über" ben Übermunbenen;
unb boc^ ift inKi ba^ ^otjere, obm\)i man boc^ nur einen
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— 176 —
fibettoutibeiien gekDütnt ^em @toI§ erf(^dttt ed tteHetd^
größer, einen ju übcrwinbcn, für bie Siebe aber liegt ba^
©röfeere in biefem Geringeren, bafe fie ben „Übermunbeneu
gcnjinnt". ©c^öner 8trcit, fc^öner benn ber SScttftrcit ber
Verliebten, koenn bec Siebente aUein fte^n unb barum befto
(iebe)>oUec fehl mui, loeU er aOeinfte^b bie Sierfd^nimg
burc^fe^en mn%\ @<^dner @ieg, ber fi^önfte t)on oDeit, toeitit
eö beiu fiiebenbcn glücft, ben Übertounbeiien 5U gewinnen!
©inen Überttjunbenen gewinnen, «öie^ft bu nun ben
bop^etten ©ieg, um ben e^ fic^ ^ier ^anbelt! S)enn totm
ber £iebenbe nur ben einen 5bm))f famt^fen toiSi, ba^ er
890fed mit (lautem fibertorinbe, nnb ^iebei gefiegt ^at, fo fe^e
er rDo\)[ ju, ban er „fielen Weibe", nod^bem er aUc« über*
njunben t)at. D, njenn er fic^ üon ber £iebe unb bem
frommen (öinn nic^t fofort in ben näd^ften ©trcit führen
l&bt um ben Überkounbenen 5U getpinnen, fo liegt fein %a\i
nur aUiuno^ S)entt ed brol^t bie gef&^rlid^ ftliMie, bo^
man ftolj unb fid^ felbft n)i^tig tterbe, loeit man fo and«
bauernb 93öfeö mit Gutem üergoUen ^ot, unb nur bie ^kb^
tocife glürflid) baran öorbeijufteucrn. ^rittft bu nämlic^
fofort in ben nädjften (Streit ein, tocr loirb bann am
mic^tigften? ^oc^ m^i ber, ben bu getoinnen ttndft? tUfo
fannft bu eiS nid^t »»erben. ift eben bad eine Semfiti«
gung, h>e(^ nur bie Siebe audl^Iten fann. ^enn toö^renb
man üomjärtö fd^reitet, fommt man gleid)fam jurücf; n)ä()renb
man felbft aUeö übermunben ^at, befommt bod^ ber Über-
»unbene grJ^g^re äBic^tigfeit. eingenommen, ber SBruber bed
t>erIorenen @o^ned to&re midig getoefen, aHed für ben IBruber
iu t^un — QHned fonnte er boc^ nie f äffen, bag nSmlic^
biefer midjtiger fein follte ciU er. ^Run für ben Äopf ift ba^
aud) fdnuer ,^u faffen, auf bem äöege fommt eS nie in einen
iU^enfc^en hinein.
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— 177 —
(Siitett ÜBetloitnbfitet! §u gelotitnett tft imtnet
fdjlDierig, l)at ober in uiiferm galt feine ganj be*
fonbere ©djhjierigfeit. (Sin ll6crn?»nbencr fein ift ein
bcmütigenbed ®cfü^l; baruni entbiet;! fid) bcr Übermunbene
om Itebfien feinem Übenmnbei;, benit biefem gcgcnöber tritt
feilte SHeberkge am gteflften ^mot, bim$ fiiemanb foitft
tottb fie i^m fo bentCtc^ t)orge^anett. Hub bod^ foH l)ier
gerabe ber Sieger ben Übertpunbenen gewinnen; fie müffen
olfo 5ufammenöcbracf)t njcrben. g^rncr {)at baö 5>erl)ältni3
J)ier feine eigene (Bc^mierigfeit. S3ei einer minber luid^tigcn
!dnnte ja ber ©ieger bem Ü6ertimnbenen feine 9^ieber^
Inge uertnfc^, btefem fromm Dorffnegeln, bag er rec^t l^be,
t)erföl)nlic^ vmh nod)giebig it)m rec^t geben, too er hoäf
unred)t ^atte. 2Bir tdoUm nic^t entfdjcibcn, in loiemeit ba^
je jnläffig fei; im üorliegenben gall aber bürfte ber Siebenbe
folc^ed am n^enigften Don aQem t^n. äBoUte er bem ^ieba»
lofen einbilben, er ^obe mit bem tion i^m begongenen Un*
rei^t rec^t ge^nbelt, fo loftre ba9 ©c^moc^fieit, nic^t Siebe;
e« wäre nidit 93erfö{)itlic^feit, fonbern ein S3errat, ber ben
(Sd)ulbigen im 33öfen beftärfcn müßte. S^ein, eö ift gcrabe
öon S53ic^tigfeit, eg gehört mit jur 5Iufgabe ber Siebe, ba^
t& burc^ i8ermitt(ung U& Siebenben bem Siebiofen red)t ein«
lew^enb loerbe, tote unoeranttoorttic^ er ge^nbelt fyit, ba«
mit tt)m fein geiler rec^t jnm 8en)ugtfein lomme. 50a8
ftat ber Siebenbe jn bemirfen; unb bomit toirb er ^ngfei^ ben
Übermnnbenen gewinnen, bod) nein, nid)t „jugleid)", bcnn
e^ ift ein unb ba^felbc, ba er il)n nie burd) einen frommen
JBetntg für ftd^, fonbern nur in SSto^r^eit für fic^, b. ^. für
bte SBa^r^eit nnb fftr f!c| gemimten mia. 9e tiefer aber ber
flberwunbene fein Unrecht nnb fomett au^ feine 9Heberfage
füllen lernt, befto met)r mu6 er ficft ja oon bem obgeftofeen
füt)Ien — ber i^m liebenb biejen Qi^uabenfto^ beibringt. D
fticrtegaatb, VMun Siebe. IL 12
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— 178
fc^tüierige ?lufga5e: mit einemmol i^n üon 511 ftofecn •
uub für \i6) 5U gewinnen, jugleid) fo mierbitttic^ ftteng
fein, tüte bie SSki^rt)eit jDibexit, mh txiJki bod^ fo mÜb
)nk bie Siebe ei» ttPftnfd^, um beit jit geimtitiett, gegen ben
bie strenge gebraucht toitbl 9tt Sßa^r^ett eitt Sunber, koemt
c8 gelingt; bcnn toiberfprid|t tt)ie allcg (S^rtfttid^ bireft
bem ©prid^ttjort: „man fönne ni^t jlüei S)inge auf einmal
t^un". ^afe ein Übermunbener ba^in fic^ n)enbet, xdo il)m un^^
ttxil^r aHeS jum iBeften aui^gelegt njirb, bad ift let(j^ ^ ixt^
fie^; fd^koieng abec ift ed, einen bim^ ben fiscngen &pmil^
bec SBo()r^ett für fidj 511 getoinnen.
Unfrc (Srnjägung ^at ung nun öor bie Aufgabe
gefteUt. Söebenfe, toa^ gefc^el)en iüäre, menn ber fiieblofe
mit einem anbcrn Sicbbfen äufammengeftofee» toäre, ber
aUe feine bdfen £eibenfcl^aften beftärft unb er^ ^&tte.
Sebenfe hoB an biefem $alt)»ttnft, nm bann ted^t |n
fe^en, tote ber SieBenbe feine tlufnabe oAgteift.
^cr Sieblofc ift ber Überinunbene. ^Baö bebeutet aber
t)ier feine ^lieberlatje? 5)aö, bafe er bem ©Uten, bem ^^adren
unterlegen ift. Unb mag »iE mm ber Siebenbe? (£r miU i^n
für badiS^ute nnbSBa^re geminnen. Senn abec bie ^iebetUtge
eben bad bebeutete, bag man fftc \M (Bute nnb SSt^te ge»
tominen bnrb, Mre baH fo bemütigenb? 9fd^ nun fc^arf
auf bie üerfö^nlid^e Siebe, ^ex Siebente {teilt namlid) bie
©ad)e nidjt fo bar, e§ fällt il)m ba§ aud} gar nic^t ein, bafe
er gefiegt ^abe, baB er ber (öieger fei — nein, baä (SJute
ift ed, bad gefiegt l^t Um bad ^mötigenbe nnb ^&nfenbe
n»eg|nnel^men, fc^tebt ber Siebenbe ^loifc^ fii^ unb ben
Steblofen ein ^ö^erdl ein nnb fc^afft bomit fic^ f^r loeg.
SBenn ba§ 3]erl}ältm8 jlDifc^cn 3J?enfdj unb 9J?enfc^ ludjt
burd^ ein SDritte^S Dcrmittelt ift, fo muft uugejunb merben,
au ung^ftüm in ber (^^mtnit^ie obec Süitipati^ie. S)iefed
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1)ritte, in ber ©prac^e bcr SBiffenfc^aft bie Sbee, ift ba^
äBa^re, bad @ute ober rtd^tiger baS (^otteiSüer()äItnid; biefed
5Dntte ift je noc^ Umfiftnben bod Hbfft^leitb^ ober bai»
SKIbembe. 9ßQt)rüc^, baju ift ber SteBenbe taftoott, ttm
fic^ felbft beni Übertüiinbenen gegenüber fteUcn unb ben
©ieger 511 fpielcn, ber jeinen ©ieg geniefet — toa^renb ber
anbere ber Übertpunbene ift; ba^ ^iefee ja gerabc IMo^
etnett anbern 3)?enfd^en meiftem toodeii. ^urc^ bad dritte,
loeld^ ber Qte^nbe stoifd^ fte ^itemfdlob, ^nb fte dette
gebemütigt: benti ber Siebenbe bemfitigt fic^ nor bem (Stuten,
beffen geringer Liener er ift unb gtuar, njie er fetbft befennt,
in atter ©c^n?ad)l)eit; unb ber Ubertt)unbene bemütigt fid^
nic^t üor bem Siebenben, {onbern öor bem ®uten. Sterben
ober bie ^toet mitetnatiber gebemütigt, fo liegt barin für
fetnett etkoad 5Demfitigetibe& Sie belebe fann bod^ bie
ßiebe fein, toel^cr ^CQufenbfünftrer ift fie bod^! ffioHteft bu
lieber, id^ follte „ernfttidier" rebcn, 0 bu barfft glauben,
bem fiiebcnben gefällt es^ am beften, menn iifi fo rebe; benn
gelingt un^ baiS, toa^ und mit bem (^infte ber (^toigfeit be^«
f (^ftigt, fo rebet ^ier bie f$reitbe am Uebften auf folc^
SBeife. & liegt aud^ in biefer Krt fid| ^tt fin|em, eine
gemiffe ®erfti^mtf)eit unb tnfofern totebet eine Kebenbe
9tücffid)t auf ben ©djutbigen; ad}, eine 5(uöföl)nung ift fd)on
oft mi^gtüdt, ir»cil man bie ©adlie ju ernfttjaft einleitete,
b. ^. tDeil man uon @ott bie ^unft nic^t gelernt t)atte (bie
man bod^ lion i^ott lernt), mit tiefem, innerem (&m\t bie
^<^e f 0 leicht unb f))ielenb fertig p Bringen, tote bie SBa^r«
l^it eÄ nur ertaubt ©taube nie, bag Srnft ein toerbriefelic^eS
S53efen ift, glaube nie, ba^ biefe§ nerjerrte (SJefid^t, bei beffen
5lnblid einem übel tt)erben fönnte, ©ruft fei; ber fannte ben
(&mft nie, ber nic^t 00m @rnft gelernt l)at, bag man auc^
)U emft^aft t^un (ann. 3ft bir ber SSunfc^, beinen SBiber*
12*
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— 180 —
fadjcr 5u gctuinncn, rcd)t jur anbcnt Statur getoorben, fo
tüirft bii mit biefer 5(rt üon 5hit(]aben üud) fo öertraut ge*
iooKben fein, ba^ fie bic^ tpie Aufgaben htx ^unft befdjäftigen
lönttcn. 3ft tiiir in bir ein beftänbiger ftifc^er S^fLai Don
JBtel^ e9 nur bamit feine SHtc^ttgtö, fo mhrb man ttn^l
awl^ Bd^be in bei @ad^. @te^ ahn in bem affenfd^en
felbft no^ ^inbcrniffe entgegen, mufe er fiel) biiidj ben ftrengen
23efct)( bcö (S5cfcl5e^o noc^ felbft jnjingcn laffcn, mit feinem
^ibei jacher fid) auiZ^^ufd^nen, fo \vixt> bie 6ad)e leidet
ecnft nnb mibglüdt nntflid^ — oor lauter (Smft 2)iefe
w^fie (^ft^fttofcU" in aOen (E^ren (^nmal gegenftbec bet
Unöcrfö^nüc^feit), bod^ fotlen Urirnn^ i^ernu^t befleißigen;
nein, bie tüaijxt Siebe fonn ganj bct)enbe fein.
(So üerbirgt benn ber Sieben be üor bem Übermunbenen
auc^ tim&i aber nic^t n^ie bie fd)n)äc^Iic^e dkd)giebigfeit ba0
SBa^te, nein ec ttnUxq^ ftd^ felbft. Um feine @ttitaing )n
mad^en, ift et gUt4fam nnr fo Mtänfig qui| ha; benn bk
er^Bene SD^ofefMlt bei ^ntm nnb Kahren nimmt offe Hnf«
mciEfamfeit in 5(nfprud). 5[d)tct man tjicrauf, fo mitfi an-
gc|id]t^3 fü(d)er Srljabcnljcit ba^ bif5cl)cn Unterfc^icb 5tt)ifc^cn
iU^enfd) unb äJ^enfc^ uon f elber oerfdjloinbeti. Unb fo benimmt
fid^ bie )^be jpL ieber^ S)et iva^re Siebcnbc, bet trat
leinen $vei9 bod geliebte SRfibc^en fecw flBeriegen^ {^fai
Joffen mfld^te, bringt i^r boÄ SBa^re fo bei, bog fie bie SBe»
le^ung burc^ it)n gar nid)t mcrft, er lodt cö am \[)x felbft
^erau^, legt e§ it)r auf bie Sippen, unb fo fagt nidjt er
felbft, fonbern fie eö, ober er förbert bie SScit)rl)eit §u Xage
nnb mbirgt fid^ felbft 3ft e» etloa bemttägenb, onf btefe
SBeife M SBal^re p (evnen? Unb nt^t anbete ifk cft M
bem Übetmunbenen, um ben ed fid) ()ier t)anbelt. 56en 9[n#»
brud beö ©d)mcr,^cö über baö l^Borgejatlene, bie 33ctrübnid
übet fein begangene^ Unrecht, bie 3itte um Vergebung: all
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— 181 —
bic§ nimmt ber Siebenbe gcroifferma6en f)tn, (cgt ciJ abtc
mit einer ^(igen ^eu fofott loiebet beifeite, loie man
ettoad beifeite (egt, bod einem nid|t angehört; er fül^rt oUeS
«ttter einen ^ö^cren ®ertci6t«punft unb gicbt e8 ®ott, bem
ja aii(^ gcljört. So marf)t'ö bie Siebe jeberjeit. SBenn
bog 9}^äbd)cn in feiner nnbe[cE)reibri(^en greube über bag
(S^lud ber ^Bereinigung mit bem (Siebten biefem bafür banfen
imiQte, mfttbe et ba nic^, menn et mitüic^ liebte, biefed
Scltoüic^ tiet^inbettt unb fügen: „nein, Siebe, ba9 ift ein
Heine« aRifeDcrftänbni«, unb 9[»i6t)erftänbniffe foßen fi^
glDifc^en ung nic^t ein)d)(cid)en, bu foUft nicf)t mir bnnfen,
aber &ott foUft bu bonfen, menn btc« &iüd fo grofe ift, loie
bu meinft. X^uft bu bo«, fo bift bu ouc^ gegen jeben Stttum
gefic^; benn mAte bein W&d boc^ nid^t fo gtoft, fo toot
bod^ ein gro^ mU, bag bu O^ott boffit banttefi" —
ipierin liegt auc^ eine öon ber »a^ten Siebe unzertrennliche
©i9enfct)aft berfelben: i^re I)eilige ©c^amljaftigfeit. ^cnn
be8 SGÖeibciS ©c^amtiaftigfeit be^ie^t fic^ auf ba^ i^atürUd^c,
ergebt ober eben über biefe^, mo^tenb tt)re SBcrte^ung fc^mer^t;
bie ^ige ^c^ml^ftigCdt bagegen be^ie^t ftc| batouf, ba|
^tt ba ift, unb bemütigt ben aH^enf^en. ^e (eifefte ^in«
beutung auf ba^, ttJODon bie ©c^om^aftigfeit nicfjt njcife,
ma'c^t boS SBeib befangen; fobalb aber ein 9}?en{cf) in feinem
5ßerl}ältnig ju einem anbern bebenft, bafe ®ott ba ift, ent*
ftet)t bie ^eilige ^erfd^&mt^it $Slan fd^ömt fic^ nt(^t oot
bem anbent SKenfd^n, fonbem bot bem dritten, bet sugegen
ift, ober man f^mt fic^ ))ot bem anbetn IRenfd^en, fofem
biefer burc^ bie ©egcnnjort beö ©ritten ein anbcrcr gcluorben
ift. ift ja fogar in menfdjlidjen 33ert)ältniffen ber gall.
^enn luenn ^mei in (^egenioart beS ^Önigd miteinanber
teben, biefet S)titte abet nur bem einen befannt ift, f o ift biefet
eine etmad onbet«, et ift etkoad befangen — bot bem Mnig.
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— 182 —
Sbn QUtMok Ott QMt» ©egouoact mad^ etiten äßcnf^
bau aiibcni gegenüber befangen; beim (ftoticd iBtffxümxt
wa^ bte ffem ioefeittlic!^ gteic^. 5Det Unterfii^ })Dtfc^eit
t^cn mag im fiftrigcn noc^ fo bebeutenb, mcnfc^(i(^ gcrcbct
fogar t)immelfc^reicnb jcin: (^ott hat in feiner DJtadjt
fügen „loenn äuöcgen bin, njirb niemanb fic^ unterftet)en,
au btefeti Utitecfc^teb benfen, bad to&tt ja fo Diel oli^ m
netner Kmoefenlieit betetnoiibet )it fte^ imb fo t^e»,
att loAte 34 ^ugeoen**.
Sft aber ber ßiebenbe jelbft ber Slkiangcne, borf er
fonm fein 5(uqe aufgeben unb auf ben Übcnuiinbcnen fe{)en,
tDie fonn eS bann fo bemütigeit, ber Übertpunbene fein!
(Sin ^Dhn^d) ift ja befangen, koenn ein anberer auf i^n fehlst;
mirb ober btefet anbete, ber bnrd^ feinen befangen
mac^n fdnnte, felbft babnrd^ befangen, fo fiel)t ja niemanb
auf i^n. (öiei)t aber niemanb auf il)n, fo fann jo bie eigene
Demütigung \)ox beut (Stuten ober oor &ott gar nic^tö SDe»
mütigenbed an fic^ ^aben.
S>er üiiebenbe fie^l a(fo nid^t auf ben Über»
lonnbenen. ^ad koar bad (Srfte nnb foQte bie ^müti»
gung oer^inbem. 3n anbetet ©ejic^ung fie^t ber
^^iebenbe aber hod) auf i^n; baö ift baS 3*^^^*^-
D, fönnte id) eö nur befc^reiben, tok ber Siebenbe auf
ben Überiounbenen bticft, mie it)m bie greube au& ben klugen
leuti^tet, toie biefet Uebenbe ÜBtid fo mUbe auf i^m ml^t, tote
er lodenb nnb minfenb i^n p genmtnen fnc^t! ^btm ed ift
bem Siebenben fo nnbefci^tetbKd^ toid^tig, bag nic^t^ ftötenb
5tt)ifc^en fie trete, bafe nic^t unüer)e()en§ ein ungefd)tc!teö ^oxt
5tüifd)cn if)nen falle, bafj nid)t zufällig ein unt)cilbringenber
iölicl geloec^fclt »erbe, burc^ ben nielleic^t alleö mieber auf
lang Winand mberbt merben fönnte. <^o fie^t ber £iebenbe
ottf i^n; nnb babet mit einer 8tn^ toie fte tinr bad (Mge
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— 188
dncm SV^enfd^ett ge^n fomi. 2)enti fretl^ tofinfc^t bet
SicBcnbe bicfcn Übcrtounbencn getoinitcn; fein SSßunfc^ ift
i{)m aber 511 f)eilig, um leibenfc^aftlid^ tücrbcn, tuic fonft
ein äÖunfd^ tüirb. 2)er 9)?enfcE) tüirb biirc^ einen (eibenf^aft*
liefen SBunfc^ oft faft toic trunfen: bie 0ieinJ)cit unb ^itigfeit
tiefet SBunfd^ giebt aber bem Siebenben eine er^bene 8lu^,
bie toiebet ba^u f)t(ft, beit &t% toerföIinttd^eT Siebe ge«
»innen, ben f(i)önften ©ieq, aber aurf) ben fd^toicrigftcn, ba
I)ier bie ©tärfe nic^t genügt, fonbern eine €>taiU in ©c^aa^*
^eit fein mug.
^ ed aber ettoad ^emütigenbeiS an fid^, fügten, bog
man einem anbem fo toi^tig ift? 9ft t» fftr boi» SK6b(^
bemflttgenb, bog nm i^re Siebe angehalten toirb; foS ^ fie
bemütigen, ba^ ber SBunfd^, fte ju gewinnen, ben 93etreffenben
offenbar unb öicl befd)äftigt; foll e§ fie bemütigen, jum t)or*
aud feine greube ju fe^en, bie i^re ©intoiHigung i^m mad^t?
fRein, bad boc^ tool^l nic^t. SBer aber in kjerfö^nlid^r Siebe
ben flbeilimnbenen getoinnen nnO, ift ja eben in bem gaff,
bag et in toeit Ijöljcrem ©tnn nm einei» anbetn SlVenfdjen Siebe
anl)ä(t. Unb ber Siebenbe meift nur all^ugut, toie fcf)tüierig
eö ift §u freien, einen Dorn S3öfen §u befreien, i{)n, ben Über*
tounbenen oon bem bemütigenben ^efü^l erlittener Sfiieberlagc
)tt befieien, $tt befreien Don bem betrübenben 8ekDu|tfetn, bag
er SSergebung branc^e: alfo troft aU biefer @(!^ttrierig!eiten
feine Siebe gu gewinnen.
^ennod) gtücft eö bem fiiebcnbcn, ben Übertt)unbenen
geminnen. ^Itled ©törenbe, jeber benfbare 5tnftoft ift n?ie
burc^ einen 3^^"^^^ entfernt: n)ät)renb ber Überrtjunbcne um
Vergebung an^&U, ^It ber Siebenbe um bie Siebe bed Über»
nmnbenen an. O, baiK @)>ri(|toort: „ttne bie Qfrage fo bie flnU
mort" bod^ ntct)t rec^t; nHe alle @t>rtd^to0rter menfdjlic^er
fttngl^, fo ift auc^ biefed hux^ bad (^^riftentum unn)atjr
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— 184 —
gettjorben! §liif bie grage be^ Übcmunbenen: „t)aft bu mir
nun auc^ ücrgcbcn?" antttjortet ber £iebenbe: „üebft bu mi^
nun toixtLid)?" S)ad ift aber !eine ^ntioort auf bk gtage.
9^eht, bau f ott fie aud| nt^t fein, ec f(^t ftd^ auf bie gcoge
nad^ ber SScrgebung ju onhoorteti, ba^u ift er tne( $u tieBe*
tooll, benn biefeö SSort fönnte bic 8arf)e leicht in {djabHc^em
©inne ernft madien, befonberö iDcnn ber S^oc^brucf barauf
gelegt toürbe. SBunbeibared ^efpröc^! (^iS ift fo^ufagen tdn
&nn baim,, ber eine fragt ja rec^id itnb ber anbere ant«
mortet na^ ImU: nnb bo^, ia bie Siebe berfie^^ eü ido^I,
bo(^ tmrb mit eht nnb bemfetben gerebei
^tt Siebenbc aber betjätt ba§ le^te SBort. SDenn eö
tinrb ml)i noc^ eine g^itlöng än^ifd^en ben beiben fo ]^ingc!)en,
bag ber eine fagt: „\)a\i bu mir nun aud^ toirflid) hergeben''
unb ber anbere ermibert: «liebfi bu miil^ nun aud^ loirflidg".
* S)oc^ fief), nientanb, nientanb fonn mit einem Siebenben
ou«^ttcn, aud^ ttjenn er um SBergebung bittet. 3"^^^*
er e§ aufgeben, immer mieber nad} ber ^-öergebung ju fragen,
<So i)at er gefiegt, ber Siebente, benn er ^at ben Über«
n^unbenen gen^onnen.
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I
I
I
IX.
mit tote in £iebe ^^tx^xbtm gekniutt.
^irnüi 22, 11. »cUie leife üOer rinoi SMCR, Ntttt er ifl |«f
IRitlc gdotttlRai.
^^ürd)tct man auf ble eine ober anbete SBeifc bie Über^
^^^^ \idit über baö äl^annigfaltige unb SSeittäufigc Der*
limm, fo fu^t man fic^ — bei^ VUkthM» loegctt einen
Infsen SnbcQciff ^n|en in Mben ober gcfoi ^n laffen.
@o ift ber ^ob ber Vkt^tt Snbegrfff bed Sebend, im ^obe
^aft bu fur^ unb fnapp uor bir, tva^ ba^ Seben fül^rt
unb Xüixh. 253er in Söa^r^eit über ba§ S[J?cnf(^enIeben nacf)-
benft, fann ba^er nid^t um^in, an bec ^cutb biefed furzen
Snbegriffd immer tmx^ bie $cobe |tt mad^, toaii er bom
Seben tocrftanben -^enn fein 5Denfer bemetftert bail
Seben fo toie ber Xoh, biefer Tnäd)tigc 5E)enffr, ber niii^t nur
jcbe ©inncötäufd&ung bi§ auf ben ®runb burd^benft, fonbern
fie and) in ben ®runb benft, burd) fein ©enfen in nic^tö
auflöft. SBiU [id^ al{^ beine i^etradjtung ber mannigfaltigen
flSege bei^ i^nd Dermirren, fo ge^ l^inaui^ ben Xoten,
bei bcnen ,,alle Scoe infammenfaufen" — *fo ifi ja ber
ÜberHit! (ei^. föenn bn bie Ungleid^^ten beS Seben«
onfel)en unb ant)ören mnfjt, bir fc^tüinbelt, fo Qtf)t t)inaud
5U ben Xoten, ba U)irjt bu $err über fie; benn „unter ben
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— 186 —
©tau6ücnpanbtcn*' gicbt c§ feine Ungreic^()eit, fic finb eine
SBerloonbtfc^aft. 3)enn bafe atle aj^enjc^en 95(ut§t>ermanbtc
ftnb, alfo eiltet 8IutS, bieje Sebenduenoanbtjc^aft icirb \o
oft im Scben ticrieugnet; bag fie aha etnei» ©toobed futb,
Iriefe SjibeMrimitibtf^aft (figt itu^ tiericiigiicii.
3a, ge^ etnnuit ttneber f^au9 %u bot Xirteit, tnn bort
baä lieben auf§ Äorn ju ne{)men; fo greift e^ ja ber Scftü^c
nn, er fuc^t ftc^ eine «Stelle, wo ber 5^inb nidit i{)n, er aber
ben ^einb treffen faim, unb wo t^m üoUe 9iut)e jum 3ielcii
(^e(af jen ift. ^ nic^ eine Ü6etibftitiibe, benn
bte Kn^, bte im fC6enb imb im <Attthltfyn SciUpetteit in«
müten ber ^oiett liegt, ift oft nic^t toeit tHm einer gen)iffen
Ukrfpanntljcit, bie onftrengt unb „mit Unruhe föttigt", neue
^äi^d aufgiebt, anftatt bie aufgegebenen ju erflären. 9iein,
ge^ 5citig am 5^ormittag ftinauö, nienn bie 3)?orgenfonne
Unnf^ ben Qa>^^ bux^^ut, l^ec )Bi(^t, bort ^^otten
^imoirft, toenn bed Qkirtend €c^n^ unb %tmiWiSitdt,
loenn bad 3^tf(^ent ber t60ge( nnb ha9 bunte Seben brausen
bid^ faft tjergeffen läfet, bafe bu unter ben Xotcn toeilft. (SiJ
miH bir üorfommen, aU ujäreft bu in ein frembe^ ßanb ein«
getreten, bo3, unbefannt mit bcS Sebent ^Nertrirrung unb ^tx^
ilftftung, im gufianb ber ftinb^t oerblieben ift, aud tonter
Keinen gfamilien befte^b. $ier anlen n&mti^ ift emii|t,
tooS im ßebcn öergebcn« ongeftrebt ift: bie gtcid^ ©crteilnnö-
Sebe gamilie (jot ein fleine§ ©tücf Sanb für fic§, ungejQt)r
gleid) grofe. ^ie ?(ugfid^t ift ungefä()r für alle gleic^; bic
©onne fann gleichmäßig über ade t>infrf)eiuen; fein f&au
tt^fü fif| fo f^, bag er bem S^bar ober feinem (Skgen^
fiber ben €Hnrnenftra]^f ober bei» Siegen» QSrquichtng ober
ben frifc^n ßuft^ug be« 9ßinbc8 ober ben SBiber^all bei5
3SogeIfang8 tt)egnät)me. Sülcin, I)ier ift aüe^ g(eid) ücrteitt.
S)enn im £e6en begegnet ed loo^l mitunter einer gamilie
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Me TU fteerflufe «itb S5BoJ)Iftanb gelebt l^at, bafe fie fid^ ein*
fd^ränfen muß; im Xobe !)Qben fie fidE) atlc einfc^ränfeit
müffen. 5Iud) eine fleinc Ungtei^^ett fann ba fein, mellcic^t
ein paar ^6)n\) £anb betrogenb, ober bag bie eine gamiUe
einen 8anni befi^t, ber anbete Semo^er ouf feinem
®Mt nic^t ^Qt SBatum tfi too^I Mefe Ungfet^t ba?
5£ieffinntg fd)eräenb totU bid) i{)rc ^Icin^ett baion erimtem,
ttjie grofe bie Ung(ei(^l)eit mx. ©o tiebreid^ ift ber Xob!
^enn ba§ ift gerobe Siebe üom Xob, bofe er in er^cbenbcm
©d^r^ burc^ biefe fleine Ungleichheit an bie grofee ertttnett.
5Der Xob fagt nic^t: „di giebt gar feine Ungleichheit"; et
fagt: „h^^ fonnft bu fehen, iota ber Untetfchieb anMaiht:
einen h^IBen ®(f)uh*'. Sßcnn btcfer Keine Untetfchieb nid^t
h)äre, fo tt)äre ja auch ber Inbegriff, ben ber ^ob bir giebt,
nid)t gang juüerläffig. <Bo fet)rt bag ßeben im Xobe jur
Äinbl)eit jurüd. 3m Stinbe^altei beflanb ja auc^ bie grojje
Ungleichheit, hai eind einen i&aam, eine fbium, einen @tein
Befa^. Unb mit biefet Ungleichheit Mor 5um twtand ange«
bentet, toad ba9 Seben in ganj onbetem äRogftab mit ftch
bringen n^erbe. 9lun ift bag Seben üorbei, unb unter ben
Xoten ift eine fleine Slnbeutung an bie Ungleichheit fteljen
geblieben, gleichfam eine mitb fchet^enbe (i^netnng an ihre
einftige ^ebentnng.
i)\tt ift bet Ott, nm ftSet bad Seben nad^benfen,
hier fannft bu an ber ^anb be8 tutjen Snbegriff« über bie
mancherlei öermirfelten, meitläufigen Sebcnöücrljältniffe einer
Übcrblicf geluinnen unb fie^ft aHe^ üiel einfadjer. SSie foUtc
i^ ba in einet ©c^rift übet bie Siebe bie Gelegenheit nnge«
ittt^ Dotftbetgehen (offen unb bie ^cobt nicht ma^, toa$
bo(h eigentUch bie Siebe tfi SBahtUd^, miaft bn bich techt
t)etgemiffern, loaS öon Siebe in bir ober in einem anbern
^^njc^en fei, fo achte nur auf bad Verhalten gegen einen
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— 188 —
^SerfiorBenen. SßtH ntait Uber ettieti SOtenf^ Oeofiod^tungen
anftcflen, fo ift eS öon SSert, bafe man il)n in feinen
I)ältni)jen anbern boc^ für fid^ allein in§ 5(uge faffcn
lamu ^ec^U fi^ nun ber eine tDtrÜic^e ^knfc^ bem
anbern totrflt^en ä^enf^en, finb alfo .i^rer jmet itnb bad
ißer^ftlttriiS ein )ttfoiiimengefe|te9r fo tft e8 fc^on orfc^koert,
ben einen fftt ftd^ allein jn Beo^d^ten. Ibn eine fie^t uniB
nämlid^ bei ber Beobachtung be§ anbern im Sic^e; audj fann
fic^ ber letztere unter bem ©inftuf? bc§ erfteren anber^ geben,
er in ^a^r^eit ift. ^ier ift aI)o eine boppelte SHec^ming
nötig; bte Beoba(|tung mug ben (Sinfing bed einen, feiner
^erfönltd^feti, feinet (Sigenfd^ften, ^Cngenben nnb Safter, bem
onbem, bem SSeoBod^teten, immer Befmtbetd in 9^ed^nung
bringen. SBenn bu einen 9}?enfd)cn ju fe^en befämeft, ber
in DüUem Grnft mit ber Suft feci)ten luürbe; ober n^enn bu
einen Xön^er treffen Jönnteft, ber ben Xon^, ben er fonft
mit einem anbern tan^, für fid^ aSein anffft^rte: fo m&reft
bn am beften im ftanbe, feine Sekoegnngen beobachten,
beffer afö koenn er fid^ mit einem mtrffid^ onbem SRenfd^en
fdjlüge ober ttjenn er mit einem mirflirf)en anbern §D^enfd)en
tankte. Unb ipenn bu bie ^unft Oerfte()ft, im ©efpräc^ mit
jemonb bid^ 5U „niemanb" §u mad^en, fo erfätjrft bu am
beften, nwd in biefem SD^nfd^ toofjßnt. ja, in bem
^r^ftltniiS Sn einem Cerfiorbenen ift ein SRenfdl bod^ allein
ba, benn ein iH^erftorbener ift feine SirKicihfeit; niemanb,
niemanb fann fid) fo gut „niemanb" moc^en, toie ein
SSerftorbener, benn er ift ,,ntemanb". ^ier fann alfo öon
einem bie 93eo6ad)tung erfc^mcrcnben ^inbcrmS nid^t bic
9tebe fein, ^ier mirb ber ^benbe offenbar, l^ier mng er fid^
d^n5 seigen, mie nnb toer er ift. £)enn ein Serftorbener ift
ein ^nterlifttger 9J?ann; er ^ot pd^ ipirftid^ gonj ou« her
(Sac^e gebogen, er ^at nic^t ben minbeften (Hinflug, ber feinem
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Gegenüber, bem Nebenbei!, ^tnberlid) ober förberlicl) lüäre.
(Sin ^erftorbener ift !ein toitflic^r (^egenftanb, ift nur ber
finUki, ber beftftntng offenbart, toaü in bem IBebenben too^t,
ber in einem ISer^ftttntS p il^m bleibt, ober offenbaren ^i(ft,
toie ber Sebenbe ift, für ben er nidjt mel)r ejiftiert.
^enn gegen ^i^erftorbene t)aben tviv bod) tDoiji and)
^flic^ten. ©oüen ttjir bie 9}^enfd)en lieben, bic toir fe^en,
bann mo^l auc^ bie, toelc^e tuir gefe^n ^ben, nun aber
nic^ mel^r fe^n, toeU ber %oh fie loeggenommen Sßan
foQ ben ^oten ni^t mit feinem ^agen nnb ©d^reten ftbren;
man foH mit einem Xoten umgetien Wk mit einem (Sd)tnfcn»
ben, ben man nic^t gu njeden fidi getraut, nicit man Iiofft^
et werbe fc^on Uon jelbft aufmadjen. „3Beinc leifc über einen
Xoten, benn er ift pr 9iu^ getommen'' fagt ©irac^ (22, 11);
imb id^ &intt bad koa^re Vnbenlen nid^ beffer be^eid^nen atö
mit biefem teifen SBeinen, bad nid|t im ^[ugenblid fram^f^
t)aft auf)d5(ud)5t — nnb batb aufljört. Dicin, man füll bcö
^Ncrftorbcncn gcbcnfen, (eife ireincn, aber longe meinen. Söie
lange, tagt fid) nidjt ^um ooraud beftimmen, ba feiner mit
ÜBeftimmt^it miffen fann, toie lang er bon bem iäSerftorbenen
getrennt fein koirb. SBer aber in Siebe eined Serftorbenen
gebcnft, fann ftd^ an« bem ^fattcr einige SBorte gu eigen
madjcu, bie auc^ t)on ber (Erinnerung ^aubcln: „ücrgcffc id;
bcin, fo merbc meiner redeten üergeffen; meine Quwqc muffe
an meinem ©aumen Heben, too ic^ bein nic^t gebenfe, m
\^ biet loffc ntcine ^bc^fte greube fein'' — nnr benCe
er boton, ba^ t» nUf^i feine ftufgabe ift, fofort am erften
^ogc bie Söorte nac^gufagen, fonbem ftd| fetbft nnb bem
SSerftorbcnen in biefer ©cfinnung treu ju verbleiben, auc^
menn er fct)meigt, ma§ gar oft ber 8d)idlic^feit unb ber
©ii^er^it loegen bad liBeffere fein nnrb. Sba^ ift eine ^tuf^
gäbe; unb man tantt'aud^ bei einem mangei^ften dinblkf
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— 190 —
in^ ficben fc^on qenug gcfeJicn t)nbcn, um §u überzeugen,
boB bail 2(nbcnfen an ^öcrftorbene mot)! alö 2(ufgabc, alö
^fLxd^ eingefc^rft rocrbcÄ borf. 5:ie UnjuDerläffigfeit bc«
ciii)i0 fu^ fd^ fikvbifldicii Ocfft^ {dQft ftc^ McOcii^ nie
benttt^er, a& ^ fm Wefcr ^^ro^ Skncnm tffc ate
biefe^ (^cjüt)l ober fein ungcftümcr §(u§6rud) bod) nic^t un«
tDa[)x, b. ^. man meint, maS man fagt, man meint in bem
^(ugcnblid, bo man eö äußert; ober baö ungebilbcte leiben*
fc^fUic^ (Seffit^ 0ef&at ftc^ in ^u^tMat, bie fo ntc^
f octgefe^t »nben ttimen, fo bal bod biti^ boi» @|ifttm
Sfigen geftraft Und», fo anftt^tig ed om^ gemdttt Mt.
man rebet oft baüon, maö für eine ganj anbcrc 2lnfc^auung
öom 9}^enfc^enleben man befommen mürbe, menn all ba§
5U ^agc famc, toai üom Seben jugebedt U)itb; — ads), tocnu
bei Xob mit bem ^txau&t&du, UM er oon ben £e6enben
toetg: koe(f( \^fycMvä^ IBettrog int äRenff^enteintni» eig&be
fic^ ba, ber fihr bie 9l^en^c^enlkbe jebenfoHd feine numittd«
bare görberung märe!
^0 fei benn ^ter, mo mir Dom Seben unb ^Balten bec
Siebe fabeln, anc^ bie @eite nid^t oeigeffen,
SBie mir in Siebe ^erftorbener gebenlen.
toix in Stebe IBerftorbener gebenfen, ift eine
Zf^at ber uncigennü^^iöften Siebe.
2BilI man fic^ überzeugen, ob bie fiiebe ganj uneigen*
nüttg ift, fo mug man jebe iD^ögüd)feit einet liBetgeltung
entfernen. 2)iefe f&Ilt abet einem ^kcftoxbenen gcgenäber
böQig tteg. ^(t g(et(^mo^( bie Siebe an, fo ift fie in
S23a^r^eit uneigennügig.
5)ie Sßergcltung für bie Siebe fann fetjr öerfc^ieben fein.
SD^an fann ja bireften ^^orteil unb (SJeminn l)üben; unb baö
ift mliL \aii immec bie ifUg/d, biefed ir^ibnifc^e", „hai man
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^ 191 —
bie KeBt, Me t» toergetten föntieit". fBcrgcltung ift
tjon ber Siebe felbft ücrjdjieben, ift it)r uiigteid^artig. ®ie
ßiebe fann aber and) eine gleichartige ^krcjeltung finben, bie
Gegenliebe. Unb in ben meiften ä)2en{d)cn ift t)od) tüo^l fo
Did (i^uM, ba| fie Mefe Hßergeltimg, bie ^anfbotfeit, (Sr^
!eitittß(|feit, (S^eti^, tut^ btc <8egctilie6e ist bet Siegel
fflt bie §auptfatf)e anfel)en tücrbcn, ttjenn fie au6) in anbetet
^infic^t in it)r feine 5i5ergeltung )et)cn moüen unb barum
eine i^iebe be^^alb nic^t füt eigennü^ig l)alten möchten, toeil
fie eine fo(d)c Vergeltung fud^t — 5Der Xote ober äbt in
feiner SBeife )6ecgelinng.
9n biefer $infid^t gleid^t bod Itebenbe finbenfen an
einen 3,^erftotbcncn bet eltetlidjen Siebe ju ben Äinbern. ÜDic
Altern lieben bie ftinber foft e^e fie ba finb, unb lange be-
öot fie ein S3ett)UBtjein baüon ^aben, alfo fc^on alä S^idjt*
fetenbe. @in ^etftotbener ift aber au^ ein S'^i^tfeienber;
itnb bad finb bit yoei größten ffio^^aten: einem äÄenfd^en
bad Seben geben unb eindi ÜSerftorbenen gebento;
füt bie etftere giebt c^S aber eine SSetgeltung. SBcnn bie
(Sttetn gat feine |)offnung, gar feine 5lu§fid}t l)ütten, an
ben £i:inbetn einmal greube erleben unb i^e il;itebe be«
lo^nt 5u fe^n — ia, bann koäre man^i Vater,
man(^ SOMter, bie trogbem in Siebe aQcd ffir bie ftinber
tfjm bei mand^ aber toftrbe bie Siebe au^ ebenfo
getuife etfaltcn. ^flid^t, aU UJülIten mx einen )üld)en Vater
ober eine foldie SD^uttcr fofort für lieblos erflären; nein,
ober bie Siebe in i[)nen toäre bo^ fo fd^mad^ ober bie (^elbft'
liebe fo ftar!, ba| fie biefer froren ^ffnimg, biefer er'
sumtemben ^Tniafid^ bebftrf ten. Unb mit biefer ^i^mtng,
biefer Ibtöfic^t ^at ed nun einmal feine ttic^tigfeit. 2)te
©ftern fönnen gu einanber fagen: „eö liegt freilid) eine lange
3eit t>oi mtfrem Ueinen ^nbe, finb manche Satire i aber
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in biejer ganzen ßtit ^aben toix boc^ aud) greube an i^m^
iinb t)or allem \)abtn tote bie Hoffnung, ed loerbe und ein«
mal unfre 2ie6e lo^en, e8 tixi^, toeim ed fonft mc|ti^
Iciftet, ttnÄ jur SSergeltttttg imfer Wter frolj mad^en".
^er SSerftorbene {)inßegen giebt nid}t^ jur SSergeltung.
SBcr feiner in Siebe gebenft, fonn tüo'^t aucf) fagen: „c§ liegt
ein langet Seben üor mir, baö ic^ ber (Erinnerung njei^e";
bie Kudfic^t ift aber hn etften ttnb im legten ^ugenbUd
btefe(be, ed fte^ qtui^tma%tn gar feht ^bemiiK tm
SBege, benit eine Äu^fic^t giebt e« gor tttc^t. O, eine« SBer»
ftorbenen gebenfen ift (nac^ einem bem fianbmann ge*
läufigen ?{u§brucf) eine Ijoffnungßlofe, eine unbanfbare ^rbeit^
eine nieberfd)Iagenbe S9efct)äftigung! 2)enn ein S3erftorbener
to&6fit itnb gebeizt titelt ber ^ufunft entgegen, toie bod fttnb
ed ^nt: er imrb nur mtfyt nnb mel^r ber fidlem Sertoefung
%tn IIBeute. ($tn IBerfiorbener erfreut mi nid^, toenn lotr
feiner gebenfen, ujie ba^5 ^iinb bie SU^utter 'erfreut; auf bie
grage, tuen- eg am liebften ^abe, antmortet bicfeö: „bie
2J?utter"; ber Skrftorbene aber liebt niemanben am meiften,
er fc^nt ja gar niemanben p Heben. O, ed ifl fo Der«
ftimmenb, bog er fo rui^ig im ^Be brnnten Bteibt, M^renb
bie @cf)nfuc^t nacf) i^m 5unimmt; fo öerftimmenb, bafe on
feine "Jlnberung gu benfen ift unb nur bie 5luf(öfung un*
aufl}alt)am üor fic^ gef)t! S53oJ)I mof)r, er niadjt aud) feine
9J?ü^e, mie bad Äinb mitunter tf)ut; er tjerurfac^t feine fc^taf»
lofen ^H&^tt, ttenigfteni» nid^t burd^ bie äRü^, bie er ma^t
— benn, fonberbar genug, ba^ gute JHnb bereitet feine fc^Iaf»
lofen S^äd^te, ber S5erftorbene bagegen «m fo mef)r, je beffer
er mar. Söenn bann aber baS Äinb aud) nud) fo üiefc
3Jiüt)e madjtc, fo ^at man boc^ bie Hoffnung unb 5luöfid)t,
trerbe fie einmal mit feiner i^egenliebe lohnen; ber Xote
aber übt gar feine Sergdttnng: ob bn fd^lafloi^ bt^ nad^
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f el^neft, obet i(|tt gati} tiergeffeft, fc^ettit ü^m bad gati§
8(ei(|gfl(tig fein.
SBtHft bu bi(^ ba^cr felbft ijrüfen, ob bctne SicBe un»
ei^ennügig fei, )o ac^te einmal borouf, toie bu bicf) gegen
ein ißerftorbene^ *öert)ältft. Sn öielcn, jtteifelloiS ben meiften
fallen tDütbt fid^ bie 2xtbt bei genauerer Prüfung atö
®tVb\Ükbt audloeifen. 2)te ®ad^ tft aber bte: bei ber Siebe
gegen Sebenbe befielt bod^ in ber Äeget eine Hoffnung, eine
^tu^fic^t auf SSergeltung, föcmgftenS auf Gegenliebe; unb
im allgemeinen erfüllt fie fid^ and}, ^iefe Hoffnung, biefe
Slui^ftd^t unb bie Vergeltung, bie bann fommt, lägt aber nic^t
gan^ befttmmt.fe^, ttod Siebe unb toad ©elbftliebe ift, meit
man nici^t ganj beftimmt fe^n fann, ob unb in tteld^em
@inn bte SBergettung ertoortet ttrtrb. ©cgcnftber einem S5et*
ftorbenen bagegen ift bie 53eurteilung c\an^ kidjt. rtären
bie äJienfc^en gemöljnt, in SSat)r^ett uneigennü^ig lieben,
fo märe getni^ auä) bad ^nbenfen an bie ^erftorbenen anberd
ge|>f[egt, ate ed gekod^ntt^ nac^ ißei^iu^ ber ecfien, julvetten
aiemlic^ futsen 3^ ^ if^ in rotUfj/n man aüetbing^
feine Siebe ben SBerftorbenen mit ©d^reien unb ßärmen
faft unanftänbig ju äußern liebt.
2)a6 rvix in Xiiebe Verftorbener gebenten, ift
eine %^at bec freieften Siebe.
Um re^t §tt pt&\m, ob bte Siebe gan^ frei fei, mu^
man aHeS entfernen, irgenbnne }ur Siebe nbtigen
fönnte. 2111 baö fällt aber gerabe einem SScrftorbenen gegen«
über meg. ^oU gleic^mo^l bie £iebe an, fo ift t& bie
fxeiefte Siebe.
3ttr Siebe fan^ allerlei ndtigen, tM fUfy nu|t fo letd^
aufg&^ten (ägt. 5Dad ftinb fc^teit, ber SCtme bettelt, bte ttÜloe
beftürmt einen, bie 9lücfftd^t nötigt, bo8 (Slenb gloingt "unb
fo fort, ©ne Siebe, bie fic^ fo aufnötigt, ift aber nie ganj frei.
ftietfcflaaib, XBaUen txr üitbt. IL
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Sc ftärfcr bic Diötiginu] ift, befto tücniger frei ift bie
fiicBc. S)a^ bringen toix bei ber ßicbe ber C^ltern ben
ftinbent getod^itlif^ aitd^ in ttnfc^Uig. Um bie ^Uftofigtett
ted^t $u f^ilbent mh setgeitr tote fie am l^anbjyteiftid^fteit
aliS S'^auc^ auftritt, n)eift man gerne auf tnA hvm geSimie
Äinb l)in, ba§ in feiner ganzen ^ilflofigfeit baliegt unb fo
bcn Altern bie ßiebe glei^fam abnötigt — gleic^fam, benn
in 2ÖirKirf)feit ift ba§ nur bei benjenigen (Sttern ber gall, bei
tod^ bie i^iebe ni^t ift, loie fie fein foUte. 9P[fo ho& neu«
geBorne Sttnb in aU fetner ^ilflofigfcit! Unb bod^, toenn
ein 5[Rcnfd^ erft in feinem (SJrabe liegt, mit brei, öier @c§uö
©rbe über fid^, fo ift er t)itf(ofer alö bag Ä^inb!
S)aö Äinb aber fc^reit! iilönnte baö SJinb nic^t fc^reien
~ fo toürbe gleid^tDo^l manc^ fßata unb mand^ äJhtttec
bem ftinbe alle Ketaibe ^fbge angebe^ laffen: aUetn
mand^ mfttben, menigfieni^ oftmals, ba9 JHnb bann am^
Dergeffen. SBir njoüen ba^er fold)e Altern n^iebcrum nid^t
etroa fofort licblo^ nennen; bod} njärc bie Xiiebe in \i}\m\ fo
f d)n)ac^, fo felbfiifc^, ba^ fie biefec ä^a^nung, biefet S^tigung
bebftrfteit.
S)er Xote bogegen fd^tett ntd|t mie bad fttnb, ec bvtngt
fid^ nic^t toic ber Ärmc in Erinnerung, er jammert unb
flef)t nidjt njie ber iÖettfer, er nötigt nidjt burc^ D^ticffid^t,
er jlüingt bid^ nid^t burc^ baö fic^tbare (Slenb, er beftürmt
bi^ ni^t tote jene SBitkoe ben Sttc^ter: ber Xote fd^toeigt
nnb fagt nic^t ein SSBort; er bleibt ganj fütt, tfi^rt ftd^
nid|t \m ber ©teOe — unb tneQeid^t leibet er aud^ fetn
ÜbeL 9Son niemanb mirb ein Sebenber njeniger beläftigt al«
toon einem ^erftorbenen, unb niemanben fann er fic^ leichter
cntjie^en aU einem ^erftorbcnen. SEBiUft bu bein S^inb nic^t
fc^reien ^ören, fo fannft bn ed p ftemben beuten Winand«
ffyati nm bii^ bem Settel $tt entaie^en, lannft b» ^r ben
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8ett(er „raiü^ ^aufe" fein; ism ütfogirito }tt Netben, fattiift
btt Detmnmmt itin{)ergc{)en; fur^, gegen W SeBenbeit latinfi
bu Qllerfei 3?orficf)t3mQ§regeIn ergreifen, bte bic^ öieUcici^t
hoä) nid)t ganj fid)er ftellen: gegen einen i^erftorbenen aber
Brauc^ft bu nic^t bie geringfte ^-^orfic^t Qn5un}enben unb bift
bod^l gan} fid^r Dor t^m. SBenn cd einem fo beliebt, loemt
^ in feinen ftcam am befien ^a^, ben Xoten je bälber je
lieber liA fein, fo fann et gan§ unbefd^neen unb o^ne
ftd) irt3eub n)elc£)er 5tnflage au^äufegen ungefähr im felben
klugen blid falt luerben, in bem ber %ott erfaltct. 3ft er
nur ©c^anben unb S^ren l^alber (unb ba^ gefd^ic^t bann
ttid^t mit Stftdfic^t auf ben Xoten) batanf bebad^t, bei ber
Seid^an^e ettpad %u loeinen, liegt il^m nur boran, bem
Sßcrftorbencn — ©c^onben unb (5l)ren I)alber bie le^te S^rc
ju ernjeifen: fo fann er ob bem j^otcn and) gerobc^u l)inau§5
lad^n, i^m gar in feine — boc^ nein, in feine offenen ^2lugen
lann er nid^t ^ineinlad^en, benn bie finb nun gefd^loffen. &n
^oter ^t natürlidg gar feine SRec^te im Seben; ed giebt leine
Obrigfeit, bie fic^ bamit befogt, ob bu einen ÜBerftorbenen im
5(nbcnfen bemat)rft, feine DSrigfcit, bie fic^in biefe iserljöltniffe
mifc^t, mie bod) manchmal in baö ^erljäüniä jnjifdjen @(tern
unb ^tnbem — unb ber Xote tl)ut bann gemife felbft feinen
©c^ritt, um einem irgenb»ie befc^koerlic^ ^u faUen ober i^n
5u 5iotngen. — SBiOft bu bal^r bie ^be ma<i^, ob beine
ßicbc eine freie unb ungezwungene ift, fo aditc einmal barauf,
toie bu bidj auf bie Sange ju einem Sl^erftorbenen fteUft.
SBenn eg nic^t fo fc^crj^aft lautete (tt)ie e§ boc^ nur
bem lauten fann, ber nic^t meig, m& (&xn\i ift), fo tooQte
td^ fagen, man fbnnte äber bie %fjiüxt 5um (Sottetofer bie
3nf(^rift fefeen: „l^icr »irb nic^t genötigt", ober: „bei und
toirb nic^t genötigt". Unb boc^ miU id} eö fagen, auc^ eg
fo gefagt ^aben unb babei bleiben, bag ic^ ed gefagt
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— 196 —
fyiht; bcnn ic^ ^aSc mir fo üiclc ®cban!en über ben Xob
gemacht, bag koo^l toeiB: foini einer gerabe itic^t tm\U
^oft umn Xobe rebeit, tDeim er bie im ^obe liegenbc ^nttxfifk,
— ^ a - j j ? - f ^ ? - - iCg Jf, »f**- - f*? • 1*1 1 « . —
inr tbifiDÖfintg nfin^id^ S)ev (Sntft, bet km 5Cok
eignet, ift nidjt ber (^rnft be§ (Stuigen. 3""^ ^n\]iz beS
^obe^ gehört eben baß eigentümlidi ^diftDecfcnbe, biefer tief-
finnig fpottenbe a}iitiattt; lo^erijjen üom i^igfeit^ebanfcn
if^d fnUid^ ctn kaa, oft cot fnc^ @i^CQr oto ui 18cr«
iaibni§ nnt bcnt Ctelglriliyik tHfcn ift cd, tooft €8 fcttt
foQ, fcetlt^ etM ganj anbeted a(8 trte fabe <Entft^Qftig!eit;
— bieje fann allerbing^ einen ©cbanfen öon fotc^er Spanne
unb Xragn^ette, tt)ie bei Xobe^ebank fte ^ am allemenig{teit
{offen unb feft^aUen.
£), mm n bct in bec »dt f0 txel taiim, ba| bkEtcie
frei fein müffe; nm Ühtne ntt|t (tden, fo5aQ> bor geringfte
ßttJCing ftattfinbe; in ©ac^en ber Siebe bürfe man gar nic^t
genötigt merben: nun ja, fo motlen toii benn fc^en, toie esä
um bie freie Miebc fte^t, menn e^ gilt — tm man ber SSer«
. ftobenen in £ic6e gebenet; benn Ott &<fkoKbcna nd^
9a» im Vngenbfkt bcS @d^ribcn9, lK»t man bot Sespoc»
benen mäjit twrmiffen !aim, ba loehit man (ant 3ft bai^
bie fo t)iel befprodjcne freie Siebe, ift ba§ bie Siebe ju bcm
SSerftorbenen? Unb bacauf )c^n)inbet ^c^ritt für ^Bd^titt mit
ber $em>efung, toelc^ ber ^et^tbenc on^eimf&fit, auc^
bad lütbcnfin |ioifc^en bcn ^luigocu mon iMt^
M avA ifjm tvnb; mon ttweb na^ mb nod^ frei Hon biefem
— fdjmcrcn öJebanfen. Sft aber biefe ^rt, frei merben, bie
freie Siebe, ift baö Siebe ju bem 93erftorbcnen? 5)a^ ©-pric^-
mxt fagt fteilic^: «aud beu ^gen aus bem @inn''. Unb
bef f en barf man immct {^ec fein. Im bad @|Mrtt|lDoct im ber
Sdt Sonf nbel, ba tfi^ bo« 8M^, ine anbemfei»
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ebenfo Qmi^ in d^ti[tlic^em (Sinne jebed @))ri^kDort nn*
toaijit ifi
Wim e9 mit dU bem <^tebe tm bcc fetten Siebe feiiK
Kid^tigfeit b. 1^. tKmt knm^ getebt mib gctteftt loMc,
fo Mtbe mon aud^ bk tBerftot6enen anberi^ lieben, al6 man
t[)ut. ^lÜcin bie ©adje ift bie, bafe bei fonftiger menfdjtidjer
Siebe fo oft eine S^ötigung mit unterläuft, tüäre eS and^
ttln: ber tögltd^e ^nblicf unb bie ^n^ol^nl^eit; ballet fann
man «td^ md|t befümmt fel^, tm meit bk Siebe ftet t^rai
Cfegenftanb feft^ält, ober blefer auf Me ehte ober anbete
SBeife nötigenb nodf)f)tIft. (ginem SBerftorbenen gegenüber
lüirb aüe^ offenbar. ,^ier fe{)lt alle unb jebe 9?ötigung. Sa,
bad Hebenbe llnbenfen an einen i^erftorbenen ^at fic^ im
ikgenteil gegot bie SSirflic^feit |tt me^en, ba| btefe bind^
neue mh ttette 9iMMdt irid^t 5» mäd^tig lietbe vstb bad
Httbeitfen ait9t5fd^; e§ f^at ftc^ aud^ gegen bk geit
mehren; furg, e§ barf fid) nid)t jum SSergeffen nötigen (äffen
unb mu6 fic^ bie greiljeit erfämpfen, Hebenb an ber ®r*
innerung feftjutjarten. Unb bie 3Kac^t ber Qtxt ift gro^.
man meiit e» tn/Mi^t in bec geit nid^, toetl bie gett Itfüg
tmt meitig auf ettnnaf iMgtfimmt; btdlcid^t mkb
erft in ber Sroigfeit rec^t inne trerben, Xvtm man jurflrf«
fc^auen unb tua^rne^men muß, tnaö man in ber ßtit unb
feinen oierjig Sauren alle§ gufammengebrad^t t|at. Sör bie
3ett ift eine gefd^lid^ SRad^t; ed löjst fkl in ber geU fo
letd^ mad^en, ba^ man non tuntn oii^gt unb bann oevgt^
too mon abbtad^. Sieft man and^ nur ein groged iBud^ unb
traut mon feinem ©ebäc^tniiS nic^t redjt, fo (egt mau SD^erf*
^eid^en ein; mie oft aber oergifet ein 9J?enfd§ leiber, in fein
Seben Sü^er^eic^n einzulegen, um fid^ bad ^Jlötige mirüid^
oormeclät jn ttnnenl Unb nnn im Sanf ber 9Ni|re einen
SerfbNPbenen im ftabaden an beioa^ren, ber ja (elber bm4
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gar nicf)t§ nac^{)ilft, bet im ® egenteil auf alle 3Beifc burc^
ha^, toad tc t^uX, ober knelme^r babutc^, bog er gar nid^
t^ut, btr ^eigt, Une gar tticl^ tt ftc^ um bein Snbenleii ffimmectl
c9 IdM^ bie ScknlMi §ii mb fagen: hmm )n itii9, im
ttnffen btci^ ]cf)ä§en. ^er SScrftorbcne bagegcn fann einem
nic^t toinfen, trenn e§ anberS fein 2Bun)c| »äre; er fann gar
nic^ tfym, um und an fid^ ju fefjeln, er fann nic^t einen
guHltr tS^tm, tt liegt ba imb lobrb ^ ©taub, f&it Uii|t
ttnnen cS bie SRfi^ bdB SdieiiS nnb bei» tbtgeiibKctt flbet
etnen fotc^en Uitmfid^gen gettmtiten! ®emt^, eS tft ntemaitb
fo l)ilt(od n)ie ein 5?er]tür bener, nnb ^ugleic^ üermag feine
4)ilf(ofigfeit in feiner äBeife ju nötigen! 2)arum ift au^
feilte £iebe fo frei tme bie, vki^ fic^ im liebenben Anbeuten
etsteit Scifloibencit enoeift — bemt biefci» ticiie Sdtbeiifeit
tft tüm^ gan5 anberei», att boB num in ber erfteit 3^
uid^t üergeffen fann.
^afe h)ir in Siebe 5^erftorbcner gcbenfcn, ift
eine Zt^at ber treuejten ^iebe.
Um ted^ p ptSt\tn, ob bie £iebe in einem Wm\fyn
tcen fei, mn| man ollti» entfernen, momtt ber geliebte ®^en«
ftanb ttgenbime %m %tfnt bel^tlflicf) fetn f5nnte. Wl
bog fönt aber bei einem ^erftorbenen lüeg, ber ja fein toirf *
lieber ^egenftanb ift ^It gUic^koo^l bie Siebe an, fo ift
ei bie treuefte Siebe.
S)er Siebe bet äKenfd^ an einanbec fe|tt ei», tok man
oft f|ört, gar ^äufig an Xtene. ^ fd^tebt bann einer bem
onbern bie (Sdjulb 5U unb fagt: „nidjt id) ^abe midö ber*
änbert, er ift ein anberer gen)orben". (SJut. 9^un aber
toeiter: blicbft bu bann unöeränbcrt? „^tin, bad ^atte
natftrlid^ jnr gotge, ba| id^ mid^ anc^ oecänberte''. SKr
ttwKen ^ nnn niS^ erbttem, n>te fbmb)9 biefe betmetnt»
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I
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Ud^ natürlich golge ift, tag ^ mtd^ ))etftnbete, toeit ein
onbeter fi(i^ ijerfinberi 9letii, tm teben boit bem Serl^ltnid
5U einem iBerftorbenen, unb ^ier fanit bod^ lool^I nic^t tjon
einer i^eräubcrung be§ ^^crftorbencn bie Siebe fein. Stritt
in bicfem SSer^ältniö eine SSerönberung ein, fo mu^ ic^ mxd)
loerfinbect ^Ben. Sßillft bu baf)er f)tüfen, oh beine i^iebe
tteu if^ fo aäjitt einmal barauf, loie bu bid| )tt einem Ser«
fiarbenen ter^ältft
"Die 3aci}e ift aber bie: ift n)af)rlic^ eine fd^njterigc
Slufgabe, fic^ felbft in ber 3ett unöcrünbert p erljalten; unb
jugleid^ ift bie ©ad^e bie, bag bie ßiebe ber SKenfd^en ju
aUecIet b^rfigerifc^ d^inbiUmngen größer ifi atö i^ Siebe
SU Sebenben unb Xoten. D, lote manc^ (ebt m<^t in bec
feften Übet^gung boljin, auf bie er ftetben fönnte: njenn
nur ber anbete fid^ nid)t öeränbert ^ätte, fo märe aud^ er
unueranbert geblieben. S)ann bürfte aber boc^ einem Sßer*
ftorbenen gegenüber jeber Sebenbe burd^auS unüeränbert
bleiben? Unb bo^ ifi oieOet^ in feinem Ser^tnid bie
9ktftnbetung fo unoerfennbar, fo grog tok in bem ber
Sebenben ju ben ^oten — bie fid^ boi^ ivo\){ ntd^t öeränbem.
@inb jnjei Sebenbe in Siebe öerbunben, fo l)ätt einer
ben anbern, unb bie ä^erbinbung, in ber fie fte^en, ^ält beibc
feß* fOtit bem SSerftorbenen aber ift feine Skrbinbung mbg«
Itd^. 3m erfkn KugenHiif mttfyn tarn einer oieOei^ no^
fagen, er fei mit il^ Oerbnnben, toeit bte bisf)erige Ser«
binbung nocf) nüd)li)irft; barum ift gett)ö{)nlic^ in biefer Qixt
baS 5lnbenfen an ben ^^erftorbenen am (eb!)afteften. $Iuf bie
fidnge bagegen fann ber ^erftorbene eine 93erbinbung mit
bem )8ebenbcn nid^ fefü^aUen; unb ba» Ißer^ltnid ||drt auf,
menn berScbenbe nid^ bie SBerbinbung mit i^m feftf)ört Sa9
ift aber Xreue? 3ft t& Xreue, toenn ein anberer an mir
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— 200
Sßenn benti bec %o\> hxt Betben trennt, fo Beteuert ber
— getreue Überlebenbe im erften ^lugenbltcf, „er ttjcrbe ben
S5erftorbencn nie öergeffen". D to'it unt)Drfid)tig! ^enn tua^r^
Ii(^, 5u einem ^erftorbenen mui man )}or[tc^tig reben, benn
er ift gar ^mterttfttg; man fann Htm nid^ bon il^m fagen,
ba^ man ü^n „ba fonnt nrieber ftnbe, M man ^ngefe^t
J)ot", öielme^r Seffent feine Sift gerabe bartn, bofe mon
nic^t me[)r mcqkfommt, tuenn man xljn irgenbnjo t)ingc|c^t
fyiL Oft jc^emen bie 3Renjd)en bie 2}?einung Ijobcn, an
einen ^erftorbenen, ber ja tot ift, nid§t$ l^drt unb nid^tiS
eODtbert, fdnne man fo rnigeffi^ |htreben, koad man moUc
Unb bod^, bod^ nimm bid§ am metften mit bem in n^i, loa9
bu einem 58crftor6encn fag[t. einem fiebenben fonnft
bu öieKeic^t in aller 9?ul)e fagen: „id^ njerbe bic^ nie öer=
geffen''. @inb etti^e Sa^re Eingegangen, fo ^bi i^r n^a^r^
fc^Itc^ Betbe bod (S^an^ glödltd^ Dergeffen — mirb
toenigftenS ber fettenere fein, ba| bn ben anbem
ungtädlid^ertüeife weniger tiergegtid^ ftnbeft. 9ltmm btc^
aber t)or jebem 9>erftorbenen in ad^t. ^enn ber Stote ift
eine Qbgejd^loffcne unb bejtimmtc ^erfönlic^feit; er befinbet
fid^ nid^t tote ton anbern noc^ auf Abenteuern, in benen mit
mand^e brotttgen (i^ebniffe fyibm unb fieb^^nmol nergeffen
!0nnen, mad mir gefagt ^aben. 93enn bu §u einem Üßer«
ftorbenen fagft: „bid) njerbe id) nie ucrgeffen", fo ift eö, alö
antmortete er: „gut, fei überzeugt, ic^ merbe ba§ niemal??
ücrgeffen". Unb ob auc^ alte 9)ätlebenben bic^ öerfic^ern,
er ^abe ed tiergeffen: aud bcd Xoten äRunb mirft bu bad
nie $n ^0ren Befamimen. 9ldn, er gel^t an feinen Ort —
aber er toer&nbert fic^ nirf)t. toirft nie einem iBer«
ftorbenen jagen fönnen, er fei älter gemorben unb baburrf)
crfläre fic^ bein ueränberteö S3encl)men gegen i^n — benn ein
Sßerftorbener mirb nt^t ölter. S)tt mirft ^u einem Set«
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— 201 —
«
ftocBeneit itid^ fagen fOnnett, er fei im Sauf bev Qtüt ee«
foHct — beim er ift feitfier Idftet geMrbeit üU het^n^
mal, ba bu noc^ fo tüarm an Siebe loarft; aud) fannft bu
iiic^t lagen, er fei ^öfelic^er getoorben unb bu fönneft il)n
bc^ljalb nu^t me^ lieben — benn er ift je^t nid^t loefentlid^
^ic^ gcMcbeit ab bie fcl^iie toax, iti bie nmtt fi4
boi^ ntc^t iDol^l nerlteüen famt; bn Idimft oiu| iiid^t fageit,
er ^abe fi^ mit onbern eingelaffen — benn ein Sßerftorbener
Iä|t fic^ nid^t mit anbern ein. S^iein, magft bu nun ttJtcber
beginnen, too fielen bliebet, ober nic^t — ein SSerftor*
Sener begiimt mit ber p&alÜi^\Un ^nautgleit tntmet trat
ba, too i^t ftC^n Hiebet S^enn ein iBerftobener ift, koie«
IBO^I uralt cd tii<|t Qiifiel)t, gor ftorf: feine @tdtfe ift
bie, bafe er fid) nic^t öeränbcrt. Unb ein Sßerftorbener ift
gar ftol5. §aft bu nic^t bemerft, bafe ber ©totje gerobe
gegen ben, n^elc^en er am tiefften tierad^tet, fid^ gefliffentlid^
ntc^ mevfeii kffen, gotq^ nmietäiibert fd^emen tM, otö todte
fotttid^td tiorgefaden, um ^iebur(^ ben Sem^lcteii noc^ tiefer
finfen ju (offen? benn ber (Stolpe mod)t nur einen, bcm
er genjogcn ift, tt)ol)Itt)olIenb auf fein Unrecht unb feinen
Srrtum aufmerffam, um i^m fo ^urec^t Reifen. Slber ein
Serftorbeiier — mer nennog f o ftol^ lote er [id^ gar tiii^,
and^ aii^ feise Serai^ng gegen ben Scbenben metlm
loffen, ber i^ mh hai ^bfc^icbsmort Dergt^tl — ein IBer«
ftorbener t^ut ja Die(met)r aüe§, um fic^ felbft in i^ergeffen='
^eit 5U bringen! ^er Xote fommt nid}t ju bir, bic^ gu
mahnen; er fie^t ntd^ im 5Borüberge^en auf bid^; bu be«
gegneft i^ nie; mib tvemt bn i^ begegneieft mib i^n fd^ft,
feine nntotHlfltUd^ SkrAnbernng feinet Iffienen »etrftt bit
toiber jcmcn SBiüen feine 5lnfid)t unb fein Urteil über bid^;
benn ein Xoter ift §err über feine (SJebärben. SBatirlid}, mir
foUen und ^üten, nac^ j£)ic^erart Xote j^rauf^ubefcfimören, ba^
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— 202 —
Vitt fie ft$ twi S t ini ier mi g hxmqtn: ha^&^ßcti^^tt ift gerobe,
bafe fidj her Sßcrftorbene gar nichts merfen lögt, gürd^te
ba^cr ben ^erftorbcnen, fürd^te feine ^c^lau^eit, fürchte feine
Sefttmmt^eit, fürchte feine etörfe, fürd^te feinen ©ti»!}!
hl obn, fo (e^e in Ittbenbcm fLuSMkn, nttb Im
l^oft ftinnt (Sktmb }itt gurc^t; nom tBctflorBencn mib gerabc.
t)on i^m ort Serftorbenem fannft bu bie Sdilau^cit im
2)enfen, bie Seftimmttjcit im 3IuSbrucf, bie ©tärte, unt)er=
ftnbert fid^ gleich 5U bleiben, ben ^tol^ im fieben (einen, toit
ha \M tm fttnent äRenfc^, anc^ hm bcgabteften
lernen fonnfi
Ibtt t Be rpotScit e tiefflnbert fid^ nic^t, ba ift on eine
mögliche ©ntfc^ulbigung, burc^ tt)eld)e bu bie ©c^ulb auf
i^n )rf)ieben fönnteft, nic^t ju benfen; er ift alfo treu. Sa,
baS ift toaf^Vf aßein ec ift feine SBirfHd^feit, mtb er t^t
iNi^ niil^, gor nid^, nm bti^ sn Rotten, wxc finbect ec
fic^ nid^. Setftnbert ftd^ bal^ ha9 Ißer^dltnis S^Difc^
einem ficbenben unb einem ^oten, fo ift bo^ \üo\)l fo öiet
!Iar, bafe ber Sebenbe fid^ üeränbert ^aben mufe. Äommt
ed bagegen 5U feiner ^erönberung, fo ift'S ber £ebenbe, bec
in SBat^^it tren getvefen ift, tten im lie^ben Snbenfen
on — M^cenb ber Xote (eiber ni^ fonnte, nm
btd^ feft^u^aften; toft^nb er tetber oXUs if^at, nm ben
3U erttjecfen, er t)abe bic^ unb tua^ bu feiner ßeit 5U i^m
fagteft, gan^ üergeffen. 2)enn tuer iDirflicJ) Dergeffen ^ot, toa^
man ju i^m fagte, tonn ed bod) bem ^erftorbenen hierin
gteid^nn; er lonn ntt|t fo beftimmt toie biefer oni^
brfiden, ed fei kiergeffen unb mit bie ganje @a<3^, bo^l
ganj^e iBerl^dltniS i^m.
^Dofe tüix in Siebe SSerftorbener gebenfen, ift fo bie X{)at
ber uneigennügigften, ber freieftcn, ber treueften Siebe. ©0
gel^ benn ^in unb öbe fie: gebenfe bed Itoftorbenen nnb
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— 203 —
•
lerne eben baran bie uneigennii^ige, freie unb treue Siebe
gegen bie ßebenben. 5m ^^ert)aUcn 311 einem SSerftorbenen
l^oft bu bcn aKafeftab, an bem bu bid^ felbft prüfen fannft.
äRit feinet $üfe lann man bie kyenuicfeltften, kDeitldnfigfien
Setl^tniffe gana etnfa^ nnb imä^lfti^ ma^; et le^
jene ber ffielt bet WMiä^Uit fo geläufigen (Sntfd^ntbigungen
tnögefamt öerobfd^euen: bafe öielmc^r ber anbere eigennügig
gctoefen fei; ba§ ber anbere fitf) burc^ eigene ©d)u(b in
ll^ergeffen^eit gebraut ^abe, ba et (id^ ja nie in ^rinne«'
nmg btaci^te; ba| enUi(| ber anbete bet Xtenlofe feL
®ebenfe hi& Setfiotbenen, fo tiofi bu, Qbgefe()en tton bem
©egcn, ber bicfe %t)at ber ßiebe unjertrennlid^ begleitet, ju*
gleic^ bie bcfte Einleitung jum richtigen ^^erftönbniS biefeS
Sebent: baft eg nämlic^ ^ßflic^t i)t, bie 2J?enf^en ju lieben,
bie ttnt nid^t fe^, abet and^ bie, tod(^ tm fe^en. brennt
bet Xob bie aRenfd^, bte tDtt fe^, mm m9^ fo fann bo(|
bte ^fli^t, fie §u lieben, rnd^t oufl|dtett, bemt bie ^flt^t ift
enjig; fomit !ann aber aucf) bie ^flic^t gegen bie ^erftorbencn
bie 2Jätlebenben nic^t fo \)on unö trennen, bofe biefe nic^t
(Skgenftanb füt unfete )i^iebe blieben.
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^|£ia§ ©agen ift feine ^nft, aber ba§ X^un". 5)te|e
„flIM fpridjiuörtltc^c 9lebcnöart l)at gang red)t, toenn man
üernünftigertueife bie gäUe unb ^erpltniffe aufnimmt, too
ftnnft imtflid^ im ,,6a^tt" befM^ 5Deitn tute ja
fmtbetfat, tueim einer hi fOi^ )te^ Milte, \)a% bc9
tOid^terd ftttnfi eHett im ^^Sofiett" befiele, ha mol^ md^
jeber eben bag fageu fann, toa§ ber ^tc^tet }o jagt, ba^ et
fic^ baburd^ at§ ^ic^ter bctocifi S^m güt bicd att(^
t)on ber ^unft be« 3^ebner3.
^inftc^Uc^ ber Siebe aber gilt hcA ioeber teiluieife noc^
gan5/ba^ bie jbtift im ©agen befte^, ober ba| bie ftimft,
fte augjufagen, ttjefentlicf) burc^ eine zufällige ©cgabung 6e=
bingt fei. öbcit barnm ift e§ fo erbaulid), Don ber Siebe
reben, »eil man ftetS bebenfen unb fic^ felbft fagett
mttg: «bad fann jeber, oberbad follte jeber tditnen'' — »ogegen
es eine »unberlic^ 8tebe Mtt, ein jeber fei 5Did^ ober
I ÜHtnte ei^ fein. 5Die Siebe, bie olle Unterf^iebe nnb
llnglcid}t)citcn übernjtnbet, bie alle ©anbe löft, um alle mit
bem 53anb ber Siebe ju umfdjtingen, mu§ natürlich in Siebe
barauf achten, bafe l)ier nic^t plö^Iid^ eine eigene Ärt Un«
gleid^^t fid^ geltenb mad^ nnb Oanx^pdii anrid^te.
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— 205 —
SBeU fid^ baiS f o m^it, ttetl feine ,Mn\t*' ift, tnt fHitht
attiittitetfeii, eben tamm ift e8 eine „^tbeit", fie Qii}ii)iteifeit;
beim bet „Ätttift* mitß ein w^Ient" entftnred^en, ber ju^
föHtge SSor^ug befonberer ©egobung; bic „^xbtiV brücft gonj
allgemein bie „^flic^t" jebeS 9}?enfc§en quö. ©o fann benn
baS ©pri^iDort auf eigene Söeife feine totoenbung finben.
SBenit f 0 jiemanb iit etoeY pc^ttg ^iitgetoorfeneit Semetfiingr
in einem xofd^ (Einfall (motan nnfece geit BefonbetiS ®e» -
f^marf 5U pnben fc^eint) behaupten lofttbe, „eS toäte gut,
»enn eö jemanb übernehmen tooUtt, bie Siebe anjupreifen","
fo müfete man ertoibern: „ba^ ©agen ift feine Äunft, mi)i
übte bod %f)un"'f — nur toürbe l^ier bog „%f)ün" eben bad
Bebeuten, ba^ man trfaot"; unb bad @igentftnUid^e toote ba<*
(et, bag (nne oben gezeigt nwrbe) boi» onpteifenbe /,@ogen''
t)on ber Siebe feine ^unft ift, atfo eine 5^unft unb bodf) feine
^unft, fonbern ein einfac^e^ ^f)un, eine Arbeit. 5llfü mufe
man fic^ fol(^c^ ^Inpreifcn ber Siebe gur 5(ufgabe mad^en,
ttiel^ Qdt itnb 0(ei| eiifotbert SB&xe bie ^n)>teifttng ber
Siebe eme ftnnft, fo I&ge bie @a(i^e anbetS. Sbam eine
Ännft ou«jttüben ift nid^t jebem gegeben, loenn er oud^ 3«i*
unb gleiß Quftücnben unb bie Müijz auf fid^ neljmen tüoßte.
5)ie Siebe bagegen ift nic^t tok bie ^unft neibifd^ auf fid^
fclbft unb ba{)er nur toenigen Ucrliel^.. Sebem, ber Siebe
^ben tsM, nntb fie gegeben, nnb n^iE er bie Arbeit, fie
onjupreifen, auf ft^ nehmen, fo niirb e9 dis$ gelingen.
@o n^oHen luir benn betrachten,
ttiie bie Siebe bie Siebe anfireifi
(Sd ^anbelt fic^ um eine iUbet^, unb natürlich um eine
Arbeit bet Siebe; benn fie buin mx in Siebe, beftimmtec in
ber Siebe, bie an^ ber Iföa^rfieit ift, ausgeführt nwrben.
Söir fuc^en beutlic^ madjen, toit baS gefd^e^en nuij.
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— 206 —
Sil! matt bte SteBe att^reifen, fo mu% mon fein
%i)ün in ©elbftuerleugnuug eiutoartö gegen fic^felbft
richten.
2Benn bie £te6e mit ©eminn Qttge))cieien toerben foU,
jo tnitg matt ei^ (aitge 3^ aiti»^(teti, nitc eittett i^banleit
%n benfen; fo mu^ man bie, geiftlid^ t)erftanben, ftrengfte
®ntJ)o(tfQmfcit gegenüber ädern Ungleii^^ortigcn, gremben,
■ §lbüegenben, ©törenben burd)füf)ren unb firf) jeben anbcrn
©ebanfen auf's pünfUic^fte unb get)or(am(te üecfagen.
tft aber fe^r anftrengenb. ^uf biefem SSBege lann man lei^
genug @imt itnb 3tt{ammenl|aitgr ja ben SSerftanb Declieten;
tmb tft bai» (Sine, mit bem mon fid^ befcfjäftigt, eine einzelne
enbUd^c SSorfteUung, nid^t ein unenblic^er ©ebanfe, fo njirb
bieg aud) gefc^e^en. 5ft aber aud) ein njirflic^er ©ebanfe,
eine Sbee, unb njirb fo ber Sßerftanb gerettet unb betoa^rt,
fo ift bie @ad^ boc^ fel^r anftrengenb. (^inttt ^banfen $tt
benfen, b. ^. ton aller Qtt^fxtmmi^ ab» ttnb inftd^gefe^rt
t)on 9J?onQt ju 9J?onat feine ^anb mit ttwic^fenbcr ^aft bie
©oite beö (^ebanfcnö anfpannen ju (offen unb 5uglcid) immer
•ge^orfamer unb bemütiger bie §anb borin ju üben, bafe fic
mit n)Qc^fenber 2eic^tig!eit unb ©efd^meibtgfeit jeben $htgett«
blici, in bem e8 nOtig ift, bie Spannung derminbere imb
nad^toffe; olfo mit fteigenber Seibenfc^aft fcftcr nnb